Schuld & Sühne von 35M3R0D ================================================================================ Kapitel 50: Kapitel 50 ---------------------- Der Gerichtsdiener zerrte Kato in einem ziemlich flotten Tempo hinter sich her. Mit grossen Schritten entfernten sie sich vom Festsaal, während der Sklave geistig immer noch nicht so ganz anwesend war. Diese kleine Tatsache sorgte auch dafür, dass er erstaunlich wenig Proteste von sich gab, als der Wächter ihn relativ grob dazu nötigte, durch irgendeine Tür zu gehen und diese dann lautstark hinter Kato zuknallte. Erst dieses Geräusch schien den Sklaven wieder zu wecken, denn er sah sich erstaunt um und fand sich zu seinem eigenen Unbehagen in einem fensterlosen, düsteren Raum wieder, der in der Mitte von einer Reihe Gitterstäbe in zwei Hälften geteilt wurde. Kato wusste echt nicht was er davon halten sollte. Er war allein hier drin und die Wache beschränkte sich drauf immer mal wieder einen prüfenden Blick durch einen kleinen Sehschlitz zu ihm hineinzuwerfen. War er ein Gefangener? Er liess noch einmal einen misstrauischen Blick über seine Umgebung schweifen. Die Wachen und die Gitterstäbe sprachen dafür, aber er hatte doch nichts getan! Kato spannte automatisch die Muskeln an und glaubte sich schon wieder mit einer himmelschreienden Ungerechtigkeit konfrontiert zu sehen, doch dann öffnete sich die Tür auf der anderen Seite des Raumes und drei weitere Wächter traten hinein. Hinter ihnen ging ein zerzaustes, aber überaus fröhlich dreinblickendes Bunny, die Kato auch sogleich zuwinkte. Einer der Gorillas verpasste ihr einen mahnenden Stoss ins Kreuz, aber das schien sie nicht weiter zu beeindruckten, denn stattdessen trat sie direkt nach vorne an den Zaun. Kato kam nicht umhin erstaunt zu sein, trotzdem tat er es ihr gleich und wollte seine Hände um die Gitterstäbe legen, die sie trennten, doch die Wache gab ein sehr eindeutiges Räuspern von sich, das ihn diese Idee schnell wieder verwerfen liess. Er schaute die Frau auf der anderen Seite abwägend an. Sie grinste. Kato kam sich für einen Moment dumm vor, dass er ernsthaft geglaubt hatte, man würde IHN hier einsperren wollen und versuchte deswegen die seltsamen Gedanken von vorhin schnell wieder zu verdrängen. Momentan ging es einzig um das Bunny. Schliesslich hatte sie ihren letzten Wunsch dafür aufgewendet mit ihm reden zu wollen. Also war es wichtig! „Hallo Kato-kun, du siehst gut aus.“ Ihre Stimme und ihr Tonfall klangen wie eh und je, wie das besserwisserische, neugierige Bunny, das er kannte. Er musterte sie noch einmal eingehend. Auf die Nähe wurde klar, dass die höllischen Heerscharen wohl nicht besonders nett zu ihr gewesen waren. Ihre Klamotten hingen in Fetzen von ihrem Körper und das, was von man von der Haut sah, war nicht nur dreckig, sondern wurde auch geziert von unzähligen Schrammen und blauen Flecken. Zudem hatte er noch vage das Gefühl, dass ihre Haare auf der einen Seite etwas kürzer waren als auf der anderen… „Du hast dafür aber schon mal besser ausgesehen“ meinte er mit offensichtlichem Zweifel in der Stimme. Doch sie winkte bloss jovial ab. „Ach, beachte das gar nicht, sie…“ sie warf einen Seitenblick zu den Gorillas, „…versuchen bloss sich aufzuspielen.“ Kato war trotzdem noch nicht wirklich von ihrer Sorglosigkeit überzeugt. Er warf selbst noch mal einen Blick auf die Wachen und wollte dann den Mund aufmachen, um seine Bedenken zu äussern, doch sie fiel ihm ins Wort: „Ist es nicht grossartig?! Du kommst hier endlich raus!“ Der Mund des Sklaven hing immer noch offen und er konnte nicht anders als sie einen Moment lang ungläubig anzustarren. Schliesslich schüttelte er den Kopf. „Was? Du hast es mitgekriegt?“ Sie nickte eifrig. „Ja, zwar nur den Anfang, danach haben sie mich ja rausgekarrt...“ sie warf wieder einem abfälligen Seiteblick zu ihren Wächtern, „… aber mir war klar, dass die Engel hier früher oder später auftauchen würden.“ „Aha?“ irgendwie fühlte sich Kato schon wieder etwas überfordert. Warum brachte sie das Thema überhaupt zur Sprache, sie hatte es doch schliesslich nicht wissen können, als sie… „Warum weißt DU schon wieder mehr als ich? Du hängst doch hier drin fest!“ Kato deutete hektisch gestikulierend auf die Gitterstäbe. Ihm war gerade wieder mal die Ungereimtheit der Situation aufgefallen und das stresste ihn! Wozu machte er sich eigentlich Sorgen um das Bunny?! Das Lächeln auf ihren Lippen wurde etwas sanfter und sie betrachtete den leicht aufgebrachten Kiffer mit ihren warmen, rehbraunen Augen. „Du hast dich doch schon damals gefragt, warum sie dich nicht erkannt hat.“ Hä? Katos Augenbrauen wanderten nach oben und sein Gesichtsausdruck sprach Bände darüber, wie verständlich die Worte des Märzhasen für ihn waren. Sie lachte leise. „Ach Kato-kun, du bist so unaufmerksam. Ich meine doch die Prinzessin der Oger.“ Der Mund des Sklaven formte ein stummes Ohhh, während sich in seinem Kopf plötzlich die Rädchen anfingen zu drehen. Natürlich, damals hatte sie ihn nicht erkannt, obwohl Kato darauf gehofft hatte, dass sie ihn rausholen würde, falls sie wüsste, dass er hier war. Aber dann hatte sie ja überhaupt nicht auf seine Gegenwart reagiert…. Allein der Gedanke daran liess ihn angepisst das Gesicht verziehen. Wieder lachte das Bunny. „Lass mich dir sagen, dass sie dich sehr wohl erkannt hat. Sie hat es sich bloss nicht anmerken lassen…und zwar, weil ich ihr das geraten hatte.“ „Was? Warum würdest du ihr so was raten und was hat das mit…“ der Rest des Satzes blieb ihm im Hals stecken, als er bemerkte, dass eine der Wachen in Windeseile den Raum verlassen hatte. Der Gehalt der Worte des Bunnys dämmerte ihm nur langsam. Erst als er sah, wie sie ihren Kopf gewandt hatte und den Rest der Männer herausfordernd anfunkelte, wurde ihm klar, dass das alles reine Provokation war. Sie plauderte ihre letzten Geheimnisse aus, um der Höllenschar zu zeigen, wie lange sie ihr System schon untergraben hatte. Kato musste schlucken und hob beschwichtigend die Hände. Irgendwie war ihm diese Taktik etwas zu selbstzerstörerisch. Natürlich hatte sie ihr eigenes Todesurteil schon verkündet gekriegt, aber man musste doch die verbleibende Zeit nicht auch noch unnötig verkürzen. Sie wandte sich wieder zu ihm. „Warum ich es getan habe? – Na, weil der Hutmacher sonst dafür gesorgte hätte, dass von denen da oben nie jemand Wind davon kriegt, dass du hier bei uns festsitzst.“ Katos Mund stand schon wieder offen, aber das Bunny fuhr einfach fort: „Der ach so verrückte Hutmacher – damals natürlich noch der vollen Überzeugung ich sei sein treu ergebener Märzhase…“ sie machte eine ausladende Geste, „… war der Meinung, dass es nicht im Sinne Luzifers sein könne, wenn ausser ihm sonst noch jemand Anspruch auf deine Seele erheben würde - und das wäre zweifelsohne passiert, wenn die Prinzessin der Oger erfahren hätte, dass du sein neues Haustier bist – weswegen ich den Auftrag erhielt, den Tee der Prinzessin mit einer Substanz zu versetzen, welche dir durchaus bekannt sein dürfte…“ Katos Augen wurden immer grösser, während sie verschwörerisch schmunzelnd hinzufügte: „Aqua del Sole. Du weißt ja, es verändert die Wahrnehmung ein bisssssschen.“ Sie zwinkerte und Kato wusste nicht mehr wo oben und unten stand. Wie konnte sie ihm das nur mit einer solchen Gelassenheit erzählen, während die Wachen an der Wand mindestens genauso aufmerksam zuhörten? Sie schwärzte sich doch gerade selbst an, warum nur? Hatte sie einen so grossen Wunsch zu sterben? „Allerdings habe ich diesen Auftrag nicht so wirklich ausgeführt, “ fuhr sie leichthin fort, „sondern mir die Lady zur Seite genommen und ihr gesagt, dass es im Falle, dass sie ETWAS ungewohnt Vertrautes bei ihrem Ex-Gatten antreffen sollte, möglicherweise besser sei, nicht allzu fest darauf einzugehen. Offensichtlich hat sie auf mich gehört.“ Sie machte wieder eine schwatzhafte Geste, als würde sie einer Freundin gerade den neusten Klatsch und Tratsch berichten. Kato konnte nicht anders als starren. „Du legst es darauf an, möglichst schnell umgebracht zu werden, nicht?“ Sie schaut ihn aus den Augenwinkeln an und begann dann plötzlich wieder zu lachen. „Ach Kato-kun, du machst dir wirklich zu viele Sorgen um mich. Das was ich dir hier erzähle, hat keinen Einfluss mehr auf mein Schicksal. Es sind ja sowieso nur noch etwa…“ sie schaute wieder auf die unsichtbare Uhr an ihren Handgelenk, „…dreissig Minuten übrig. Das macht selbst für die Hölle keinen Unterschied mehr.“ „Wie kannst du es nur so gelassen nehmen?“ Er schüttelte den Kopf, so dass ihm wieder seine wirren Strähnen ins Gesicht hingen. Eine gewisse Panik klang aus seiner Stimme heraus, doch das Bunny lächelte bloss weiterhin. „Ich habe keine Angst“ erwiderte sie sanft, „Ich hab alles gesetzt, was ich hatte, und verloren, aber so läuft das Spiel nun mal. Deswegen werde ich meine letzten Asse im Ärmel dir überlassen.“ Sie beugte sich etwas nach vorne, so dass ihr Gesicht näher bei den Gitterstäben war. Erstaunlicherweise schritt keiner der Wächter ein; die waren wohl auch der Meinung, dass es informativer war, sie einfach weiterreden zu lassen. „Kato, ich erzähle dir das alles, damit du verstehst, dass nichts ohne Grund passiert. Die Engel sind jetzt hier, weil ihnen die Prinzessin mitgeteilt hat, dass ein Held des letzten Heiligen Krieges unverschuldet in der Hölle schmort. Sie werden dich also hier rausholen, verstehst du, Kato? Du kommst raus!“ Doch er verstand es nicht. Stattdessen taumelte er irritiert einen Schritt rückwärts und starrte zu Boden. Sein Gesicht wurde immer noch von seinen Haaren verdeckt, während er mit heiserer Stimme fragte: „Wie kannst du dir da so sicher sein? Wie kannst du dir sicher sein, dass sie mich überhaupt gehen lassen würden?!“ Er war lauter geworden, während sich seine Hände unwillkürlich zu Fäusten geballt hatten, doch das Bunny schien immer noch unbeeindruckt. „Sie werden dich gehen lassen. Denn selbst Luzifer wird keinen Krieg mit dem Himmel vom Zaun brechen nur wegen dir…“ Die Worte sanken nur langsam in Katos Bewusstsein, doch während sie es taten, entspannten sich gleichzeitig auch seine Hände wieder. Resignierend liess er sie sinken. Nein, Luzifer würde keinen Krieg beginnen; nicht wegen ihm und vor allem nicht, wo sie doch gerade erst einen hinter sich hatten. Er atmete tief ein und strich sich dann mit einer geradezu verzweifelten Geste die Strähnen aus dem Gesicht. Er blickte wieder zum Bunny. „Was soll das dann alles? Ich verstehe nicht, warum du…“ Der Rest des Satzes blieb in der Luft hängen, aber sein Gegenüber hatte ihn durchaus verstanden. „Warum ich dafür gesorgt habe, dass sie dich bemerkt?“ Kato nickt stumm. „Vielleicht weil ich nicht will, dass du mich in schlechter Erinnerung behältst,“ ihr Blick wirkte nun zum ersten Mal, seit sie die Zelle betreten hatte, etwas betrübt, „aber offiziell war der Grund, um die himmlischen Abgesandten anzulocken. Wir haben ja schliesslich damit gerechnet, dass wir zu diesem Zeitpunkt She’Ol unter unserer Kontrolle hätten.“ Kato musterte sie eingehend. Er wusste nicht, was er von diesem Geständnis halten sollte. Einerseits band sie ihm auf die Nase, dass er es ihr verdankte, dass die Engel gekommen waren, andererseits gestand sie ein, dass das auch nur ein Mittel zum Zweck gewesen war. Er verstand dieses Bunny einfach nicht. „Dann geht es hierbei also auch wieder mal gar nicht um mich persönlich, sondern das ist bloss das Resultat deiner… Fehlplanung?“ „Fehlplanung ist wirklich recht nett ausdrückt, “ sie zog die Augenbrauen hoch, „aber lass es uns doch in Anbetracht der Tatsache, dass wir sowieso verloren haben, so sehen, dass ich dir eigentlich immer schon etwas Gutes tun wollte.“ Sie grinste wieder von einen Ohr zum anderen und legte den Kopf schief. Kato verzog bloss den Mund. Elendes Bunny. „Dann erwartest du also Dankbarkeit von mir, oder wie?“ „Pff nein, “ sie winkte ab, „Dankbarkeit brauch ich wirklich keine. Aber es wär’ ganz schön, wenn du hin und wieder einen Gedanken an mich verschwendest, wenn du dann im Himmel bist und ich…. tot bin.“ Ruhe breitet sich in dem kleinen Raum aus. Kato wusste nicht was er fühlen sollte. Eigentlich hätte ihn diese Ansage erschrecken müssen, doch stattdessen war das alles einfach nur schrecklich unwirklich. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendwann anders sein würde als jetzt. Das Bunny sollte sterben? Er sah es nicht. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es eine Hölle ohne ihr Geplapper geben würde und noch weniger konnte er sich vorstellen, in den Himmel zu gehen. Es war einfach zu surreal, zu weit weg. Gleichzeitig vernahm er aber auch schon wieder das Räuspern einer der Wachen. Keine Zeit verplempern, was? Kato verschwendete dieses Mal tatsächlich keinen Seitenblick mehr an sie, obwohl es stimmte, Zeit blieb ihnen in der Tat nicht mehr besonders viel. Er betrachtete das Bunny noch mal eingehend und beschloss, dass egal was sie von sich gab, er sie einfach nicht durchschaute. Hatte sie jetzt eigentlich doch Angst zu sterben? Oder ging es bloss darum, dass sie nicht vergessen werden wollte? Kato atmete noch mal tief ein und beschloss, dass es keine Rolle spielte, ob er diesen verrückten Märzhasen verstand oder nicht. „Sag doch, dass du Angst hast“ meinte er tadelnd. „Ich habe keine Angst“ gab sie, beinah schon leicht pikiert klingend, zurück. „Doch hast du. Glaub mir, mit Ängsten kenn ICH mich ziemlich gut aus.“ Er schaute sie etwas vorwurfsvoll an, worauf sie bloss tief aufseufzte und den Kopf wegdrehte. „Es hätte nicht so enden sollen…“ erwiderte sie schliesslich, den Blick immer noch von Kato abgewandt. „Ach, und wie dann? Wäre es besser, wenn ihr alle abgemetzelt und die Hölle übernommen hättet?“ Ein gewisser, nicht zu überhörender Sarkasmus schwang in seiner Stimme mit. Das Bunny verzog ihr Gesicht zu einem wehmütigen Lächeln. „Du bist mir also immer noch böse“, stellte sie fest. Kato zuckte bloss mit den Schultern. „Dabei hatte ich dir doch angeboten mit uns zu kommen. Es wäre die bessere Wahl gewesen.“ „Ihr habt VERLOREN! Es wäre bestimmt nicht die bessere Wahl gewesen, “ Kato konnte nicht mehr anders als entrüstet zu klingen, „ausserdem wollte ich nicht.“ Wieder lachte das Bunny leise. „Ich weiss, aber dieses Mal wirst du dir die Gelegenheit ja wohl nicht entgehen lassen…“ Kato antwortet nicht darauf, sondern verschränkte bloss irgendwie unbeholfen die Arme vor der Brust. Er hatte sich noch keine wirkliche Meinung dazu gebildet, ob er der Hölle entfliehen wollte. Wie gesagt, war ihm diese ganze Option momentan noch zu unwirklich. Er wollte nicht schon wieder enttäuscht werden. Hätte man ihm so was am Anfang seines Aufenthalts hier erzählt, hätte er sofort himmelhoch jauchzend eingeschlagen, aber mittlerweile war er vorsichtig geworden. Man durfte nicht gleich jedem Angebot trauen, viele konnten einem – und das hatte er ja selbst feststellen dürften – im wortwörtlichen Sinn in Teufels Küche bringen. Alles hatte seinen Preis, das hatte er lernen müssen. Also hütete sich irgendein Teil von ihm strengstens davor, sich emotional allzu fest auf die Aussicht einzulassen, dass die Engel ihn vielleicht wirklich von hier weg holen könnten – egal ob er das nun gut oder schlecht fand. Solange er es nicht aus Luzifers Mund hörte, würde er gar nichts als gegeben anschauen. „Du traust mir nicht, stimmt’s? Du denkst, die Sache hat irgendeinen Haken“ schloss das Bunny mit der üblichen Treffsicherheit aus Katos Stille. Er gab bloss ein abschätziges Knurren von sich. „Alles, was von dir kommt, hat irgendeinen Haken.“ „Ach, tu doch nicht so! Ich war immer nett zu dir.“ Sie klang übertrieben entrüstet. „Die Schneezelle und das Opferritual am Marterpfahl fand ich weniger nett….“ Das Bunny hob beschwichtigend die Hände. „Ok, blenden wir das mal aus. Davon abgesehen war ich immer nett zu dir. Ich hab dir ne Menge Zeug erklärt und ich maaag dich, Kato.“ Sie schaute den Sklaven mit grossen Augen an und obwohl dieser eigentlich hatte widersprechen wollen, konnte er nicht anders als ein unterdrücktes Lachen von sich zu geben. „Du bist schrecklich…“ „Und nun sag, findest du’s nicht doch ein bisschen gut, dass ich dir deine Fahrkarte nach oben besorgt habe?“ Kato verdrehte leichte die Augen. „Du hast mir nicht wirklich geholfen, sondern selbst gesagt, dass das ganze mehr eine Nebenerscheinung von deinen eigentlichen Plan war.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Spielt das eine Rolle? Im Endeffekt zählt das Resultat, und das lautet so, dass du hier rauskommen wirst, weil ich der Prinzessin KEIN Aqua del Sole verabreicht habe.“ Kato atmete tief ein. Wieder breitete sich eine gewisse Stille zwischen ihnen aus. Irgendwie hatte das Bunny ja schon recht. Im Endeffekt zählte nur das Resultat… „Ok, was willst du dann von mir? Dankbarkeit hast du abgelehnt, soll ich dann also ein gutes Wort bei Luzifer für dich einlegen, oder was?“ sein Tonfall machte recht deutlich, dass er diese Option nicht wirklich in Erwägung zog. Doch auch das Bunny schüttelte bloss den Kopf. „Nicht doch, du Trottel. Wir wissen doch beide, dass du dir damit bloss wieder Ärger einhandeln würdest… wenn du das nicht sowieso schon getan hast.“ Wieder eine kurze Pause, bevor sie mit einer erstaunlichen Ernsthaftigkeit fortfuhr: „Nein, ich möchte einfach noch ein bisschen mir dir reden, mit dir Zeit verbringen. Es gibt sonst niemandem, mit dem ich meine letzten Minuten lieber teilen würde.“ Jetzt konnte Kato ganz eindeutig spüren, wie sich in seiner Brust etwas zusammenzog. Gleichzeitig stieg in die Röte ins Gesicht. „Jetzt übertreib mal nicht“ murmelte er kaum verständlich. Das Bunny lachte. „Doch ich meins ernst. Hier in der Hölle bist du meine erste Wahl.“ Kato trat erst noch kurz von einem Fuss auf den anderen, fasste sich dann aber ein Herz und kam schliesslich direkt an die Gitterstäbe heran. Er atmete noch einmal tief durch und blickte dann zu seinem Gegenüber. „Und worüber möchtest du in deinen letzten Minuten reden?“ „Hmm“, sie legte verspielt nachdenklich den Finger an den Mund, „wie wär’s wenn wir darüber diskutieren, was wir täten, wenn alles anders gekommen wäre.“ Kato zog die Augenbrauen hoch, bis er dann ganz unerwartet die warmen Hände des Bunnys auf seinen spürte. Er blickte für einen Moment darauf und hörte dann ihre Stimme wieder: „Ich glaube, ich hätte dich zum Tee im Wunderland eingeladen.“ „Ich mag keinen Tee“ entgegnete der Sklave, sein Blick immer noch auf ihren Händen haftend. „Kaffee?“ „Hmmm“ „Auch nicht? Was magst du dann?“ Kato schaute auf und erwiderte gespielt kritisch: „Alk?“ Sie grinste, „ich könnte Kaffee Schnaps anbieten… wahlweise auch Tee mit Rum.“ Er nickte anerkennend. „Ja, klingt nicht übel. Wär’ schon eher was für mich.“ Dann schauten sie einander an und fingen an zu lachen. Neben den Ausgängen schienen die Wachen unruhig zu werden, wohl besorgt, dass das alles ein grosser Verschwörungsplan und das sinnlose Geplapper eine Geheimsprache sei. Doch Kato und der Märzhase liessen sich davon nicht stören. Erst als das Gelächter langsam verstummte und sich ihre Hände unbemerkt gelöst hatten, begann die Wirklichkeit wieder über sie hereinzubrechen. „Wir werden nicht mehr miteinander Tee trinken.“ „Nein, wohl eher nicht.“ Kato schluckte einmal leer und wandte dann den Blick ab. Er wusste nicht mehr was er sagen sollte. Was war in einer Situation wie dieser angebracht? Lebwohl? Nein, das wollte er auf keinen Fall sagen. Das klang als hätte er sich damit abgefunden, dass man das Bunny – sein Bunny – hinrichten wollte. Er schaute sie wieder an, auch sie sah jetzt etwas mitgenommen aus. Und in dem Moment fiel ihm noch etwas ein, das er bisher ganz verdrängt gehabt hatte… „Vermisst du ihn?“ [1] Seine Stimme hallte durch den Raum. Das Bunny antwortete nicht, stattdessen zeichnete sich auf ihrem Gesicht bloss etwas Schmerzhaftes ab. Sie warf Kato so was wie ein schräges Grinsen zu, aber es konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er zum Schluss doch noch die eine Frage gestellt hatte. Dann öffnete sich ihr Mund, als versuche sie schwerlichst eine Antwort zu geben, aber es kam einfach nichts hinaus, weswegen Kato nur nickte. Für einmal hatte er es auch so verstanden. ~~~ „HmHmm“ Das Räuspern durchbrach nicht nur die Stille in der kleinen Zelle, sondern riss Kato auch aus seinem seltsam emotionalen Zustand. Er musste sich nicht mal umdrehen, um zu wissen, dass es dieses Mal keine der Wachen gewesen war, die sie auf etwas zu intimen Umgang aufmerksam machte, sondern dass der letzte Henker den Raum betreten hatte und dass somit die Zeit abgelaufen war. Kato seufzte, während Belial einen der Wächter anwies, sich seiner anzunehmen. „Ich störe die traute Zweisamkeit ja nur ungern, aber der Aufschub ist um.“ Eine weitere Geste folgte und schon wurde das Bunny vom Gitter wegbugsiert und in Richtung Tür geführt. Auch die Wache auf Katos Seite verliess den Raum, um sich mit den anderen zusammen um die Gefangene zu kümmern. Kato hatte wohl bloss zweite Priorität. Er beobachtete wie sie weggebracht wurde. Sie hatte sich nicht mehr zu ihm umgedreht, aber das spielte auch keine Rolle, schliesslich hatten sie sich gebührend verabschiedet. Kato konnte nicht verhindern, dass der Kloss in seinem Hals immer dicker wurde. Er spürte eine Hitze in sein Gesicht steigen, die er sich selbst nicht erklären konnte, und schlussendlich konnte er nicht anders als kurz mit dem Unterarm über seine Augen zu wischen. Der Hutmacher gab ein abschätziges Geräusch von sich, sagte aber ansonsten nichts. Sie waren jetzt allein in der Zelle und Kato wusste nicht, ob er noch etwas sagen wollte. Ein Teil von ihm wusste, dass es sinnlos war, aber er konnte einfach nicht anders. Abrupt drehte er sich zu Belial um. „Ich…“ Doch sie hatte schon die Hand gehoben. „Sei still. Es bringt nichts.“ Ihr Tonfall war ultimativ. Es gab kein Wenn und kein Aber, dieses Mal war es wirklich zu Ende. Sie drehte sich um und steuerte ebenfalls den Ausgang an, doch bevor sie durch die Tür trat, warf sie noch einmal einen Blick zurück über ihre Schulter zu dem Sklaven. „Geh in dein Zimmer und warte dort bis jemand kommt um dich zu rufen. Tu nichts anderes als das.“ Damit trat sie hinaus und war verschwunden. Kato blieb allein zurück. Eine Überfülle an Gefühlen und Gedanken suchte ihn heim und er wusste gar nicht, wo er beginnen sollte sie zu sortieren. Es machte alles keinen Sinn. Wie in Trance steuerte auch er die Tür an. Er trat hinaus, achtete aber nicht wirklich darauf welche Richtung er einschlug. Er ging einfach. Es war das einzige, was er jetzt tun konnte. In seinem Kopf wirbelten immer noch die Gedanken umher und gleichzeitig fühlte er sich aber auch unglaublich schwerfällig. Eine Lähmung hatte sich über sein gesamtes Wesen gelegt, die es ihm irgendwie unmöglich machte, auch nur einen klaren Satz in seinem Geist zu formulieren. Es war alles da, aber nichts davon war greifbar. Das Bunny sollte sterben, es waren Engel da, die ihn vielleicht aus der Hölle befreien wollten, Belial war wütend und Luzifer…? Kato wusste nicht wie Luzifer zu dem allem stand. Der Herr der Hölle gab sich wie immer undurchschaubar und so weit entfernt, dass der Sklave ihn nicht mal in Gedanken wirklich fassen konnte. Er seufzte tief. Ein Teil von ihm hätte jetzt wirklich gern gewusst, was Sache war; und noch wichtiger dabei war die Frage, was Luzifer davon hielt. Würde er die Engel überhaupt anhören? Wie würde so ein Treffen zwischen Himmel und Hölle zugehen? Kato wanderte weiter. Sein Blick war auf seine schlendernden Füsse gerichtet. Er hatte kein Ziel, er wollte einfach nur nachdenken. Die Vorstellung, dass er Hauptdiskussionspunkt eines solchen Treffens war, war irgendwie abstrus. Es interessierte sich schliesslich auch sonst kaum einer für ihn. Er war immer bloss ein Schatten gewesen. In seiner Familie war er nicht willkommen gewesen, in der Schule hatte er gestört, selbst als Junkie war er an die falschen Leute geraten. Er war immer bloss nutzlos und überflüssig gewesen, und dass ihm plötzlich so viele Leute so viel Aufmerksamkeit beimassen, war einfach nur… unwirklich. Kato schüttelte den Kopf. Also echt, es wäre realistischer gewesen, wenn sie ihn einfach vergessen hätten. Auf ewig in der Hölle… Dabei verdrängte er auch irgendwie die wichtigste Frage von allen. Was wäre wenn ja…wenn sie ihn wirklich mitnehmen würden? Wollte er überhaupt gehen? Kato hätte sich am liebsten die Haare gerauft. Er stand jetzt vor einer Tür, von der er sicher war, dass es die zu seinem Zimmer war. Obwohl er seinen Weg nicht vor Augen gehabt hatte, hatte wohl jemand anders dafür gesorgt, dass er heute nicht verloren gegangen war. Er gab ein tiefes Seufzen von sich, legte dann aber die Hand an den Türknauf. Es hatte keinen Sinn Widerstand zu leisten. TBC [1] Es geht hier natürlich um Dante. Man erinnere sich, in Kapitel 46 wollte sie ihm ja eigentlich hinterher springen, nachdem er in den Schlund gestürzt ist, aber Beli hat sie nicht gelassen. Es gibt da also noch gewisse unbeantwortete Fragen, wie gut das Bunny seinen Verlust wirklich verkraftet hat, aber weil Beli reinplatzt (und weil ich es nicht noch kitschiger werden lassen wollte), wird da nicht näher darauf eingegangen. 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