[24/7] Zwischen den Zeilen von halfJack ================================================================================ Kapitel 9: Im Namen Gottes -------------------------- Im Namen Gottes Mit einem leisen Geräusch verschwand das letzte Wasser im Abfluss, bevor sich Stille über die Szenerie legte. Hundertfach wurde die erstickende Lautlosigkeit von den weißen Wänden und Kacheln zurückgeworfen. Inmitten des Schweigens saßen die zwei jungen Männer in der Duschkabine, durchnässt bis auf die Knochen, die Kleidung schwer und kalt auf ihrer Haut. Wasser tropfte von ihren Haarspitzen. Nicht einmal ihre Atmung war zu hören. Light hielt den Kopf gesenkt, die Stirn im Arm vergraben und wagte es nicht, den Blick zu heben. Langsam setzte sich L in Bewegung und zog aus seiner hinteren Hosentasche einen Schlüssel hervor, mit dem er die Metallfesseln löste. Seine Hände waren ruhig, doch seine Lippen zitterten. „Es ist erstaunlich“, setzte er endlich an und richtete die dunklen Augen auf seinen Ermittlungspartner, „dass du mal die Kontrolle verlierst, Light-kun. Und es im Nachhinein sogar bereust.“ „Erstaunlich ist eher, dass du es zugelassen hast.“ Light war froh, dass das Schweigen gebrochen wurde. Er selbst hatte nicht die Stimme und den Mut dazu gefunden. „Manchmal lasse ich Dinge einfach geschehen“, erklärte L und kaute dabei gedankenversunken an seinem Daumennagel, „um zu sehen, was sich daraus entwickelt. Man kann nie wissen, welche Situationen später noch von Nutzen sein werden.“ Eine solche Antwort hatte Light erwartet. Kommentarlos erhob er sich, wobei weiteres Wasser aus seiner Kleidung auf den gefliesten Boden fiel. Er zögerte nicht lang und öffnete sein Hemd, um sich die kalten Kleider vom Leib zu streifen. Währenddessen hatte L die Beine an den Körper gezogen und starrte an seinen Knien vorbei ins Unbestimmte. Nachdem sich Light seiner Sachen entledigt und sie achtlos hatte fallen lassen, band er sich locker ein Handtuch um die Hüften. Von außerhalb der Duschkabine hielt er seinem Freund die Hand entgegen. Dieser reagierte im ersten Moment jedoch nicht. Ohne den Arm zu senken, sagte Light seufzend: „Du kannst es wirklich nicht akzeptieren, dass ich nicht dein Gegner bin, oder?“ L hob den Kopf und starrte Light mit einem nichtssagenden Gesichtsausdruck an, bevor er sich kurzentschlossen von ihm hinaufziehen ließ und mit triefender Kleidung mitten im Badezimmer stehen blieb. „Vielleicht liegt es an meiner Position“, murmelte L, „und meiner Stellung gegenüber Kira.“ „Es ist kalt hier drin.“ „Auch wenn ich vorher nicht daran gedacht habe.“ „Du solltest deine Sachen ausziehen.“ „So scheint es, als hätte mich mein eigener Name vergöttlicht.“ „Ryuzaki“, sprach Light plötzlich eindringlich, um dessen Aufmerksamkeit zu erlangen, „du solltest deine nassen Sachen ausziehen, sonst erkältest du dich noch. Und wenn wir schon dabei sind, können wir gleich warm duschen.“ Mit unbewegter Miene rang sich L ein Nicken ab und zog daraufhin ungelenk sein Oberteil aus. Light holte seine eigene nasse Kleidung aus der Dusche und warf sie zu der seines Partners. Auf den Kacheln hatte sich die Feuchtigkeit ohnehin schon ausgebreitet. Sobald Light die Handschellen, die auf dem Boden vor der Kabine lagen, mit dem Fuß beiseitegeschoben und sein Handtuch darüber geworfen hatte, drehte er das heiße Wasser auf, um sich die Kälte vom Körper zu waschen. Er schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Nach einiger Zeit schaute er durch das beschlagene Glas zu seinem Freund hinüber, der sich ein Handtuch um den dünnen Körper gebunden und an den Rand der Badewanne gelehnt hatte, wobei er undurchdringlich auf seine Füße starrte. Light stieg aus der Duschkabine, damit er dem Anderen die Möglichkeit geben konnte, sich ebenfalls aufzuwärmen. Beim Abtrocknen dachte Light über Ls Worte nach und fragte schließlich unvermittelt: „Was meinst du damit, dass dich dein Name vergöttlicht hat?“ L stellte das Wasser ab, drehte sich jedoch nicht herum, als er entgegnete: „Der Gedanke kam mir, als ich die verschlüsselten Nachrichten von Kira erhielt.“ „Diese bedeutungslosen Hinweise, die von den Verbrechern hinterlassen wurden und die uns gezeigt haben, dass Kira Menschen vor ihrem Tod manipulieren kann?“ Verwundert zog Light die Augenbrauen tiefer ins Gesicht. „Du hast sie mir gezeigt, was war das noch...?“ Vorerst ohne eine Antwort zu geben ging der Detektiv an ihm vorbei zum Spiegel und schrieb mit dem Finger ein „L“ auf die beschlagene Scheibe. „Wer hätte das gedacht“, sagte er mit monotoner Stimme, malte ein paar weitere Schriftzeichen auf das Glas und setzte zwei lateinische Buchstaben daneben. „El?“, las Light fragend vor. „Ursprünglich stammt es aus dem Hebräischen“, erläuterte L. „Du kannst Hebräisch?“ „Nein, ich habe mich nur ein wenig damit beschäftigt.“ „Einfach so?“ „Mein Mentor hat mich dazu angehalten, alte Sprachen zu lernen“, erwiderte L ungeduldig, „Latein und Altgriechisch gehören zur Grundausbildung. Erstens bekommt man dadurch ein erweitertes Gespür, um Codes zu entschlüsseln, und zweitens wird das Denkvermögen durch das Erlernen einer Sprache gefördert.“ „Dein Mentor? Was für eine Ausbildung meinst du denn?“ „Du erwartest nicht ernsthaft, dass ich dir auf diese Frage eine Antwort gebe, Light-kun.“ „Oh, Verzeihung.“ Light lächelte entschuldigend. „Fahr fort.“ „Wie gesagt, zwar liegt der Ursprung in den semitischen Sprachen, doch auch heute findet man das“, L zeigte auf die beiden Buchstaben, „an vielen Stellen wieder, zum Beispiel in der christlichen Religion.“ Light überlegte einen Moment, während er die Zeichen auf dem Spiegel betrachtete, und fragte dann: „Du meinst die Namen der Engel?“ „Genau. Mit dem El am Ende ihrer Namen wird stets auf ihre höhere Verbindung hingewiesen.“ „Ihre Verbindung zu Gott.“ „Korrekt.“ Der Detektiv richtete die schwarzen Augen auf seinen Partner. „Bereits in den ältesten Sprachen der Welt bedeutete El Gott.“ Light blinzelte irritiert und musterte die Linien der unterschiedlichen Schriften, die auf dem beschlagenen Glas geschrieben standen. Es dauerte lang, bis er nachdenklich meinte: „Daran wird Kira sicher nicht gedacht haben. Er würde L nicht als Gott sehen, sondern ihn unter sich stellen. Wie auch L Kira nicht als Gott, sondern als ganz normalen Menschen sieht, allenfalls als Kind, dem man göttliche Kräfte in die Hand gelegt hat.“ „So scheint es wohl zu sein.“ Der Detektiv hatte nach einem weiteren Handtuch gegriffen, um sich die schwarzen Haare zu trocknen. „Aber ein Krieg auf selber Höhe gegen einen Gott gibt dem Kampf gleich viel mehr Wert, nicht wahr? Deorum iniuriae Diis curae.“ „Das kommt mir bekannt vor.“ „Ja, ein lateinisches Sprichwort. Beleidigung der Götter ist Sache der Götter. Menschen müssen sich nicht darum kümmern, das Recht einer übergeordneten Instanz zu verteidigen, denn das wird sie selbst übernehmen. Man kann nur von einem wirklichen Krieg sprechen, wenn beide Parteien gleichwertig sind. Nur dann ist der Kampf interessant.“ L ließ das Handtuch teilnahmslos fallen, sodass ihm die feuchten Haare wirr vom Kopf abstanden. „Und was ist der Unterschied zu Gott schon, wenn die menschliche Rasse bereits genügend qualitative Abstufungen aufweist?“ Die Arme vor der Brust verschränkend wandte Light den Blick vom Spiegel ab und ließ ihn auf dem Meisterdetektiv ruhen, als er nüchtern feststellte: „Dir ist ein intelligenter Gegner also lieber als ein beschränkter Freund, Ryuzaki.“ Unbestimmt und scheinbar gelangweilt zuckte L mit den Schultern und sagte nichts dazu, sodass Light kühl fortfuhr: „Letztendlich ist ein Name doch nur Schall und Rauch. Er existiert nur durch die Menschen, die ihn uns geben. Ohne sie hätten wir keine Gewissheit, ob wir wirklich das sind, was sich hinter dem Namen verbirgt.“ „Aus diesem Grund kann durch einen Namen auf eine Person Kontrolle ausgeübt werden“, erwiderte L und starrte den Buchstaben auf dem Glas an. Als Light dem Blick folgte, verlor sein Gesicht den distanzierten Ausdruck. Behutsam fragte er: „Du meinst als selbsterfüllende Prophezeiung?“ „Wenn jemand sein Leben lang nur als Monster bezeichnet wird, dann kann er gar nichts anderes werden als das.“ „Und wenn jemand als Gott bezeichnet wird?“ Light konnte sich den Schmerz kaum erklären, der plötzlich in seiner eigenen Stimme mitschwang. Er erinnerte sich an eines ihrer älteren Gespräche. Hätte Kira überhaupt etwas anderes werden können? Konnte L etwas anderes sein? „Auch Light-kun trägt das Zeichen Gottes in seinem Namen“, unterbrach L die Gedanken seines Ermittlungspartners und schrieb mit dem Finger die Schriftzeichen für „Yagami Light“ auf die Spiegelscheibe, direkt unter seinen eigenen Namen. „Wenn der Gott einer neuen Weltordnung existierte“, sagte L leise, „dann würde ich ihm deinen Namen geben.“ „Verarsch mich nicht.“ Lights Stimme blieb beherrscht. „Welche Reaktion meinerseits würde dir denn jetzt bestätigen, dass ich Kira bin?“ „Nimm nicht alles so ernst, Light-kun“, entgegnete L schlicht und wandte sich ab, um das Badezimmer zu verlassen. Mit schlurfenden Schritten durchquerte er das Zimmer und öffnete den Kleiderschrank. Die Jeans, die er daraus hervorzog, sah genauso ausgewaschen und zerbeult aus wie alle seine anderen. Light war ihm seufzend gefolgt. Er streifte sich soeben einen Pullover über, wobei er das Handtuch, mit dem er sein braunes Haar abgetrocknet hatte, über die Schultern legte. „Ein Name hat nicht nur Bezeichnungsfunktion“, sagte L, nachdem er sich vollständig angezogen hatte. Er hob die Hand und deutete direkt auf Lights Gesicht, in welchem sich Ernst und Aufmerksamkeit widerspiegelten. „Ein Name ist mehr als ein Finger, der auf jemanden zeigt. Ich verwende einen Buchstaben, der einer bestimmten Reihe an Zuschreibungen von Prädikaten entspricht, beispielsweise als Meisterdetektiv oder als Leiter der Ermittlungen gegen Kira. L liegt zwischen den beiden Polen der Beschreibung und der Bezeichnung. Sicher weist der Buchstabe eine gewisse Verknüpfung mit dem auf, was er benennt, aber weder ganz im Sinne des Bezeichnens noch ganz im Sinne des Beschreibens, weil es sich vielmehr um eine spezifische Verknüpfung handelt. Die Verknüpfung des Eigennamens mit dem benannten Individuum und die des Detektivs, der durch L benannt wird, sind nicht isomorph und funktionieren nicht auf dieselbe Weise. Ich trete gewissermaßen hinter dem zurück, was ich bin.“ „L“, sagte Light mit brüchiger Stimme und merkte, dass sein eigenes Herz unerklärlicherweise raste. Der Detektiv sah ihn ein wenig erstaunt aus großen Augen an. „Das klingt, als sei es nicht nur ein Pseudonym.“ Der Blick, mit dem L diese Feststellung seines Ermittlungspartners quittierte, war schwer einzuordnen; auf der einen Seite wirkte er noch durchdringender und stechender als sonst, auf der anderen Seite stellte er ein Abbild perfekter Gleichgültigkeit dar. Ebenso war aus Ls tonloser Stimme kaum ein Rückschluss zu ziehen. „Glaubst du wirklich, ich würde dir das sagen, wenn es so wäre, Light-kun?“ „Glaubst du denn, dass ich dich das fragen würde, wenn ich Kira wäre?“ „Es ist zumindest keine Falsifikation.“ L drehte sich um, schob die Hände in die Hosentaschen und ging erneut auf das Badezimmer zu. Mit einem leichten Lachen schüttelte Light den Kopf und meinte: „Irgendwie bekomme ich dich einfach nicht zu fassen.“ „Geht mir genauso“, entgegnete L, ohne sich noch einmal umzuwenden. Light sah ihm einen kurzen Moment nachdenklich hinterher. Nur noch die Abenddämmerung erhellte den Raum, sodass der Sohn des Polizeiinspektors kurzerhand das Licht einschaltete. Als er aus dem Fenster schauen wollte, erkannte er nicht mehr die Silhouette der Stadt, sondern bloß sein eigenes reflektiertes Ebenbild als Gegenstück seiner selbst. „Und Kira?“, fragte er ruhig, als L schweigend und mit den Metallfesseln in der rechten Hand neben ihm erschienen war. „Sein Name sagt nur etwas darüber aus, was er tatsächlich ist.“ „Ein Killer“, bestätigte L mit einem Nicken. „Ob sich Kira seinen Namen selbst gewählt hat?“ Die beiden Männer starrten ein paar Sekunden auf die Glasscheibe des Fensters, bevor sie gleichzeitig sagten: „Nein, sicher nicht.“ Light warf seinem Freund einen überraschten Blick zu. Anstatt weiter darauf einzugehen, entschied er sich jedoch, ein anderes Thema anzuschneiden, das ihm nicht mehr aus dem Sinn ging. „Eines verstehe ich nicht, Ryuzaki“, begann er vorsichtig. „Bezeichnest du dich etwa selbst als Gott? Der Gott der Gerechtigkeit, der keinen Namen besitzt, da das Aussprechen dieses Namens Blasphemie bedeuten würde?“ „Kira ist selbst der Meinung, der Gott der Gerechtigkeit zu sein.“ Nach wie vor blieb Ls Blick starr auf das Fensterglas gerichtet. „Wer am Ende diese Position einnimmt, das wird allein über Sieg oder Niederlage entschieden.“ „Ich bin mir sicher, Kira würde es ganz genauso ausdrücken.“ Mit bitterer Miene wandte sich Light ab. „Die Ähnlichkeit eurer Gedanken ist manchmal erschreckend.“ Er wollte eben das Zimmer verlassen, als L ihn am Handgelenk festhielt und meinte: „Aber ist nicht auch die Ähnlichkeit der Gedanken von L und Light-kun erschreckend?“ Bevor sich der Jüngere von dem Meisterdetektiv losmachen konnte, hatte dieser ihm bereits die Handschellen umgelegt und damit die Verbindung erneut zwischen ihnen hergestellt. Abwehrend protestierte Light: „Du weißt, dass ich das...“ „...nicht hören will?“, beendete L den Satz unbeteiligt. „Ja, ich weiß.“ „Ich meine damit aber nicht uns, Ryuzaki.“ „Uns?“ Interessiert legte L den Finger an die Lippen. „Unser Verhältnis zueinander“, versuchte sich Light zu erklären. „Wie ähnlich wir uns auch sein mögen, das stört mich nicht. Ich will nur nicht ständig mit Kira verglichen werden.“ „Ah, so ist das.“ „Tu bitte nicht so, als würdest du das zum ersten Mal hören“, entgegnete Light abschätzend und runzelte dabei die Stirn, „außerdem gibt es noch eine andere Sache, die mir Kopfzerbrechen bereitet, wenn nicht sogar Unbehagen... dieser Bezug zu Gott.“ „Wieso?“, fragte L unbekümmert. „Du tust gerade so, als würdest du das zum ersten Mal hören.“ Light überging die spöttische Aussage seines Partners und führte seine Kritik weiter aus. „Mich stört einfach diese Verbindung mit einer übermächtigen Instanz. Als Mensch scheint man dagegen nichts ausrichten zu können, weil Gesetze schon immer von Göttern gemacht wurden. Aber gerade das hat dazu geführt, dass höhere Mächte und göttliche Fügung oft zur Legitimation missbraucht wurden.“ „Sind wir also wieder bei der Monotheismusdebatte?“ Die eine Hand in der Hosentasche kratzte sich L mit der anderen am Hinterkopf. „Ein Problem, mit dem sich Japan kaum herumschlagen muss.“ „Du meinst, weil im ostasiatischen Kulturraum viele Glaubensrichtungen nebeneinander existieren, sodass bei der hier herrschenden Toleranz die religiösen Konflikte des Westens alles andere als verständlich erscheinen. Die drei großen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam entstammen alle derselben Wurzel und verehren gleichermaßen einen einzigen Gott. In Japan würden wir wohl einfach sagen, dass sie alle den gleichen Gott anbeten und ihm nur einen anderen Namen gegeben haben.“ „Aber genau dieser Gott ist ein eifersüchtiger Herrscher“, fügte L mit einem Schulterzucken hinzu, „zumindest ist er es durch die Menschen geworden, die an ihn glauben. Das kehrt in der gesamten Menschheitsgeschichte wieder. In den alten polytheistischen Anschauungen gab man sich oft damit zufrieden, die Verehrung der Götter mit der Vorstellung eines einzelnen Gottes zu teilen. Doch etliche Religionskriege, die selbst bis heute andauern, sind ein Beleg jener Eifersucht, die ein einzelner Gott mit sich bringen kann. Als letztes Zeugnis weisen nur die geplünderten und zerstörten Tempel der alten Götter anklagend in den Himmel.“ „Durch Religion wurde oft festgelegt, was gut und was böse ist, was richtig und was falsch.“ „Um diese Frage geht es im Fortbestand der Menschheit schon seit geraumer Zeit. Wie ein roter Faden zieht sich das durch die Geschichte... oder noch eher wie eine rote Linie.“ L deutete zu Boden und zeichnete mit seinem Finger eine imaginäre Grenze von links nach rechts, die genau zwischen den sich gegenüberstehenden Männern verlief. „Ein Limes, der die Gerechtigkeit bestimmt. Stets muss entschieden werden, wer auf der richtigen Seite steht.“ Light schaute hinab. Doch sein Blick fiel nicht auf den Boden zu seinen Füßen, sondern auf die Metallkette, die ihn mit dem Anderen verband. Mit Gewissheit sagte er: „Damit kann unser Zusammenleben gesichert werden.“ „Wobei aber immer auch solche ihr Leben lassen müssen, die keine Verbrecher sind“, gab L zu bedenken. „Für die höhere Sache Gottes wurden oft wissentlich Menschen gerichtet, die eigentlich unschuldig waren.“ „Darum ist es gleichzeitig ein Mittel zur natürlichen Auslese, quasi die humane Variante des unbarmherzigen Gesetzes der Natur. Unsere Gesellschaft ist nicht perfekt, sie hat unzählige Makel und erscheint für den Einzelnen kalt und skrupellos.“ Zwar konnte sich Light mit seinen eigenen Gedanken nur schwer anfreunden, dennoch sprach er den nächsten Satz unverhohlen aus. „Kira wollte womöglich nur zeigen, dass hier etwas gehörig falsch läuft.“ „Aber ist das, was Kira tut, nicht ebenfalls ein Ausleseverfahren?“ L schob beide Hände zurück in die Hosentaschen und starrte Light direkt in die Augen. „Wie will man der Menschheit einen Spiegel vorhalten, um ihr zu zeigen, wie sie ist und was in ihr falsch läuft? Dafür müsste man die gesamte Welt darstellen und sichtbar machen. Doch nur die Allwissenheit eines Gottes ist dazu fähig. Ein Gott könnte die Menschen allerdings nicht berühren, wie sie sind, weil er dafür zu perfekt, im wahrsten Sinne des Wortes zu unmenschlich ist. Je näher man also versucht, den Menschen zu sein, desto weiter entfernt man sich von ihnen. Man kann nicht beides sein. Nicht gleichzeitig Gott und doch Mensch.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)