Schuld & Sühne von 35M3R0D ================================================================================ Kapitel 37: Kapitel 37 ---------------------- Irgendwie hatte Kato den Eindruck, dass sich der Schneefall verstärkt hatte. Auf jeden Fall war er wieder von einem schrecklichen Frösteln heimgesucht worden. Während des Gespräches hatte er diese, um den Gefrierpunkt angesiedelten Temperaturen wunderbar verdrängen können, doch nun war die Verzweiflung gepaart mit der Kälte ohne jegliche Vorwarnung und mit aller Macht wieder über ihn hereingebrochen. Die Schneeflocken fielen unablässig vom Himmel. Doch Kato konnte nicht mehr fühlen, wie sie auf seiner Haut schmolzen, dafür war sein Körper mittlerweile schon viel zu taub. Nur, dass er inzwischen gänzlich durchnässt war, registrierte sein fast genauso tauber Geist noch vage. Sein Haar, das in feuchten, kalten Strähnen sein Blickfeld einengte und das Klappern seiner eigenen Zähne drängten sich ebenfalls wieder in seine Wahrnehmung. „Ist es hier eigentlich immer so scheiß kalt?“ „Ja, es ist immer Winter. Niemand weiß genau wieso, aber man gewöhnt sich daran, wenn man hier tausende von Jahren rumhängt.“ Obwohl das Bunny es so leichthin gesagt hatte, schwang ein zynischer Unterton mit. Kato entwich ein freudloses Lachen. Toll, wirklich toll! Hoffentlich brachte ihn vorher jemand zur Strecke, er wollte sich nicht das nächste Millennium in dieser Eiszelle ausmalen. Erledigt ließ er sich an der rauen Felswand nach unten gleiten. Seine Finger waren derweil stellenweise blau geworden und sorgten dafür, dass sich der Sklave instinktiv an die Lippen fasste. Doch mit seinen tauben Gliedern konnte er nicht wirklich etwas fühlen und liess die Hand resignierend wieder sinken. Er stellte sich gerade ernsthaft die Frage, wie seine Aussichten standen hier zu erfrieren. Klar, er war schon tot, mit Sterben war also nichts. Aber vielleicht konnte er darauf hoffen, dass er zu einem starren, bläulichen Eisklotz gefroren war, bevor diese Monster-Streitmacht hier eintraf. Dummerweise schlich sich mit dem Gedanken eine weitere höchst unangenehme Assoziation in sein Köpfchen. Was machte man mit gefrorenen Sachen? Man taute sie auf – am besten über dem Feuer! Kato sah vor seinem inneren Auge schon das Bild von sich selbst, aufgespießt wie ein Spanferkel über einem netten kleinen Lagerfeuerchen brutzelnd. Entsetzt schüttelte er sich. Nein, er durfte sich solchen Schwachsinn gar nicht erst ausmalen! „Was ist denn?“ Das Ex-Bunny hatte Katos inneren Gedankengang mit Stirnrunzeln beobachtet. Sie konnte sich zwar in etwa vorstellen, was gerade in den verknoteten Gehirnwindungen des Sklaven vor sich gehen musste, trotzdem hatte sie der enorm schockierte Gesichtsausdruck zu einer Nachfrage genötigt. Dieser schaute nun beinahe überrascht zu ihr auf. Für einen Moment hatte er vergessen gehabt, dass sie noch da war. Leicht gereizt entgegnete er: „Du kannst jetzt verschwinden.“ Mit amüsiert-ungläubiger Miene musterte Roderis den zusammengekauert dasitzenden Blonden. „Weißt du, es ist eher unüblich, dass die Geisel dem Geiselnehmer sagt, wann er gehen darf.“ Sie trat einen Schritt zu ihm hin. „Deswegen werde ich diese Bemerkung auch auf deinen halberforenen Zustand zurückführen und des Weiteren ignorieren.“ Sie grinste leicht, doch Kato gab bloß ein genuscheltes „Mach doch was du willst“ zurück und schlang die Arme um seine angezogenen Beine. „Wieso schmollst du jetzt plötzlich wieder?“ Es klang ein wenig wie jemand, der mit einem Kind redet, das gerade nicht kriegte, was es wollte. „Warum sollte ich nicht schmollen. Immerhin ist das alles hier deine Schuld!“ Kato warf ihr einen unerwartet giftigen Blick zu. „Das hatten wir doch schon. Ich dachte wir hätten uns auf stille, verachtende Resignation diesbezüglich geeinigt?“ Kato verdrehte die Augen. „Das heißt aber nicht, dass ich es dir nicht übel nehme, was du hier abziehst.“ Darauf erwiderte das Bunny erstmal nichts mehr, sondern betrachtete den Sklaven eingehend. Dann plötzlich, als hätte sie ein Gedanke überkommen, drehte sie sich um und ging zum gegenüberliegenden Ende von Katos kleiner Zelle und griff nach dem mittlerweile leicht schneebedeckten Mantel, den sie zu Beginn noch selbst getragen hatte und einfach unachtsam auf dem Boden liegengelassen hatte. Sie klopfte das gute Stück etwas aus und warf es dann mit einem Grinsen im Gesicht zu dem überraschten Sklaven hinüber. „Hier!“ Kato konnte gar nicht so schnell reagieren, wie der übergroße Stofffetzen angeflogen kam und wurde erwartungsgemäß beinahe davon erschlagen. Schließlich drehte er den Mantel verständnislos in seinen Händen hin und her. „Los! Zieh ihn an!“ Kato betrachtete das Stück für einen Moment kritisch, streifte es dann aber doch über. Es half nicht besonders viel, denn der Stoff selbst war schon recht feucht und bot nicht wirklich die Wärme, die er auf den ersten Blick versprochen hatte. Trotzdem war der Sklave insgeheim irgendwie froh darum. Er fühlte sich jetzt nicht mehr ganz so schutzlos und ausgeliefert wie vorher. Aber es verstand sich von selbst, dass es ihm im Traum nie eingefallen wäre, sich dafür zu bedanken. Immerhin war sie es, die Schuld an dem ganzen Schlamassel hatte, da würde er doch sicher keine Dankbarkeit für so einen feucht-kalten Fetzen zeigen! Gerade als er den Mund aufmachen und seinem Unmut erneut Luft machen wollte, erschien – oder vielmehr erwuchs – hinter dem Märzhasen wieder die dunkle Form einer Schattenfee. Kato behielt es sich vorsorglich vor, zu behaupten, dass es Ombre oder Ombra oder überhaupt eine gewesen wäre, die er kannte. „Lady Roderis?“ Das Bunny wandte sich um. „Ist die erste Streitmacht schon zurückgekehrt?“, „Nein Milady, sie lagern noch auf der Anhöhe der nichtvorhandenen Hoffnung, aber Lord Dante ist auf dem Weg hierher und wird bald eintreffen.“ Sie nickte kurz, was wohl der Schattenfee Erwiderung genug war, um sich mit einer leicht angedeuteten Verbeugung wieder zurückzuziehen. Kato hingegen hatte mit gespitzten Öhrchen zugehört und sich unbewusst etwas aufgerichtet. Die erste Streitmacht lagerte noch. Das war gut für ihn, oder? Als sich die Schattenfee schließlich vollends aufgelöst hatte, erhob er sich. „Sag mal, was habt ihr eigentlich mit diesen Schattenfeen am Hut?“ Kato war diese Ungereimtheit irgendwie erst jetzt aufgefallen. Aber wahrscheinlich hatte das daran gelegen, dass ihm diese seltsamen Schattenwesen sowieso schon immer unsympathisch gewesen waren und es ihm somit nicht schwer gefallen war, zu glauben, dass sie mit den „Bösewichten“ unter einer Decke steckten; zumindest war das seine Erklärung dafür. „… Immerhin sind sie doch keine Nephilim, oder?“ Der Märzhase bedachte Kato erst mit einem unleserlichen Gesichtsausdruck, lächelte dann aber plötzlich schelmisch. "Da hast du allerdings Recht, Kato-kun. Es scheint als hätte deine Denkfähigkeit in letzter Zeit wirklich zugenommen." Sie zwinkerte ihm zu. "Glaub ja nicht, dass ich darauf noch hereinfalle! Ich weiß, dass du mich bloß provozieren willst, damit ich nicht weiter nachfrage." Es sollte energisch klingen, funktionierte mit den blau angelaufenen Lippen aber nur so halbwegs. Trotzdem ging das Bunny darauf ein und schlug theatralisch die Hände vor die Brust. "Du hast mich durchschaut." Kato war allerdings gar nicht in der Stimmung für ihre Spielchen. "Was habt ihr nun mit den Schattenfeen zu tun? Sag schon!" Es klang gereizt. Doch das Grinsen im Gesicht des ehemaligen Märzhasen verschwand nicht. "Du führst dich wirklich so auf, als säßest DU hier am längeren Hebel und ich müsste dir Rede und Antwort stehen...." "Du lenkst schon wieder ab!", "Nein, tue ich nicht. Ich bin dir keine Antwort schuldig. Dass ich dir überhaupt etwas erzähle, verdankst du nur meiner guten Laune und Großzügigkeit!" Sie hatte belehrend den Finger gehoben und fuchtelte damit wieder mal vor Katos Gesicht herum, grinste aber nach wie vor höchst selbstzufrieden. Kato seinerseits gab bloß ein beleidigtes "Hmpf" von sich und ließ im Schneidersitz wieder auf dem Boden nieder. "Es erstaunt mich, dass du diese einfachen Machstrukturen noch nicht begriffen hast. Immerhin würdest du Luzifer ja auch nicht so löchern." Es klang harmlos, trotzdem glaubte der Sklave darin so etwas wie eine Ermahnung mitschwingen zu hören. Deswegen erwiderte er auch nur: "Du bist aber nicht Luzifer..." nach einer kurzen Pause fügte er hinzu, "... und nur weil du jetzt nicht mehr mit Hasenohren auf dem Kopf herumrennst, musst du trotzdem nicht erwarten, dass ich dich respektiere!" Das Bunny zog einen Schmollmund. "Für jemanden der meinen Mantel trägt, bist du aber ganz schön frech." "Du kannst das scheiß Teil zurück haben!!!" Aufgebracht war Kato wieder auf die Füße gesprungen und war schon dabei sich hektisch aus dem schwarzen Stoff zu schälen, als der Märzhase einhaltgebietend die Hand hob. "Lass ihn lieber an. Du wirst ihn noch brauchen..." Doch Kato wollte nicht hören und schmiss den Fetzten stattdessen wütend auf den schneebedeckten Untergrund zwischen sich und dem Bunny. Es dauerte keine zehn Sekunden bis er seinen Entschluss bereute. Denn obwohl der Mantel durchnässt gewesen war, hatte er einen Teil der Kälte abhalten können, die nun wieder ganz ungedämpft an die nackte Haut des Sklaven vordrang. Er versuchte das Schlottern, welches ihn erneut überfallen hatte, so gut es ging zu verbergen, doch sein Gegenüber registrierte es mit einem einzigen wissenden Blick. “Keine Angst, ich lass ihn hier. Du kannst ihn wieder anziehen, sobald ich gegangen bin" entgegnete sie mit einem kleinen, aber triumphierenden Lächeln auf den Lippen. Kato warf ihr einen bösen Blick zu, doch das Bunny überging ihn geflissentlich. „Also, du wolltest wissen, warum die Schattenfeen in unseren Kampf involviert sind…“ Nun war der Sklave überrascht. Dass sie von sich aus noch mal auf das Thema zu sprechen kommen würde, hatte er nicht erwartet. „Wie du so schön gesagt hast, sind sie keine Nephilim… aber sie leben auf den Gängen.“ Kato wartete… und wartete, dass der Märzhase seine Erklärung noch etwas vertiefen würde. Doch nichts folgte. Er zog die Augenbrauen hoch. Ja, und jetzt? Sie lebten auf den Gängen, das war ja nichts Neues… Warum tat er sich bloß die beschissenen Erklärungen dieses verlog… HALT MAL! Hatte ihm nicht der Hutmacher erklärt, dass diese seltsame Dimension, in der die Nephilim hausten – und er sich jetzt unglücklicherweise befand – etwas mit den Gängen zu tun hatte? In Katos Köpfchen fing es auf einmal an zu ticken. Wie war das mit den Schattenfeen? Sie hatten keinen Körper… und wenn sie dann auf den Gängen herumlungerten, kamen sie in Kontakt mit den Nephilim? Er runzelte sie Stirn. Also so ganz überzeugt war er von seiner eigenen Theorie nicht, aber sie ging wahrscheinlich in die richtige Richtung, wenn der falsche Hase schon solche Andeutungen machte. Kato schüttelte den Kopf und beschloss, diesen Gedanken erstmal hinten anzustellen. Stattdessen fixierte er das Bunny wieder. „Das erklärt aber immer noch nicht, warum sie euch helfen würden.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Da musst du sie schon selbst fragen.“ „Klar, werd ich machen, wenn mich das nächste Mal eine fressen will.“ Der Sklave konnte sich seinen plötzlichen Anfall von Zynik auch nicht so ganz erklären, aber irgendwie nervte ihn der Märzhase gerade wieder. Erst macht er Andeutungen, dann führte er sie nicht aus. Dann half er ihm, nur um wieder alles zurück zunehmen… und schlussendlich stellte sich heraus, dass sowieso alles nur erstunken und erlogen war. Er sollte wirklich aufhören überhaupt mit ihr Konversation zu führen… „Ach, hau doch endlich ab…“ Beleidigt wandte er ihr den Rücken zu. Das Bunny ihrerseits lächelte leicht. Mit behutsamem Schritt ging sie in die Mitte der Zelle und hob den Mantel auf. Sie klopfte ihn erneut etwas aus und schlich sich dann langsam an den schmollenden Sklaven heran. Kato versuchte zwar noch über seine eigene Schulter zu linsen, weil ihm die plötzliche Ruhe verdächtig vorgekommen war, doch die Attacke des ehemaligen Märzhasen kam zu schnell. Der Mantel kam ihm erneut entgegen geflogen und bereitete sich wie ein riesiger dunkler Sack über ihm aus. In seinem Schreck fiel dem Sklaven nichts Besseres ein als das schwere Stück Stoff mit ein paar ungezielten Faustschlägen zu begrüßen und wie wild um sich zu treten. Als es ihm endlich gelang sich aus dem schwarzen Gewühl zu befreien, sah er sich einem heftig kichernden Bunny gegenüber, aus dessen so streng zurück gebundener Haarpracht sich ein paar Strähnen gelöst hatten, die nun in das leicht gerötete, aber sehr fröhliche Gesicht hingen. Der Anblick ließ den Sklaven innehalten, denn er sah sich erneut hin und her gerissen zwischen der Wirklichkeit und der Erinnerung an … eine Freundin. „Tut es dir denn gar kein bisschen Leid?“ Die Worte waren nur sehr leise über seine Lippen gekommen. Er wusste nicht, was ihn antrieb eine solche Frage zu stellen, denn eigentlich hatte ihn seine Erfahrung gelehrt, dass die Antworten darauf meist zu schmerzhaft waren, um damit konfrontiert werden zu wollen. Trotzdem hatte er sich irgendwie nicht zurückhalten können… nicht bei dem Anblick. Das Bunny schaute auf. Ein paar Lachtränen funkelten in ihren Augen. Sie hatte sich soweit wieder beruhigt, trotzdem war ihr Gesichtsausdruck immer noch überaus fröhlich. Lange sah sie den Sklaven einfach nur an, dann erwiderte sie schließlich: „Es spielt keine Rolle, ob es mir Leid tut oder nicht, denn…“ „DENN ES TUT NICHTS ZUR SACHE!“ Kato fuhr erschrocken zusammen und auch der Märzhase schien für einen Moment überrascht über die tiefe Stimme, welche sie so jäh unterbrochen hatte. Beide schauten sich erstaunt nach deren Ursprung um, doch während der Blick des Sklaven noch verwirrt und misstrauisch in der Zelle umherhastete und dort nach eventuell unentdeckten Schattenfeen suchte, wanderte jener von Roderis nach oben. Sie hatte den Neuankömmling bereits ausgemacht, der mit im Wind wehenden Mantel auf der oberen Felskante von Katos rundem Gefängnis stand. Ihr Gesicht hellte sich augenblicklich auf, als sie ihn erkannte. „Da bist du ja endlich!“ Auch Kato hatte den Fremden endlich entdeckt und beobachtete nun voller Entsetzen wie dessen Form sich in etwas anderes zu verwandeln schien. Der Sklave sah seine Nephilim-Monster-Albtraum-Visionen von vorhin schon bestätigt, als das seltsame Etwas mit unerwarteter Agilität zum Sprung ansetze, aber nicht gleich die volle Höhe der Zelle hinter sich brachte, sondern sich in etwa der Hälfte auf der gegenüberliegenden Seite der Felswand noch mal abstieß und dann schließlich neben dem Bunny aufsetzte. Kato stand der Mund offen. Nicht nur weil das Bunny sich dem Ding voller Freude an den Hals geschmissen hatte, sondern und vor allem weil sich jenes als grauer Wolf herausstellte. Ein Wolf mit ziemlich langen, spitzen Zähnen und er fixierte gerade Kato mit seinen unheimlichen, gänzlich schwarzen Augen… Dem Sklaven lief es kalt den Rücken runter… Er hatte all diese hundeähnlichen Biester schon immer gehasst! Die rochen nämlich wenn man Schiss vor ihnen hatte und gingen dann erst recht auf einen los. Und das da war nichts anderes - Ein Monsterhund mit Monsterzähnen! Instinktiv torkelte Kato rückwärts und presste sich gegen die kalte Wand. Es war nicht fair! Es war ja so was von nicht fair! Er wollte nicht gefressen werden… nicht von Schattenfeen und nicht von Wölfen! Das Bunny hatte wieder von dem großen Tier abgelassen du schaute freudig grinsend zu Kato. Sie kraulte den Wolf hinter den Ohren, während sie mit einem beinahe schon etwas schadenfreudigen Unterton zu ihm meinte: „Schau mal Dante, das kleine Haustierchen hat Angst vor dir…“ Für einen Moment schien es dem Sklaven als würde der Wolf auf die Bemerkung hin ebenfalls grinsen, doch er bekam nicht die Möglichkeit sich weiter Gedanken darüber zu machen, denn das Tier begann sich erneut zu verändern. Es wuchs und wuchs, seine Gestalt wurde höher und dünner, bis sie schließlich wieder menschlich war und Kato den Fremden im Mantel vor sich stehen sah, der vorher auf der Oberkante seines Gefängnisses erschienen war. Obwohl der Mantel praktisch die ganze Gestalt seines Gegenübers verhüllte, fiel Kato auf, dass er eine überraschend „helle“ Erscheinung war. Der Mantel war nicht schwarz, wie er erst angenommen hatte, sondern grau. Dieselbe Farbe, die das Fell des Wolfes gehabt hatte. Auch hingen ein paar silber-graue Haarsträhnen unter der Kapuze hervor, die sich auf dem Untergrund des Stoffes abhoben. Vom Gesicht konnte er nicht besonders viel erkennen, trotzdem hatte die Tatsache, dass der Fremde so etwas ähnliches wie ein Mensch zu sein schien, ihn soweit beruhigt, dass er sich wieder etwas von seiner Wand löste. Er betrachtete den Fremden, welcher sich nun von ihm abgewandt und stattdessen das Bunny am Oberarm ergriffen hatte, eingehend. Halblaut redete er auf den nun erstaunlich konsterniert dreinblickenden Märzhasen ein, der immer mal wieder ein bestätigendes Nicken von sich gab. Kato mutete die ganze Szene etwas seltsam an, vor allem als der Unbekannte plötzlich die Hand hob und dem Hasen in einer zärtlichen Geste ein paar der losen Haarsträhnen hinters Ohr strich. Wären Katos erfrorene Gesichtszüge noch zu irgendeiner Mimik fähig gewesen, hätten sie nun absolutes Entsetzen gezeigt. Denn das Bunny hatte jene Hand des Fremden ergriffen und einen zarten Kuss auf die Innenfläche gehaucht. Was ging da ab?! Waren die ein Liebespaar, oder so? Unglücklicherweise wurde dieser Verdacht bestätigt, als das Bunny ihre Arme um den Hals ihres Gegenübers schlang und ihn zu einem kurzen Kuss zu sich herunterzog. Kato verzog das Gesicht. Äh hallo? Ging’s noch? War er hier eigentlich in irgendeinem Kitschfilm gelandet? Sämtlicher Austausch von Liebeleien, Zärtlichkeiten oder auch Körperflüssigkeiten war ihm aus Prinzip zuwider. „Ich bin froh, dass du unversehrt aus dem Kampf zurückgekehrt bist.“ Diesmal konnte er die leise gehauchten Worte sogar verstehen... obwohl der Sklave ganz gerne darauf verzichtet hätte. Das Bunny hatte ihre Stirn an jene ihres Geliebten gelegt und verharrte für einen Moment einfach so. Kato hingegen verspürte den Drang irgendwelche scharfen Gegenstände nach den beiden zu werfen. Er hasste solche Zurschaustellung von… Zuneigung. Deswegen hasste er auch den Frühling, wenn all die dummen verliebten Pärchen das Gefühl hatten, die Welt wolle Anteil an ihrem Glück haben. Wollte sie nicht! „Hey! Wenn ihrs so dringend nötig habt, dann nehmt euch ein Zimmer und lasst mich hier in Ruhe leiden!“ Das war jetzt nicht gerade die dezente Art gewesen, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, aber es hatte gewirkt. Die beiden drehten sich zu ihm um und Kato konnte endlich das Gesicht des Unbekannten erkennen. Er hatte sehr helle Haut, eine relativ markante Nase und ein schmales, verschnörkeltes Kreuz-Tattoo auf der Stirn. Seine Augen waren wie vorher in seiner Wolfsgestalt gänzlich schwarz, was dem Sklaven erneut einen Schauer über den Rücken jagte. Was die ganze Erscheinung aber noch unheimlicher wirken ließ, war das böse Grinsen welches sich nun auf den Lippen dieses „weißen Mannes“ – Kato war auf die Schnelle keine passendere Bezeichnung eingefallen – schlich. „Das ist also Luzifers Haustier.“ Nun grinste das Bunny ebenfalls und löste sich aus der Umarmung. „Ja, das ist Kato. Wie du bereits feststellen durftest, nicht gerade der Klügste, macht die mangelnde Intelligenz aber durch seine große Klappe wett…“ Dann warf sie dem reichlich zerknirscht dreinschauenden Sklaven noch einen wahrhaft teuflischen Blick zu, bevor sie in zuckersüßem Tonfall hinzufügte: „Aber Gerüchten zufolge soll er eine Granate im Bett sein.“ „Hey!!!“ Der Einwand seitens Katos wurde von dem Weißen lediglich mit einem gelangweilten Blick auf seine eingeschneite Gestalt und einen legeren Schulterzucken abgetan. „Dumm fickt doch angeblich gut…“ „HEY!!! Ich bin anwesend, falls ihr das vergessen haben solltet!“ Kato hatte sich aufgerafft, was mit seinen halb steifgefrorenen Gliedern nicht gerade einfach gewesen war, und sich mit möglichst empörtem Gesichtsausdruck vor den beiden aufgebaut. Leider verfehlte das ganze etwas seine Wirkung, wenn man sich die blauen Lippen und mittlerweile eiszapfenähnlichen Haarsträhnen des Sklaven so ansah. Das Grinsen des Bunnys war währenddessen noch breiter geworden. Kato weiterhin ignorierend meinte sie zu ihrem größeren Gegenüber: „Ja, das wird es wohl wirklich sein.“ Nun reichte es aber! Kato war es ja gewohnt, dass man sich über ihn lustig machte, aber das ging jetzt langsam zu weit. Er wollte dem Bunny einen kleinen harmlosen Boxer an die Schulter verpassen, um ihr zu zeigen, dass sie nun wirklich Schluss machen sollten, doch er war absolut nicht vorbereitet gewesen, auf das was dann folgte… Die Hand des Weißhaarigen schnellte in einem Tempo hervor, das er sonst nur von den Erzdämonen kannte und dem er auch in einem nicht-tiefgekühlten Zustand niemals hätte ausweichen können. Noch bevor er den Märzhasen nur ansatzweise hätte berühren können, hatte ihn die Hand ergriffen, herumgerissen und hochgehoben, so dass seine Füße den Untergrund nicht mehr berührten. Kato stieß einen überraschten Schrei aus und befand sich dann plötzlich auf Augenhöhe mit dem Weißen. „Denk nicht einmal daran.“ Sämtlicher Schalk war verfolgen und der Sklave sah sich wieder diesem Paar abgrundtief schwarzer Augen gegenüber, nur dass diese ihn nun drohend anfunkelten. Er versuchte eine Erklärung hervorzupressen, doch der Schock und der Schmerz, die ihn überfallen hatten, waren mächtiger und ließen Katos Worte in einem zusammenhangslosen Gestammel untergehen. „Ach, lass ihn runter Dante. Er ist harmlos.“ Der Märzhase war dazu getreten und hatte beschwichtigend eine Hand auf den Oberarm ihres Partners gelegt. Er schaute kurz zu ihr rüber, ließ dann aber von Kato ab, so dass dieser ungebremst auf den Boden knallte. „Einst unterlief uns der Fehler die Schwachen zu unterschätzen, das soll uns nicht erneut passieren.“ Dann sah er auf die zusammengesunkene Gestalt des blonden Sklaven herunter. „Aber du hast Recht, er ist wohl wirklich nur ein gezähmtes Haustier, das weder Krallen noch Zähne besitzt.“ Mit diesen Worten wandte er sich um, nahm wieder seine Wolfsgestalt an und verschwand. Das Bunny schaute sich noch einmal zu Kato um, bevor sie mit beinahe entschuldigendem Unterton meinte: „Es wird Zeit, dass ich dich alleine lasse. Es ist noch viel zu tun“. Dann entschwand auch sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)