Schuld & Sühne von 35M3R0D ================================================================================ Kapitel 41: Kapitel 41 ---------------------- „So früh hatte ich Euch nicht erwartet… habt ihr es mitgebracht?“ ~~~ Kato starrte auf den Leib der leblosen Belial. Der Schnee auf ihrer Brusthöhe hatte sich blutrot verfärbt… Ein Zittern überfiel den Sklaven und ein Bild blitze vor seinem inneren Auge auf. Auch hier lag der Hutmacher tot im Schnee, doch der Hauptunterschied bestand darin, dass dessen Bezwingerin lachend über dem Leichnam thronte und Kato mit unverhohlener Schadenfreude aus den Augenwinkeln musterte. Das Bunny hob die reglose Form hoch und schleppte sie reichlich schwerfällig zum zweiten Marterpfahl herüber. Kato beobachtete das ganze mit schreckgeweiteten Augen. Sein Verstand war nicht mehr sicher, was gerade passiert war. Hatte tatsächlich das Bunny den Hutmacher derart kaltblütig erledigt, so wie er es sich für einen Moment eingebildet hatte? Es war, als würden Albtraum und Realität überlappen, als er sah, wie der Leichnam hochgehievt und in derselben Position wie der seinigen an dem Holzpfahl festgebunden wurde. Aus einer grossen Brustwunde floss unaufhörlich Blut und färbte auch den Schnee zu Füssen des Hutmachers rot. Kato brachte kein Wort heraus. Der Anblick dieser Szene, die Farbe des Blutes, hatte eine neue Assoziation in seinem Kopf geweckt. Er sah sich selbst auf blutrotem Schnee wandeln, der übersäht war von Toten… Die Erinnerung an seinen Traum brach mit unbändiger Wucht über in herein, die Emotionen und Bilder kamen alle mit einem Mal zurück. Ein verzweifelter Schrei kam über seine Lippen und liess das Bunny sich erstaunt zu ihm umdrehen. Warum passierte das? Warum war es wahr geworden? Es war bloss ein Traum! Der Hutmacher konnte nicht tot sein, er durfte nicht tot sein! Es war der Hutmacher! Diese und unzählige weitere Gedanken stürmten auf Katos sowieso schon so labilen Verstand ein. Das Kartenhaus seiner Ängste brach über ihm zusammen und reduzierte ihn zum dem Bündel an Verzweiflung, das er auf Luzifers Schreibtisch gewesen war… Wie konnte es sein, dass es wahr geworden war? Doch das war noch nicht die Frage, die den Kern von Katos Panik bildete, sondern viel eher eine die er sich selbst noch nicht zu stellen wagte. Sie schwebte wie ein dunkeler Schatten über seinem Geist und stellte den Höhepunkt in diesem mentalen Fall ins Bodenlose dar… …wenn der Tot des Hutmachers eingetreten war, würde dann auch alles andere, was er in seinem Traum gesehen hatte, Wirklichkeit werden? Erneut blitzte das Bild der von Leichen übersäten, roten Ebene in seinem Geiste auf. Die Toten starrten ihn aus leeren Augen an und darüber erhoben sich ihre flüsternden, anklagenden Stimmen. „Es ist deine Schuld“ Und dieses Mal ergab sich Kato der Anklage, denn er wusste, dass es tatsächlich seine Schuld war. Er war Schuld am Tod des Hutmachers, denn dieser war gekommen um ihn zu retten und dann deswegen gestorben. Es war seine Schuld. ALLES war seine Schuld… Kato liess kraftlos den Kopf sinken. Er mochte nicht mehr, er wollte dass alles endete… ~~~ „Was ist denn mit dem los?“ Das Bunny zuckte zwar belanglos mit den Schultern, trotzdem lag etwas beinahe schon Besorgtes in dem Blick, mit dem sie Kato musterte. „Wahrscheinlich hat der Anblick des Hutmachers ihm den Rest gegeben…“ Dann vollkommen unerwartet legte sie wieder ihr perfektioniertes Grinsen auf, „…aber da wir für das Ritual ja nur sein frisches Blut brauchen, muss er weder wach noch zwangsläufig lebendig sein.“ Die Gestalt im Umhang schien zustimmend zu nicken, entgegnete ansonsten aber nichts. „Ich bin ja wirklich froh, dass Ihr Euch - trotz Eurer Wut auf den Herrn der Hölle - so gut unter Kontrolle hattet, nichts wirklich Unangebrachtes zu tun, als ich ihn zum ersten Mal zu Euch schickte.“ Der Satz war vollkommen beiläufig geäussert worden und das Bunny lächelte nach wie vor, trotzdem wurde der Vorwurf, der in dieser Aussage mitschwang, mehr als deutlich. Der Herr der Fliegen trat einen Schritt zurück, als wolle er damit seinen Unmut gegenüber dieser Frechheit kundtun. Seine roten Augen musterten den unschuldig lächelnden Märzhasen warnend. „Er ist hier und lebt auch noch, somit steht der Durchführung des Planes nichts mehr im Wege.“ „Ja, er ist hier und der Hutmacher ebenfalls. Trotzdem kann ich nicht leugnen, ein gewisses Unbehagen darüber empfunden zu haben, als mir zu Ohren kam, wie ihr Luzifers Haustier bei seinem Besuch bei Euch behandelt habt. Schliesslich hatten wir uns doch – zugunsten des Planes- darauf geeinigt, dass ihr lediglich herausfinden solltet, ob er sich auch wirklich als Kandidat eignet… Von Foltern und Schänden war nie die Rede gewesen.“ Sie lächelte immer noch als würde sie über etwas vollkommen Belangloses reden. Doch die Augen des Herrn der Fliegen sprühten wütend auf. „Pass auf, Weib, was du von dir gibst! Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt. Alles andere geht euch Nephilim-Pack nichts an.“ Als hätte es die Beleidigung nie gegeben, trat sie neben den Erzdämon. „Wenn Ihr sie erfüllt habt, dann ist es jetzt an der Zeit ihn mir zu geben…“ Der gespielt joviale Tonfall war einem fordernden gewichen, der die Bedeutung der Geste, mit welcher sie ihm gerade die blosse Handfläche hingestreckte, nur noch unterstrich. Der Herr der Fliegen gab einen unwilligen Laut von sich, begann aber trotzdem etwas unter dem Stoff seines Mantels hervor zu kramen. „..as i… eine Frechheit! Was erlaubt sich dieses Pa…“ Eine zeternde Stimme hallte über die weissen Hügel. Der ehemalige Märzhase und Lord Beelzebub starrten den gerade zu Tage geförderten Knochen an. In der Miene des Erzdämons lag ein gewisser Stolz, doch auf den Lippen der Nephilim zeichnete sich lediglich ein amüsiertes Grinsen ab. „Ich verlange eine Antwort! Das ist Kidnapping… ach von wegen, SKULLnapping! Meister Luzifer-sama wird diesen Frevel nicht dulden!“ Die nicht enden wollende Tirade des Totenschädels fand doch eine jähe Unterbrechung als das Bunny den Stofffetzen löste, der über die leeren Augenhöhlen des Knochens gebunden war. Dieser hielt für einen Moment überrascht inne und schien sich ein Bild der Situation zu machen. „Fräulein Märzhase, Sie hätte ich hier ja nun gar nicht erwartet… obwohl mir die Nachricht Ihres Verrates schon zu Ohren gekommen ist…“ Das Bunny zog ein unschuldiges Gesicht, während die Aufmerksamkeit des Schädels zum Herrn der Fliegen wanderte. „Lord Beelzebub, wie können Sie nur? Ich war mir ja im Klaren darüber, dass das Verhältnis zwischen Ihnen und Meister Luzifer-sama nicht gerade zum Besten steht, trotzdem sollte Ihnen bewusst sein, dass ein Verrat nur noch schlimmere Konsequenzen nach sich ziehen wird. Ich hätte wirklich meeeehhh…“ Das Bunny hatte dem Schädel wieder die Hand über die nicht vorhandenen Augen geschlagen, denn offensichtlich schien Blindheit das einzige zu sein, womit man seinen Redeschwall stoppen konnte. „Herr Sekretär…“ Sie äffte ganz genau den Tonfall des Schädels nach, „… wissen Sie warum Sie hier sind?“ Dieser schwieg für einen Moment und schien tatsächlich über die Frage nachzudenken. „Nun, ich nehme an, dass Ihr Informationen erpressen wollt. Doch seid versichert, ICH würde meinen Herren niemals verraten, ich werde standhaft bleiben und… UÄÄÄÄHHHH!“ Der Herr der Fliegen betrachtete kritisch den Zahn, den er soeben aus dem fleischlosen Mund des Schädels herausgebrochen hatte. „Nein, Schädel… lass mich dir versichern, dass wir Mittel und Wege kennen, um dich zum Reden zu bringen. Wir werden dich ganz langsam, Stück für Stück in deine Einzelteile zerlegen bis nichts mehr von dir übrig ist. Na, wie wäre das?“ Es schien beinahe so, als würden die roten Augen des Erzdämons für einen Moment noch bedrohlicher glühen als sonst. Hätte der Schädel gekonnt, wäre ihm wohl jetzt ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen. ~~~ Kato starrte den Leichnam an. Die Schminke in Belials Gesicht war verlaufen, auf der linken Seite fast gar nicht mehr vorhanden. Ihr Körper hing schlaff in den Fesseln und übte eine grauenhafte Faszination auf den Sklaven aus. Einerseits löste der Anblick in ihm das Bedürfnis aus, laut loszuschreien, andererseits konnte er einfach nicht wegsehen. Das war die leibhaftige Verkörperung seiner Albträume. Er selbst merkt schon gar nicht mehr wie fest er zitterte. Seine Gedanken hingen an dem Bild fest, das sich ihm bot, das seine Schuld und seine Ängste verkörperte… und schliesslich brach ein Schluchzen über seine Lippen. Er konnte es einfach nicht mehr zurückhalten, nicht verhindern, dass die erste heisse Träne über seine Wangen rollte… Warum musste das alles passieren? Warum musste das alles IHM passieren? Er wollte nicht leiden… es sollte endlich aufhören! Es sollte alles aufhören… der Schmerz in seiner Brust, die Schuldgefühle, einfach alles sollte vergehen. Er wollte sterben… Sein verschwommener Blick fiel auf das Blutgerinnsel zu Füssen des Hutmachers. Eigentlich hatte diese Assoziation in seiner schmerzerfüllten Weltsicht keinen Platz, trotzdem kam ihm für einen kurzen Moment der Gedanke, dass sich das Blut Belials immer mehr den Weg zur Bronzeschale bahnte, in der auch sein eigenes aufgefangen worden war. Wenn es so weiter ging, würde sich ihr beider Blut vermischen… Kato wusste nicht warum, aber er fand diese Erkenntnis irgendwie tröstlich. Es war, als würde er dann nicht mehr ganz so allein sein… In seinem seltsamen, schmerzumnebelten Verstand machte das Sinn. Wenn sein und das Blut des Hutmachers eins würden in der Schale, dann würden auch sie eins werden… zumindest redet sich Kato das gerade ein. Er musste sich an einen Strohhalm klammern, er musste etwas haben, das ihm Halt gab… auch wenn es nur der Tod war. Der dunkelrote Lebenssaft schwappte endlich über den Rand der Schale und bahnte sich dann vollkommen lautlos und – nach Katos Ansicht – quälend langsam seinen Weg nach unten. Auch die zwei Personen ausserhalb des Kreises beobachteten das Geschehen aufmerksam. Es war, als würden auch sie darauf warten, dass sich das Blut ihrer zwei Gefangenen vermischte… Und dann berührte der kleine rote Fluss den wartenden See von Katos Blut und… Gleissendes Licht explodierte über der Szene, riss das Bunny und den Herrn der Fliegen von den Füssen, die blauen Blitze, welche den magischen Kreis formten, erloschen wie die Flamme einer Kerze im Wind. Katos schaute bloss fasziniert zu. Das Licht hatte ihn umhüllt und es fühlte sich angenehm warm an. Erstaunlicherweise verspürte er in diesem Moment keine Angst, immerhin hatte er gewusst, dass das passieren würde, dass sie eins werden würden… Ein etwas belämmertes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Hoffentlich war es das Ende… Ausserhalb des erloschenen Kreises rappelten sich die zwei Zuschauer wieder auf. „Das war ja heftiger als ich erwartet hatte … mit einer Engelsmutter scheint das Resultat wirklich besser zu werden.“ Sie betrachtete die Gefesselten und strich sich die mittlerweile wirklich wieder ganz offenen Haare hinter die Schulter. Dann ging sie auf Kato zu und löste seine Hände. „Herzliche Gratulation, Dummbeutel, du bist Papi geworden!“ Doch dieser reagierte nicht und starrte mit seltsam weggetretenem Blick in die Ferne. Das Bunny seufzte einmal, begann dann aber reichlich unsanft an den Schultern des Sklaven zu rütteln. „Los, reiss dich zusammen! Wir haben keinen Zeit für apathisches Getue!“ Als Kato dann immer noch keine Reaktion zeigte, trat der Herr der Fliegen von hinten an ihn heran. Er umfasst den Hals des Sklaven und presste ihn so ganz fest an seinen eigenen Körper. „Muss man dir erst Beine machen?!“ Das tiefe, bedrohliche Grollen der Stimme schien nun doch endlich den Geist Katos zu erreichen und liess seine Arme in einer plötzlichen Schutzreaktion nach oben schnellen und sich an seinen eigenen Hals legen. Doch der Herr der Fliegen gab bloss an abschätziges Geräusch von sich und stiess den Blonden wieder zum Bunny rüber. Diese hatte ihn der Zwischenzeit auch die reglose Form des Hutmachers von Materpfahl gelöst und legte sie dem nun doch reichlich verwirrten Sklaven in die Hände. „Trag sie!“ „Wie?... Was?...“ Kato war das alles irgendwie zu schnell gegangen. Er sah sich wieder in die Gegenwart gerissen, sein wunderbarer Traum von Vergehen zerstört. Rein aus Reflex hatte er den Leichnam sofort wieder losgelassen, sah sich aber mit der Erkenntnis konfrontiert, dass wenn er Belial nicht halten, ihr Körper auf dem Boden aufschlagen würde. Und das wollte er nicht, das wollte er auf keinen Fall! Also griff er sofort wieder nach und fing den fallenden Leib wieder auf. Das Bunny nickte anerkennend. Die vier stummen Wachen, die der ganzen Zeremonie wie Steingargoyles beigewohnt hatte, bauten sich nun um sie beide auf. Kato nahm ihre plötzlich wiedergekehrte Präsenz allerdings kaum wahr, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, den heiligen Leib Belials irgendwie so hochzuhieven, dass er sie tragen konnte. Sie war grösser als er, was es dem Sklaven reichlich schwer machte, sie einfach ganz normal zu tragen. Also musste er sie in einem komplizierten Manöver auf den seinen Rücken bugsieren, damit er sie Huckepack nehmen konnte; das ganze natürlich ohne dass auch nur ein Zeh der Herrin der Hochmut den Boden berührte hätte… ~~~ Er trug sie. Weisse Hügel taten sich vor ihnen auf und die Sonne schien. Die Geräusche einer Schlacht drangen an Katos Ohr, doch es interessierte ihn nicht. Er war irgendwie weit weg mit den Gedanken. Die vier Wächter gingen starr und stumm neben ihnen her, während das Bunny und der Herr der Fliegen die Spitze des Zuges bildeten. Kato fragte sich, was das alles sollte. Wo führte das hin? Was würde aus ihm werden? Eigentlich wollte er nicht mehr weitermachen... ‚Reiss dich gefälligst etwas zusammen, du Emo...’ Was?! Wer hatte das gesagt?! Erstaunt hob er den Kopf und schaute sich um. Bisher hatte er nur wenig von dem was um ihn herum vorging mitgekriegt, doch diese Worte hatte er ganz deutlich vernommen. ‚Deine depressiven Gedanken sind wirklich eine Qual.’ Kato blieb verwirrt stehen. Wer zum Teufel redete da mit ihm? Das war nicht das Bunny, aber die Stimme klang trotzdem ziemlich weiblich. „Was ist los?“ Das wirkliche Bunny hatte sich umgedreht und schaut den Sklaven mit leicht konsterniertem Gesichtsausdruck an. ‚Ah, du Trottel! Kannst du nicht mal Unbeteiligkeit vortäuschen. Du musst so tun, als würdest du nichts hören!’ Kato riss für einen Moment erschrocken die Augen auf, schüttelte dann aber verwirrt den Kopf und wandte den Blick vom Märzhasen ab. Das schien diesem als traumatisierte Reaktion wohl auch soweit zu genügen, dass sie sich wieder in Bewegung setzte. Auch Kato begann wieder zu marschieren, trotzdem konnte er es nicht verhindern ein paar nervöse Blicke hinter und neben sich zu werfen. ‚So, und jetzt hör einfach nur zu und tu sonst nichts! Ich bin nicht tot... und bevor du in deiner Konfusion auf die dumme Idee kommst, irgendwie laut auszurufen, versuch in GEDANKEN zu antworten, verstanden?’ In Katos Kopf hallten irgendwie die Worte in Gedanken und nicht tot nach und er verstand einfach nicht was damit gemeint war. Zögerlich erwiderte er: ‚WER bist du?’ ‚Wer ich bin?!’ Die Stimme klang erbost, ‚Dich scheint’s wohl schlimmer erwischt zu haben, als ich bisher angenommen habe.’ Ein belehrendes ‚Tztz’ war zu vernehmen. Kato war verwirrt... und dann plötzlich ging ihm ein Licht auf! Sein gesamter Körper spannte sich an, er wollte aufschreien und den reglosen Leib Belials von sich werfen, doch die Stimme kam ihm zuvor: ‚Tu jetzt nichts Dummes! Lass dir nicht anmerken, dass du mich hören kannst, denn wenn sie herausfinden, dass ich noch lebe, ist es endgültig um uns beide geschehen.’ Der Sklave musste einen dicken Kloss im Hals herunterschlucken, setzte aber seinen Weg ohne weitere Unterbrechung fort. ‚Hutmacher?’ ‚Ja?’ ‚Warum bist du nicht tot?’ Ein Seufzen war in Katos Geist zu vernehmen. ‚Also so schnell kann man uns Erzdämonen nun auch wieder nicht ausschalten. Es braucht schon ein bissen mehr, damit wir ganz verschwinden.’ ‚Sollten sie...’ Kato starrte auf die Rücken der beiden Führer, ‚...das nicht auch erkennen?’ Für einen Moment erwiderte Belial nichts, doch dann kam die zögerliche Antwort: ‚Doch, eigentlich wissen sie das.’ ‚Aber dann musst du etwas unternehmen!’ ‚Nein, noch nicht. Ich bin noch nicht genügend regeneriert, um schon wieder kämpfen zu können. Es ist besser, wenn sie mich noch ein Weilchen für bewusstlos, oder wahlweise auch für tot halten.’ ‚Aber...’ ‚Nichts aber! Schweig und trag mich!’ Und Kato schwieg ausnahmsweise tatsächlich. Er starrte auf den schneebedeckten Weg zu seinen Füssen und fragte sich, was er gerade fühlte. War er froh darüber, dass der Hutmacher nicht tot war? Ja, irgendwie schon, aber trotzdem lag noch immer eine Bedrücktheit auf seinem Herzen, die nicht weichen wollte. Alles kam ihn ein wenig so vor, wie in einem wirren Traum. Er war nicht mehr ganz sicher, was real war und was nicht. Da war dieser schreckliche Alptraum gewesen, den er in der Zelle gehabt hatte... und dann war ein Teil dieses Alptraumes wahr geworden. Deswegen war er nicht mehr sicher, ob vielleicht das Wiedererwachen Belials nicht auch ein Traum war und es nicht sein konnte, dass er jetzt dann jeden Moment wieder in die Realität gerissen wurde, nur um festzustellen, dass er sich wieder mal irgendwelchem Wunschdenken hingegeben hatte. Er hatte Angst, dass wenn er die Hoffnung in sein Herz liesse, er wieder enttäuscht wurde. ‚Ach, hör doch endlich mit dem Gewinsel auf. Das ist ja nicht auszuhalten...’ ‚Wie bitte? D-Du bist noch da?’ ‚Sicher bin ich noch da. Wir haben eine telepatische Verbindung.’ Kato musste nicht mal andeuten, das er keine Ahnung hatte, was das bedeute, denn Belial fuhr auch sogleich mit einem Seufzen in der Stimme fort: ‚Das heisst, ich kann deine Gedanken lesen.’ ‚M-Meine Gedanken lesen?! Aber ich dachte, das kann nur Luzifer?!’ Das Bild des rot geschminkten Mundes des Hutmachers, der sich amüsiert nach oben kräuselte, erschien vor dem inneren Auge des Sklaven. ‚Oh, verglichen mit ihm bin ich natürlich ein untalentierter Wurm. Er kann die Gedanken einer jeden Seele in She’Ol lesen, egal wie ausgereift und talentiert deren Verstand auch ist oder wo sie sich gerade befindet. Ich hingegen muss sehr nahe beim Objekt meines Interesses sein und direkten Körperkontakt zu ihm haben. Wie zum Beispiel jetzt gerade, wo mein wunderschöner Kopf direkt neben deinem leeren liegt.’ Kato überging die Beleidigung. ‚ Dann weißt du…’ Wieder blitzte das Bild der leichenübersäten Schneehöhe auf, schwenkte dann zum besiegten Hutmacher und endete schliesslich beim Herrn der Hölle am Kreuz. Belial erwidert erst nichts, gab dann aber mit einem tiefen Seufzen zurück: ‚Kato, das ist nicht echt. Die haben dich manipuliert, um deinen Geist zu brechen. Ich habe dir doch immer gesagt, du musst lernen, deine Gedanken und Gefühle besser nach aussen abzuschirmen.’ ‚Aber?’ Das Bild des toten Hutmachers im Schnee schien sich fest im Geiste des Sklaven manifestiert zu haben. ‚Es war ein Zufall… ausserdem hatte ich sie schon besiegt, es war dieser elende Verräter Beelzebub, der mich von hinten zu Fall gebracht hat.’ Eine Welle der Wut durchflutete Katos Geist und dieser wusste instinktiv, dass diese Emotion nicht von ihm kam. Trotzdem konnte sie nicht übertünchen, dass da immer noch dieser graue Schleier der Depression über seinem Gemüt lag, der sich einfach nicht lichten wollte. ‚Du lässt sie gewinnen, indem du sie deine Gefühle beherrschen lässt…’ Der angeschlagene Tonfall klang plötzlich um einiges ernster. ‚Wie?...’ ‚Es spielt keine Rolle, ob diesem Traum irgendetwas Prophetisches zu Grunde liegt, oder nicht. Wichtig ist bloss, dass er dir nicht deinen Willen zu kämpfen, etwas zu verändern oder eben die Prophezeiung nicht wahr werden zu lassen, raubt.’ ‚Aber was kann ich schon tun? Ich bin doch bloss ein Sklave, eine Geisel. Ich bin absolut machtlos…’ Kato starrte stoisch auf seine Füsse, während sie regelmässigen vorwärts stampften. ‚Dann ist dein Schicksal wohl Luzifers Schreibtisch… auf dass du dort in ewigem Schmerz vergehst…’ Dann kam nichts mehr und Kato war sich sicher, dass sich der Hutmacher wohl wieder aus seinem Geist ausgeklinkt hatte. Trotzdem rangen ihre Worte nach… …auf dass du dort in ewigem Schmerz vergehst… War es nicht das, was er gewollt hatte? Vergehen… Aufhören zu sein… Vergessen… Nicht mehr fühlen? Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt. Die Frage war irgendwie wichtig, das wusste er. Was wollte er eigentlich? Luzifer hatte ihm zwar eingebläut alles zu akzeptieren, was man ihm auferlegte, aber wenn er alles akzeptierte, würde das in der Aufgabe seiner Selbst bedeuten. Er wollte nicht dass der Traum wahr wurde. Er wollte nicht auf Luzifers Schreibtisch enden. Er wollte nicht… TBC Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)