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Narben der Liebe

Tintenherz
von

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Schöne neue Welt

Zweites Buch: Welt hinter den Seiten
 

„Folchart.“

Staubfinger zog die Unterlippe zwischen die Zähne.

„Mortimer Folchart. Zauberzunge.“

Er warf einen Blick zu dem kleinen Mädchen hinüber, etwas jünger als Brianna, das selbstvergessen auf dem Boden spielte. Brianna selbst hockte zusammengerollt auf seinem Schoß, zitterte und drückte das Gesicht in seine Halsbeuge.

„Und Meggie.“

Sein Gegenüber, der den Kopf in die Hände gestützt hatte, nickte schwach.

Er war jung, etwa so alt wie Staubfinger selbst, und Staubfinger hatte verdammt noch mal Angst vor ihm.

Nicht nur vor ihm, sondern genau genommen vor fast allem, was ihn umgab.

Glaskugeln, die von innen heraus zu leuchten schienen, ganz ohne dass man Feen hinein sperrte, wie manche Fürstenhäuser es taten, Bilder an den Wänden, so gestochen scharf, wie selbst die besten Maler des Speckfürsten es nicht fertig brachten, ganz so, als habe man die Objekte auf Papier gebannt.

Bücher überall, in Schränken und Regalen, feinster Stoff, den sich kein reicher Händler hätte leisten können, auf dem Boden…

Abgesehen davon war sein unfreiwilliger Gastgeber gerade eben mit Basta und Capricorn gleichzeitig fertig geworden, nur bewaffnet mit einem Schwert.

Gwin keckerte leise und bedrohlich und richtete sich auf Staubfingers Schulter auf.

„Das ist alles meine Schuld.“, murmelte Zauberzunge, und Staubfinger schien geneigt, ihm zuzustimmen, „Wenn ich nicht gelesen hätte, dann…“

Er hatte mehr zu sich selbst gesprochen als zu Staubfinger, doch nun sah er auf.

„Du bist Staubfinger, nehme ich an…?“

Staubfinger nickte schwach.

„Woher kennst du meinen Namen…?“

„Das… liegt an diesem Buch da.“

Zauberzunge schüttelte den Kopf und fuhr sich durchs Haar.

„Hör zu, ich weiß, dass die Situation dir ziemlich seltsam vorkommen muss, aber ich werde mein bestes tun, um euch wieder zurückzubringen... in der Hoffnung, dass es funktioniert.“

Er sah zu Staubfinger auf.

„Aber ihr könnt nicht hierbleiben.“

Sein Blick flackerte zu dem kleinen Mädchen auf dem Boden hinüber.

„Ihr… ich lass‘ mir etwas einfallen. Bleibt hier. Heute Nacht. Morgen sehen wir weiter.“
 

Staubfinger lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und schloss die Augen.

„Ihr könnt auf dem Sofa schlafen.“, hatte Zauberzunge gesagt, ihm eine Decke in die Hand gedrückt und war verschwunden, wohl, um sich um seine eigene Tochter zu kümmern.

Brianna indes klammerte sich immer noch an Staubfinger.

Die Umgebung, in der sie beide sich befangen, musste ihr genauso fremdartig vorkommen wie ihm, vielleicht sogar noch mehr, denn sie kannte ja nichts außer Roxanes Hof…

Roxane.

Beim Klang ihres Namens zog sich Staubfingers Herz schmerzhaft zusammen.

Wie würde sie reagieren, wenn sie aufwachte und feststellte, dass er nicht mehr da war?

Vor seinem inneren Auge sah er sie vor sich, wie sie seufzte, sich das schlafzerzauste schwarze Haar zurückstrich und ihre Decke zurecht zog.

Dann würde sie aufstehen, nach den Kindern sehen – und feststellen, dass Brianna ebenfalls fehlte.

Bei allen Feen, es würde ihr das Herz zerreißen.

Sie würde glauben, dass er sie mitgenommen hatte, zu den Spielleuten, sie würde ihn dafür hassen, seinen Namen verfluchen…

„Wo sind wir, Daddy?“, murmelte Brianna.

Staubfinger legte die Arme um das kleine Mädchen und zog sie an sich.

„Ich weiß nicht.“, sagte er leise und küsste sie auf die Stirn, „Mach dir keine Sorgen, ich werd‘ schon auf uns aufpassen. Jetzt versuch, etwas zu schlafen, ja?“
 

„Schick uns zurück.“

Staubfingers Stimme klang so flehentlich, wie er sie selbst noch nie gehört hatte, und heiser vor Erschöpfung.

„Ich bitte dich, Zauberzunge! Ich weiß nicht, wie du uns hierher geholt hast, aber du kannst uns sicher auf demselben Weg zurückschicken!“

Zauberzunge schüttelte müde den Kopf.

„Das kann ich nicht.

„Du musst!“

Es fehlte nicht viel, und Staubfinger wäre vor ihm auf die Knie gesunken.

„Hör zu, ich verstehe diese Welt nicht, ich kann meiner Tochter nicht einmal etwas anständiges zu essen beschaffen, und das über vier verdammte Tage hinweg! Außerdem ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Basta uns findet! Ich bitte dich, Zauberzunge, versuch es wenigstens!“

Zauberzunges Blick flackerte über seinen Umhang, die Narben auf seinem Gesicht und blieb schließlich dort hängen.

Er schüttelte schwach den Kopf.

„Es tut mir leid.“, sagte er leise, „Wirklich, Staubfinger. Aber ich kann euch nicht zurückschicken.“
 

„Brianna?“

Staubfinger schob ein paar Äste beiseite.

Ja, Wälder gab es in dieser Welt, ohne Feen zwar und längst nicht so wild und ungezähmt, wie er sie kannte, aber es gab sie, und kaum, dass er es aus der Stadt geschafft hatte, ohne von einer jener seltsamen pferdelos fahrenden Kutschen überrollt zu werden, hatte er Brianna in einem dieser Wälder untergebracht.

Hier würden sie vorläufig sicher sein – hoffte er zumindest.

Außerdem hatte er Gwin bei Brianna zurückgelassen, in der Hoffnung, dass die beiden aufeinander aufpassten.

Als Staubfinger die Lichtung jedoch betrat, auf der er Brianna gelassen hatte, war sie leer.

„Brianna!“, zischte er, „Verdammt, wo steckst du?“

„Was verloren, Feuerfresser?“

Staubfingers Magen zog sich zusammen, als er sich zu Basta umwandte.

Er war allein gekommen, offenbar hatte Capricorn sich anderswo einen Unterschlupf gesucht, und er hatte Brianna bei sich.

Sie regte sich nicht, und Staubfinger konnte ein paar Blutstropfen an ihrem rotblonden Haaransatz erkennen.

Er biss die Zähne zusammen und zwang sich, ruhig zu bleiben.

„Was hast du mit ihr angestellt?“

„Ach, die Kleine hat gekreischt und gezappelt, da musste ich sie halt ruhig stellen.“

Achtlos trat Basta über sie hinweg, auf Staubfinger zu.

„Du kommst gerade von diesem Kerl, nehme ich an, der uns hierher verfrachtet hat?“

„Zauberzunge, ja.“, murmelte Staubfinger.

Er rührte sich nicht von der Stelle.

Brianna, Brianna, Brianna…

Was, wenn sie verletzt war?

Basta war nicht gerade für seine Sanftheit bekannt, und er kannte sich kaum mit Kräutern aus und hier gab es auch keine Feen, die sich ihrer hätten annehmen können…

„Hast ihn angebettelt, dich zurückzubringen, nehme ich an? Hältst du es denn keine Woche aus ohne deine Feenfreunde?“

Basta umkreiste ihn, langsam und lauernd wie ein Raubtier.

„Capricorn würde gern ein paar Worte mit dir wechseln. Du erinnerst dich doch, dass er einiges Interesse an deinen Feuerspielereien hegte?“

Basta blieb vor Staubfinger stehen und grinste.

„Ich denke, du wirst mir schon folgen, oder, wenn ich die Kleine mitnehme?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kilia91
2009-06-29T17:50:26+00:00 29.06.2009 19:50
Wieder ein tolles Kapitel^^
Ich habe richtig Staubfingers Unsicherheit und Angst gespürt.


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