[24/7] Zwischen den Zeilen von halfJack ================================================================================ Kapitel 47: Wahre Lügen ----------------------- Wahre Lügen   „Das kann ich nicht.“ Von L gesprochen klangen die Worte unbedeutend und emotionslos. „Ich kann nicht aufgeben.“ Ohne weitere Regung ließ er sich auf dem Sofa festhalten, starrte seinem jungen Partner nur eindringlich in die Augen und wartete ab. Seufzend richtete dieser sich auf, um den Detektiv besser betrachten und gleichsam mit den folgenden Gedanken konfrontieren zu können. „Ryuzaki, du weißt, dass ich in den letzten zwei“, begann Light langsam, „nein, drei Monaten gegen deinen Verdacht angekämpft habe. Ich zweifelte an mir selbst, an meinem Verstand, sogar heute noch. Als du mich entlassen hast und wir aneinandergekettet waren, genauso wie am Anfang meiner Inhaftierung, stets habe ich gedacht, all meine Deduktionen müssten mich am Ende zu meiner eigenen Person führen, genauso wie sie dich dorthin geführt haben. Selbst Kiras Entscheidungen, seine Art zu töten, lassen mich glauben, dass ich auf ähnliche Weise richten würde. Trotzdem habe ich schon vor drei Monaten, allein in dieser verfluchten Zelle, in die du mich eingesperrt hast, in die ich mich selbst in meinem Irrsinn habe einsperren lassen, wieder Mut gefasst und daran festgehalten, dass es nicht sein kann. Warum zweifle ich dann sogar heute noch? Etwa deshalb, weil du mir ständig vor Augen führst, wie logisch diese Schlussfolgerung wäre? Weil du mit deiner These Recht behalten willst und sie mir aufzwingst? Oder weil du das Interesse an mir verlieren könntest, wenn ich nicht Kira bin? Und dann willst du mir weismachen, du würdest dich nicht auf mich einlassen, sobald du dir sicher bist, dass es stimmt? Mir kommt es ganz im Gegenteil so vor, als wäre das für dich der ultimative Nervenkitzel.“ Durch Ls unbedarfte Gelassenheit, seine stumme Hinnahme, hatten sich die Aggressionen im Inneren von Light aufgelöst. Er schaffte es, emotional Fuß zu fassen und seine übliche Beherrschung zurückzuerlangen. Als er lediglich Schweigen auf seine Aussagen erntete, weil L es nicht für nötig zu erachten schien, seinen Freund eines Besseren zu belehren, fügte sich auch Light in jenes unausgesprochene Einverständnis. Er ließ sich von den dunklen Augen gefangen nehmen, bedachte mit seinem Blick die offene, gerade Haltung des Meisterdetektivs, die so ungewöhnlich für ihn war und die erst Light ihn zu zeigen nötigte. Sogar jetzt, in seiner lässigen Zurückgezogenheit, wirkte L begehrenswert. Die Gefühle brannten auf Lights Haut wie saurer Regen. Erneut beugte er sich hinab. Trunken vom Gift seiner eigenen Lügen, der unleugbaren Wahrheit dahinter, merkte er voller Zuneigung, wie die Atmung seines Freundes stockte, doch er wollte ihm keine Gelegenheit geben, überhaupt Luft zu holen, und küsste ihn stattdessen noch inniger. Unter seinem Griff spürte er die Sehnen von Ls angespannten Handgelenken genauso wie seinen Puls. „Du würdest mich doch töten, wenn du erfährst, dass ich Kira bin, oder nicht?“ „Das habe ich nicht gesagt.“ Die beiden Männer tauschten sich nur leise zwischen ihren Küssen aus. „Für die Verurteilung gibt es unser Rechtssystem. Wenn ich das selbst übernehmen würde, wäre ich nicht besser als Kira.“ Light musste grinsen. „Aber L, du bist nicht besser als Kira“, raunte er mit milder Nachsicht. Er verlagerte sein Gewicht, welches er bisher über die Arme ausgeübt hatte, auf die Knie, um den nackten Oberkörper seines Partners zu erkunden. Unter den zärtlichen Berührungen atmete L schwerfälliger. Sein lebloser Blick wirkte unkonzentriert, fast scheu. „Außerdem macht es keinen Unterschied. Kira würde dann also vom Rechtssystem getötet werden, weil du ihn überführt hast. Deiner Deduktion zufolge bedeutet das, ich werde sterben müssen. Durch deine Hand.“ Einen Arm des Detektivs leicht anhebend, küsste Light die Innenseite von dessen Handgelenk. „Du hast es selbst gesagt. Du wirst mich töten. Oder würdest du mich verschonen? Wenn ich dir sage, dass ich Kira bin, wäre der Fall schließlich gelöst. Du hättest dein Ziel erreicht. Müsstest du mich trotzdem erst dem Justizsystem ausliefern? Oder würdest du mich weitermachen lassen? Würdest du dich auf meine Seite stellen?“ „Auf keinen Fall.“ Stechend durchbohrten ihn die tiefschwarzen Augen und vermittelten Light mit eindeutiger Entschiedenheit, wie wenig L dazu bereit war, einen solchen Gedanken auch nur in Erwägung zu ziehen. „Außerdem sind diese Fragen völlig unerheblich. Du würdest dich mir, wenn du Kira bist, niemals offenbaren, weil ich dir keinen Beweis dafür liefern könnte, dass du mir vertrauen kannst.“ „Und wenn ich dich besiege, indem ich deinen Namen herausfinde, möglicherweise den Namen von Watari?“ Erst die Nennung des alten Mannes, der sowohl Butler als auch Mentor des Meisterdetektivs zu sein schien, rang L eine ungläubig erschrockene Reaktion ab. „Was wäre, wenn ich dich unter Druck setze, zusammen mit Misa, deinem vermeintlich zweiten Kira, die mir als Sicherheit dienen würde, sodass dir die Hände gebunden sind? Du müsstest deine Ideale nicht verraten, du hättest den Fall gelöst. Du müsstest einfach nur hinnehmen, dass du gegen Kira verloren hast. Und ich würde Gnade walten und dich am Leben lassen, bis du begreifst, dass Kiras Ideale richtig sind.“ „Ich würde dich hassen, wenn du das tust.“ „Ach?“ Light lächelte bitter. „Nur wegen meines Sieges? Ich dachte, du würdest mich allein aufgrund der Tatsache hassen, dass ich Kira bin. Aber wenn du gewinnst, wäre es völlig in Ordnung, mich an dich zu ketten, obwohl ich dann in der gleichen Situation wäre wie du?“ Eine Hand unter den Körper des Anderen bringend, hielt Light seinen Partner im Rücken fest, während er dessen Lenden hinab über den Bund der Jeans glitt und die Hand in eine von Ls hinteren Hosentaschen schob, wo er ihn sanft packte und stärker an sich presste. „Es gibt keinen Weg“, versicherte Light nachdrücklich. „Keiner von uns beiden würde seine Ideale hintergehen und aufgeben. Vielleicht liegt mein Vater richtig und es geht dir tatsächlich nicht mehr um Gerechtigkeit. Also hör endlich damit auf, in mir Kira sehen zu wollen. An dieser Vorstellung ist nichts Gutes, nichts Erstrebenswertes. Es wird uns beide zwangsläufig ins Verderben stürzen, wenn es so wäre.“ Eine Weile schauten sie einander unverwandt in die Augen, dicht an dicht die Haut und Wärme des anderen spürend, bis L seinen Blick zur Seite schweifen ließ, sodass er sich in der Leere verlor. „Entschuldige, Light-kun.“ Einen kurzen Moment erfüllte Light ein vermeintliches Siegesgefühl, das jedoch binnen Sekunden von einer unangenehmen Kälte verdrängt wurde. Seinem selbstsüchtigen Verlangen sollte er nur so weit nachgeben, wie es die Durchsetzung seines Plans nicht gefährdete. Am Ende hatte die Gerechtigkeit mehr Bedeutung als alles andere. Er durfte nicht mehr zweifeln, auch wenn er zu schwach war, um den Meisterdetektiv eigenhändig umzubringen. Dessen Tod stand ohnehin längst fest. Solange konnte Kira ihn hinters Licht führen und sich mit L vergnügen, bevor er ihn hinrichten ließ. Das Zittern seiner Hände unterbindend strich Light sacht über den Brustkorb seines Freundes, dessen gespenstisch weiße Haut, die sich abzeichnenden Rippenbögen und weiter hinab über dessen Bauch. Als Light sich anschickte, seine Finger unter den Jeansstoff gleiten zu lassen, fasste L ihn rabiat am Handgelenk und hinderte ihn daran. „Warum willst du plötzlich nicht mehr?“, fragte Light kühl. „Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht will, Light-kun. Allerdings habe ich auch nicht gesagt, dass es mir... darum geht. Ich wollte nicht, dass du dich von mir distanzierst. Dein ständiger Sinneswandel irritiert mich. Außerdem habe ich nach wie vor keine Antwort erhalten.“ „Ist das denn so wichtig?“ Noch immer sprach Light teilnahmslos und kalt. „Versuchst du dich gerade herauszureden, weil du dich fürchtest?“ „Ja, vielleicht“, gestand L ungerührt. „Im Gegensatz zu deiner Vermutung jagt mir die Vorstellung, dass du Kira bist, nämlich eher Angst ein, als dass es mich anturnt.“ „Du lügst schon wieder.“ „Ich würde lieber warten, bis der Fall gelöst ist. Solltest du nicht Kira sein, wäre das doch kein Problem, nicht wahr, Light-kun?“ „Und was ist, wenn du vorher stirbst?“ „Das wäre in der Tat ungünstig.“ Gleichmütig lächelte L sein typisch befremdliches Lächeln. „Aber diese Befürchtung könnte dich anspornen, mich zu retten.“ Lautlos schmunzelnd schüttelte Light den Kopf, gleich darauf nickte er. Innerlich schwankte sein emotionaler Zustand zwischen absolutem Chaos und Nichts. Noch war Yagami Light menschlich. Noch hatte er sich nicht gegen seine erbärmlichen Schwächen gewappnet. Einstmals in seiner Jugend, bevor er das Death Note fand, wünschte er sich manchmal, unbeschwert und glücklich zu sein. Allerdings hätte er dafür wahrscheinlich genauso dumm und gedankenlos sein müssen wie der Rest dieser stumpfsinnigen Menschheit. Es war alles so langweilig. Die Welt um ihn herum wirkte verdorben, sinnlos, verkehrt. Er konnte das seltsam tote Gefühl in seinem Inneren nicht mehr abschütteln. Es schnürte ihm die Kehle zu, jedes Mal wenn er sich die Oberflächlichkeit seiner Mitschüler vor Augen führte, die Absurdität massenmedialer Vernetzung, Unterdrückung von Minderheiten, Verworrenheit internationaler Beziehungen, Armut, Zerstörung, Krieg. Würde es etwas ändern, wenn man kämpfte oder sich vergnügte? Würde es etwas ändern, wenn man jemanden hasste oder liebte? Es gibt nichts Komischeres auf Erden als das Unglück. Light war in diesem Moment wirklich zum Lachen zumute. Doch seine Mimik blieb leer. Kiras Herz war erkaltet. Im beruhigenden Klang seiner monotonen Stimme meinte L: „Vielleicht habe ich Todesangst davor, jemanden zu lieben, der mich umbringen will.“ „Was redest du da?“, entwich es Light fassungslos, zusammen mit einem Lachen, das in unterdrückte Panik gefärbt war. Ruckartig wollte er sich von seinem Freund entfernen, doch dieser hielt ihn resolut fest und zog ihn zurück auf das Sofa. „Nicht weglaufen. Komm her.“ Seinen jungen Partner an den Schultern packend drehte L die Konstellation ihrer Körper erneut, sodass Light wieder rücklings unter ihm lag. Dieses Mal zeichnete stummes Entsetzen die braunen Augen. „Keine Angst, ich werde dir nicht wehtun“, versuchte L ihn zu beschwichtigen, während er den Kopf auf dessen Brust bettete und reglos hinüber zum Tisch schaute, wo die Schatten der Puzzleteile im flackernden Licht des Fernsehers tanzten. Für einen Moment herrschte Stille, bis L leise feststellte: „Dein Herz rast, Light-kun.“ Ohne etwas sagen zu können, doch von Widerwillen getrieben, geriet Light in Bewegung, nervös darum bemüht, sich von dem Anderen zu befreien. Was hatte er damals zu L gesagt? Er wollte nur ein bisschen Spaß haben? Solange er seine Ideale nicht hinterging, konnte das schließlich mit der Tilgung seiner Langeweile und dem Streben nach Glück vereinbart werden. Aber was änderte das an der Sinnlosigkeit des Daseins? L und Kira kämpften bereits seit einem Jahr gegeneinander. Bald war das Spiel aus. Der Spaß vorbei. „Du solltest wissen, dass du nicht allein bist“, erklärte L behutsam, wobei er sich ein wenig aufrichtete, um das ausdruckslos erstarrte Gesicht des Jüngeren zu mustern, der den Blick nun in zurückgewonnener Beherrschtheit erwiderte. „Das weiß ich.“ „Ja, du weißt es, aber du fühlst dich nicht so. Das ist ein Unterschied.“ L legte Nachdruck in seine Worte. „Du bist nicht allein, Light-kun. Du bist einsam.“ „Ich habe doch dich, Ryuzaki.“ Wenn auch nicht mehr lange, fügte Light zynisch in Gedanken hinzu. „Du hast gesagt, wir beide sind nicht nur durch Handschellen aneinandergekettet. Vielmehr sind auch unsere Schicksale miteinander verbunden.“ „Und du hast gesagt, solange uns die Handschellen verbinden, gehen wir gemeinsam in den Tod.“ Bedauernd schien L seinen Freund an ihre jetzige Situation erinnern zu wollen. „Aber wir sind nicht mehr miteinander verbunden.“ „Zumindest nicht mit Handschellen.“ Kurzzeitig wollte L nachhaken, um Genaueres über Lights Aussage zu erfahren. Nach einer Pause entschied er sich jedoch anders und fragte stattdessen: „Wünschst du sie dir zurück?“ „Manchmal schon“, antwortete Light sofort. Die jungenhafte Sanftheit und Kälte war noch immer nicht aus seiner Stimme verschwunden, als er L zurück in seine Arme zog. Zärtlich durch das schwarze Haar streichend ließ er dessen Kopf in seiner Halsbeuge verweilen. „Manchmal wünsche ich mir, dass es einfacher wäre zwischen uns.“   Hellgraues Morgenlicht verfing sich in den Rillen der Deckensparren, an den eingebauten Leuchten und halbkugelförmigen Überwachungskameras. Im Widerhall der Stille schaute Light irritiert hinauf. Eine weitere unbekannte Zimmerdecke. Deutlich spürte er das Gewicht eines fremden Körpers auf sich lasten. Er bewegte sich vorsichtig, um den Blick senken zu können. L schien noch immer zu schlafen. Mit seinen entspannten, blassen Gesichtszügen sah er, trotz der dunklen Schatten unter seinen Augen, unglaublich jung aus. Light hob eine Hand und strich durch das wirre dichte Haar, ließ die weichen Strähnen gedankenversunken zwischen seinen Fingern hindurch gleiten. Nach einer Weile fiel ihm auf, dass um sie herum absolute Geräuschlosigkeit herrschte. Der Fernsehbildschirm zeigte sich stumm und geschwärzt wie ein inhaltloser Rahmen. Womöglich hatte eine automatische Selbstausschaltung das Programm auf dem Monitor gelöscht. Als Light den Kopf zur Seite wandte, bemerkte er allerdings, dass auch die Süßigkeiten und Denkspiele abgeräumt worden waren. Hatte Watari den Raum betreten, während sie schliefen? Jene Hand vor das Gesicht hebend, mit der er nicht durch das Haar seines Freundes streichelte, überprüfte Light das Ziffernblatt seiner Armbanduhr. Der Morgen war nicht mehr jung. Der heutige Tag war datiert auf den vierten November. Es wurde Zeit, aufzuwachen. Müde regte sich L, stützte sich sowohl auf dem Sofa als auch dem Brustkorb des anderen Mannes ab, um sich hochzustemmen. Flüchtig berührten sie einander zum letzten Mal, bevor L mit spitzen Fingern nach dem weißen Oberteil angelte und es ungelenk überstreifte. Er kratzte sich am Hinterkopf, stutzte kurzfristig, dann schlüpfte er aus den Ärmeln wieder heraus und zog sein Shirt, es auf die Rückseite drehend, richtigherum an. Diesen Beobachtungen Einhalt gebietend lenkte Light seine Aufmerksamkeit von dem Detektiv weg auf sein eigenes Hemd, dessen Knöpfe er geflissentlich zu schließen begann. Derweil stand L auf und trottete mit hängenden Schultern zum Fenster hinüber. Lässig lehnte er sich auf das langgezogene Fensterbrett, welches freigeräumt von jeglichen Gegenständen, schmucklos und sauber die Unterkante der doppelt verglasten Scheibe bildete. Ein Vorhang des Schweigens hatte sich zwischen den beiden ausgebreitet, von welchem Light glaubte, dass er ihn selbst nicht würde zerreißen können. Schließlich fing jedoch L unvermittelt und leise zu sprechen an, ohne sich hierbei umzuwenden: „Auch wenn du dich manchmal so fühlst, Light-kun, niemand von uns ist allein. Wenn wir ausatmen, atmet ein anderer unseren Atem ein.“ Der Meisterdetektiv hauchte gegen die Fensterscheibe, woraufhin er an jene von einem grauen Schleier beschlagene Stelle ein „L“ malte. „Das Licht, das mich erleuchtet, erleuchtet auch meinen Nachbarn.“ Mit in der Luft schwebendem Zeigefinger betrachtete er den Buchstaben einen Moment, bis er den senkrechten Strich seines Namens mit einer leichten Kurve verlängerte, zwei waagerechte Linien hinzusetzte und am Ende das Schriftzeichen abwärts mit einem Haken zu einem Abschluss brachte, wodurch das Kanji für Lights Namen entstand. „Alles hängt miteinander zusammen, in einer Verbindung, für die man keine materiellen Fesseln benötigt. Dadurch bin ich mit meinem Freund genauso verbunden wie mit meinem Feind. Somit gibt es auch keinen Unterschied zwischen mir und meinem Freund.“ Während die Linien auf dem kalten Glas langsam verblassten, ergänzte L nach einer Pause: „Oder zwischen mir und meinem Feind.“   „...nach jeglichen Gesichtspunkten wie ihrer Geburtsstätte oder Berufsgruppe. Wir achten darauf, ob es Anhaltspunkte gibt, die...“ Aus dem Hintergrund jene Instruktionen des jüngsten Ermittlers vernehmend, welcher in gewissenhafter Manier den Polizisten diverse Aufgaben erteilte, beschäftigte sich L ungebrochen mit der Befragung des Todesgottes. Mittlerweile machte er keinen Hehl mehr daraus, dass er sich nicht auf die ziellosen Abwege begeben würde, auf die Light die restlichen Mitglieder der Sonderkommission geleitet hatte. Sollte er doch alle anderen in die Irre führen. Und wenn schon. Seit den Geschehnissen der letzten Tage hatte L noch mehr Gewissheit erlangt. Er würde sich nicht von Light täuschen lassen. „Todesgötter können also von ihrer Welt aus einen Menschen töten, ohne dessen Welt zu betreten“, spekulierte L gegenüber Rem. „Das ist korrekt.“ „Wie?“, wollte er wissen, während er an einem Softeis leckte. „Wir können...“, antwortete Rem zögernd, „zu euch herunterschauen.“ „Also hast du, bevor du das Buch an Higuchi gabst, ab und zu aus der Welt der Todesgötter in die Menschenwelt geblickt, richtig?“ „Ja, schon.“ „Und warum hast du das Buch Higuchi gegeben?“ „Ich habe es ihm nicht gegeben. Ich habe es nur fallen gelassen und Higuchi hat es zufällig aufgelesen.“ Rem versuchte, so gut es ging, den Fragen des Meisterdetektivs auszuweichen. Es irritierte sie, dass dieser sich so vehement auf sie konzentrierte, anstatt zusammen mit Yagami Light und den anderen Personen auf eine Richtung hinzuarbeiten, die Misa eindeutig entlastete. Mitunter fühlte Rem sich, sogar in ihrer Funktion als übermächtiges, todbringendes Wesen, von diesem sogenannten Ryuzaki in die Enge getrieben. „Oh, Misamisa ist da!“, rief Matsuda erfreut. „Light-kun darf hier ja sein Handy nicht benutzen. Da bleibt der armen Misamisa wohl nichts anderes übrig, als persönlich vorbeizuschauen.“ Sofort drehte sich Rem um und verfolgte auf dem Bildschirm, wie das blonde Mädchen sich abwartend vor dem gläsernen Eingangstor positionierte. Skeptisch bemerkte L die Ablenkung und Erschrockenheit des Todesgottes. Rem schien ihr schlitzförmiges Auge auf Misa oder vielmehr auf etwas hinter ihrer Gestalt gerichtet zu haben, während sich Light bereits auf den Weg gemacht hatte, um seine vermeintliche Freundin zu empfangen. Aufs Schärfste beobachtete L den Todesgott, blickte zur Überwachungsaufnahme und wieder zurück. Als Lights Gestalt von der Kamera eingefangen wurde, sich die Glaspforten öffneten und Misa in das Gebäude eintreten konnte, ging ein neuerlicher Ruck durch das skelettartige Monstrum. „Misas Lebensjahre wurden erneut reduziert“, raunte Rem bedrohlich. „Lebensjahre?“, fragte L leise. „Was bedeutet das?“ Doch Rem blieb stumm und durchbohrte mit den Augen hasserfüllt den Rücken des jungen Mannes, der Misa soeben zur Begrüßung in seine Arme schloss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)