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Doppeltes Spiel

Doppeltes Spiel
 

Nachdem der betagte Chauffeur ihnen die Tür geöffnet hatte, stiegen die beiden Männer ohne Umschweife aus dem Rolls-Royce. L ließ seinem Kollegen nur wenige Sekunden Zeit, um an der Fassade des relativ niedrigen Gebäudes, vor dem der Wagen gehalten hatte, hinaufzuschauen. Dann steuerte er bereits auf den Eingang zu, sodass Light ihm mit zügigen Schritten folgen musste. Keiner von ihnen schenkte den wenigen Passanten Beachtung, die auf dem Gehweg an ihnen vorübereilten, kurz innehielten und einen irritierten Blick zurück auf die Handschellenkette warfen.

An der Eingangstür hatte ein großgewachsener Mann im schwarzen Anzug Position bezogen. Neben ihm standen zwei sportlich gekleidete junge Frauen, die die Neuankömmlinge neugierig musterten.

„Der sieht gar nicht aus wie Ryuga Hideki“, hörte Light eine von ihnen tuscheln.

„Da siehst du mal, was die Bildbearbeitung im Fernsehen ausmacht.“

Innerlich schmunzelnd betrat Light nach dem Detektiv das Gebäude. L nannte zahlreiche Namen sein Eigen und verbarg sich unter anderem auch hinter dem Pseudonym jenes bekannten japanischen Idols. Nur seinem Hauptverdächtigen gegenüber hatte sich L in der Öffentlichkeit außerhalb der Sonderkommission zu erkennen gegeben. Einen Moment lang fragte sich Light, ob diese scheinbare Last nicht auch ein eindeutiges Privileg darstellte.

Seine Gedanken wurden allerdings zurückgedrängt, als er hinter L eine Treppe erklommen hatte und an einer Theke vorbei in einen größeren Raum trat. Verwundert schaute er über die unterschiedlichen Trainingsgeräte des Fitnesscenters, in welches sein Partner ihn geführt hatte. Kein Mensch war zu sehen.

„Willst du“, fragte er verunsichert, aber auch ein wenig belustigt, „etwa Sport treiben, Ryuzaki?“

„Ja, durchaus“, antwortete dieser, als sei daran nichts Ungewöhnliches. „Wieso auch nicht? Oder reichen dir unsere Tai-Chi-Übungen auf dem Hausdach?“

Light lachte heiter, als er daran dachte, dass L ihn tatsächlich zu solchen gelegentlichen Aktivitäten überredet hatte. Natürlich saßen sie nicht den ganzen Tag untätig in der Ermittlungszentrale, schon allein um Lights Kondition seit seiner Zelleninhaftierung wieder aufzubauen. Dass sie jedoch den Schutz des Gebäudes verließen, war wirklich überraschend.

Während L desinteressiert an den Gerätschaften vorüberging, erklärte er:

„Ich habe meine Beziehungen und mein momentanes Pseudonym spielen lassen, damit wir trotz Überwachung ungestört sind.“

„Ungestört?“, wiederholte Light das Wort fragend.

„Ja.“ L griff in ein Regal und holte zwei Schläger und einen kleinen schwarzen Ball hervor. „Hierfür, Light-kun.“

Stirnrunzelnd betrachtete der junge Student das, was er eigentlich als Tennisschläger identifiziert hätte. Allerdings schien dazu der schwarze Ball nicht zu passen, der aus einer Art hartem Gummi bestand und viel zu klein für jene Sportart wirkte, in welcher sich Light einst mit dem Meisterdetektiv gemessen hatte. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, dass sich in diesem Gebäude ein Tennisfeld befand.

„Squash“, reagierte L auf die Irritation seines Kollegen, „kennst du diese Sportart?“

„Ja, schon...“, entgegnete Light langsam.

„Es ist ein englischer Sport, vergleichbar mit Tennis. Es wird dir gefallen, Light-kun, also zieh dich um.“

Nach wie vor verwundert folgte er L in eine Umkleidekabine, die nur vom Licht der Neonröhren erhellt wurde. Die Jalousien waren heruntergefahren und ließen keinen Blick in das Innere zu.

„Das Gebäude ist vor Fremdeindringen geschützt“, kommentierte L beiläufig, während er die Handschellen öffnete, „was natürlich auch impliziert, dass es nicht möglich ist, unbemerkt hinauszugelangen.“ Light registrierte die Warnung wortlos, bis seine Aufmerksamkeit plötzlich auf eine Tasche gelenkt wurde, die auf einer Bank vor den Schließfächern stand.

„Das ist doch...“

„...deine Sporttasche, genau“, bestätigte L mit einem Nicken. „Ich habe Yagami-san darum gebeten, sie herzubringen, ohne dass deine Mutter oder deine Schwester etwas davon mitbekommen.“ Mit ernster Miene schaute Light auf die Tasche hinab, bevor er sie stumm öffnete und das kurzärmlige Oberteil daraus hervorholte. Es war sorgfältig zusammengelegt und roch nach Weichspüler. Er erinnerte sich daran, wie er den Rest seiner Familie in Unkenntnis zurückgelassen hatte. Sicher machte sich seine Mutter unerträgliche Sorgen und wartete jeden Tag darauf, dass er zurückkehrte. Dennoch hatten Light und sein Vater sich entschieden, sie zu belügen. Wie viele Lügen waren wohl berechtigt für eine größere Wahrheit? Wie viel war im Namen der Gerechtigkeit erlaubt?

„Ich frage mich, ob es eine Wahrheit ohne Richtigkeit gibt“, sprach Light kaum vernehmlich zu sich selbst.

„Die gibt es“, hörte er plötzlich die tiefe, beruhigende Stimme des Detektivs dicht hinter sich. Er drehte sich herum, damit er L in die Augen sehen konnte. „Genauer gesagt gibt es mehr als sechs Milliarden Wahrheiten, Light-kun. Ich kämpfe gegen Kira, weil ich seine Wahrheit nicht für richtig halte, genauso wenig wie er meine für richtig hält. Man müsste schon äußerst naiv sein, um nicht zu wissen, dass zwischen Recht und Gerechtigkeit Welten liegen.“

Einen langen Moment erwiderte Light den Blickkontakt. Dann wandte er sich erneut ab und sagte ernst, während er sich umzuziehen begann:

„Nachdem du dich mir als L offenbart hattest, meintest du selbst, die menschlichen Grundrechte dürften nicht verletzt werden. Es ist rechtswidrig, ohne begründeten Verdacht in die Privatsphäre eines Menschen einzudringen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann sprachst du damals davon, dass die Wahrscheinlichkeit für mich, Kira zu sein, bei einem Prozent läge. Dennoch hast du mich ohne mein Wissen mit Kameras überwachen lassen.“

„Dass die Observation ohne dein Wissen geschah, ist eine unbestätigte Annahme.“

Light seufzte, da er diesen Einwurf bereits erwartet hatte, und meinte:

„Dein Verdacht blieb also bestehen, obwohl er durch die Überwachung so gut wie zerschlagen war.“

„Nur weil man den fehlenden Hinweis nicht findet, verweist das auf keine Unschuld“, konterte L sofort. „Ein Bild, in diesem Fall die Aufnahme einer Kamera, gibt nicht die Wirklichkeit wieder. Jegliche Darstellung lebt von Auslassungen, denn was im Objekt enthalten ist, kann nie vollständig im Bild wiedergefunden werden. Das gilt auch im übertragenen Sinn. Und genau das kann man sich zunutze machen. Darum werde ich das Gefühl nicht los, dass ich selbst dabei als Alibi dienen sollte.“

„Mir das zu sagen, ist wirklich hart.“ Lights Worte waren leise und tonlos. „Aber im Zweifel für den Angeklagten, nicht wahr?“

„Ja, leider“, gestand L trübsinnig. Light fragte sich, ob dieses Bedauern wirklich ernst gemeint war, erkundigte sich jedoch nicht danach, sondern fasste nur nüchtern zusammen:

„Und um eine dieser sechs Milliarden Wahrheiten unabhängig von Recht und Ordnung zu verwirklichen, bist du aus dem Schutz der Anonymität herausgetreten. Ich bin nur ein ganz normaler Mensch und weiß, dass von mir keine Gefahr ausgeht. Aber alle Beteiligten um dich herum müssen wohl der Meinung gewesen sein, du würdest den Grenzwall verlassen und dich dieses Mal direkt der Bedrohung stellen. Als würdest du für mich dein Leben riskieren.“

L starrte seinen mittlerweile vollständig umgezogenen Partner an und überlegte, ob sich dieser darüber im Klaren war, wie überheblich seine eigene Aussage klang. Doch er sagte lediglich:

„Unabhängig von der Richtigkeit gibt es in den menschlichen Dingen einen gewissen Zusammenhang, Light-kun, so etwas wie eine allgemeine Wahrheit oder Macht. Je größer und geheimnisvoller diese Macht ist, desto mehr fordert sie den Geist heraus, sie kennen zu lernen und zu ergründen.“
 

L schob seinen ausgestreckten Zeigefinger in die Öffnung der Glastür, um den kleinen Metallhebel herunterzudrücken, der das Schloss in der Verankerung hielt. Mit einem klackenden Geräusch öffnete sich die Tür, sodass die beiden Männer den Squashcourt betreten konnten. Der Raum war durch die gläserne Rückwand komplett einsehbar. Light schätzte die Breite des Feldes auf eine ähnliche Länge wie den Abstand zwischen Netz und Aufschlaglinie bei einem üblichen Tennisfeld. Die Tiefe des Courts war mit ungefähr zehn Schritten zu bemessen.

L erklärte die wichtigsten Regeln, während sie sich warmspielten. Bevor Light nun seine Position in einem der beiden nebeneinander liegenden Felder einnahm, äußerte er eine letzte Feststellung:

„Du hast vorhin im Wagen gemeint, du wolltest dich revanchieren. Jetzt verstehe ich, was du damit meintest, Ryuzaki.“

L hielt den Squashball schon zum Aufschlag bereit in seiner Hand und musterte seinen Gegenspieler nur abwartend, ohne etwas zu sagen.

„Du wolltest eine Revanche“, beendete Light seine Aussage und lächelte leicht.

An Stelle einer Erwiderung warf L den Ball in die Luft und legte so viel Kraft in seinen Schlag, dass das schwarze Gummi wie ein Geschoss an der vorderen Wand abprallte. Light reagierte jedoch sofort. Die Energie seiner Annahme beförderte den Ball in den hinteren Teil des gegnerischen Feldes. Zwar war L unlängst gefolgt, doch die Glaswand behinderte seine Annahme, sodass er jenen Punkt verlor.

Mit der linken Hand fuhr sich L durch sein schwarzes Haar, während er in der anderen locker den Schläger hielt.

„Ah, du unterschätzt mich nicht mehr.“

Light wusste, worauf er anspielte, und entgegnete:

„Das habe ich noch nie.“ Damit hob er den Ball auf und setzte zum Aufschlag an.

Es war für Light trotz seines anfänglichen Erfolgs ungewohnt, sich auf das Spiel einzulassen. Die Kraft musste anders bemessen werden und die Annahmen erfolgten präziser, damit der Ball stets die Vorderwand traf. Im Gegensatz zum Tennis hatte man es beim Squash nicht mit einer einzigen, sondern mit fünf nutzbaren Ebenen des Feldes zu tun. Dabei konnten die Seiten sowie die Rückwand beliebig oft angespielt werden. Lediglich der Parkettboden unter ihren Füßen beendete einen Satz, sobald der Ball ihn zweimal berührte.

Light konzentrierte sich vorläufig darauf, ganz gezielt mit kraftvollen Schlägen in den schwer zugänglichen Bereich der Rückwand zu spielen, doch L blieb völlig unbeeindruckt und wiederholte seinen Fehler vom Anfang nicht. Stattdessen nutzte er Lights Schwäche aus, der die Bälle meist direkt anzunehmen versuchte und Schwierigkeiten hatte, sie erst vorbeizulassen, damit sich ihr Tempo verringerte. Der Jüngere konnte die Sprungkraft noch nicht richtig einschätzen und verlor dadurch ein paar Punkte.

Verbissen richtete Light seine Aufmerksamkeit auf die Abwehr der Attacken seines Gegners und gewann zunehmend ein Gespür dafür. Seine eigenen Angriffe wurden dabei immer sicherer. Nachdem er es geschafft hatte, durch einen schnellen Schlag über die Seitenwand einen erneuten Punkt zu erzielen, meinte L plötzlich:

„Du spielst wie damals, Light-kun.“ Der Mund des Detektivs verzog sich kaum merklich, was fast wie ein Lächeln aussah. „Es hat sich nichts verändert.“

„Ich nehme an, du meinst damit nur meinen Elan, nicht die Qualität meines Spiels?“

„Elan nennst du das also.“ Das Lächeln auf Ls Lippen war nun klar als solches zu erkennen, doch eine Antwort auf die Frage blieb er Light schuldig.

Im Laufe des Matches passten sich die beiden Kontrahenten im Tempo einander an, um sich nicht gegenseitig zu behindern. Was Light am Ungewöhnlichsten bei dieser Sportart fand, war das gemeinsame Spielfeld. Beim Squash standen die gegnerischen Spieler in ständiger Konfrontation, ohne sich direkt anzugreifen, wie es beispielsweise im Kampfsport der Fall gewesen wäre. Rücksicht und Fairness waren deshalb das entscheidende Fundament. So abstrus es Light auch erschien, kam es ihm aus diesem Grund so vor, als würde er einerseits zwar gegen L kämpfen, doch gleichzeitig mit ihm ein Team bilden. Er hatte sich auf dessen bizarre Bewegungen eingestellt, um in den richtigen Momenten auszuweichen und ihm den nötigen Platz einzuräumen. Diese Vorsicht legte auch L an den Tag.

Als Light endlich mit einem Treffer wieder den Ausgleich erzielte, bemerkte er, wie erschöpft er bereits war. Das Spiel war rasant. Man war permanent in Bewegung. Noch dazu hatte Light das Gefühl, die Hitze in dem geschlossenen Raum würde ihn erdrücken. Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, wobei er bemerkte, dass auch sein Partner erste Anzeichen der Ermüdung zeigte.

„Elan ist bei weitem nicht ganz zutreffend“, ließ L zwischen seinen schweren Atemzügen verlauten, bevor Light den Ball anwerfen konnte. „Das ist schon beinahe feindseliger Kampfgeist. Dabei solltest du als Kohai nur ein paar Lehrstunden von mir erhalten.“ Belustigt gab Light zurück:

„Als ob du nicht auch gewinnen wollen würdest.“

„Du kannst ruhig aufgeben, wenn dir die Hitze zu schaffen macht, Light-kun.“

„Das würde dich doch gar nicht zufriedenstellen, Ryuzaki-kun.“

Ein Grinsen huschte über beide Gesichter, bevor sie sich wieder dem Spiel zuwandten.

Die Sätze wurden länger, ausdauernder. Keiner hatte vor, das Match aufzugeben, obwohl ihre Kräfte sie langsam verließen. Light gewöhnte sich daran, die anderen Wände mit einzubeziehen, und spielte den Ball über die rückwärtige Begrenzung nach vorn. L nahm mit einem schnellen Volley an und zwang seinen Gegner damit zum Spurt über das Feld. Doch dieser erreichte den Ball rechtzeitig, worauf ein zügiger Wechsel folgte, dessen Geschwindigkeit für einen Außenstehenden kaum mehr nachvollzogen werden konnte. Sie standen dicht beieinander, als Light sich rasch drehte, um im letzten Moment anzunehmen. Nachdem L den Ball mit aller Kraft zurückgespielt hatte, fiel sein Blick aufmerkend hinab.

„Light-kun, dein...“

Es war zu spät. Als Light gerade losrennen wollte, um den nächsten Schlag auszuführen, spürte er plötzlich ein Ziehen an seinem Fußgelenk. Sofort verlor er das Gleichgewicht, stolperte unbeholfen vorwärts und riss dabei L mit sich zu Boden.

„...Schuh ist offen“, beendete dieser seinen Satz.

L griff sich an den Hinterkopf, den er sich beim Sturz gestoßen hatte. Sein Herz trommelte gegen den Brustkorb, während er das Gewicht von Lights Körper auf sich spürte, dessen keuchender Atem genauso schnell ging wie sein eigener.

„Entschuldige“, brachte Light endlich hervor und stützte sich auf einen Ellbogen. Noch immer schwer atmend senkte er die Stirn auf Ls Brust, um für ein paar Sekunden die Augen zu schließen. Dann rollte er sich von ihm herunter und blieb reglos mit dem Rücken auf dem Boden liegen.

Beide starrten in dieser Position an die Decke und warteten darauf, dass sich ihre Atmung beruhigte.

„Ein Glück, dass mein Schnürsenkel daran schuld war“, meinte Light schließlich, „ich hätte sonst ewig versucht, weiterzuspielen. So musste ich wenigstens nicht an Überanstrengung sterben.“

Eine kurze Pause folgte, bis er hinzufügte:

„Oder noch schlimmer, den Satz verlieren.“

L lachte leise. Augenblicklich wandte Light seinem Freund den Kopf zu.

„War das ein Lachen?“

„Nein, das musst du dir eingebildet haben“, erwiderte L trocken.

„Ach komm, gib es doch zu.“

„Wenn überhaupt“, entgegnete der Detektiv und setzte sich auf, wobei ein eindeutiges Lächeln seine Lippen zierte, „war das nur eine Reaktion auf deine irrtümliche Aussage. Wegen Fahrlässigkeit bekommst du dafür nämlich kein Let.“

Auch Light richtete sich jetzt auf und ging auf die Sticheleien ein, indem er schmunzelnd meinte:

„Du kämpfst wohl um jeden Punkt, weil du Angst hast, zu verlieren?“

„Binde deinen Schuh dieses Mal richtig zu“, gab L sachlich zurück und hob den Ball auf, „dann wird sich zeigen, wer hier verliert.“
 

„Als ich dich das erste Mal sah, hätte ich dir das gar nicht zugetraut“, gestand Light, während er nach dem Duschen in der Umkleide damit beschäftigt war, sein Hemd zuzuknöpfen.

„Was?“

„Dass du so sportlich bist.“

L brachte mit der Hand sein schwarzes Haar durcheinander, eine Geste, die fast so wirkte, als wäre er wirklich verlegen.

„Wie hast du denn über mich gedacht?“, wollte er wissen.

„Was für ein komischer Typ“, antwortete Light unverhohlen und überlegte einen Moment, bevor er vorsichtig ergänzte: „Wenn ich ehrlich bin, war ich sogar ein wenig enttäuscht. Damals kannte ich deinen Charakter noch nicht, darum habe ich dich falsch eingeschätzt. Als ich mit dir Freundschaft schließen wollte, dachte ich an eine Verbindung unter Kommilitonen. Das hat sich erst mit der Zeit geändert.“

L sagte nichts dazu. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, auch als sie beide schon zum Aufbruch bereit waren. Erst beim Verlassen der Umkleideräume fragte er:

„Hast du dich bei der Benachrichtigung zu deiner Universitätsaufnahme gekränkt gefühlt?“

„Wieso das denn?“ Verwirrt drehte sich Light herum und blieb stehen. „Ich wollte überall die volle Punktzahl, das habe ich doch erreicht.“ Schweigend betrachtete L den jungen Studenten. Er musste nichts erläutern, Light verstand auch so, worauf L hinauswollte.

„Es geht mir nicht darum, überall der Beste zu sein“, erklärte Light. „Ich mache meine Zielsetzung nicht nur vom Gewinn abhängig. Ohne einen ebenbürtigen Gegner wäre das alles doch langweilig. Wieso hätte ich mich also gekränkt fühlen sollen? Ich war bei der Einstiegsfeier sogar ziemlich aufgeregt und neugierig.“

„Neugierig?“, griff L das Wort fragend auf.

„Du hast doch vorhin selbst davon gesprochen, oder nicht?“ Light zuckte mit den Schultern. „Zumindest habe ich das so aufgefasst. Was aber nicht bedeutet, dass mir der Sieg egal ist.“

„Wenn du dich demnach erst einmal auf einen Kampf eingelassen hast...“, begann L den Satz, welchen Light mit einem aufrichtigen Lächeln beendete.

„...dann möchte ich auch gewinnen.“

Mit einem Nicken steuerte L auf den Ausgang zu. Er hatte nichts anderes erwartet und war nicht einmal überrascht, dass Light diese Tatsache so offen zugab. Als L die Tür erreicht hatte, stellte er eine weitere Frage:

„Wenn du als Kira gewusst hättest, dass Ryuga Hideki in Wahrheit L ist, was hättest du dann getan?“

„Mich mit ihm angefreundet“, antwortete Light ohne Umschweife und räusperte sich sogleich. „Das heißt, ich hätte auf gleiche Weise wie du Freundschaft schließen wollen.“

„Ein recht hinterhältiges doppeltes Spiel also.“

„So streng würde ich das gar nicht beurteilen“, räumte Light ein und schüttelte dabei leicht den Kopf, „aber davon abgesehen solltest du aufpassen, dass ich mich nicht daran gewöhne, deinetwegen ständig für Kira zu denken.“

„Das hat ja auch nicht ausschließlich etwas mit ihm zu tun.“ Die Hände in die Hosentaschen geschoben ging L die Treppe hinunter. „Schließlich hätten wir genauso unabhängig davon ein Tennismatch bestreiten können. Beim Spiel kann man über einen Menschen in einer Stunde mehr erfahren als in sieben Jahren Konversation.“

„Wenn man dir so zuhört, könnte man meinen, du hieltest das gesamte Leben nur für ein Spiel oder ein Match.“

„Vielleicht ist das ja auch so.“ L präzisierte nicht, ob er sich mit seiner Aussage auf sich selbst oder das Leben bezog. „Wenn es aber so ist, Light-kun, dann lautet die erste Regel: das ist kein Spiel, das ist todernst.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
1. Ein Let oder Letball ist die Wiederholung eines Ballwechsels nach dem Auftreten einer Behinderung.
2. In einer Stunde Spiel könne man einen Menschen besser kennen lernen als beim Gespräch in einem Jahr; das ist ein Ausspruch, der fälschlicherweise oft Platon zugewiesen wird, allerdings von Richard Lindgard stammt, wenngleich etwas aus dem Kontext gerissen.
3. Der letzte Satz ist ein Zitat von Alan Watts. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  kleinYugi5000
2009-11-10T20:40:16+00:00 10.11.2009 21:40
absolut krasse story...sehr schwer zu lesen...aber auch voller gesellschaftskritik..gefällt mir^^
auch wenn es eine echte herrausforderung ist es alles am stück zu lesen **grins**

würde mich freuen wenn du schnell weida machst und mir dann gegebenenfalls ne ens schicken könntest

deine Soph-chan
Von:  angeljaehyo
2009-11-02T22:49:35+00:00 02.11.2009 23:49
Zu dem Kapitel habe ich nicht großartig viel zu sagen.
Ach, das ganze Leben besteht doch aus Klischees :D

Das Kapitel war ja gefährlich "normal". Trotzdem passend. Vor allem die Gedanken im Zusammenhang mit Squash - ein Gegeneinander mit einen Miteinander - dieses Bild fand ich äußerst passend, spiegelt es ja die Situation während den Ermittlungen komplett wider.
Ich mochte das Kapitel, allein, weil es sich leicht lesen ließ und ich sehr müde bin. :D Nein, Spaß. Es passt zu L und Raito. Es hat dieses Mal viel mehr mit ihrer Beziehung zu tun als mit ihren philosophischen Dialogen, das, was dieses Kapitel ausmacht. Das gefällt mir sehr gut.

Ich muss schlafen gehen, ich schreibe Blödsinn. Ich hoffe, du weißt, worauf ich hinauswill... oder auch nicht :D


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