Narben der Liebe von BluejayPrime (Tintenherz) ================================================================================ Kapitel 2: Beraubt ------------------ „Staubfinger?“ Roxane nahm neben ihm Platz und strich ihm über den Handrücken. „Kannst du mich hören?“ Er bewegte sich schwach, sie konnte ihn leise stöhnen hören, als seine aufgesprungenen Lippen zuckten. „Pscht.“ Sie griff nach seiner Hand und drückte sie. „Nicht reden, ja?“ Staubfinger antwortete nicht, doch der Druck auf ihre Hand verstärkte sich unmerklich. „Ich muss die Verletzungen säubern.“, fuhr Roxane leise fort, „Damit sie sich nicht noch mehr entzünden.“ Staubfingers Druck auf ihre Hand erhöhte sich unmerklich; er gab sein Einverständnis. „Also gut.“, murmelte Roxane, „Abgekochtes Wasser, Weißdornlösung und Alkohol für die Schnitte… fangen wir mit dem Wasser an.“ Sie griff nach einem der Tücher, die sie bereitgelegt hatte, und schob ihre freie linke Hand wieder unter Staubfingers. „Drück, so fest du willst.“, sagte sie leise und machte sich daran, Staubfingers Gesicht von Schmutz und getrocknetem Blut zu befreien, möglichst, ohne dabei die Wunden auf seinem Gesicht zu berühren. Es wurde für sie beide eine Tortur. Staubfinger zuckte und biss sich die Lippen blutig, wenn sie sein Gesicht nur berührte, und Roxane tat ihr bestes, um ihn zu schonen, doch es gelang ihr kaum. Als sie fertig war, hatte sich das Tuch in ihrer Hand dunkelrot gefärbt und die Hand, die sie Staubfinger überlassen hatte, war rot angelaufen. Sie beugte sich vor und küsste ihn behutsam auf die Lippen. Einem plötzlichen Impuls folgend blieb sie neben ihm liegen, den Kopf an seiner Schulter, und strich ihm behutsam mit einer Hand über die Brust. Staubfinger blinzelte schwach, starrte aus fiebrig-glänzenden, halb geschlossenen Augen zur Decke. „Es tut mir so leid.“ Sie war sich nicht sicher, ob er sie überhaupt verstand, doch sie sprach trotzdem weiter. „Wenn ich Basta nicht abgewiesen hätte, dann hätte er dir das nicht angetan…“ „Wenn ich… auf dich gehört hätte…“ Seine Stimme war so leise, dass sie ihn kaum verstand. „…dann hätte er das… auch nicht…“ „Aber gefunden hätte ich ihn trotzdem, egal, ob du dann daneben stehst oder wer auch immer.“ Roxane fuhr zusammen. Mit einer Bewegung stand sie neben dem Bett. „Verschwinde aus meinem Haus!“, fauchte sie, „Sofort!“ Basta grinste, zog sein Messer hervor und fuhr mit dem Daumen prüfend über die Klinge. „Und wenn nicht, was willst du dann tun, mich ohrfeigen?“ Verdammt! Roxane verschränkte die Arme – mehr, um dafür zu sorgen, dass ihre Finger nicht mehr zitterten, als um sich zu schützen. Basta war sicherlich nicht allein, und sie konnte weder kämpfen noch – Die Lampe. Auf einem Tisch neben der Eingangstür, direkt neben Basta, flackerte ein Windlicht, eine kleine Lampe, die sie gerade benutzt hatte. Hinter sich konnte sie Staubfingers Stimme hören, so leise, dass sie ihn kaum hören konnte, und Basta tat es mit Sicherheit nicht – aber würde das Feuer ihn hören? Basta machte ein paar Schritte nach vorn, auf Roxane zu, die unwillkürlich ein Stück zurückwich. „Na, wie geht es denn dem Feuerfresser?“ „Nicht besonders.“ Nervös fuhr sich Roxane mit der Zungenspitze über die Lippen. Die Flamme der Kerze flackerte leicht, einige Funken stoben auseinander, erloschen jedoch recht bald wieder. Staubfinger redete noch immer kaum hörbar ohne Unterlass auf die Flammen ein, doch sie gehorchten nur träge; er war zu schwach und zu weit entfernt… „Ja, das dachte ich mir auch schon.“ Ein weiterer Schritt auf Roxane zu, sie wich erneut zurück und stieß gegen Staubfingers Lager. „Falls du allein gekommen bist, Basta, kann ich dir versichern, dass du diesen Ort nicht lebend verlassen wirst.“ Irrte sie sich oder war ihre Angst so deutlich in ihrer Stimme zu spüren? „Der Schwarze Prinz ist ganz hier in der Nähe, und wenn er dich hier findet, dann…“ „Ich bitte dich.“ Basta gähnte demonstrativ. „Der Schwarze Prinz hat sein Lager etwas entfernt von hier im Wald, das weiß ich, und er ist genau dort, und nirgendwo sonst. Abgesehen davon bin ich nicht allein gekommen – Cockerell und der Schlitzer warten draußen. Und sie sind nicht die einzigen.“ Ruckartig packte er ihre Schulter, riss sie an sich und drückte ihr einen Kuss auf den Mund, das Messer an ihren Rücken gedrückt. Roxane knurrte leise – und biss ihm mit aller Kraft auf die Unterlippe. Basta stieß einen unterdrückten Fluch aus und schlug ihr mit voller Wucht ins Gesicht. Mit einem leisen Aufschrei ging Roxane zu Boden, stellte jedoch von dort aus erfreut fest, dass Bastas Unterlippe blutete. Er packte sie im Genick wie ein Kaninchen und zerrte sie hoch. „Weißt du, was ich für gewöhnlich mit Frauen tue, die mich zurückweisen?“, zischte er, seine Lippen dicht neben ihrem Ohr. „Du schreibst ihnen Gedichte?“, riet Roxane und zappelte in seinem Griff, es gelang ihr jedoch nicht, sich zu befreien. Sie konnte Bastas Hände auf ihrem Rücken spüren, er legte einen Arm um sie und hielt sie fest, während die andere Hand recht zielstrebig über ihren Körper glitt. „Wenn du mich noch einmal beißt, breche ich dir jeden Knochen, und deinem Feuerfresser ebenfalls!“, zischte er. Sie spürte seinen Atem im Genick und wusste jetzt schon, dass sie für den Rest ihres Lebens nie wieder Minze riechen können würde, ohne an diesen Augenblick zu denken. Noch einmal mobilisierte sie all ihre Kräfte, riss ihren Arm los und griff nach dem Windlicht auf dem Tisch, um Basta dieses mit aller Kraft gegen den Kopf zu schlagen. Sie traf; Bastas Griff lockerte sich und sie befreite sich von ihm. Wütend schlug Basta mit der Hand auf die kleinen blauen Flammen, die an seinem Ärmel leckten. In seiner Hand blitzte sein Messer auf und er setzte dazu an, sich auf sie zu stürzen, doch bevor er eine Bewegung machen konnte, nahmen die Flammen an seinem Ärmel schlagartig Gestalt an. Hinter Basta konnte Roxane Staubfinger erkennen, der irgendwie auf die Beine gekommen war und seine verbliebene Kraft dazu nutzte, die Flammen an Bastas Mantel höher wachsen zu lassen und Capricorns Stellvertreter gleichzeitig so gut er konnte zusammenzuschlagen. Basta schrie auf, als die Flammen an seinem Körper empor wanderten und hastig wandte Roxane den Blick ab und griff nach Staubfingers Hand. „Raus hier! Staubfinger, hörst du mich?“ Der Feuerspucker konnte sich sichtlich kaum auf den Beinen halten, Blut lief ihm über das Gesicht und Roxane musste einen Arm um ihn legen und ihn stützen, doch sie erreichten die Tür des kleinen Hauses, bevor Basta es tat, und gerade, als Staubfinger draußen die Kräfte verließen und er wieder zu Boden sackte, ging der hintere Teil des Hauses in Flammen auf. Später konnte Roxane nicht sagen, wie lange sie beide eng umschlungen auf dem Waldboden gehockt hatten oder wie sie dahin gelangt waren. Sie erinnerte sich dunkel, Staubfinger hoch- und hinüber in den Wald gezerrt zu haben, in den Wald, in der Hoffnung, dass Capricorns Männer vorläufig zu beschäftigt damit waren, Basta zu retten, als sich um sie zu kümmern, doch weit waren sie nicht gekommen; es war ein Wunder, dass Staubfinger sich überhaupt so lange hatte auf den Beinen halten können, und auch ihre Beine hatten ihr den Dienst verweigert. Schließlich waren sie beide, am ganzen Körper zitternd, auf dem Waldboden sitzen geblieben. Staubfingers Schläfe ruhte an ihrer Schulter, sein Blut tropfte auf ihr Hemd hinunter und er hatte die Arme um ihre Hüfte gelegt, drückte sie an sich, als fürchtete er, dass sie verschwand, wenn er sie losließ, während sie noch immer am ganzen Körper zitternd seine Schultern festhielt, bemüht, Bastas Hände aus ihrem Kopf zu verdrängen, die sie noch immer überall spürte. „Es tut mir leid.“, wisperte Staubfinger, immer und immer wieder, „Es tut mir leid, Roxane, es tut mir leid, so leid, ich hab‘ auf Basta gezielt, nicht auf das Haus, nur auf Basta, es tut mir leid…“ „Ich weiß.“ Behutsam strich sie ihm über den Hinterkopf, wiederholte ihre Worte in demselben monotonen Singsang. „Ich weiß es doch, Staubfinger. Es war nicht deine Schuld.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)