Verbunden bis in die Ewigkeit von abgemeldet (Meine Seele lässt dich nicht gehen!) ================================================================================ Kapitel 1: Tränen ----------------- Der Himmel über der Stadt war zu einem dunklen Schwarzblau abgekühlt, obwohl die helle Sonne immer noch am Horizont stand. Die Räume und Flure des Asakura- Anwesens waren wie leergefegt. Heute Nacht lag die Stille wie eine schwere Decke über dem Haus. Trotzdem hörte sie, wie Tamara und Trey sich weiter vor ihrem Zimmer herumdrückten. In der abgekapselten Einsamkeit kam ihr der Gedanke, dass Yoh gewusst hätte, dass sie Zeit für sich brauchte. Er hätte es ihnen gesagt. Es war unglaublich, wie sicher sie sich in dieser Beziehung war. Er hätte sie verstanden. Anna hatte keine Ahnung, wie lange sie in hier auf dem Boden lag. Es herrschte völlige Dunkelheit, und das machte es leichter zu glaube, dass alles nur ein Traum gewesen war. Sie hatte längst alle Tränen geweint. Sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte. Es war nicht nur Trauer, die sie hier fest kettete. Natürlich, es hatte längst festgestanden, dass Yoh der jenige war, der seinen Zwillingsbruder töten musste, aber das war nicht geplant gewesen. Das hatte niemand vorhergesehen. Das hätte niemand vorhersehen können. Aber was sollte sie jetzt machen? Wo waren alle ihre Perspektiven hin? Alle Pläne, was war mit ihrer Zukunft passiert? „Wie wäre es wenn du Licht machst? Ist es nicht unhöflich, den Besuch im Dunkeln zu lassen?“ Diese Stimme... Ohne, dass sie auch nur bewusst reagiert hätte, war Anna plötzlich auf den Beinen. Alles was sie sehen konnte, war ein düsterer Schatten neben ihrem Bett. Plötzlich hatte sie das Gefühl, sich keinen Zentimeter mehr bewegen zu können. Unter keinen Umständen. „B- bist du...“ „Anna?“ Der Klang ihres Namens riss Anna aus ihrer Erstarrung. Im nächsten Augenblick war der Schatten verschwunden. Trotzdem konnte sie den Blick nicht abwenden. Ihr Herz schlug immer noch wie rasend. Als nach ein paar Sekunden oder ein paar Minuten oder ein paar Stunden ein leises Klopfen an der Tür die Stille durchbrach, war sie sich zuerst ganz sicher, dass es nur Einbildung gewesen war. Erst als es sich wiederholte reagierte sie, anfangs nur mit einer unwilligen Handbewegung, dann mit einem „Herein“, dem man das Zittern in ihrer Stimme hoffentlich nicht anhörte. „Anna?“ Wieder die Stimme. Die Stimme, die sie seit damals schon viel zu oft gehört hatte. Das Licht griff mit gierigen Fingern ins Zimmer, konnte sie aber in den Schatten nicht erreichen. Wie hätte es auch, nichts konnte sie noch erreichen, nichts. Tamara hatte den Blick gehoben, wenn auch mit Mühe, und Anna glaubte Tränenspuren auf ihrem Gesicht zu sehen. War das nicht auch nur eine von denen, die nur redeten, und niemals etwas sagten? Wie konnte dieses Mädchen ein Recht haben zu weinen? Mit einem Mal wurde Anna von einer Welle alles überbordender Verachtung überwältigt, die aber fast im gleichen Moment wieder versiegte. Das war ein Gefühl das sie, auch wenn niemand es ihr glauben würde, kaum jemals gespürt hatte. Unter dem erschrockenen Blick aus schwarzen Augen wurde das Gesicht wieder abgewandt. Aber das Gefängnis war schon zerbrochen. Zersplittert. Explodiert. Auch sie hatte geweint. Natürlich hatte sie das, sie alle hatten das, aber Tamara weinte nicht mehr. Ja. Es reicht, und das ist die Wahrheit. Ohne der Rosahaarigen, die immer noch stumm im Türrahmen stand noch einen Blick zu gönnen, sah sie zuerst nur geistesabwesend über die Schulter und drehte sie dann mit Schlafwandlerischem Zeitlupentempo zu ihrem Bett um und sank wieder auf den Boden. Tamara beobachtete das alles mit großen Augen, in denen jetzt wieder Tränen standen. Sie war längst nicht wieder so gefasst, wie Anna vielleicht glaube mochte. Die hatte inzwischen eine rechteckige Schatulle hervorgezogen, die nun auf ihren Knien ruhte und öffnete sie mit geschickten Handgriffen. Trotz der relativen Dunkelheit, glitzerten die inzwischen nutzlosen Geisterperlen wie ein verlorener Schatz, als hätten sie ihren früheren Glanz noch nicht ganz aufgegeben. Als Anna Kyoyama sich aufrichtete, hatte sie die Resignation abgestreift wie ein zu enges Kleidungsstück und durch etwas anderes, etwas Beängstigendes ersetzt, das ihre Augen heller leuchten ließ, als die Kette um ihren Hals. Etwas Verbissenes. „Gibt es Essen?“ Tamara zuckte zusammen, als sie ihre Stimme hörte, schüttelte dann aber hastig den Kopf. „Was machst du dann hier? Ryu soll langsam mal anfangen, sag ihm aber er soll nicht den Reis wieder verkochen, wie das letzte Mal!“ Tamara nickte nur und machte sich auf den Weg zur Küche. Als sie die Tür schloss, schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Aber es sah nicht sehr glücklich aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)