[24/7] Zwischen den Zeilen von halfJack ================================================================================ Kapitel 46: An einem toten Punkt -------------------------------- An einem toten Punkt   Vorsichtig bewegte sich L in Lights Umarmung, doch es genügte, um diesen aus der Schläfrigkeit zu holen, in die er gerade abzugleiten drohte. Die beiden Männer waren in ihrer Position tiefer auf das Sofa gerutscht. Light fühlte sich träge und erhitzt zugleich. Es war erstaunlich, wie beruhigend Ls Nähe auf seinen Gemütszustand wirken, wie sie ihn aber auch gleichermaßen mehr erregen konnte als jede andere bisher erlebte Intimität. Nicht, dass Light vorher jemals in Erwägung gezogen hätte, mit einem Mann intim zu werden. Er hatte nie darüber nachgedacht. Normalerweise mochte er Frauen, ohne Zweifel. Trotzdem hatten Scharfsinn, Direktheit und Provokation, die ganze eigentümlich einfühlsame, kindliche oder erwachsene Persönlichkeit von L etwas unbestreitbar Attraktives an sich, was nicht hinter der Tatsache zurückstand, dass Light sich keinesfalls wünschte, L würde eine Frau sein. Vermutlich hätte es im Grunde nichts geändert, aber irgendwie war selbst der ursprünglich abstoßende, auf seltsame Art pervertierte Fakt, dass L ebenso ein Mann war, dass seine Brust flach, seine Muskulatur sehnig und kraftvoll war, dies alles wurde Teil eines Umstands, der Light sogar noch stärker an seinem Feind reizte. Etwas, das L genauso definierte wie all seine Eigenheiten und charakterlichen Merkmale, vielleicht aufgrund des ausgewogenen Kräfteverhältnisses zwischen ihnen. Dieses gesamte Zusammenspiel hatte Light offensichtlich schon gereizt, als sie in seiner Erinnerungslosigkeit lediglich Freunde gewesen waren. Oder es zumindest zu sein versuchten. Jetzt allerdings jagte der irreal erscheinende Gedanke, dass der Meisterdetektiv L widerstandslos in Kiras Armen lag, sich quasi freiwillig in seine Macht begeben hatte, eine zusätzliche Welle der euphorischen Begeisterung durch seinen Körper. L machte Anstalten, sich zu befreien und aufzustehen. Reflexartig wurde er fester gepackt und daran gehindert. „Was ist, Light-kun? Willst du nicht, dass ich gehe?“ Ls Stimme klang kratzig und tief. Nach kurzem Überlegen fügte er bitter hinzu: „Willst du mich etwa weiter kontrollieren?“ „Nein“, kam prompt die Antwort. Auch Light überlegte einen Moment, bevor er seine Aussage revidierte. „Das heißt, eigentlich schon. Ich will nicht, dass du gehst, aber nicht in erster Linie, um dich zu kontrollieren. Du weißt, die Sache mit der Kontrolle habe ich längst aufgegeben, obwohl ich dennoch gern auf dich aufpassen würde.“ „Befürchtest du, ich könnte das Notizbuch des Todes benutzen, sobald du nicht mehr auf mich Acht gibst?“ „Solltest du es versuchen, Ryuzaki, solltest du das Heft wirklich benutzen wollen, wirst du entweder dein Leben oder deinen Verstand verlieren.“ Light ließ zu, dass sich L in seinen Armen herumdrehte. Schweigsam und fragend musterten ihn die großen dunklen Augen, als warteten sie auf eine Erläuterung. „Entweder du machst weiter“, erklärte Light daraufhin, „oder du bist innerhalb von dreizehn Tagen tot.“ „Basierend auf dieser These, was vermutest du in Bezug auf Kira? Ist er bereits gestorben oder hat er...“ Bevor L seine Frage aussprechen konnte, legte Light einen Finger auf die blassen Lippen, dann zog er ihn an sich und küsste ihn sanft. Zuerst schien L zurückweichen zu wollen, jedoch erwiderte er die Zuwendung bald ebenso sehnsüchtig. Ihr inniges Spiel vertiefend schmeckte Light ungewöhnlicherweise keinen Zucker, sondern Minze auf Ls Zunge, vermutlich derselbe Geschmack wie sein eigener, weil die beiden Männer die gleiche Zahncreme verwendeten, die in der Ermittlungszentrale zur Verfügung gestellt wurde. „Keine Schokolade heute?“, fragte er in einer kurzen Atempause und machte eine Kopfbewegung hinüber zum Tisch, zu den dort verteilten, unangetasteten Schokoladentafeln zwischen den ähnlich gestalteten Puzzlestücken. L schenkte der Geste keine Beachtung, suchte stattdessen unentwegt nach dem Mund seines Freundes. „Ich wollte eigentlich etwas anderes.“ „Was?“ Light grinste belustigt in den Kuss. „Besser als Süßigkeiten?“ „So könnte man sagen.“ Eine Sendung über moderne Kunst in Osaka flimmerte über den Bildschirm. Die umstehenden Lampen tauchten die nächtlichen Räumlichkeiten in gedämpftes Licht. Ohne den Kontakt ihrer Lippen je lang zu unterbrechen, wanderte Ls Hand über den Oberkörper seines Partners, dessen warme, leicht gebräunte Haut, schließlich an der Seite entlang über dessen Hüfte und Hosenbein, bis er Light mit seinen spinnenartigen Fingern in der Kniekehle packte, um ihn vollständig in eine liegende Position zu ziehen. Mit der anderen Hand drückte er ihn an der Schulter hinab auf das Sofa und beugte sich in typisch gekrümmter Haltung über ihn. Das war zwar nicht ganz die Lage, in die Light gebracht werden wollte, doch im Moment hatte er nicht vor zu protestieren. Er gab sich den sinnlich forschenden Berührungen des Anderen und seiner eigenen nervösen Aufregung hin, während sich ihre Lippen hungrig vereinten. Konventionen spielten keine Rolle mehr, das hatten sie noch nie. „Was ist mit Misa?“, fragte L ruhig, vielleicht ein wenig spöttisch, was bei seiner tonlosen Stimme schwer zu bestimmen war. „Oder Kiyomi oder Mayu oder Yuri oder Shiori?“, fügte Light gleichgültig hinzu. „Ich bin vielleicht keine besonders treue Seele.“ „Bei deiner moralischen Einstellung?“ „Lassen wir das Thema“, unterband Light jede Diskussion und verführte seinen Freund, die Hand in dessen Nacken legend, erneut zu einem intensiven Kuss. Weiterzureden musste zwangsläufig in einer Lüge oder einem Schlagabtausch enden. Dabei blieb ihnen nicht mehr viel Zeit. Die Worte des Polizeiinspektors hatten Light einerseits zwar gezeigt, wie wenig Yagami Soichiro, trotz empathischer Gutmütigkeit, hinter die Fassade zu sehen vermochte. Andererseits war Light bewusst geworden, dass er in der Tat sein Ziel aus den Augen zu verlieren drohte. Kira wollte Gerechtigkeit, uneigennützig und um jeden Preis. Seine Zweifel, ob er L wirklich umbringen sollte, waren unangebracht und egoistisch. Sicher, noch war Kira nicht vollkommen zu einem Gott auferstanden, solange sein Widerpart am Leben war. Als Mensch kam Yagami Light manchmal gegen eventuelle Sentimentalitäten nicht an. Aber es änderte nichts. „Light.“ Er öffnete die Lider und begegnete Ls eindringlichem Blick. Die Augen des Detektivs wirkten wie stets weit und tief, so finster wie ein Abgrund, doch erkannte Light nun bei genauerer Betrachtung, dass dessen Iris gar nicht vollständig schwarz war, sondern zerbrochen in verschiedene Abstufungen von Grau. Fasziniert versank Light in dieser Beobachtung, während er widerstandslos unter seinem Feind liegen blieb. „Ich habe das wirklich nicht aus Rache getan.“ Light brauchte einen Moment, um zu begreifen, was L meinte. Dann antwortete er schlicht: „Ich weiß.“ „Du hast mal gesagt, ich wäre nicht nur einer von Millionen, solange du an meiner Seite bist. Wie...“ „Du erinnerst dich echt an alles“, schnitt Light ihm das Wort ab. Konnte dieser Kerl nicht endlich den Mund halten? Doch L dachte nicht einmal daran und fragte: „Warum bist du hier?“ Genervt seufzte Light. Bevor er allerdings über eine passende Entgegnung nachsinnen konnte, sprach L bereits weiter, als habe er es sich anders überlegt. „Nein, sag nichts. Das weiß ich im Grunde und deine Antwort wäre nicht ehrlich genug, um mich zufriedenzustellen. Meine Frage müsste eher lauten... warum tust du das?“ „Warum tust du es denn?“ „Das habe ich dir bereits gesagt, Light-kun.“ Verärgert drückte Light den Anderen von sich, um in eine aufrechte Position zu gelangen. Der Meisterdetektiv wollte es offenbar seinem analytischen Wissensdurst folgend nicht anders. Da L weitere Lügen zu hören wünschte, sollte er sie gern bekommen. „Frag mich lieber, warum ich überhaupt damit angefangen habe, Ryuzaki.“ Das aufgeknöpfte Hemd wieder über seine Schultern ziehend, ohne es zu schließen, stützte Light in lässiger Haltung einen Arm auf sein angewinkeltes Bein. Er strahlte gelangweiltes Desinteresse aus, wenngleich er innerlich aufgewühlt war und sich zunehmend unwohler fühlte. Wieso konnte es nicht einmal leichter sein? „Lass es uns auf meine überstrapazierten Nerven schieben, ausgelöst durch meinen Wunsch, dir zu zeigen, dass mein Verlangen nach Freundschaft von Beginn an echt und im Gegensatz zu deinen diesbezüglich getätigten Äußerungen nicht vorgetäuscht war. Der Verdacht, Kira zu sein, hat mich verrückt gemacht, ich war verzweifelt und wollte dich davon überzeugen, mir glauben zu können, mir zu vertrauen. Aber es ist zwecklos. Ich habe es aufgegeben.“ Verbittert senkte Light den Kopf, als hätte er das, was er seinem Freund gerade gestand, unzählige Male zu akzeptieren versucht und wäre letzten Endes doch daran gescheitert. L begutachtete das Mienenspiel seines jungen Partners, während dieser sich erklärte. Es war zu perfekt, zu glaubhaft. Meinte Light es ernst? Oder hatte er sich bereits dermaßen von seinen Lügen überzeugt, dass mittlerweile kaum mehr ein Unterschied zur Wahrheit bestand? War es vielleicht möglich, dass Light tatsächlich aussprach, was er fühlte und dachte, dies alles aber nur akzeptieren konnte, indem er sich vormachte, es sei nichts weiter als eine Lüge? „Was ist mit dir, Ryuzaki? Du hast dich damals ziemlich gegen meinen Übergriff gewehrt... es tut mir leid, was da passiert ist, was ich getan habe. Aber daraufhin bedrängtest du mich plötzlich deinerseits, obwohl ich keine weiteren Annäherungen gestartet habe und lediglich eine Erklärung dafür verlangte, weshalb du so rücksichtslos mit deiner eigenen Person umgehst. Nachdem du einmal erkanntest, was ich von dir wollte, hättest du dich mir womöglich sogar hingegeben, aus Opferbereitschaft oder wie auch immer ich das nennen soll. Dabei müsstest du wissen, dass ich so etwas Unredliches niemals tun würde. Stattdessen warst du es, der mich schon fast genötigt hat.“ „Nicht, Light-kun.“ Die ruhige Stimme des Detektivs klang leise und dumpf. „Behaupte bitte nicht, ich hätte dich zu der Sache in der Dusche gezwungen. Auch wenn wir beide meinten, es sei unvernünftig, beruhte es trotzdem auf Gegenseitigkeit.“ „Ja, auf Gegenseitigkeit, das ist das Stichwort. Etwas aus Kalkül zuzulassen, das ist etwas völlig anderes als von sich aus damit zu beginnen. Und es fühlte sich nicht an, als wäre deine Reaktion geschauspielert, Ryuzaki. Es fühlt sich auch jetzt nicht so an.“ L durchbohrte ihn fragend mit seinen totengleich erstarrten Augen, in denen ganz schwach eine schmerzliche Nuance durchschimmerte. Im Weitersprechen streckte Light die Hand nach ihm aus, berührte ihn jedoch vorerst nicht. „Trotzdem kam danach nichts mehr von deiner Seite. Abgesehen davon, dass du mich nicht mehr bedrängtest, wirktest du zurückgezogen und in dich gekehrt. Was war los, Ryuzaki? Hat dich irgendetwas verunsichert? Wusstest du nicht weiter, nachdem wir Higuchi erwischten und er gestorben ist? War das wieder dein persönliches Erreichen eines toten Punktes?“ „Du hast Recht, Light-kun, ich habe gezögert.“ Nachdenklich auf seinem Daumennagel herumbeißend nahm L die Worte des Anderen sehr präzise wahr, ging aber nicht weiter darauf ein. Von dieser Verschwiegenheit provoziert überbrückte Light den Abstand zwischen ihnen und griff unwirsch nach Ls Hand, zog sie von dessen Lippen fort, damit dieser nicht mehr daran herumkauen konnte. Hatte L nicht selbst das ganze Thema zur Sprache gebracht? Und jetzt wollte er gar nicht reagieren? Ungehaltener als beabsichtigt fuhr Light ihn an. „Wozu dieser Angriff, nachdem ich dir meine Zuneigung für Misa offenbarte, als hätte ich dir irgendeinen Anlass dazu gegeben?“ „Hast du das etwa nicht?“ Noch immer schwang unbestechliche Ruhe in Ls raunender Stimme mit, während er bei dem von Light festgehaltenen Arm die Hand zur Faust ballte, ohne sich aus dessen Griff befreien zu wollen. „Du bist mir ausgewichen, Light-kun. Dein Verhalten wirkte sogar noch gespielter als sonst. Du weißt, ich habe meinen Verdacht noch nicht fallen gelassen und gehe weiterhin davon aus, dass du Kira bist. Zwar bist du es vermutlich nicht in der Zeitspanne gewesen, als Higuchi die Morde verübte, aber nach seinem Tod, das hast du selbst auf meine Bitte hin deduziert, würdest du die Kraft des Tötens zurückerlangen können, früher oder später. Wen also sollte ich in der weiteren Ermittlung verfolgen? Natürlich den eigentlichen Kira. Denjenigen, den ich schon von Beginn an verfolgte, der mich auf seine Fährte gelockt hat, indem er mit mir spielte und mir auf kindische Weise Informationen über sich preisgab, damit ich ihn finde.“ „Du hast vorhin das Gespräch mit meinem Vater belauscht, nicht wahr?“ Light unterdrückte ein Grinsen, als er sich gedanklich seine folgenden Worte zurechtlegte. Am Handgelenk holte er seinen Gegner näher zu sich heran. „Kira hat dich in die Irre geführt, L. Offenbar ist er ganz anders, als du ihn einschätzt. An irgendeinem Punkt konnte er durch dein sorgfältig ausgeworfenes Netz schlüpfen, weil du anhand deiner Mutmaßungen und deines Täterprofils nur noch besessen auf mich fixiert warst, nachdem Kira eine falsche Spur gelegt und dich wissentlich auf mich angesetzt hat. Er musste dir einen Verdächtigen liefern, um von sich selbst abzulenken. Und diesen Trick hat er nicht zum ersten Mal angewendet. Du hast mir doch die Bilder von den Verbrechern gezeigt, mit deren Hilfe dir Kira Nachrichten zukommen ließ. Und während du damit beschäftigt warst, dieses dämliche und völlig sinnlose Rätsel zu lösen, hat er seelenruhig deinen Köder geschluckt, nämlich die FBI-Agenten.“ In mitleidvoller Sanftheit legte Light seine Arme in den Rücken des Detektivs, fasste ihn an den Lenden und zog ihn in eine ebenso liegende Position, in welcher er sich kurz zuvor selbst auf dem Sofa befunden hatte. Dann strich er L scheinbar tröstlich durch das dichte Haar und über die Wangen. Dieser starrte ihn im stummen Erschrecken an. Ein Teil von Yagami Light, der göttliche Kira labte sich einen Moment an dem Schmerz, den er in den dunklen Augen seines Feindes fand, während sein menschliches Überbleibsel den Kummer über seine eigene Grausamkeit verbarg. „Was war das für ein Gefühl, als du erfahren hast, dass sie alle tot sind, L? So viele gute Menschen, die deinetwegen über die Klinge springen mussten. Hast du gedacht, dass Kira dich reingelegt hat? Oder verlief nicht vielmehr alles nach Plan, sodass du nun deine Angel einholen und deinen Fang begutachten konntest? Du hast Kiras Persönlichkeit doch schon längst analysiert. Du hast seine Reaktionen vorausgesehen und ihn provozieren können. Aber Kira konnte das genauso gut wie du, L. Er hat deine Psyche verstanden und dich mit mir in die Irre geleitet, weil ich deinem Ideal von einem Gegner entspreche. Zugegeben, das schmeichelt mir in gewisser Weise, weil ich damit für dich eine Bedeutung habe.“ Light schüttelte den Kopf und schmunzelte bitter, bevor sich sein Gesicht zu einem fast flehentlichen Ausdruck wandelte, während seine Stimme in jugendliche Zweifel gefärbt war. „Aber es verletzt mich auch! Es ist furchtbar, mir vorstellen zu müssen, dass ich für dich nur eine Rolle spiele, weil du eine perverse Anziehungskraft in der Möglichkeit ausmachst, ich könnte Kira sein.“ Energisch schloss Light den dünnen Körper des Meisterdetektivs in seine Arme und drückte ihn fest an sich, spürte dessen Anspannung und sogar ein leichtes Zittern, das von den Händen ausging, die L reglos auf Lights Schultern gelegt hatte, ohne ihn damit näher an sich zu ziehen oder wegzustoßen. Die ganze Situation hatte eine euphorisierende Wirkung auf Light. Andererseits vibrierte in seinem Inneren nicht nur ein zurückgehaltenes Lachen, das ihm Übelkeit und Hysterie bescherte, gleichfalls kreisten in seinem Kopf, zahlreich und unermüdlich, seine besitzergreifenden Gedanken. Ich will dich haben, L, und ich werde dich bekommen, auch wenn ich dir dafür das Blaue vom Himmel herunter lügen muss. Seinen vertrauten Feind zärtlich umarmend beendete Light seine Worte in gutmütiger, beherrschter Tonlage: „Darum habe ich mich dagegen gesträubt, das hier zwischen uns weiter geschehen zu lassen, bis der Fall gelöst ist. Ich wollte sicher sein, dass du es ernst meinst und es echt ist.“ „Denkst du etwa, ich würde aus irgendeiner Perversion heraus nur mit Kira solche Dinge machen wollen, dass ich das überhaupt könnte, wenn ich es wüsste? Habe ich dir nicht deutlich genug gezeigt, dass es mir um dich geht, Light?“ Ein ungläubiges Lachen entkam dessen Kehle. „Du bist dir sicher, dass ich Kira bin. Was macht es da für einen Unterschied, ob du es weißt oder nicht? Deine Deduktionen führen dich zu einem Schluss, der für dich wahr sein muss. Sobald man alles Unmögliche ausgeschlossen hat, ist das Übriggebliebene die Wahrheit, ist es nicht so? Muss ich dich erst an deine eigenen Worte erinnern, Sherlock?“ „Light, bitte...“ „Warte, ich weiß, wie es weitergeht.“ In nüchterner Lebhaftigkeit entließ Light den unter ihm liegenden Meisterdetektiv aus seiner Umarmung, nahm dessen Gesicht in die Hände, küsste seine Lider, seine Schläfe und sagte schließlich leise in sein Ohr: „Dein Geist ist eine Maschine, L, die unentwegt läuft und läuft und sich selbst in Stücke reißt, wenn sie nicht mit dem Räderwerk gekoppelt ist, wenn sie also gleichsam kein Problem zu bearbeiten hat. Darum verfällst du in Depressionen, wenn du an einem toten Punkt angelangst. Ich habe es in den zwei Monaten, bevor wir auf Yotsuba stießen, vielfach gesehen, deine Tatenlosigkeit und Langeweile. Das Leben ist so banal. Was hat es für einen Reiz, wenn nicht den des Spieles? Emotionen sind bloß Schwäche oder Teil der Kalkulation. Erfahrungen bedeuten den Tod, denn je mehr wir die Welt begreifen, desto weniger vermag sie uns zu überraschen und zu beleben. Das eigene Opfer lohnt sich nur, wenn das Ziel hoch genug ist. Doch die Zeitungen und Nachrichten sind geistlos, die meisten Menschen leicht zu durchschauen, jedes Rätsel schnell geknackt. Wagemut und Romantik scheinen für immer aus der Welt des Verbrechens entschwunden zu sein. Und dann kommt Kira daher mit seiner größenwahnsinnigen Idee einer perfekten Welt. Selbstverständlich konnte L nicht widerstehen, ständig auf der Suche nach dem nächsten Kick. Auf perfide Art beißt du dich nicht deshalb an mir fest, weil ich optimal dem Profil von Kira entspreche, sondern weil dich diese Prämissen niemals zur Konklusion führen werden. Ich bin nicht Kira, aber anstatt diese Tatsache zu akzeptieren, machst du weiter und weiter und weiter, um dich mit einem Problem befassen zu können, das sich niemals lösen lässt.“ „Das ist eine haltlose Vermutung.“ L wollte sich befreien, drückte seine Hände gegen den nackten Oberkörper seines Freundes, welcher ihn jedoch jählings an den Handgelenken packte und diese auf dem Sofa rechts und links von seinem Kopf festhielt, unnachgiebig, ohne brutal zu sein. Schwer atmend blickten die beiden Männer einander in die Augen. In Bemühung um Analytik erklärte L: „Zuallererst will ich einen Fall immer zur Lösung bringen. Der Weg mag zwar ebenso das Ziel sein, weshalb ich zusammen mit der Auflösung des Problems oft das Interesse daran verliere, aber ohne Ziel hätte der Weg erst recht keinen Sinn. Sonst bliebe ich lieber stehen und würde gar nichts mehr machen, anstatt mich fortwährend abzumühen. Sollte ich nicht zweifelsfrei belegen können, dass du Kira bist, würde ich aufgeben.“ Lächelnd beugte sich Light zu seinem Freund hinab und wisperte auf dessen Lippen, wobei er ihn nur flüchtig streifte: „Dann gib auf.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)