霜の花 von Tei (Comme un cristal de glace) ================================================================================ Tag 6 – Mittwoch: Schwarzer Tag ------------------------------- @ Terra-gamy: Also an Yoshikis Stelle würde ich das machen!^^ Ist aber auch irgendwie gemein… als Kind kriegt man beim Arzt immer irgendwelche Belohnungen, aber sobald man ein Teeny oder älter ist, geht man leer aus. Bzgl. der Hasen: Ich muss gestehen, dass das zum Teil eine leichte Parodie war. Egal ob jetzt im deutsch- oder englischsprachigen Internet, es gibt soviele Slash-FFs da draußen, die zum Teil wirklich erschreckende Ausmaße wie Männerschwangerschaften annehmen, dass ich das Ganze einfach ein wenig auf die Schippe nehmen musste ^.~ @__GAKUTO: Ich glaub echt, dass das der längste Kommi ist, den ich je von dir gelesen hab *sich geehrt fühlt* (Danke!!) Du bist ehrlich gesagt nicht die Einzige, die sich beim Lesen totgelacht hat – ich habs beim Schreiben auch getan^^; Vielleicht weil soviele einen Hund haben und der Hund der beste Freund des Menschen ist? Du fandest die Schlussszene gut? Die Wahrheit ist, ich bin bis heute nicht ganz glücklich mit ihr und dabei habe ich sie schon 10 000 Mal umgeändert… bin wahrscheinlich mal wieder zu perfektionistisch^^; Vielen Dank an alle Leser und Kommischreiber und ich hoffe, dass auch dieses Kapitel seinen Anklang findet! ~*~*~*~*~* Manchmal hasse ich alles… ich verabscheue das Leben… und mich selbst… YOSHIKI – Yoshiki Mobile Eintrag vom 20. November 2008/Myspace Eintrag vom 21. November 2008 Die letzte Nacht war lang gewesen und umso mehr verwunderte es Toshi, dass er bereits um 07:00 Uhr aufwachte und völlig ausgeschlafen war. Während Sugizo, Pata und Heath nachhause gefahren waren, hatte er eine weitere Nacht bei Yoshiki verbracht. Als sich alle verabschiedeten, hatte dieser leise gefragt, ob er nicht noch über Nacht bleiben könne. Der Pianist war noch im Land der Träume und er hatte auch nicht vor, daran etwas zu ändern. Auch wenn er gestern einen äußerst gesunden Eindruck gemacht hatte, so wusste er, dass das darüber hinwegtäuschte, dass ihm das letzte Konzert noch immer in den Knochen steckte. Von ihnen allen brauchte der Blonde immer am längsten, um seine Akkus wieder voll aufzuladen und auch wenn er es nicht zugeben wollte, die Woche mit Ran bedeutete Stress. Leise stand der Sänger auf, holte sich frische Klamotten aus Yoshikis Kleiderschrank und verschwand im Bad. Eine halbe Stunde später kam er angezogen wieder zurück und verließ leise das Schlafzimmer, um in der Küche das Frühstück vorzubereiten. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, kam ihm Ran, bereits fertig angezogen, entgegen. Er vermutete, dass sie sie hatte wecken wollen. "Yosh schläft noch, lass uns erst einmal Frühstück machen!" Routiniert bereitete Toshi das Essen zu und wurde dabei tatkräftig von der Fünfjährigen unterstützt, die sich dann auch sofort darüber her machte, während er entschied, den anderen wecken zu gehen. Dieser schlief noch immer, wälzte sich aber unruhig hin und her. Der Sänger setzt sich auf die Bettkante und berührte leicht den nackten Oberarm. "Yoshiki, aufwachen!" Als er nicht reagierte, schüttelte er ihn ein wenig an der Schulter, was Wirkung zeigte. Murrend öffnete der Schlagzeuger die Augen und ächzte, als er sich in Richtung des Störenfrieds umdrehte. "Toshi?" "Gott, ich fühl mich, als wäre eine Horde Elefanten über mich drüber getrampelt… ich hätte die Schmerztabletten gestern - oder war es heute? - doch noch nehmen sollen…" "Guten Morgen, Dornröschen!" "Wie spät ist es?", fragte er verschlafen und versuchte sich aufzusetzen, was ihm aber nur einen stechenden Schmerz im Rücken einbrachte, sodass er sich wieder in die Kissen fallen ließ. "Kurz vor acht", antwortete Toshi und beobachtete ihn besorgt, sagte aber nichts weiter darüber, "Frühstück ist bereits fertig." "Okay, ich komme gleich." Der Sänger nickte, stand auf, ging zur Tür und sah so nicht, wie der andere an den Bettrand robbte, sich von dort vorsichtig auf den Boden gleiten ließ und sich dann am Bett hochzog. Wenn sein Rücken so schmerzte, wie er es momentan tat, dann war es oftmals einfacher, so auf die Beine zu kommen, als zu versuchen direkt aus dem Bett aufzustehen. Erst als er stand, merkte er, wie wackelig sich seine Knie anfühlten und stehen alleine jagte solche Schmerzen durch sein Rückenmark und in die Extremitäten, dass er glaubte, weiße Blitze vor seinen Augen zu sehen. Ins Badezimmer zu kommen würde definitiv interessant werden. Sein erstes Etappenziel war zunächst einmal die gegenüberliegende Wand, an der er sich dann vor zur Badezimmertür tasten konnte. Doch bereits nach zwei Schritten knickten ihm die Beine weg und er stürzte zu Boden. "Fuck!", fluchte er leise vor sich hin und schüttelte die Hände aus, mit denen er sich abgefangen hatte, die aber auch nicht unbedingt in der Verfassung waren, sein ganzes Körpergewicht aufzufangen. Zum Glück war Toshi nicht mehr da oder er würde sich nur unnötig Sorgen machen - schließlich war es nicht das erste Mal, dass er alleine mit so einer Situation fertig wurde. Frustrierend war es trotzdem! Weil seine Beine noch nicht so recht mitmachen wollten, legte er die letzten Meter zur Tür auf allen Vieren zurück und zog sich dann an der Klinke wieder nach oben. Funktionierte doch alles wunderbar - kein Grund seinen besten Freund zu rufen und seinem Stolz einen unnötigen Dämpfer zu verpassen! Im Bad angekommen, hielt er sich am Waschbecken fest und warf einen kurzen Blick in den Spiegel. Blass und Augenringe bis zu den Kniekehlen - es gab wirklich keinen besseren Start in den Morgen! Eigentlich hatte er duschen wollen, aber da er seinen Füßen nicht so recht traute, entschied er sich für den Jacuzzi. Das warme Wasser und die Blasen würden die schmerzhaften Verspannungen - zumindest hoffte er, dass es das und kein eingeklemmter Nerv war - lösen und die Schmerzen erträglicher machen. Kurz darauf lag er mit geschlossenen Augen in der Wanne, ließ sich von Chopin berieseln, auch wenn beschallen wahrscheinlich der bessere Ausdruck war, da er die Anlage aufgedreht hatte und spürte, wie die Schmerzen ein wenig nachließen. Später, sobald er ein wenig Essen und dazu noch die doppelte Ration an Tabletten im Magen hatte, würde der Tag würde hoffentlich halbwegs erträglich werden. Eine halbe Stunde später fühlte er sich etwas besser und wollte eigentlich das Bad beenden, doch er stand vor dem Problem, wie er herauskommen sollte. Klar, normalerweise war das nichts, worüber man sich den Kopf zerbrechen musste – einfach aufstehen und über den Wannenrand steigen -, aber im Moment… in seiner Villa in Los Angeles wäre das ganze kein Problem, da der Jacuzzi dort einen schönen breiten Rand hatte, auf den man sich notfalls setzen, herum drehen und sich dann wie beim Bett nach unten rutschen lassen konnte. Leider saß er jedoch in seiner Whirlwanne in Tokyo, bei der das nicht so ohne weiteres ging. So würde er sich doch auf seine Beine verlassen müssen, was sich natürlich als Fehler erwies. Erneut versagten sie ihren Dienst, er stürzte zurück ins Wasser, schickte eine kleine Flutwelle über den Badewannenrand und bei dem Versuch sich abzufangen, verriss er sich auch noch den sowieso schon lädierten Rücken. Die Schmerzen vorhin waren nichts gegen die jetzigen, die ihm die Tränen in die Augen trieben. Nun war es wohl an der Zeit nach Toshi zu rufen. „TOOOOOOOOOOOOOOSH!!!!!!!!!!!!!!!!“ Yoshiki konnte nur hoffen, dass sein Sandkastenfreund ihn trotz der lauten klassischen Musik hörte. Als nach ein paar Minuten aber immer noch kein besorgter Sänger durch die Tür gerannt kam, schwand die Hoffnung auf schnelle Rettung. Er schrie zwar noch einmal, aber erneut geschah nichts. So blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen, dass ihn irgendwer irgendwann einmal – möglichst schnell – vermisste und ihm half. „Scheiß Körper, scheiß Rücken, scheiß Bandscheiben“, fluchte er vor sich hin und schlug mit den Handflächen auf die Wasseroberfläche, dass es nur so spritze und der Badewannenvorleger, der vorhin schon durchnässt worden war, sich weiter mit Wasser vollsog. „Blöde, laute Musik, dummer, tauber Tosh, scheiß Schmerzen, verfluchter Stolz!“ Als ihm die Flüche auf Japanisch ausgingen, machte er zunächst auf Englisch und dann auf Französisch weiter. Bei letzterer Sprache hatte er jedoch das Problem, dass er nicht wusste, was Bandscheiben nun eigentlich bedeuteten. Von seiner Unwissenheit frustriert verfiel er wieder in seine Muttersprache. Nach gefühlten drei Stunden öffnete sich schließlich die Badezimmertür und Toshi steckte den Kopf herein. "Willst du hier drinnen Wurzeln schlagen?" "Na endlich!" "Was machst du in der Badewanne?" "Darauf warten, dass du mich findest!" Yoshiki hatte erst eine bissige Antwort auf der Zunge gelegen, aber da er wirklich nur noch heraus wollte - das Wasser war nur noch lauwarm und seine Haut bereits total schrumpelig - hatte er sie hinunter geschluckt. Der Sänger kam erst einmal in den Raum hinein und schaltete die Anlage aus. "Okay, ich hab dich gefunden, du kannst rauskommen", äußerte er und hielt ihm ein großes Handtuch hin. Als der andere nicht reagierte, fiel ihm wieder das schmerzverzerrte Gesicht von vorhin ein. "Yosh?" "… könntest du… … mir vielleicht… helfen?", fragte er leise und so, wie er den Blick abwendete, auf seiner Unterlippe herum kaute und seine Finger knetete, war es deutlich zu sehen, dass es ihm nicht ganz leicht fiel, darum zu bitten. "Rücken?" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, als Toshi das Handtuch beiseite legte, an die Wanne trat und dann erst einmal den Vorleger in die Dusche verfrachtete, da er bei jedem Schritt nur so vor Feuchtigkeit schmatzte. „Ja… hätte gestern wohl nicht so verdreht auf dir und Pata liegen sollen… und vorhin, bei dem Versuch aus dem Jacuzzi zu kommen, hab ich ihn mir auch noch verrissen…“ Vorsichtig hob Toshi ihn heraus und stellte ihn auf seine Beine, hielt ihn aber weiter fest, da er aus der Vergangenheit nur zu gut wusste, dass die Schmerzen häufig dafür sorgten, dass seinem besten Freund die Füße wegknickten. „Soll ich die Krankengymnastik absagen?“ „Lass mal… vielleicht hilft es ja was…“ Yoshiki lehnte sich gegen ihn und zuckte zusammen, als der Kleinere mit dem Handtuch anfing seinen Rücken trocken zu rubbeln. Jedes Mal wenn Toshi stärkeren Druck auf die Muskulatur ausübte, erzitterte sie unter seinen Händen, sodass er schließlich stoppte und versuchte, den anderen so gut es ging anzusehen, da dieser den Kopf auf seiner Schulter abgelegt hatte. „Tu ich dir weh?“ Der Drummer nickte, fügte aber hinzu, dass der Druck gleichzeitig angenehm war und er deswegen nichts gesagt hatte. Zögernd machte der Sänger weiter, hielt aber kurz inne, wenn der andere vor Schmerz leicht keuchte. Er beeilte sich mit dem Abtrocknen, da er merkte, wie sich Yoshiki immer verkrampfter an ihm festhielt, je länger es dauerte. Als er fertig war, packte er ihn in den flauschigen Bademantel und trug ihn der Einfachheit halber im Prinzessinnenstil zurück ins Schlafzimmer, wo er ihn auf dem Bett absetzte. Anschließend stopfte er ihm die zweite Zudecke und sämtliche Kissen in den Rücken, damit er halbwegs aufrecht saß, da die Haare bei der Badeaktion auch nicht ganz trocken geblieben waren - ebenso wie die Klamotten, die Toshi trug, aber darum würde er sich später kümmern. "Bleib liegen, ich hole schnell dein Frühstück und dann föhne ich deine Haare!" Damit war der Sänger auch schon weg und ein seufzender Pianist blieb zurück. Toshi war im Gluckenmodus und genau das hatte er eigentlich nicht gewollt. Andererseits tat es gut zu wissen, dass der andere für ihn da war und alles in die Hand nahm, sodass er sich um nichts kümmern musste. Er würde es zwar nie zugeben oder zeigen, aber mit den momentanen Schmerzen war er froh, dass heute außer Rans Ballett nichts auf dem Plan stand. Gleich darauf kam der Sänger auch schon mit der Fünfjährigen im Schlepptau zurück und stellte ein reichhaltig gedecktes Tablett auf seinen Oberschenkeln ab. "Nach deinem gestrigen Kampf habe ich vorhin schon alles fertig gemacht", erklärte Toshi und spielte damit auf den Toast an, der bereits fertig bestrichen war. "Alles okay?", wollte Ran wissen, die neben ihm auf dem Bett kniete und ihm einen Blick zuwarf, der ihn nur zu stark an Koukis ‚es wäre besser, du wärst im Krankenhaus‘ Blick erinnerte. Das waren ja tolle Zukunftsaussichten für ihn! "Mehr oder weniger…" Der restliche Vormittag verging mehr oder weniger schnell. Toshi hatte dafür gesorgt, dass am Nachmittag sowohl Yoshikis Akupunkteur, als auch sein Masseur vorbeikamen, ehe er sich schweren Herzens verabschiedet hatte, da er zu einem Promotionstermin im Apple Store in Ginza musste, der sich nicht absagen ließ. Nur ungern ließ er seinen Sandkastenfreund in einer solchen Situation alleine, aber er versprach, so schnell wie möglich wieder zu kommen. Die Krankengymnastik, von der Yoshiki erhofft hatte, dass sie Linderung bringen würde, wurde zur reinsten Tortur, sodass sie sie frühzeitig abbrachen. Hanako, die zwischenzeitlich gekommen war, kümmerte sich um Ran, sodass der Pianist die unverhofft freie Zeit ungestört in der Sauerstoffkapsel verbringen konnte. Er betete inständig, dass dies, sowie die Akupunktur und die Massage dazu beitrugen, dass er bis morgen wieder hergestellt war. Kurzfristig hatte er auch schon mit dem Gedanken gespielt seine Mutter anzurufen und sie zu bitten, sich um die Kleine zu kümmern. Aber da er ihr keine unnötigen Sorgen bereiten wollte und sich Ran als äußerst kooperativ zeigte, verwarf er die Überlegungen wieder. Nach den bisherigen Tagen musste er seinem Bruder zustimmen, dass das Mädchen einem durchaus graue Haare bescheren konnte, aber er hatte auch gelernt, dass sie, wenn sie merkte, dass es ihm nicht gut ging, ein Engel auf Erden war und alles tun wollte, damit es ihm wieder besser ging. Seine größte Sorge war daher eher nur, dass sie wie ihr Vater wurde. Am frühen Nachmittag war erst sein Masseur und später dann noch sein Akupunkteur da. Ran war in die Akupunktursitzung geplatzt, um ihm freudig mitzuteilen, dass Hanako gezählt hatte und die Hälfte der Kraniche bereits gefaltet waren. Als sie ihn mit all den Nadeln am Körper auf der Liege hatte liegen sehen, hatte sie erst einmal ziemlich verstört drein geblickt. Sein Akupunkteur erklärte ihr, was es damit auf sich hatte und setzte ihr, um ihr zu zeigen, dass es wirklich nicht weh tat, wovon sie der Überzeugung war, eine der langen, feinen Akupunkturnadeln. Yoshikis Nichte musste feststellen, dass der andere wirklich recht hatte: es kribbelte zwar ein wenig und die Einstichstelle schien wärmer zu werden, aber im Gegensatz zu Impfungen spürte sie keinen einzigen Schmerz. Zufrieden damit, dass dieser kleine Mann, mit dem seltsamen Akzent - er kam aus China - ihrem Onkel nicht weh tat, rannte sie zurück zu Hanako und den AIBOs, um weitere Kraniche zu falten. Die Haushälterin hatte ihr beim letzten Einkauf extra Origamipapier mitgebracht. Ran verließ den Raum jedoch nicht, ohne Yoshiki zu sagen, dass er mit den Nadeln wie ein kahlköpfiger Igel aussah. Doch zum Origami kam das Mädchen nicht sofort, da ihre Eltern anriefen. Der Blonde hatte es nur am Rande mitbekommen und Ran verschwieg seinen Zustand, da sie sich, anhand dessen, was ihr Toshi unter anderem erzählt hatte, inzwischen zusammen gereimt hatte, dass ihr Onkel ihrem Vater keine unnötigen Sorgen bereiten wollte und er hatte schließlich erst gestern versichert, dass er nicht sterben würde. Stattdessen erzählte sie ausführlich von dem Meeting, bei dem sie hatte dabei sein dürfen, und dass sie auf Yoshikis Flügel gespielt hatte. Nachdem alle Behandlungen vorbei waren, legte sich der Pianist freiwillig zurück in sein Bett, da ihn die ganzen Schmerztabletten, die er heute nur so in rauen Mengen geschluckt hatte, doch recht apathisch machten und für einen leichten Schwindel sorgten. Beim Mittagessen hatte Hanako bereits angeboten, Ran statt seiner, gemeinsam mit den Bodyguards, zum Ballett zu begleiten. Seine Nichte hatte dem nicht widersprochen, sodass er das Angebot letztendlich nur zu gerne angenommen hatte. Gegen 15:00 Uhr waren sie abgeholt worden, mit dem Resulat, dass er nun, mit den AIBOs als seine einzige Gesellschaft, alleine zuhause war. Das Handy lag auf dem Nachttisch und er entschied sich, im Studio in Los Angeles anzurufen, um zu hören, was das Pro Tools MIX Plus System machte. Wie sich herausgestellt hatte, war es nur ein kleiner Fehler gewesen, der rasch hatte behoben werden können, sodass nun alles wieder reibungslos ablief. Auch sonst gab es keinerlei Probleme und in seiner Abwesenheit lief alles wie am Schnürchen - etwas, das ihn ein wenig wurmte, da er sich überflüssig vorkam. Nachdem dieser Anruf relativ schnell beendet war und ein Blick auf die Uhr ihm verriet, dass es in Frankreich eine halbwegs zivile Zeit war, entschied er, seinen Freund Pierre-Emmanuel Taittinger anzurufen. Er hatte schon länger nicht mehr mit ihm gesprochen und außerdem konnte er so ein wenig sein Französisch aufpolieren. Zudem würde er ihm sicherlich sagen können, wie die Franzosen zu Bandscheiben sagten. Nach mehrmaligem Klingeln wurde auch abgenommen und eine vertraute Stimme, die das typischen ‚Allô‘ sagte, meldete sich. „Bonjour, c’est Yoshiki. Je te dérange pas?“, begrüßte er ihn und fragte anstandshalber nach, ob er stören würde. Zu Beginn war es etwas schwer in die romanische Sprache hineinzukommen, da er sie schon seit mehreren Wochen nicht mehr wirklich aktiv angewandt hatte, aber relativ schnell hatte er den Dreh wieder heraus und am Ende des Telefonats wusste er auch, was Bandscheiben auf Französisch bedeuteten. "Toll, ich hätte es nur vom Englischen ableiten müssen… idiotisch!" Von den Schmerztabletten und der enormen Konzentration, die er gebraucht hatte, um mit seinem Freund zu telefonieren, geschlaucht, kuschelte er sich in die Kissen, schloss die Augen und grübelte darüber nach, was Pierre-Emmanuel mit der Überraschung gemeint hatte. Erst zwei Wochen später würde er herausfinden, dass er ein Chevalier de l’Ordre des Coteaux de Champagne werden sollte. Darüber nachdenkend schlief er ein und bekam so nicht mit, wie Toshi wiederkam und sich mit dem Ersatzschlüssel, den er hatte, Einlass verschaffte. Über seiner Schulter hing eine grüne Sporttasche und unter den Arm hatte er sich eine Tupperschüssel geklemmt, die er erst einmal im Kühlschrank zwischenlagerte und sich aus eben jenem eine Flasche Wasser mitnahm - Yoshikis Lieblingsmarke: Evian. Die Tasche stellte er auf dem Küchentisch ab und machte sich dann auf die Suche nach den anderen. Er erinnerte sich vage daran, dass Ran heute Abend Ballett hatte - konnte also gut sein, dass sein bester Freund, wenn er sich gut genug fühlte, im Moment gar nicht zuhause war. Er war gerade im Wohnbereich angekommen, als ein Schrei ihn zusammenzucken ließ: "Nein!!!!!!" "Okay, Yosh ist auf jeden Fall da!" Toshi folgte seinen Ohren und erreichte das Schlafzimmer, dessen Tür offen stand. Mit dem Rücken zu eben jener lag der Schlagzeuger auf der Seite zusammengerollt unter der Zudecke und wenn sich der Sänger nicht ganz irrte, so bebten seine Schultern. "Er liegt im Bett…?! Entweder geht es ihm wirklich grauenhaft oder er wird auf seine alten Tage noch vernünftig…" Leise ging er zu dem großen Bett, krabbelte über die freie Hälfte und legte sich dann halb über Yoshikis Oberkörper, um ihm ins Gesicht zu sehen. „Hey, was ist los?“, fragte er ehrlich besorgt, als er die Tränenspuren sah. „Tosh?!“ Die Überraschung war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben und rasch wischte er sich schniefend mit den Fingern über die Augen und Wangen. „Alles okay!“ „Du heulst und ich hab dich schreien hören…“ Als er spürte, wie sich der andere unter ihm auf den Rücken drehte, rutschte er von ihm und legte sich neben ihn. „Hab nur nen Scheiß geträumt…“ „Muss ziemlich real gewesen sein“, entgegnete der Sänger und strich über Yoshikis Oberarm. „Albtraum, nichts weiter“, versuchte es der andere herunterzuspielen, während er vor seinem inneren Auge immer noch die Bilder seines Traumes sah. „Worum ging es? Wieder dein Reismonster?“ „Du im Negligé!“ So recht kaufte Toshi ihm das nicht ab, was sein Blick auch nur zu deutlich zeigte, aber er sagte nichts weiter dazu, sondern schwieg, in der Hoffnung, dass der Drummer, der sich einmal wieder an ihn gekuschelt hatte, von selbst erzählte, was ihn in seinen Träumen geängstigt hatte. "… wir haben ein Konzert gegeben… nach der Wiedervereinigung… wir standen alle sechs auf der Bühne… hide war so lebendig… er hat herumgealbert wie immer… wie in alten Zeiten…", erzählte Yoshiki stockend. "Und wir trugen alle Negligés? Ehrlich gesagt, ich glaube, dass Pata das am wenigsten und dir am besten stehen würde…", versuchte Toshi ihn ein wenig zum Lächeln zu bringen, was aber nicht wirklich funktionierte. "… im Publikum war meine Familie", fuhr der andere fort, "… Papa… er hat so stolz ausgesehen… er hat so gestrahlt… und… und… im nächsten Moment waren alle tot! Ihr saht aus, als würdet ihr schlafen… ich habe versucht euch zu wecken, ich habe euch geschüttelt und angeschrien, aber ihr habt nicht reagiert! Und… und dann seid ihr vor meinen Augen zu Staub zerfallen… und ich war wieder alleine…" Der Sänger spürte, wie vereinzelte Tränen das Hemd und die darunter liegende Haut benetzten. Beruhigend strich er über den Rücken und durch die Haare seines Freundes, in der Hoffnung ihm so ein wenig Nähe und Trost Spenden. Wirklich mehr konnte er nicht tun, denn die Verlustängste konnte er ihm nicht nehmen. "… von allen, die mich verlassen haben… bist du der Einzige, der wiedergekommen ist…" "Kunststück, ich bin ja auch nicht tot!" "Warum?" "Hm?" "Warum bist du wiedergekommen?" "Darüber haben wir doch schon so oft gesprochen, Yosh…" "Warum?" "… soll ich dir einmal eine Geschichte erzählen?", fragte Toshi schließlich nach einigem Zögern. "Hmh…" "Es war einmal ein Mann, der vor Jahren glaubte, dass er das Richtige täte, wenn er sein Leben noch einmal von vorne anfangen würde. Er trennte sich von seiner Band und vermied jeden Kontakt, weil er befürchtete, wenn er ihrem Leader noch einmal unter die Augen treten würde, würde er seine Meinung wieder ändern. Als jene Band sich auflöste, fühlte er sich hintergangen, obwohl er schon seit Monaten kein Teil mehr von ihr gewesen war… aber auch wenn er es war, der sich zuerst losgesagt hatte, so war die Band stets sein Leben gewesen. Es kam zum Streit mit dem Leader und lange Zeit gab es keinen Kontakt mehr. Immer wieder hat dieser Mann überlegt, ob er ihn nicht doch einmal anrufen sollte, schließlich waren sie früher einmal beste Freunde gewesen, aber er fürchtete, dass der andere nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, weshalb er schwieg. Er hat jedoch die Schritte des anderen über die Medien verfolgt und er war so furchtbar stolz auf ihn, als er vor dem Kaiser auftrat. Ihm sind Tränen über die Wangen geronnen, als sein Freund das erste Mal seit der Trennung Endless Rain vor großem Publikum spielte und die Leute ohne Aufforderung die Lyrics sangen. Und jener Mann saß wie ein Honigkuchenpferd grinsend vor dem Fernseher, als sein ehemaliger Leader die Expo eröffnete und dieses riesige Orchester mit dem Kinderchor dirigierte… Aber er sah auch, dass die Ereignisse ihre Spuren bei ihm hinterlassen hatten – er erschien ihm fast menschenscheu, sein Lächeln war gefaked und wenn seine Augen einmal nicht hinter einer Sonnenbrille versteckte waren, so waren sie leer und verloren… Nach fast 10 Jahren sah er sich das erste Mal alte Aufnahmen der Band an und er spürte, dass ihm in all der Zeit, obwohl er stets geglaubt hatte, glücklich zu sein, eines immer gefehlt hatte… sein bester Freund… also nahm er eines Abends allen Mut zusammen und wählte seine Nummer…“ „Ich kenne eine ähnliche Geschichte“, sagte Yoshiki schließlich leise seufzend und schloss die Augen. „Erzählst du sie mir?“ "Vor vielen Jahren gab es einmal einen Mann, der seinen besten Freund gehen ließ. Kurz darauf kam es zum Streit zwischen ihnen und er hätte ihn am liebsten grün und blau geprügelt. Am Ende tat er es nicht, weil er ihm nicht absichtlich weh tun konnte… … er erinnerte sich an ein Zitat, das er irgendwann einmal gelesen hatte: ‚Zu lieben heißt auch loslassen zu können.‘ Dieser Mann hat den Lebenswandel seines Freundes nie so recht verstanden und auch wenn er schon bald keine wirklich bösen Gefühle mehr gegen ihn hegte, so wagte er es nicht, ihn noch einmal auf den Streit anzusprechen… Er fürchtete dessen Ablehnung und verkroch sich stattdessen in den Staaten. Erst bei der Beerdigung eines gemeinsamen Freundes trafen sich die beiden nach langer Zeit wieder. Der Mann war völlig durch den Wind und er hätte alles dafür gegeben, ihn an seiner Seite zu haben, als er den Starken mimen musste, während er von allen der Schwächste war, aber sein Stolz verbot es ihm… … … so trennten sich ihre Wege wieder und jener Mann floh zurück in die USA. Ich verkroch mich in meiner Villa, wurde depressiv und versuchte mich umzubringen, obwohl ich noch Tage zuvor die Fans gebeten hatte, genau das nicht zu tun.“ Unbewusst war Yoshiki von der dritten Person in die erste verfallen. „Ich verweigerte jegliches Essen, ich saß mit einer Rasierklinge über der Hauptschlagader da… … aber ich brachte es nicht fertig, tief genug zu schneiden. Ich hatte mir die Mündung einer Waffe an die Schläfe gehalten… … aber ich war zu feige den Abzug zu drücken.“ Erst jetzt bemerkte er den Wechsel und ging rasch wieder zur dritten Person über: „Allmählich verstrich die Zeit und irgendwie schaffte jener Mann es wieder halbwegs die Kurve zu kratzen. Er vergrub sich in die Arbeit, weil er so den Schmerz betäuben und die Todesfantasien, die er hatte, sich aber nicht traute sie umzusetzen, wenigstens in der Musik ausleben konnte. Schließlich wagte er sich zurück auf die Bühne, weil dies die wenigen Momente waren, in denen er sich noch lebendig fühlte…. …. die Jahre zogen ins Land und über seine Kontakte in Japan hielt er sich über seinen besten Freund auf dem Laufenden, aber er wagte es nicht, ihn anzurufen. Jedes Jahr, um seinen Geburtstag herum, schickte er ihm eine Karte, genauso wie er, an seinem Geburtstag stets eine Karte seines Freundes erhielt. Eines Tages, als er in seinem Büro war, erhielt er von genau jenem einen Anruf… wie einst Dornröschen durch den Kuss ihres Prinzen, so schien er dadurch aus einem jahrelangen Schlaf zu erwachen…" „Ach Yosh…“ Seufzend wuschelte Toshi durch die gebleichten Haare und drückte ihn an sich. „Ich bin froh, dass du zu feige warst, es zu tun…!“ Der Schlagzeuger selbst schwieg dazu, da er generell über jenen Lebensabschnitt nicht redete, weil er nicht sonderlich stolz darauf war. Stattdessen genoss er lieber die Streicheleinheiten und die Wärme seines besten Freundes und musste aufpassen, dass er nicht wieder einfach einschlief. Pata hatte vor Jahren einmal gemeint, dass er schlimmer als seine Katzen, Kotaro und Kotetsu, war, wenn sie gemeinsam ihre Schmuseeinheiten einforderten. "Was macht eigentlich dein Rücken?" "Besser… zumindest strahlt es nicht mehr bis in die Beine aus… aber die ganzen Schmerztabletten machen mich schwindlig und schläfrig…" "Dann solltest du schlafen - sobald du wieder grünes Licht hast, tust du es eh nicht mehr." "Ich habe vorhin schon geschlafen… wie lief eigentlich dein Termin?" "Gut, Kaori war auch da… Sie hat mir ein paar meiner Sachen mitgebracht, für den Fall, dass ich längerfristig bei dir einziehe.“ „Tut mir Leid, dass ich dich so in Beschlag nehme!“ „Lass mal gut sein. Sie hat mir für dich auch was mitgegeben – steht im Kühlschrank!“ Hätte er keine Rückenprobleme, so wäre Yoshiki blitzschnell aufgesprungen und in die Küche gerannt, so krabbelte er jedoch mühsam aus dem Bett und tapste im Zeitlupentempo, sich immer an der Wand abstützend, in Richtung Kühlschrank. Toshi blieb im Bett liegen, vermutete aber, als er ein entzücktes Quietschen hörte, dass der andere die Schüssel gefunden hatte. Kurz darauf war er mit eben jener und zwei Löffeln wieder da und setzte sich neben den Sänger. "Ich liebe deine Frau!", erklärte der Pianist und machte sich strahlend über die riesige Portion an Pudding her. Toshi schüttelte nur belustigt den Kopf und naschte ab und an mit, überließ aber den Großteil dem anderen, der darüber herfiel, als hätte er seit Tagen nichts Richtiges mehr gegessen. Okay, wenn er sich die Sachen, die irgendwelche Assistenten täglich vorbei brachten, so ansah, dann war das auch kein Wunder. Er würde davon zumindest nicht satt werden! "Warum hast du mich damals eigentlich gehen lassen?" Die Frage kam unvermittelt, sodass Yoshiki in seiner momentanen Bewegung erst einmal innehielt und dann den Löffel in die Tupperschüssel rutschen ließ. Anstatt zu antworten drehte er sich vorsichtig zum Nachttisch, öffnete die oberste Schublade und holte ein zusammengefaltetes Blatt heraus, das er Toshi reichte. "Ich habe es in deinen Augen gesehen… du hattest deine Entscheidung getroffen und nichts, was ich hätte sagen können, hätte einen Unterschied gemacht…" Gedanklich bei den Ereignissen von vor so vielen Jahren faltete der Sänger neugierig das Papier auseinander und fand ein Gedicht vor, dass auf Englisch geschrieben war. "Mein Psychologe in LA hat es mir vor Jahren einmal gegeben…", erklärte der Pianist und machte sich wieder über den Pudding her, während der andere begann die Zeilen zu lesen. Immer wieder waren welche markiert und er vermutete, dass dies Yoshikis Werk war. „Letting Go To ‘let go’ does not mean to stop caring; it Means I can’t do it for someone else. To ‘let go’ is not to cut myself off; it’s the Realization I can’t control another. To ‘let go’ is not enable, but to allow Learning from natural consequences. To ‘let go’ is to admit powerlessness, which Means the outcome is not in my hands. To ‘let go’ is not to try to change or blame Another, it’s to make the most of myself. To ‘let go’ is not to care for, but to care about. To ‘let go’ is not to fix, but to be supportive. To ‘let go’ is not to judge, but to allow another To be a human being. To ‘let go’ is not to be in the middle, arranging All the outcomes, but to allow others to affect Their own destinies. To ‘let go’ is not to be protective, it’s to permit Another to face reality. To ‘let go’ is not to deny, but to accept. To ‘let go’ is not to nag, scold, or argue, but Instead to search out my own shortcomings And correct them. To ‘let go’ is not to adjust everything to my Desires, but to take each day as it comes and Cherish myself in it. To ‘let go’ is not to regret the past, but to Grow and live for the future. To ‘let go’ is to fear less and love more (1)”, las Toshi die Worte leise vor, musste immer wieder mit seiner Stimme kämpfen, die ihm zu versagen drohte, da ihm unwillkürlich die Tränen kamen und blickte ab und an kurz zu Yoshiki, der im Schneidersitz neben ihm saß und die Schüssel zwischen seinen Beinen hatte. „Ich hab keine Ahnung, wie oft ich es in den Jahren unserer Trennung gelesen habe…“, äußerte der Größere leise und lehnte sich an ihn. Der Sänger wollte gerade etwas erwidern und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, als Ran vom Ballett zurückkam und direkt ins Schlafzimmer gerannt kam. "Ich bin wieder da!" Damit sprang sie auf das Bett und umarmte erst ihren Onkel und dann dessen Freund, der irgendein Blatt Papier zusammenfaltete und an Yoshiki zurückgab, der es wegpackte. Lächelnd hörten die beiden zu, wie sie ohne Punkt und Komma vom Ballettunterricht erzählte und schließlich mit der Frage endete, was es denn zum Abendessen gäbe. Irgendwann in ihren Erzählungen war herausgekommen, dass Hanako und die Bodyguards bereits nach Hause gegangen waren, sodass es nur noch zwei Personen gab, die als Köche übrig blieben. "Wenn ich koche, dann gibt es entweder Instantnudeln oder Lieferservice und wenn Toshi kocht, dann wird es wohl etwas Anspruchsvolleres geben…" "Ich koche", beschloss der Sänger und war auch schon aufgestanden, um in die Küche zu gehen und dort nachzusehen, was überhaupt alles vorrätig war. Ran folgte mit Yoshiki, wenn auch deutlich langsamer. Er nahm gleich noch die Tupperschüssel mit, die inzwischen leer war. "Was hältst du von Spaghetti à la Toshi, Ran?" "Was ist das?", antwortete sie mit einer Gegenfrage und setzte sich auf einen der Rattanstühle. "Eine Abwandlung von Spaghetti Bolognese - allerdings ohne Spaghetti, ohne Tomatensoße und ohne Hackfleisch." "Okay", stimmte das Mädchen dem Essensvorschlag zu, auch wenn sie sich nicht wirklich etwas darunter vorstellen konnte. "Seit wann bist du eigentlich weiblich, Toshi?", wollte Yoshiki grinsend wissen, der sich zu seiner Nichte gesetzt hatte, nachdem er die Schüssel in die Spüle getan hatte. "Hä?" "‘Spaghetti à la Toshi‘ – das ‚la‘ macht das nachfolgende Nomen weiblich, also dich. Richtig wäre ‚Spaghetti au Toshi‘… wenn man einfach einmal streng genommen nach der französischen Grammatik geht!" "Sprachnazi", war die einzige Antwort des Sängers darauf, der sich um das Abendessen kümmerte, das eher die japanische Variante des italienischen Nationalgerichtes wurde. "Soll ich dein Essen auch aufwärmen?" "Lass mal, der Pudding genügt mir…" "Warum gibst du überhaupt Geld dafür aus, wenn du am Ende eh alles wegschmeißt?" "Für schlechte Zeiten, wenn mich niemand bekocht!" "Darf ich noch etwas Klavier spielen, Yoyo??", meldete sich Ran wieder zu Wort und sah ihren Onkel aus großen Augen bittend an. "Ja, lass uns noch etwas üben, bis Chefkoch Toshi fertig ist", stimmte er ihr zu und setzte sich mit ihr an den Flügel. Erneut ging er mit ihr, wie schon vor ein paar Tagen, die C-Dur-Tonleiter durch und war erstaunt, wie gut sie sich noch daran erinnerte. Da dies so gut mit der rechten Hand schon klappte, zeigte er ihr, wie es mit der linken Hand funktionierte. Die Fingerbewegungen waren praktisch dieselben, nur anders herum, sodass sie auch das schnell heraus hatte. Schwieriger wurde es dann schon, als beide Hände gemeinsam spielen sollten, ihre Finger aber unterschiedliche Bewegungen machen mussten. Als es nach mehreren Versuchen immer noch nicht so klappte wie es sollte, schlug sie frustriert mit den Handflächen auf die Klaviatur, sodass zahlreiche Dissonanzen durch das Haus schallten. "Das klappt nicht!" "Das klappt schon, aber es braucht einfach etwas Zeit, bis dein Gehirn gelernt hat, dass deine beiden Hände unterschiedliche Sachen machen." "Hast du das auch lernen müssen?" "Ja, hab ich", antwortete Yoshiki lächelnd und strich ihr durch die Haare, "probier es noch ein paarmal - ganz langsam - und wenn du es einmal geschafft hast, dann spielen wir noch ein wenig so, wie das letzte Mal." Mit dieser Belohnung in Aussicht machte sich Ran mit neuem Eifer an die Sache und schaffte es schließlich auch einmal beidhändig, eine Tonleiter hoch und runter zu spielen. Ihr Tempo lag zwar nur bei geschätzten 30 bpm, aber schließlich hat jeder einmal klein angefangen. "Damit hast du dir deine Belohnung verdient! Du spielst mit der linken Hand die C-Dur-Tonleiter und ich improvisieren wieder ein wenig, okay?!" Die Fünfjährige nickte begeistert und begann zu spielen, während Yoshiki scheinbar wahllose Tasten anschlug. Seine Sehnen schmerzten dabei, aber dies ignorierte er, da es einfach gut tat, die kühle Klaviatur unter seinen Fingerspitzen zu spüren. Viel zu schnell mussten sie ihr gemeinsames Spiel jedoch unterbrechen, da Toshi das Essen fertig hatte. Während Ran schon am Tisch Platz genommen und zu essen angefangen hatte, saß der Pianist noch am Flügel und überlegte, ob er ihr folgen oder sich aber über das Verbot hinwegsetzen sollte. Am Ende entschied er sich für Letzteres und begann jenen Song zu spielen, den er seit dem Tag im Kopf hatte, als Kouki und Chika Ran bei ihm abgesetzt hatten. Die wenigen freien Momente, die er gehabt hatte, hatte er genutzt um ihn fertig aufzuschreiben, aber das Notenblatt brauchte er nicht, da er einfach nur die Augen schließen musste und seine Finger automatisch die richtigen Tasten fanden. Die Melodie, die durch das Haus getragen wurde, hatte etwas Melancholisches und Schweres, aber gleichzeitig auch etwas Unbeschwertes und Verspieltes an sich. Moll und Dur wechselten sich fließend ab und schwere Grundtöne in der linken Hand wurden von hellen, klaren Trillern und Vorschlägen in der Rechten aufgelockert. Während er spielte, wünschte er sich nur, er hätte zuvor die Schienen ausgezogen, da sie die Bewegungsfreiheit der Handgelenke stark einschränkten und das Spielen dadurch schwieriger gestalteten. Als der Schlussakkord verklungen war, schüttelte er erst einmal die Hände aus und stand dann auf, um Toshi und Ran noch etwas Gesellschaft beim Essen zu leisten. Er setzte sich auf den freien Stuhl neben seinen besten Freund und rechnete bereits mit einer Standpauke, weil er den Rat der Ärzte nicht einhielt. Doch nichts dergleichen kam - stattdessen fragte ihn Toshi nur, für welches Projekt der Song gedacht war. "Ich bin mir noch nicht sicher…", antwortete Yoshiki und stibitzte sich mit den Fingern ein paar Nudeln vom Teller des anderen. Nach dem Essen brachte er seine Nichte ins Bett und erzählte ihr die obligatorische Gute-Nacht-Geschichte; dazu dichtete er einfach das Musikvideo von ‚Celebration‘ ein wenig um, da ihm auf die Schnelle nichts anderes eingefallen war. Keine zwei Stunden später machten sich auch die beiden Freunde fürs Bett fertig - hauptsächlich weil der Schlagzeuger aufgrund der ganzen Schmerztabletten kaum die Augen offen halten konnte und Toshi sowieso jemand war, der lieber zu ‚normalen‘ Zeiten schlafen ging. Doch wie so häufig war Yoshikis Müdigkeit verflogen, sobald er im Bett lag und das Licht gelöscht war. Auch wenn es weh tat, so wälzte er sich unruhig hin und her, in der Hoffnung irgendwann doch noch einmal eine Position zu finden, in der er vielleicht einschlafen konnte. "Yosh, könntest du bittet damit aufhören?! Da kann man nicht schlafen…", meldete sich der Sänger irgendwann leicht grummelig zu Wort. "‘Tschuldigung", murmelte der Pianist, legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. "Ein verkauftes Album, zwei verkaufte Alben, drei verkaufte Alben, vier verkaufte Alben, fünf verkaufte Alben, sechs verkaufte Alben…" "Yoshiki, kannst du bitte aufhören zu denken!" "Soll ich auch noch aufhören zu atmen?" "Komm einfach her, du Schlaflosigkeit in Person", entgegnete Toshi seufzend und zog leicht am Arm des anderen, der der Aufforderung auch sofort nachkam. "Weißt du, was das Gute daran ist, dass du zugenommen hast?", fragte Yoshiki und piekte in den Bauch seines besten Freundes, der nur den Kopf schüttelte. "Du bist noch bequemer als früher… ich glaube, ich hätte gestern nur auf dir liegen dürfen… Pata ist so knochig, da ist es kein Wunder, dass mein Rücken darunter litt!" "Wie geht es dem eigentlich?" "Pata?" "Deinem Rücken…!" "Ich merke, dass ich einen habe, aber es ist nichts im Vergleich zu heute Früh…", antwortete der Schlagzeuger und nestelte etwas an der Halskrause herum, die ihn störte, die er aber nicht abnehmen sollte, beziehungsweise durfte. Als es zumindest wieder halbwegs angenehm war, legte er seinen Kopf erneut auf die Brust seines besten Freundes. "Warum hast du eigentlich nichts gesagt, als ich heute Abend gespielt habe?" Von Toshi kam zuerst nur ein Seufzen und ein leises Ächzen, ehe er einen Vers aus dem Gedicht zitierte, dass ihm Yoshiki heute Nachmittag gezeigt hatte: "To ‘let go’ is not to judge, but to allow another to be a human being… am Montag ist es doch nur so weit gekommen, weil du dich an das gehalten hast, was alle gesagt haben, obwohl es dich innerlich verrückt gemacht hat. Ich dachte mir, solange du es nicht übertreibst, lasse ich dich einfach spielen…" Ob dieser Antwort schlich sich ein Lächeln die Züge des Drummers. Der andere kannte ihn schlichtweg zu gut! Wahrscheinlich war es einfach so, wenn man fast sein gesamtes Leben miteinander verbracht hatte. "Danke, Tosh!" Dieser brummte nur etwas darauf und Yoshiki vermutete, dass er der einzige Grund war, weshalb der andere noch nicht ganz eingeschlafen war. "Du solltest morgen zurück zu Kaori gehen... "Sie versteht es, dass - ", kam sofort der erwartete Einspruch, der aber bereits im Keim erstickt wurde. "Ich möchte es, Toshi. Du bist so schon ständig auf Promotour unterwegs und hast kaum Zeit für sie und wenn wir weiter touren, dann nehm ich dich auch noch in Beschlag… du solltest die wenig freie Zeit mit deiner Frau und nicht mit mir verbringen – außerdem lässt sie dich wenigstens schlafen und hält dich nicht die ganze Nacht über wach!" "Es ist kein Problem -" "Ich komm alleine klar, Tosh. Es hat mir geholfen, dass du die letzten Tage da warst, aber jetzt sollte der Ehemann wieder vor dem besten Freunde kommen." Manchmal war er eifersüchtig auf Kaori, - das konnte er nicht leugnen - weil sie jetzt die Nummer eins war und nicht mehr er, so wie früher, aber im Grunde seines Herzens schätzte er sie, da sie für Toshi da gewesen war, als er es nicht mehr gekonnt hatte. „Idiot, ihr bedeutet mir beide gleich viel!“, entgegnete der Sänger und drückte Yoshiki an sich, der aufseufzte. „Binde dir eine pinke Schleife um den Hals, wenn du zurück gehst und sag ihr, das ist mein Dankeschön für den leckeren Pudding.“ „Mach ich, unter der Voraussetzung, dass ich mir sicher sein kann, dass, wenn ich morgen gehe, mich Ran keine fünf Stunden später wieder anruft…“, gab sich der Kleinere geschlagen und schloss die Augen, in der Hoffnung, diese Nacht vielleicht doch noch ein paar Stunden Schlaf abzubekommen. „Schlaf gut… … Erdbeertörtchen!“ „Trottel!“ Selbst mit geschlossenen Lidern fand Toshis Hand Yoshikis Hinterkopf, um ihm einen Klaps zu verpassen. Irgendwie musste er ihm diese Spitznamen wieder austreiben… „Gute Nacht, Tosh!“ „Gute Nacht, Yosh!... sollen wir hide auch noch eine gute Nacht wünschen?“ „Gute Nacht, hide!“, sagten beide gleichzeitig, nachdem der Drummer leicht genickt hatte. „Gute Nacht, Papa“, fügte er dann noch leise hinzu, schloss anschließend die Augen und lauschte dem Herzschlag seines besten Freunden, der bereits am Weggedämmern war, und der ihn irgendwann einlullte, sodass er schließlich auch in einen traumlosen Schlaf fiel. ~*~*~*~*~* Zum Schluss noch eine Anmerkung und ansonsten würde ich mich natürlich über Kommentare und Kritik (sofern sinnvoll angebracht) jederzeit freuen! (1) Letting Go – Autor unbekannt Ich bin durch Zufall über das Gedicht gestolpert, als ich mit diesem Kapitel angefangen hatte und irgendwie passte es einfach gut rein… zuerst hatte ich geplant, ein paar Stellen fett hervorzuheben (Yoshikis markierte Stellen), ließ es dann aber bleiben, da ich mir dachte, dass es interessant wäre, dies eurer Fantasie zu überlassen. Meine Frage an euch ist also: Was glaubt ihr, welche Stellen würde er markieren?? In diesem Sinne wünsche ich euch ein schönes und erholsames 1. Adventswochenende! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)