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Halluzinationen mit Frau Holle

von

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Hypnosen und andere Unfälle

Noch immer saßen Will und Dorothea im Schlossgarten, in dem der Diener vor einer halben Stunde, ohne etwas dafür zu können, beinahe durch eine erneute Halluzination seine Anstellung verloren hatte.

„Also, Will ich werde dir jetzt ein paar Fragen stellen und die wirst du mir ohne zu Zögern und mit sämtlichen Details, die dir einfallen, beantworten. In Ordnung?“ Dorothea schien sehr motiviert und engagiert, das Halluzinationsproblem anzugehen. Wilhelm konnte nur vermuten, ob und was für Hintergedanken sie dabei hatte.

Er nickte stumm zur Antwort.

„Gut! Hast du dich in der Zeit, kurz bevor das mit den Träumen anfing, irgendwie schlecht gefühlt, hattest du Schmerzen, war dir übel?“

„Nein, überhaupt nicht.“

„Hast du irgendwann vorher in deinem Leben mal Halluzinationen gehabt?“

„Nicht im Geringsten.“

„Sind in deiner Familie je irgendwelche Fälle von Wahnsinn oder Geisteskrankheit aufgetreten?“

„Nein...jedenfalls nicht, dass ich wüsste.“

Dorothea überlegte kurz, dann stellte sie fest: „Gut, dann können wir gesundheitliche Ursachen ausschließen und uns dem zuwenden, worin ich mich wirklich auskenne: möglichen magischen Auslösern für deine kleinen Visionen. Hast du in letzter Zeit irgendetwas getrunken oder gegessen, das seltsam geschmeckt hat? Und damit meine ich nicht nur etwas, dass vielleicht ekliger geschmeckt hat als normal, sondern vielmehr … anders. Viel schlechter oder auch um Welten besser ...“

Will schüttelte den Kopf.

„Wurde dir mal in einer ungewöhnlichen Situation etwas zu essen oder zu trinken angeboten?“

„Nein, eigentlich nicht.“

„Denk noch einmal ganz genau darüber nach, Wilhelm. Wirklich nicht? Es kann etwas ganz einfaches, kleines gewesen sein. Obst oder Gemüse vielleicht, eine Süßigkeit....“

„Mhm...wenn du das jetzt gerade so erwähnst: als die Kutsche kaputt war vor ein paar Tagen, da habe ich doch im Wald Äste gesucht. Da kam so eine alte Frau vorbei und fiel hin. Ich habe ihr natürlich aufgeholfen und auch ihre Waren wieder mit eingesammelt. Zum Dank gab sie mir einen ihrer Äpfel. Ich hatte einen Bärenhunger und da hab ich ihn natürlich gleich auf dem Rückweg gegessen. Aber er hat ganz normal geschmeckt...und die Dame schien auch echt nett und freundlich zu sein...“

„Will, du bist echt noch naiver, als ich dachte. Nach solchen Äußerlichkeiten kann man doch nicht gehen! Also gut...ein Apfel, das könnte schon der Kern des ganzen Spuks sein. Gib mir ein wenig Zeit, vielleicht bis heute Abend, dann werde ich schauen, wie der Zauber funktioniert und wir werden dein Problem bestenfalls schon morgen gelöst haben.“
 

Dorothea versuchte den ganzen Nachmittag, mehr über den Zauber herauszufinden, der auf Wilhelm angewendet worden war. Eigentlich wollte sie sich einen Apfel besorgen, um ganz genau nachzuvollziehen, wie es funktionierte. Wer wusste schon, wann man sowas noch einmal brauchen konnte, um jemanden zu manipulieren. Aber anscheinend gab es im Schloss keine Äpfel. Man erklärte ihr, das läge an der Prinzessin. Sie sei den Früchten gegenüber äußerst misstrauisch, man habe ja schon so viele Geschichten gehört von Prinzessinnen-Vergiftungen durch Äpfel. Tja, dann musste eben ein Pfirsich herhalten.

Als Dorothea der Meinung war anhand ihrer Verzauberungsexperimente mit dem Pfirsich die Magie verstanden zu haben, legte sie das Obst achtlos auf ihren Nachttisch in der kleinen Schlosskammer, die ihr zugeteilt worden war, und suchte Wilhelm. Sie wurde im Zimmer des Prinzen fündig, wo der Diener sich gerade wieder einige Tiraden seines Herrn anhören musste. Nach dem Zwischenfall im Schlossgarten war zwischen ihm und Prinzessin Amelie nicht wieder...nun ja...die rechte Stimmung aufgekommen.

„Nur wegen deiner bescheuerten Halluzinationsgeschichte geht mir vielleicht die perfekte Braut durch die Lappen! Ganz toll, Wilhelm, wirklich ganz toll!“

„Will, ich glaube ich habe eine Lösung!“, unterbrach Dorothea den Vortrag, als sie in den Raum platzte. Augenblicklich verstummte auch der Prinz und beide wurden ganz Ohr.

„In einem etwas älteren Buch habe ich die Verzauberung gefunden und genau nachvollziehen können.“

„Was genau heißt bei dir 'etwas' älter?“, fragte Will besorgt im Gedanken an die alten Schinken, die die Hexe immer las. Er war sich nicht wirklich sicher, ob diese dem aktuellen Stand der Magie und Hexerei entsprachen.

„Naja, so grob geschätzt … 300 Jahre.“

„Was?!“

„Keine Angst, das Buch, das ich zu Rate gezogen habe, ist wirklich zuverlässig. Es hat mich noch nie im Stich gelassen.“

Bis auf dieses eine Mal, als … aber das verschwieg sie Wilhelm lieber, sonst regte er sich nur noch mehr auf.

„Also Dorothea, wie sieht deine Behandlung denn nun aus?“ Will war sich nicht sicher, ob er das wirklich so genau wissen wollte.

„Also wenn ich das richtig interpretiert habe, geht es darum, dass du weiter in deine Vision vordringen musst, um den Grund zu finden beziehungsweise um das Problem zu lösen, vor dem du in den Träumen stehst. Wir müssen dich also dazu bringen, den Traum zu Ende zu träumen. Da du die Visionen nur hast, wenn du entspannt bist oder schläfst, werde ich dich hypnotisieren müssen. So kann ich auch durch das, was du erzählst, mit verfolgen, was passiert und dich notfalls wecken.“

„Notfalls?“

„Naja, falls du etwas sehr schlimmes erlebst und Gefahr läufst in der Halluzination hängen zu bleiben.“ Augenblicklich biss sie sich auf die Unterlippe. Sie hatte schnell und reflexmäßig geantwortet, ohne an die leicht beunruhigende Wirkung ihrer Worte zu achten.

„Was?!“

„Keine Angst, das wird ja sowieso nicht passieren. Ich weiß doch, was ich tue! Es ist wichtig, dass du mir zu 100% vertraust, sonst wird es schwierig.“

Will war sich nicht sicher, ob er das konnte.

„Moment, ich will aber auch dabei sein, wenn du ihn enthalluzinierst!“, meldete sich der Prinz zu Wort. „Ich muss doch dafür sorgen, dass du mein Eigentum nicht beschädigst!“ Das war natürlich nur die halbe Wahrheit. Eigentlich hoffte er, dass Wilhelm in Trance ein paar peinliche Sachen erzählen würde, mit denen er ihn später ärgern könnte.

„Also willst du das wirklich machen, Will?“

„Ja, ziehen wir das durch. Und nein, ich bin mir nicht wirklich sicher, aber du bist im Moment meine einzige Hoffnung.“

Oh ja, es wäre wirklich schön, wenn das endlich ein Ende hätte … Will hatte diese merkwürdigen Ausflüge auf die blöde Wiese mit den sprechenden Gegenständen allmählich satt. Und mittlerweile ging es ja sogar noch um seine Anstellung bei Prinz Lui.

„Schön. Dann treffen wir uns dann nach dem Essen in deinem Zimmer und werden dich wieder herstellen.“

 

Beim Abendessen kamen dem Diener dann wirklich ernsthafte Zweifel an dem Vorhaben und er wurde einfach den Gedanken nicht los, dass er dieses Essen genießen sollte, weil es vielleicht sein letztes sein könnte. Warum schaffte er es einfach nicht Dorothea ganz zu vertrauen?

Schweren Schrittes begab er sich nach seinem vielleicht letzten Abendmahl mit dem Prinzen in sein Zimmer. Als sie den Raum betraten, fiel ihr Blick als erstes auf die Hexe, die einen riesigen Wälzer im Arm hatte. Überall im Zimmer waren Kerzen aufgestellt, die aber, wie der Diener Dorothea kannte, keinen bestimmten Zweck erfüllten, sondern einfach nur die „mystische Atmosphäre“ verstärken und dafür sorgen sollten, dass sie als Hexe glaubwürdiger erschien.

„So...da wir nun vollzählig sind, können wir ja anfangen. Wenn ich dich jetzt bitten dürfte, dich auf das Bett zu legen, Will, und die Augen zu schließen.“

Er tat wie ihm geheißen. Sie begann monoton und leise auf ihn einzureden: „ Du wirst nun ganz entspannt. Ganz entspannt und langsam zählst du von 100 an rückwärts. 100...99...98...Du kommst vollständig zur Ruhe. 97...96...95...Alles um dich herum wird ganz still. Du fühlst dich ganz leicht, ganz leicht und entspannt.“ Dabei entspannte er sich wirklich und dämmerte immer mehr weg.

„Kehre zurück an den Ort deiner Visionen Will, die mysteriöse Wiesenlandschaft." Ein Kichern konnte Dorothea an dieser Stelle nur schwer unterdrücken.

"Gehe deinen Weg dort weiter und erzähl uns, was du siehst.“

Und Wilhelm begann zu erzählen...

 

Er war wieder da. Schon wieder diese blöde Wiese mit den blöden roten und gelben Blumen. So langsam nervte es gewaltig. Da fiel sein Blick wieder auf die Fußspuren und schicksalsergeben folgte er ihnen weiter. Wilhelm fragte sich ernsthaft, was ihm dieses Mal begegnen würde. Vielleicht eine sprechende Kerze, die wollte, dass man sie löschte. Oder auch ein kleiner garstiger Zwerg; das wäre zumindest eine Abwechslung zu sprechenden Lebensmitteln.
 
 

Er lief noch eine ganze Weile und gefühlte 5 Kilometer weiter, sodass auch die Hexe und der Prinz außerhalb der Vision so langsam ungeduldig wurden.

„Mein Gott, Dorothea, wie lange soll das denn noch dauern?“ fragte ein genervter Prinz; wütend darüber, dass er nun schon etwas mehr als eine Stunde darauf wartete, dass in den Halluzinationen seines Dieners irgendetwas mehr oder minder Spannendes passierte.

„So lange, bis er am Ziel des Weges angelangt ist und die Person, der die Fußspuren gehören, gefunden hat. Mit anderen Worten: keine Ahnung. Aber wenn du dir die Zeit anderweitig vertreiben willst, Prinz, bin ich immer für dich da ...“

Anzüglich näherte sie sich ihm, doch er brachte schleunigst ein wenig mehr Abstand zwischen sich und die Hexe und erwiderte: „Nein, ich denke, Will … ist jetzt wichtiger.“

Man konnte förmlich sehen, wie sehr er sich dazu überwinden musste, einen solchen Satz auszusprechen, aber er wusste, dass eine Beleidigung und ein härteres Wegstoßen nur Dorotheas masochistische Ader angeregt hätten und sie ihn anflehen würde, sie doch bitte noch ein bisschen weiter zu quälen.

So warf sich der Prinz entnervt auf das zweite Bett im Raum, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke. Kurz darauf fiel sein Blick auf den Pfirsich auf dem Nachttisch. Da ihn aus Langeweile sowieso gerade der Hunger auf Süßes überkommen hatte, zuckte er nur mit den Schultern und biss genüsslich hinein.

Dorothea bemerkte nichts, sie konzentrierte sich voll auf Wilhelm.

Nachdem dieser zehn Minuten später immer noch nichts angemessen Peinliches erzählt hatte, seufzte der Prinz auf und ließ sich wieder rücklings auf das Bett fallen. Ehe er sichs versah, war er auch schon eingeschlafen. 
 
 

Derweil konnte Will auf seiner heißgeliebten Wiese nun in weiter Ferne etwas ausmachen, das an ein Gebäude erinnerte. Er kam immer näher, sodass er immer mehr Einzelheiten des wirklich seltsamen Hauses erkennen konnte. Es war nur aus Holz gebaut, aber trotzdem zwei Etagen hoch und so schief, als hätte sich der Wind nicht recht entscheiden können, in welche Richtung er die Behausung schieben wollte. Die untere Etage war stark nach links geneigt, während die obere sich eher nach rechts wandte. Dass diese beiden Neigungen sich ausglichen, war wahrscheinlich der einzige Grund dafür, dass das Haus überhaupt noch stand. Von der anderen Seite des Häuschens konnte er leise Geräusche hören, doch da das seltsame Gebilde von einem weitläufigen verzierten Metallzaun umgeben war, hatte er keine Chance nachzusehen, um was es sich handelte und ob es vielleicht besser wäre, weiter zu gehen. Am Ende siegte Wilhelms Neugier. Er trat durch das große, quietschende Zauntor zur Tür und hämmerte mit einem seltsam geformten Türklopfer dagegen, der irgendwie an ein...an ein Kissen erinnerte. Einen Moment später schwang die Tür auf und Will war überrascht, als er sah, wer ihn da begrüßte.
 
 

„Ah, Prinz, das klingt doch jetzt ganz interessant, ich glaube wir kommen so langsam der Traumursache näher! Prinz? ... Ludwig?“ Als er nicht antwortete, drehte Dorothea sich um und sah den Prinzen friedlich schlafend auf dem Bett liegen.

,Das ist doch meine Gelegenheit! Will wird schon einen Moment ohne mich klarkommen in seinem Traum...‘, dachte sie sich diebisch lächelnd. Doch als sie sich gerade über den Prinzen beugte, um zu überprüfen, wie genau sich seine Lippen anfühlen mochten, fiel ihr Blick auf den halb aufgegessenen Pfirsich auf dem Nachttisch:

„Verdammt!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-08-03T19:25:44+00:00 03.08.2010 21:25
der letzte Satz ist wirklich mal einfach nur toll, genau wir du gesagt hast <33
auch sonst war das Kappi wie immer sehr schön geschrieben, sodass das Lesen trotzdem Spaß machte, auch wenn jetzt nicht sooo viel passiert ist ^^ ...aber so ein Überleitungskapitel braucht man eben ab und zu mal.
Hoffentlich gehts schnell weiter ^___^


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