Schuld & Sühne von 35M3R0D ================================================================================ Kapitel 25: Kapitel 25 ---------------------- Kaum war Kato durch die Tür getreten, schlug ihm eine Flutwelle hellen Tageslichtes entgegen. Geblendet legte er eine Hand vor seine Augen, versuchte aber dennoch etwas zu erkennen. Das Bild begann sich langsam zu klären und vor sich erkannte er einen grünen Garten. Nicht verwildert wie Eden, sondern gepflegt. Man hätte ihn als typisch englisch bezeichnen können, aber Kato verstand ja bekanntlich nicht sehr viel von solchen Dingen..... Der Sklave blinzelte also ein paar Mal und musste sich geistig zur Ordnung rufen, nicht all zu erstaunt über das Gesehene zu sein. "Willkommen im Wunderland! Gefällt es dir?" das Bunny war lächelnd neben ihn getreten. Kato musterte sie noch mal eingehend und musste feststellen, dass sie bei richtiger Beleuchtung noch süßer war. Vor allem war es jetzt um einiges schwerer, sich nicht von gewissen Körperpartien dieses Hasen ablenken zu lassen. Bei Tageslicht bemerkte man erst richtig, wie tief dieser Ausschnitt wirklich war... Etwas nervös wandte der Blonde seinen Blick ab und versuchte Interesse an seinen Füssen vorzutäuschen. "Ja, überaus nett..." murmelte er verlegen. Mit einem wissenden Gesichtsausdruck betrachtet der Märzhase den leicht erröteten Sklaven von der Seite. "Findest du mich attraktiv?" "Was?" wie vom Blitz getroffen wandte Kato sich um. Das Bunny warf theatralisch ihr Haar zurück und grinste den Sklaven an. "Bist du in mich verliebt?" "WAS?!?! geht's dir noch gut, ich kenn dich gerade mal ein paar Minuten?!" er starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. "Oh, gibt es in dem Fall jemanden anders... Los, erzähl mir wer's ist!" "Was?!" Kato ging das irgendwie alles zu schnell. Der Märzhase war währenddessen näher auf ihn zugetreten und hatte ihre Arme um den Hals des Blonden geschlungen. "Hey! Jetzt lass mal diese Scheiße, ich hab null Peilung wovon du eigentlich redest!" Energisch löste er sich aus ihrer Umarmung und trat einen Schritt zurück. Der Bunny sah ihn etwas schmollend an. "Ach komm schon... Ich hab doch gemerkt, wie du mich angeschaut hast..." Für einen Moment kam sich der Sklave ertappt vor, dann jedoch beschloss er zum Gegenangriff überzugehen. "Das liegt auch bloß daran, dass du hier halbnackt durch die Gegend rennst." Der Märzhase zog eine Schnute und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. "Behaupte bloß nicht, dass es dir nicht gefallen würde..." "Das tu ich auch gar nicht. Es gefällt mir, aber du musst dich nicht wundern, wenn dich die Leute in dem Aufzug anstarren...." versuchte mal der Sklave völlig rational und logisch sein Handeln zu rechtfertigen. "Also liebst du mich doch!" Sie wollte sich schon wieder auf den Blonden stürzen, musste aber zu ihrem eigen Missfallen feststellen, dass sie nur Luft umarmte. Denn das Objekt ihrer Begierde hatte bereits stampfenden Schrittes das Weite gesucht. "Hey warte! Wo willst du hin? Du wirst dich ohne mich verlaufen...." ~~~~ "Hey, nicht so schnell. Du weißt doch, ich mach nur Spaß..." Sie streckte ihm ihre Zunge raus, während sie neben ihm herhopste und versuchte mit Katos weit ausholenden Schritten mitzuhalten. "Hätte ich gewusst, dass du so ne Psycho-Tante bist, wär' ich nie mit dir mitgegangen!" Kato schaute stur geradeaus und versuchte den hüpfenden Hasen neben sich so wenig Beachtung wie möglich zu schenken. "Ach komm schon.... Ich sagte doch, dass es nur Spaß war. Du bist einfach zu süß, wenn du dich aufregst..." "SÜSS?!" Abrupt war er stehen geblieben und bedachte das Bunny mit einem seiner Mörderblicke. "Ja, süß... sehr süß sogar, um genau zu sein." entgegnete sie mit einem ihrer strahlenden Lächeln. Kato grummelte etwas vor sich hin, setze sich jedoch wieder in Bewegung. "Äh, wohin willst du eigentlich gehen?" Sie war hinter ihm stehen geblieben. "Keine Ahnung, du kennst dich doch hier aus, oder nicht?" "Ja, schon. Deshalb frage ich ja, wenn du nämlich in diese Richtung weitergehst, wirst du früher oder später ins Reich der Herzkönigin kommen und sie mag Fremde nicht besonders...“ "Herzkönigin, klingt sexy..." Kato drehte sich um und grinste dümmlich vor sich hin. Doch musste er zu seinem Erstaunen feststellen, dass sich auf dem Gesicht des Bunnys eine gewisse Nervosität abzeichnete. "Als sexy würd' ich sie ja nicht unbedingt bezeichnen, eher ein wenig aggressiv..." Sie griff nach der Hand des Blonden und zog ihn wieder in die entgegengesetzte Richtung, "...wenn es dir recht ist, würde ich dich eigentlich lieber zur verrückten Teeparty bringen. Dort sind wir geschützt und ungestört..." In erster Linie hatten zwei Wörter Katos Aufmerksamkeit erregt: "geschützt" und "ungestört". Warum zum Teufel musste er beschützt werden? Hatte dieses Bunny nicht gesagt, dass ihm in Reich des verrückten Hutmachers keine Gefahr drohen würde? Und die zweite, aber noch wichtigere Frage: Warum wollte sie mit ihm ungestört sein?! Beim Sklaven läuteten wieder einmal alle Alarmglocken. Denn dieses Bunny war mindestens genauso seltsam wie der Rest der Höllenbewohner und mit ihren Stimmungsschwankungen wurde sie ihm immer unheimlicher. Unablässig zerrte sie den Sklaven an seiner Hand hinter sich her. "Halt mal! Warum muss ich geschützt werden? Hast du nicht gesagt, ich wäre hier sicher?" Er hatte sich entschlossen zuerst mit der einfacheren Frage anzufangen. Ohne sich umzudrehen oder anzuhalten, antwortete sie: "Ach, mach dir keine Gedanken über mein dummes Gerede. Du bist hier sicher..." nach einer kleinen Pause ergänzte sie: "Nur wär's sicherer, wenn wir zur verrückten Teeparty zurückgehen würden...." Kato starrte dem Bunny mit einem mehr als kritischem Blick auf den Hinterkopf. Und als würde sie es spüren, hielt sie inne und drehte sich nun endlich zu dem Blonden um. Sie seufzte. "Die Teeparty ist das Herz des Wunderlandes und meine direkte Domäne. Niemand dort würde es wagen auf dumme Gedanken zu kommen... Wenn du dich aber bis ins Reich der Herzkönigin verirren würdest, wärst du in ihrer Anspruchsdomäne und ich könnte dich nicht mehr beschützen...“ "Aha..." Kato war wieder einmal sehr einfallsreich was seine Antworten betraf. Einen kurzen Moment herrschte Stille und beide Seiten schienen wohl darauf zu warten, dass das Gegenüber etwas erwiderte. Schlussendlich siegte doch Katos Neugier und das Unverständnis gegenüber der Erklärung des Mädchens. "...wäre es denn unbedingt nötig, mich zu beschützen, wenn ich in ihre 'Domäne' käme? Schließlich dachte ich, dass das hier das Reich des verrückten Hutmachers sei, dann sollte sie doch hier das Sagen haben?" "ER ist die oberste Instanz! Aber solange ER nicht hier ist, solltest du das Schicksal lieber nicht unnötig herausfordern. Das hier ist das Wunderland und wir alle hier spielen unsere Rollen. Ich bin der Märzhase und sie ist die Herzkönigin. Wenn sie also schlechter Laune ist, wird sie deinen Kopf rollen sehen wollen, egal ob du Luzifers Haustier bist oder nicht." Das Bunny setzte sich wieder in Bewegung und ließ den armen verwirrten Sklaven hinter sich stehen. "Hey warte... warum will sie meinen Kopf rollen sehen?!" erstaunlich wie schnell sich das Blatt wenden konnte, denn nun schien Kato derjenige zu seinen, der seinem Gegenüber hinterher rennen musste. ~~~~ "Was für Tee magst du?" Sie waren mittlerweile bei besagter Teeparty angekommen, doch um das Ganze etwas genauer auf den Punkt zu bringen, handelte es sich eigentlich um nichts anderes als einen langgezogenen Tisch, bedeckt von unzähligen Porzellantassen und Teekannen, der mitten im Grünen unter einem Baum stand. "Keine Ahnung... bin normalerweise nicht so der Teetrinker..." murmelte Kato etwas geistesabwesend. Der Grund für seine Verwirrung war etwa 1,60m groß, lag mitten auf dem Tisch zwischen dem Geschirr und schlief. Der Märzhase kramte währenddessen unbekümmert zwischen ein paar Tassen und antwortete schließlich als wäre es die normalste Sache der Welt: "Das ist die Schlafmaus, am besten du beachtest sie gar nicht...." Der Blonde brachte seinerseits wieder mal nur eines seiner berühmten "Aha"s zustande. Er musterte das Mädchen, welches einen ähnlichen Aufzug wie das Bunny trug, nur mit dem Unterschied, dass alles farblich ein wenig dunkler gehalten war. Auf ihrem Kopf prangten auch keine Schlappohren, sondern zwei kleine runde Mäuseöhrchen ....und Kato war sicher, wenn er jetzt auf die andere Seite des Tisches gegangen wäre und sich das Mädel von hinten angesehen hätte, wäre dort sicher auch ein netter Schwanz gewesen. Ein Mäuseschwanz, wohlgemerkt, nur damit keine Missverständnisse entstanden... Der Märzhase schien unterdessen endlich gefunden zu haben, wonach sie gesucht hatte. "Magst du English bitter Lemon[1]?" Verdutzt schaute der Sklave auf, er war schließlich ganz in seine Mäusestudien vertieft gewesen. "English... was?" "Tee, du Trottel..." sie schüttelte empört den Kopf, "...Zitronentee um genau zu sein. Hast du denn von gar nichts ne Ahnung?!" Kato errötete leicht und konzentrierte seinen Blick irgendwo auf das Astwerk des Baumes über ihm. Währenddessen der Märzhase neben ihm also besagten Tee zubereitete, ließ der Sklave seine Gedanken wandern. Er dachte daran, dass dieser Ort hier eigentlich gar nicht in die Hölle passte, er war viel zu schön und zu gemütlich. Die Blätter rauschten leise im Wind und machten ihn schläfrig. Seltsam, dass es so was überhaupt geben konnte bei einem rachsüchtigen Herrscher wie Luzifer..... Luzifer..... LUZIFER.... Scheiße die rote Akte!!!!! Er Blonde sprang auf und schaute sich panisch um. Auch das Bunny erschrak dermaßen über Katos Anfall, dass sie prompt den heißen Tee über ihre eigene Hand verschüttete. "Autsch! Spinnst du?! Was musst mich so erschrecken!" fuhr sie Kato an und hielt sich die schmerzende Hand. Von dem ganzen Tumult und Geschrei schien auch das schlafende Bündel auf dem Tisch erwacht zu sein. Es regte sich etwas, gähnte einmal herzhaft, dreht sich auf die andere Seite und schlief seelenruhig weiter. "Siehst du was du getan hast...." der Märzhase zeigte leicht hysterisch auf die schlafende Schlafmaus "... du hättest sie beinahe geweckt!" Kato schaute etwas betreten zu Boden und murmelte leise. "'tschuldige..." Er war selbst mittlerweile an einem Punkt angelangt, wo er sich eingestehen musste, dass er vielleicht ein gewisses Talent dafür hatte, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und dann auch noch total falsch darauf zu reagieren. Resignierend setzte er sich wieder hin und stützte den Kopf auf seine Hände. "Tut mir wirklich sehr Leid..." Das Bunny atmete einmal tief ein und betrachtet den Sklaven. Dann langsam schlich sich wieder ansatzweise ein Lächeln auf ihr Gesicht. "Ach, ist nicht so schlimm..." Erstaunt schaute Kato auf. "Ich vergebe dir, weil es dir wirklich Leid zu tun scheint, aber ich verlange eine kleine Gegenleistung dafür..." Die Miene des Märzhasen war mittlerweile wieder so fröhlich wie eh und je und genau das machte den Blonden irgendwie skeptisch. "Tut es denn nicht mehr weh?" "Geht so, aber du weißt ja, wenn man tot ist, sind körperliche Schmerzen nicht mehr wirklich relevant..." sie zuckte mit den Schultern, "... aber du sollst nicht ablenken! Ich hab gesagt, dass ich ne Gegenleistung will..." wieder dieses strahlende Lächeln, das Kato immer nervöser machte. "Ja, das hab ich auch gehört, aber ich wollte schließlich nur höflich sein... " grummelte er. "Was willst du?" Sie kam langsam auf Kato zu und beugte sich zu ihm runter. "Ich möchte, dass du mir erzählst, was du vorhin in den Gängen getrieben hast. Wo wolltest du hin?" Der Sklave musste schlucken. Eigentlich hatte er ja mit allem gerechnet, dass sie ihn wieder nur verarschen würde oder dass sie ihn fragen würde, wie Luzifer im Bett war. Alles schien ihm plausibler als das... "Äh.... Das hab ich doch schon gesagt, ich hab mich verlaufen...." er gab sich wirklich große Mühe ihrem Blick auszuweichen. "Nein, das hatte ICH gesagt..... Aber eigentlich ist das keine Antwort auf meine Frage. Ich wollte wissen, was der Grund dafür war, dass du dich verlaufen hast...." Der Märzhase war mittlerweile so nahe an ihn herangerückt, dass sie ihm diese Worte direkt ins Ohr hauchte. Kato lief ein Schauer über den Rücken, irgendwie erinnerte ihn dieses Getue verdammt an den verrückten Hutmacher. "I-ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen darf..." "Das ist ja genau der Punkt. Ich will, dass du es mir erzählst, egal ob du darfst oder nicht!" Die Starre die den Blonden befallen hatte seit ihm das Bunny so nahe auf den Pelz gerückt war, löste sich so schnell wieder wie sie gekommen war. Er wirbelte herum und funkelte sie an. "Dir ist schon klar, dass ich derjenige von uns zwei sein werde, der bestraft wird...." Die Augen des Häschens weiteten sich und mit dieser unglaublich unschuldigen Miene meinte sie: "Bitte........" Kato starrte sie für einen Moment einfach nur an und wusste nicht mehr was er sagen sollte. Dann seufzte er entnervt auf. "Ok ok, ich erzähl's dir, aber schraub diesen 'Ich-brech-gleich-in-Tränen-aus'-Gesichtsausdruck ab..." Sofort verschwand die herzerweichende Miene und das Bunny grinste wieder vor sich hin. "Ich bin ganz Ohr...." Kato fasste sich innerlich an den Kopf und machte sich eine geistige Notiz; nie mehr auf irgendein Weibsbild hier unten in der Hölle reinzufallen. "Also gut, ich erzähl's dir, aber hör gut zu, denn ich werde mich sicher nicht wiederholen..." "Keine Angst, ich bin nicht so schwer von Begriff wie du...." entgegnete sie lächelnd. Kato warf ihr einen bösen Blick zu, fuhr aber fort. "Ich war eigentlich auf der Suche nach einer Akte... Eine Akte, die ich eigentlich schon vor ein paar Tagen hätte ausliefern sollen, die mir aber irgendwie, na sagen wir, abhanden gekommen ist..." "Eine Akte, klingt spannend... Was stand denn drin?" Der Märzhase hatte sich neben dem Blonden Sklaven platziert und interessiert das Kinn auf ihre Hand gestützt. "Woher soll ich das wissen?! Luzifer hat mir verboten sie zu öffnen." "Ok, in seiner Position hätt' ich dir wahrscheinlich auch verboten sie zu öffnen..." "Hey!" Kato wollte schon ausholen um dem Bunny einen Klaps zu verpassen, doch sie hob abwehrend die Hände. "Sorry, ich meinte eigentlich eher, dass es mich erstaunt, dass du dich tatsächlich daran gehalten hast." Mit dieser Antwort schien der Sklave wieder versöhnt. "Na ja, ich wollte ja reinschauen, nur leider hatte ich nicht mehr die Gelegenheit dazu...." "Was ist passiert?" "Nun, ich hatte ein relativ überflüssiges Zusammentreffen mit einer Schattenfee." "Uh, die sind lästig." Der Märzhase verzog das Gesicht. "Jep, das musste ich auch feststellen...." für einen Moment zog Kato es in Erwägung, ihr noch von dem weiteren Verlauf seiner kleinen Reise zu erzählen, entschied sich dann aber dafür den Teil mit Nuri und dem Lustschloss des Satans Asmodeus auszulassen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. "... auf jeden Fall hat sie mich in ihr Reich entführt und die Akte blieb auf dem Gang liegen." "Auf dem Gang? Das ist schlecht..." "Wieso?" "Ich hab dir doch das mit den Gängen erklärt, dass sie nicht wirklich existieren, sondern nur astrale Projektionen sind..." "Ja, erzählt hast du es schon, aber so wirklich geschnallt hab ich es nicht." "Na ja, das heißt im Klartext, dass die Akte jetzt in einer Zwischenebene verschwunden ist und dort hast du null Chance sie wieder zu finden... " Kato starrte sie leicht panisch an. Er fragte sich, ob er noch mal einen schwachen hoffnungslosen Versuch unternehmen sollte das Bunny zu fragen, warum er sie nicht einfach von dieser Zwischenebene zurückholen konnte. "Und könnte ich nicht eventuell..." Sie schien seinen Gedanken zu erraten, "Nein! Jeder Gang ist eine unikate, geistige Projektion desjenigen, der ihn gerade benötigt und deswegen nicht rekonstruierbar. Nur sehr starke Dämonen besitzen die Fähigkeit auf das zwischendimensionale Kontinuum zuzugreifen...." Hä? "...du kannst also nicht zweimal den genau gleichen Gang heraufbeschwören, das geht einfach nicht." "Doch geht das!" Kato hatte zwar nur den letzten Teil der Ausführung des Bunnys verstanden, trotzdem sah er sich genötigt einzugreifen und seinen Senf dazuzugeben. "Ich hab's vorher immerhin auch geschafft, wieder in den Gang zu kommen, wo ich die scheiß Akte verloren hatte...." Der Märzhase schüttelte resignierend den Kopf, "Du peilst es einfach nicht, oder? Es kann gar nicht derselbe Gang gewesen sein, da es ja nur ein Bild deiner Psyche war. Du wolltest in diesen Gang und weil du ihn so in Erinnerung hattest, ist er dir so erschienen, wie du ihn wolltest." Der Sklave schien mittlerweile wirklich ein wenig verzweifelt. Seine blonden Strähnen hingen ihm wieder mal ins Gesicht und er schien durch und durch überanstrengt vom vielen Denken. Etwas mitleidig klopfte ihm das Bunny auf die Schulter. "Ach, mach dir nichts draus... Du könntest ja versuchen dem Adressat der Akte mitzuteilen, dass du sie verloren hast. Vielleicht war sie ja nicht so wichtig und du wirst nicht bestraft... Oder du wirst weniger fest bestraft, weil du schlau genug warst, dich bei dem Adressaten zu entschuldigen." Irgendetwas in der Stimme des Märzhasen ließ heraushören, das sie selbst nicht so wirklich überzeugt von ihren eigenen Worten war. "Sorry Kato..." sie drückte seine Hand, während der Blonde leicht apathisch vor sich hinstarrte. "Ich weiß, ich bin keine so große Hilfe, aber wenn ich fragen darf, an wen sollte denn die Akte gehen?" "An den Herrn der Fliegen." murmelte das Haustier leise. Mittlerweile war es ihm auch egal, wenn er etwas verriet, das er eigentlich nicht sollte. Seine Chancen standen sowieso mehr als schlecht und eine gewisse Resignation hatte von ihm Besitz ergriffen. "Hey!" Der Märzhase war aufgesprungen und klatsche voller Enthusiasmus in die Hände. "... zu dem ist es nicht weit von hier." Kato schaute sie etwas müde an. "Es ist ja lieb von dir, dass du mich trösten willst, aber ich denke, es ist besser, wenn ich einfach wieder zurückgehe, Luzifer sage, dass ich das scheiß Teil verloren hab und meine Bestrafung entgegennehme. In gewisser Weise bin ich ja beinahe schon daran gewöhnt." Er grinste etwas schief vor sich hin. "Nein! Ich meine das ernst! Es ist wirklich nicht weit von hier zum Herrn der Fliegen, du könntest sogar durch das Labyrinth gehen, dann bist du schneller. Und wenn du ihm sagst, dass du die Akte verloren hast, mildert der Fürst der Finsternis vielleicht deine Strafe..." Er Sklave bedachte sie mit einem 'Das-glaubst-du-doch-selbst-nicht'-Blick. Durchschaut und etwas hilflos erwiderte sie: "Du könntest es doch wenigstens versuchen.... Immerhin ist der verrückt Hutmacher noch nicht zurückgekehrt, das heißt die Besprechung der Erzdämonen dauert immer noch an. Du hättest also noch etwas Zeit..." "Drei Dinge sprechen dagegen..." Der Blonde betrachtete das aufgewühlte Bunny mit einem für ihn recht untypischen Blick. "....erstens weißt auch du nicht, wie lange sie noch weg sein werden, also könnten sie genauso gut in zehn Minuten wieder auftauchen, zweitens hab ich das Talent, wenn ich versuche mich aus Schwierigkeit rauszuhalten, nur noch in tiefere reinzugeraten und drittens trau ich dir nicht!" "Du traust mir nicht?! Aber wieso? Hab ich nicht bis jetzt immer auf dich aufgepasst? Hab ich irgendwas getan um dein Misstrauen zu verdienen?" theatralisch legte sie sich die Hand an die Stirn. Das ganze schien Kato relativ kalt zu lassen und gelassen erwiderte er: "Ich hab bis jetzt hier in der Hölle noch nie jemanden getroffen, der irgendetwas aus Selbstlosigkeit oder Nettigkeit getan hat. Warum also solltest du die Ausnahme sein? Ich weiß nicht, wer du bist, was du tust und wie du hier gelandet bist, aber da das hier immer noch die Hölle ist, trau ich dir nicht über den Weg." Der Märzhase schaute ihn mit einem verletzten Gesichtsausdruck an. "Ich hab's doch nur gut gemeint..." erwiderte sie leise. "Ah ja und als du mich in vollem Tempo gegen die Tür zum Wunderland hast rennen lassen, hast du's auch nur gut gemeint..." der Sarkasmus, den der Kiffer an den Tag legte, war wirklich erstaunlich. Nun schien der Märzhase wirklich nicht mehr zu wissen, was sie entgegnen sollte. Ihr Mund klappte auf, dann wieder zu und schlussendlich verschränkte sie mit einem beleidigten Gesichtsausdruck die Arme vor der Brust. "Dann mach halt was du willst, Idiot! Geh zurück zu deinem Herrn und lass dich von ihm auspeitschen! Es scheint dir ja allem Anschein nach zu gefallen!" Sie drehte sich um und schaute demonstrativ in die andere Richtung. Nun war es an dem Sklaven sich etwas angegriffen zu fühlen, denn die Bemerkung, dass er Luzifers Strafen auch noch genießen würde, hatte doch einen Nerv getroffen. Erbost erhob er sich von der Bank und stellte sich neben das Bunny. "Ich glaube nicht, dass du auch nur ansatzweise eine Ahnung davon hast, wie es ist, solchen Schmerz zu erleiden. Du lebst hier in deinem wunderschönen Wunderland und musst dich mit nichts anderem auseinandersetzen als den seltsamen Launen des verrückten Hutmachers. Also wag es nicht über Dinge zu urteilen, von denen du nichts verstehst!" Irgendwie war Kato über sich selbst erstaunt, dass er diesem Mädchen hier gerade derart harsche Worte an den Kopf schmiss. Er war grundsätzlich nie ein Mensch der Worte gewesen und jetzt plötzlich benutzte er sie so gezielt, als hätte er nie etwas anderes getan... Es war seltsam... Aber andererseits war der Sklave gerade zu aufgewühlt, um sich ernsthafte Gedanken über diesen ungewöhnlichen Wandel in sich selbst zu machen. Er drehte sich um und steuerte die Richtung an, in der seiner Meinung nach, der Ausgang lag. "DU BIST DERJENIGE DER KEINE AHNUNG HAT!" Der Blonde seufzte. Er hätte wissen müssen, dass er nicht so leicht davon kommen würde. Ohne sich umzudrehen, blieb er stehen. "Du... Du bildest dir ein, zu wissen was Schmerz ist, aber du hast ja keine Ahnung. Du bist gerade mal ein paar Höllentage hier und schon nimmst du den Mund so voll. Nur weil du Luzifers Sklave bist, denkst du, du kannst dir erlauben so mit mir zu reden, aber warte nur.... Irgendwann wirst auch du erkennen, was hier abgeht und wie die Hölle wirklich ist. Wenn sie endlich aufhören dich zu beschützen, dann wirst du die wahre Hölle als den Ort, der sie wirklich ist, erkennen und erleben ... Und du wirst verstehen was es heißt wirklich zu leiden!" Kato hatte den ganzen Monolog des Märzhasen schweigend entgegengenommen. Was hätte er auch dazu sagen sollen? Wahrscheinlich stimmte es sogar, wenn sie sagte, dass er noch nicht mal ansatzweise mit der gesamten Grausamkeit der Hölle Bekanntschaft gemacht hatte... Aber auch er hatte leiden müssen. Vielleicht nicht so fest auf physische Weise, wie andere... aber war es denn nicht grausam genug, wenn der Mensch, in dem man einst seinen besten Freund gesehen hatte, plötzlich zum Feind wird? Allerdings war es nicht die Anklage des Bunnys, dass er wahren Schmerz nicht kannte, die ihn stutzig gemacht hatte, sondern eher der Ausspruch 'wenn sie endlich aufhören dich zu beschützen'. Was sollte das heißen? Wer beschützte ihn? Der Sklave drehte sich wieder zum Märzhasen um und musste zu seinem Erstaunen feststellen, dass die dunklen Augen des Mädchens glänzten. Dieses Mal jedoch in einer vollkommen anderen Weise als dieses gespielte Getue, mit dem sie ihn immer wieder um den Finger gewickelt hatte. Diese Tränen waren echt und der verbissene Ausdruck in ihrem Gesicht untermauerten Katos Feststellung nur noch. "Sorry... aber ich geh jetzt." murmelte er leise. "Ja, hau doch ab und lass dich von deinem Meister durchvögeln! Ich hab's bloß gut gemeint und wollte dir helfen, aber du Trottel kannst ja Gut und Böse sowieso nicht unterscheiden!" Kato blieb erneut stehen und ballte seine Hand zur Faust. Langsam ging dieses Bunny echt zu weit. Er hatte für seine Verhältnisse schon ein enorm großes Maß an Geduld bewiesen, aber dieser Hase schien einfach nicht zu erkennen, wo die Grenzen lagen. Früher hätte er jedem, der es gewagt hätte ihn derart zu beleidigen, eine reingeknallt, egal ob Mann oder Frau... Doch irgendwie hatte er sich verändert in dieser Zeit seit er gestorben war; mal von seinem kleinen Rückfall betreffend Nuri abgesehen... Kato biss die Zähne zusammen und erwiderte schließlich: "Du verstehst das nicht..... Ich hab schon zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. Es ist jetzt einfach besser, wenn ich zurückgehe." Der Sklave hatte sich wirklich enorm große Mühe gegeben, entgegen seiner Natur und entgegen der Tatsache, dass dieses Bunny ihn vorher aufs Grausamste beleidigt hatte, höflich zu sein. Er hatte ihr schon wieder den Rücken zugedreht, als er ziemlich deutlich ein Wort vernahm. Ein Wort, das für den Blonden die ganze Situation änderte. "Feigling!" Feigling? Kato vertrug viel und er war auch schon mit einigen schlimmeren Schimpfwörtern tituliert worden. Die Palette reichte von räudiger Straßenköter bis hin zu Hurensohn und Motherfucker, aber wenn es etwas gab das Yue Kato absolut nicht vertrug, dann war es als Feigling bezeichnet zu werden. Der Grund für diese spezifische Empfindsamkeit reichte weit zurück in seine frühen Teenagerjahre und hatte mit seinen ersten Erfahrungen betreffend Drogen zu tun. Wie von der Tarantel gestochen fuhr der Blonde herum. "Wie nennst du mich?!" "Ich nenne dich einen elenden Feigling, der es nicht wagt, sich seinem Herrn zu widersetzten und lieber freiwillig eine Strafe entgegen nimmt als es auch nur ansatzweise zu versuchen, irgendwie anders eine Lösung für das Problem zu finden!" Kato legte den Kopf leicht schief. "Übersetzt in die Sprache der Idioten willst du mir wohl damit sagen, dass ich gar nicht wirklich versuche, mich aus dieser scheiß Lage zu befreien..." Auf dem Gesicht des Märzhasen zeichnete sich wieder langsam ein Grinsen ab. "Genau das will ich!" Der Sklave trat wieder einen Schritt näher auf das weiß gekleidete Häschen zu. "Unterstellst du mir, dass ich mich zu wenig anstrenge?" Für einen Moment schien sie nachzudenken, dann antwortete sie: "Nein, eigentlich mehr dass du zu schnell aufgibst! Noch hast du die Gelegenheit einer Strafe zu entgehen oder wenigstens eine Strafmilderung zu erreichen. Wenn du dich aber einfach in dein Schicksal fügst, musst du annehmen was dein Herr dir auferlegt, doch wenn du kämpfst oder mindestens versuchst dein Bestes zu tun, kann es nur besser werden..." Kato wandte seinen Blick von dem Hasen ab, der mittlerweile wieder etwas freundlicher gestimmt zu sein schien und richtete ihn irgendwo in die Ferne. "Das glaubst du..." "Ja, natürlich glaube ich das! Ein Versuch kann nie schaden! Denn wenn du es nämlich nicht versuchst, wirst du es im Nachhinein bereuen!" Sie nickte bestimmt. Ihre alte Fröhlichkeit war wieder gänzlich zurückgekehrt und die Tatsache, dass sie und Luzifers Haustier sich vor noch nicht allzu langer Zeit gegenseitig mit Gemeinheiten beworfen hatten, schein wie weggeblasen. "Ich bin mir da nicht so sicher..." erwiderte der Blonde leise. "Papperlapapp..." das Bunny griff nach Katos Hand, "... ich bringe dich zum Labyrinth und begleite dich dann bis an die Grenze zum Reich des Herrn der Fliegen. Du kannst echt von Glück reden, dass ich so großzügig bin und mit dir komme, du musst nämlich praktisch durch das ganze Labyrinth durch und wenn du den Weg ganz alleine finden müsstest, wärst du echt aufgeschmissen, denn Fremde neigen immer mal wieder dazu, sich im Labyrinth zu verirren...." Das Hirn des Blonden war hatte schon nach halber Stecke des Monologs auf Durchzug geschaltet. Er hörte nur ein paar mal "Labyrinth" und "verirren". Also wieder mal zwei Wörter, die ihn beunruhigten. Kato fragte sich gerade innerlich, wie es soweit hatte kommen können, dass ihn dieser Märzhasen schon wieder hinter sich herschleifte, vor allem in Anbetracht der Tatsche, dass sie sich vorher gerade noch gestritten hatten. Irgendwas machte er im Umgang mit Frauen falsch.... TBC [1] Der "English bitter Lemon Tea" ist natürlich eine Erfindung von mir. Ich bin ebenfalls nicht unbedingt der Teetrinker und kenne mich deshalb auf diesem Gebiet nicht so aus, aber eigentlich wollte ich mit diesem Name auch mehr meinen Lesern ein kleines Grinsen aufs Gesicht zaubern.... Lemon... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)