eins, zwei, drei, vier Eckstein, alles muss versteckt sein von mieseKatze ================================================================================ 5 - Merci! Merci! Merci! an meine liebe Beta!^^ ______________________________________________________________________________ -5- Erschöpft ließ Katharina sich auf die Holzbank am Rand der Trainingshalle fallen. Vorsichtig drückte sie den Eisbeutel auf ihr linkes Auge und fluchte leise vor sich hin. Sie war wie jeden Samstag gegen späten Vormittag zum Boxtraining gegangen. Doch diesmal war sie mit dem Kopf bei ihren Akten gewesen und hatte nicht abschalten können. Ihre Unaufmerksamkeit hatte sie auch schnell bezahlt. Die linke Faust ihres Trainers hatte sie mit voller Wucht im Gesicht erwischt und innerhalb von Minuten war ihr Auge zugeschwollen und musste sicherlich inzwischen eine herrliche rot-violette Färbung angenommen haben. ‚Verflixter Anfängerfehler’ schimpfte sie sich im Stillen und lehnte sich gegen die kühle Hallenwand. Sie wickelte sich die Bandagen von den Händen, die sie als Gelenkschutz unter den Boxhandschuhen trug, und knüllte sie zusammen. In dem Moment fing ihr Handy an, laut und deutlich in ihrer Sporttasche zu vibrieren. Sie legte die Bandagen neben sich ab und kramte dann den kleinen Apparat unter einem T-Shirt hervor. „Mertens?“ „Hier Palmer, sie haben doch gestern die Akte Smith bekommen?“ Katharina brummte nur zustimmend und verlagerte den Eisbeutel etwas, damit er die Schwellung gleichmäßiger kühlte. „Gut. Das Kinderheim St. Mary veranstaltet morgen Nachmittag zum Tag der offenen Tür ein Sommerfest. Da ich morgen terminlich verhindert bin, möchte ich, dass Sie für mich dorthin gehen um sich mit dem psychologischen Gutachter des Familiengerichts zu treffen. Bei der Gelegenheit können Sie ein paar Fotos schießen, der Leiterin des Heims einige Fragen stellen und sich ein Bild von der Anstalt machen. Bis Montagmittag brauche ich dann einen Kurzbericht über das Heim, da ich mich nachmittags mit dem Anwalt der Gegenseite und dem Richter treffe. Vertreter des Familiengerichts werden ebenfalls anwesend sein und ich möchte vor denen nicht ganz ahnungslos dastehen, wenn sie dem Anwalt von Frau Smith klar machen, dass ihr Sohn in diesem Heim wesentlich besser aufgehoben ist als bei ihr.“ Katharina klemmte sich das Telefon zwischen Schulter und Ohr und kramte ihren Taschenkalender aus einer Seitentasche hervor. „Wann soll ich denn da sein? Und weiß die Heimleitung, dass ich in Ihrer Vertretung da auftauche?“ „Das ist alles geregelt. Sie haben um 14.30 einen Termin mit der Leiterin Schwester Anne. Davor und danach können Sie sich noch ein Bild des Heims machen. Mit dem Fall sind Sie ja inzwischen vertraut?“ Sie balancierte ihren kleinen Kalender auf einem Oberschenkel, kritzelte den Termin hinein und warf das Büchlein dann wieder in ihre Tasche um Staatsanwalt Palmer zu antworten: „’Hab mir die Akten gestern Abend kopiert und bin am Durcharbeiten, die Adresse des Heims hab ich auch. Dürfte keine Probleme geben. Ich melde mich dann einfach Montag bei ihnen im Büro sobald ich den Bericht fertig habe!“ Palmer dankte ihr und entschuldigte sich dann sogar, dass er ihr den Sonntag verbaute. Nachdem sie aufgelegt hatte, legte sie den inzwischen fast aufgetauten Eisbeutel zu Seite und packte ihre Tasche. Marc, ihr Trainer versicherte sich daraufhin noch mal, ob es ihr wirklich gut ginge und ob sie mit dem Auge Autofahren konnte, doch Katharina winkte nur ab und verabschiedete sich mit einem schiefen Grinsen: „So fest schlägst du nun auch wieder nicht...vielleicht solltest du mal wieder etwas an deiner Linken arbeiten!“ Dem Boxhandschuh, den Marc ihr nachwarf, wich sie geschickt aus und verließt dann die Halle. Sie war froh, dass die Trainingshalle und ihr Appartement nicht weit auseinander lagen und sie zu Fuß unterwegs war. Ihr Auge war fast ganz zugeschwollen und so hätte sie unmöglich fahren können. Sie hoffte nur, dass die Schwellung bis zu ihrem Termin morgen wieder einigermaßen zurückgehen würde. Es war schon schlimm genug als Vertreterin der Staatsanwaltschaft mit einem Veilchen in einer kirchlichen Einrichtung auftauchen zu müssen. Doch daran konnte sie nun auch nichts mehr ändern. Ihr blieb lediglich der Versuch, das Äußerste aus ihrem Make-up herauszuholen. Als sie in ihre Straße einbog, steuerte sie als erstes ihren Wagen an, den sie gestern Abend vor der Bar geparkt hatte, die sich im Erdgeschoss ihres Apartmenthauses befand. Sie ging vor dem zerkratzen Kotflügel in die Hocke und betrachtet erneut den Schaden. Vor dem Training hatte sie in einer Werkstatt angerufen und sich einen Kostenvoranschlag für die neue Lackierung machen lassen und mit einem ungläubigem Lachen wieder aufgelegt. Stattdessen hatte sie das Angebot des Besitzers der Bar angenommen. Harry bastelte in seiner Freizeit an alten Motorrädern herum und hatte Katharina vorgeschlagen, die Kratzer zu versiegeln, so dass sie nicht rosteten. Als Lohn dafür sollte sie ihm ab und an hinter dem Tresen aushelfen. Nicht, dass sie das nicht eh schon fast jedes Wochenende machte. Bis sie das Geld für eine neue Lackierung zusammen hatte, musste sie eben mit den Kratzern leben. Nachdem sie nochmals den Schriftzug mit den Fingern nachgefahren war, stand sie auf und kramte in ihrer Sporttasche nach den Wohnungsschlüsseln. Wollte sie bis Montag mit dem Fall Smith durch sein musste sie sich ranhalten. Schließlich wollte sie nicht den Rest des Wochenendes hinter ihrem Schreibtisch verbringen. In ihrem kleinen Appartement im 3ten Stock empfing sie Romeo schon mit einem vorwurfsvollen Maunzen. Der alte Kater strich ihr kurz um die Beine und ging dann mit senkrecht in die Luft gestrecktem Schwanz in die Küche um dort erneut erbärmlich zu maunzen. Katharina hängte ihre Sporttasche erst mal an einen Garderobenhaken um ihre plüschige Nervensäge zu füttern und sich Kaffee aufzusetzen. Anschließend duschte sie und setzte sich in bequemen Klamotten mit einer Tasse Kaffee und einem Eisbeutel für ihr Auge an ihren Schreibtisch im Wohnzimmer. Die Akte Smith lag noch so da, wie sie sie gestern Abend liegen gelassen hatte, und so beschäftigte sie sich zunächst nochmals mit dem Familienhintergrund. Ihr Chef Palmer hatte eine Anzeige gegen Sandy Smith wegen mehrmaliger Kindesmisshandlung und Verletzung der elterlichen Sorgepflichten an ihrem dreijährigen Sohn auf den Tisch bekommen und war seit dem sehr besorgt um das weitere Wohlergehen des kleinen Jungen. Der Vater des Kleinen saß momentan in einem anderen Staat im Gefängnis, die Großeltern waren entweder nicht mehr am Leben oder nicht auffindbar und auch andere Verwandtschaft, die sich angemessen um den Dreijährigen hätte kümmern können, gab es nicht. Das Familiengericht würde den Jungen in die Pflegschaft eines Kinderheims geben. Es sah Palmer – selbst Vater von drei Kindern - ähnlich, dass er sich davon überzeugen wollte, wie das neue Zuhause des Kindes aussah, während er dafür sorgte, dass seine Mutter eine angemessene Strafe für ihre Taten bekam. Das bisher für die Pflegschaft vorgesehene Kinderheim St. Mary kannte Katharina nicht und war auch nicht sonderlich wild darauf, es kennen zu lernen. Ihre letzte Erfahrung mit solch einer Einrichtung hatte sie ihre letzte Beziehung gekostet. Mike, ihr damaliger Freund, hatte den Sorgerechtsstreit um seine kleine Tochter wegen seiner noch laufenden Bewährungsstrafe verloren. Das Mädchen war daraufhin ebenfalls in ein Kinderheim gekommen und ihr Vater hatte begonnen, mit sich und der Welt zu hadern, hatte versucht Schuldige zu finden und schließlich damit angefangen Kath Vorwürfe zu machen. Auf Grund ihres Berufes und ihrer Beziehungen hätte sie sich mehr für ihn und seine Tochter einsetzten sollen, hätte die ganze Geschichte zu seinen Gunsten verändern können. Dass sie lediglich eine Praktikantin war und das noch dazu bei einer Behörde, die nichts mit seinem Fall zu tun hatte, wollte er damals nicht hören. In den darauf folgenden Wochen hatten sie sich nur noch gestritten und gegenseitig Vorwürfe und Beschuldigungen an den Kopf geworfen. Schließlich hatte Katharina ihre Sachen und ihren Kater gepackt und ihn verlassen. Als einzige Erinnerung an die Zeit war ihr die Sonderlackierung ihres alten BMW geblieben, die ihr Mike damals als Geburtstagsüberraschung gemacht hatte. Eben diese Lackierung die ihr gestern das kleine Balg zerkratzt hatte. Sah nicht so aus, als würden kleine Kinder zu ihrem Glück beitragen... Leicht verärgert, dass ihre Gedanken wieder zu dieser Geschichte abgeschweift waren, leerte sie ihren lauwarmen Kaffee in einem Zug und zwang sich, sich wieder mit der vor ihr liegenden Akte zu beschäftigen. St. Mary war weder das Kinderheim, in das Mikes Tochter damals geschickt worden war, noch hatte sie irgendeinen Grund dazu sich über die Vergangenheit den Kopf zu zerbrechen. Um wieder zu Sache zu kommen, blätterte sie zu den nüchternen psychologischen Gutachten über Sandy Smith und ihren Sohn und war bald darauf tatsächlich wieder vollkommen in den Fall vertieft. Ein paar Stunden und einige Kaffees später verlangte Katharinas Magen mit einem lauten Knurren nach Nahrung. Sie gähnte und streckte sich erst mal. Romeo blinzelte sie nur faul von seinem Schlafplatz auf dem Fensterbrett an und drehte sich dann wieder gelangweilt weg. „Faules Stück Flohpelz!“ Sie grinste und schnippte ein Papierkügelchen in seine Richtung, das der Kater mit einer müden Pfotenbewegung zur Seite wischte. In der Küche durchstöberte sie ihren Kühlschrank und schmiss dann kurz entschlossen eine Tiefkühlpizza ins Backrohr. Dann spülte sie noch ihr Frühstücksgeschirr ab und machte sich einen kleinen Salat, um wenigstens ein paar Vitamine zu sich zu nehmen. Gerade als sie den Herd ausschaltete, hörte sie aus dem Wohnzimmer ein lautes Fauchen, gefolgt von einem tiefen, bösartigen Knurren. Besorgt ließ sie Pizza Pizza sein um nachzusehen, was Romeo so aufgebracht hatte. „Is ja gut mein Hübscher...ist schon wieder die Nachbarskatze auf den Balkon aufgetaucht?“ Romeo hatte sich wüst fauchend in die hinterste Ecke des Raumes verzogen, das Fell aufgestellt und die Zähen gefletscht. Die Ohren hatte er eng an den Kopf gelegt und fixierte mit funkelnden Augen die Balkontür. Sie ließ ihren Blick dem des Katers folgen und blinzelte zweimal ungläubig. Auf ihrem kleinen Balkon stand der Junge von gestern, das kleine Biest, das ihr den BMW zerkratzt hatte. Was fiel diesem Gör ein? Wütend machte sie einige Schritte auf die Tür zu, blieb dann aber wie erstarrt stehen. Plötzlich war es in ihrem Wohnzimmer eiskalt, Gänsehaut überzog ihre nackten Arme und sie konnte nicht vermeiden, dass sie leicht zu zittern begann. Der Junge vor der Glastür schien immer wieder leicht zu verschwimmen und zu flackern, wie ein schlechtes Fernsehbild. Als das Kind dann noch die Hand hob um in zittriger Schrift etwas von außen auf die vor Kälte beschlagenen Scheibe zu schreiben, hörte sie einen lauten Katzenschrei und sah noch, wie sich Romeo mit einem verzweifelten Satz aus dem Wohnzimmer rettete. Katharina hingegen blieb wie angewachsen stehen und starrte auf das Bild vor sich. Buchstabe für Buchstabe entstand dort spiegelverkehrt auf ihrer Tür ein ihr nur zu gut bekannter Schriftzug. Es schien ewig zu dauern, bis das Kind den Abzählreim ausgeschrieben hatte, doch Katharina konnte sich nicht losreißen. Nach dem letzten Wort hob der Junge den Blick und starrte ihr durch die Schrift hindurch ausdruckslos in die Augen. Kalter Schweiß bildete sich auf ihrem Rücken und ließ sie zusammen mit der Kälte, die immer noch im Raum herrschte, leicht zittern. Unfähig, den Blick abzuwenden sah sie zu, wie das Kind langsam durchsichtiger wurde und stärker zu flackern begann, um dann schließlich ganz zu verschwinden. Fast sofort entwich auch die Kälte aus dem Wohnzimmer. Nur die Schrift an der nur langsam wieder klar werdenden Scheibe zeugte noch vom eben Geschehenen. Als diese endlich bis auf ein paar hässliche Schmierer auf dem Glas ebenfalls verschwunden war, konnte auch Katharina sich aus ihrer Erstarrung befreien. Sie floh aus dem Wohnzimmer, wobei sie die Tür hinter sich zuschmiss. Dann wuchtete sie noch die Kommode, auf der ihr Telefon stand, vor die Tür – sicher war sicher. Nach einem kleinen Umweg in die Küche zum Eisfach, ließ sie sich mit einer tiefgekühlten Flasche Wodka bewaffnet in einem Sessel in ihrem Schlafzimmer nieder. Romeos leises Maunzen, das unter dem Bett hervorkam, beachtete sie nicht weiter. Tbc... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)