Lost Angel - Die Flügel wachsen wieder von Remy (Fortsetzung von 'Lost Angel') ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Prolog Jemil's PoV Fünf Monate. So lange war Pios Tod jetzt schon her. Und wir hatten unsere Ruhe. Niemand hatte uns mehr verfolgt. Unbeschadet waren wir jetzt vor einen guten viertel Jahr wirklich in Transsilvanien angekommen. Ab der Grenze von Rumänien spaltete sich auch langsam die Gruppe auf. Bis wir – ich, Jesko und Felix, der sich einfach nicht mehr von uns trennen wollte – nur noch mit Satôbi und Venanzia unterwegs waren. Wir hatten es uns dann irgendwann in Sibiu gemütlich gemacht. Was auch gar nicht einmal so schwer war – wenn man sich durch zu Fall in seiner Manteltasche einige Kreditkarten entdeckte, die wohl zuvor dem eigenen Halbbruder gehörten. Wir hatten es uns gut gehen lassen. Ich, Jesko und Felix. Wir waren eine richtige kleine, glückliche Familie, wie man sie sich wünschte. Nur das uns eben die Frau fehlte. Und das der kleine Hybride das Sonnenlicht immer noch nicht vertrug. Durch Pios Blut konnte es zumindest mir nichts mehr schaden. Er hatte sich zuvor Verona geschnappt. Der Älteste bis dato lebende Vampir. Und sie war etwas Besonderes. Eins hatte es nur einen Vampir gegeben, der angesehener war, als sie. Aber der starb schon, bevor ich überhaupt geboren worden war. Von einer Frau getötet worden. Von der Frau, die er liebte. Ich würde vielleicht Jesko irgendwann auch so weit bringen müssen. Und dann könnte er sich auch in jemanden von seiner Art verlieben. Irgendwann. Möglicherweise. Das könnte ihm vielleicht genauso gut tun, wie wenn ich einmal einen Vampir treffen würde. Aber bis dahin verging noch Zeit. Viel Zeit. Mir war es ohnehin lieber, wenn wir zusammen bleiben könnten. Nur wir drei. Weiter eine kleine, glückliche Familie sein. Eine, die ich früher nie hatte. Es tat doch mir wirklich nur zu gut jemand um mich zu haben, der mich wirklich liebte. Dem ich etwas wert war. Etwas, was ich vor Jesko nie hatte. Jesko's PoV So viel Zeit war jetzt schon vergangen. So viele Nächte in denen sich Jemil völlig verängstigt auf einmal an mich geklammert hatte. Meistens plagten ihn Albträume. Immer noch von Pio. Kaum dass er schlief, rollte er sich meistens schon hin und her. Das ging schon so lange, seit wir in Sibiu waren. Davor hatte er es vielleicht alles verdrängen können. Aber jetzt? Es quälte ihn. Von Nacht zu Nacht mehr. Und ich konnte ihm nicht einmal helfen. War machtlos gegen diese Träume. Ich konnte ihm immer einfach nur beistehen. Ihm immer wieder sagen, dass ich bei ihm war. Doch eins konnte er jetzt genießen. Die Sonne. Nur wegen des Blutes seine so verhassten Bruders. Und der hatte davor das von einer gewissen Verona getrunken. Jemil hatte mir in den letzten Wochen immer noch nicht gesagt, wer sie war. Nur das sie eine verdammt alte Vampirin gewesen sein musste. Eine der ältesten, die es überhaupt gegeben hatte. Nur Vlad III. Drăculea – oder wohl besser bekannt als Dracula - war älter gewesen, als er starb. Aber selbst das wunderbare warme Licht der Sonne half ihm nicht gegen seine Träume. Nicht einmal ich könnte ihn davon erlösen. Er müsste sie selbst überwinden müssen. Immer daran denken, dass Pio ihm nichts mehr tun könnte. Und solange Jemil nicht ruhig schlafen könnte, würde ich es auch nie können. Nur sein Wohl interessierte mich eigentlich wirklich. Und das von Felix. Der Kleine war aber auch meinem Vampir sehr wichtig. Er wollte immer nur, dass es ihm gut ging. Nichts durfte dem Hybriden passieren. Jeder, der ihn auch nur falsch anrühren wollte, hatte schon Jemils wütendes Knurren gehört. Manchmal führte er sich schon etwas, wie eine Mutter auf, die sich nur um ihr Kind sorgte. Doch gelegentlich war das schon zu extrem. Aber vielleicht war das auch einfach nur ein klein wenig Beschützerinstikt dem Kleinen gegenüber. Felix tat ihm aber auch wirklich gut. Er lachte mit ihm. Immer wieder. Und der Klang seiner Stimme war dann so schön. Brannte sich regelrecht in mir fest. Es verging aber kein Tag, an dem Felix Jemil nicht einmal zumindest zu kichern brachte. Manchmal erfühlten sie das ganze Haus damit. Und das schon am frühen Morgen. Obwohl doch Jemil Felix umgewöhnte – und es selbst auch schon war. Er sollte nachts schlafen. Dann würde der Vampir ihm einmal ein paar Tropfen seines Blutes geben, nur damit der Kleine die Sonne auch genießen konnte. Dann wären wir wohl wirklich fast normal. Luca's PoV Wie konnte er ihm das nur antun? Meinem Bruder und seinem Halbbruder. Als ich davon hörte, als ich nach Jahren wieder zurückkam, hatte ich es gar nicht glauben wollen. Aber nur er konnte es gewesen sein. Er tötete meinen Bruder. Meinen geliebten Bruder. Den einzigen, der noch wirklich zu mir hielt. Sonst gab es doch nur noch meine Schwester Talinda. Und die hatte ich auch so lange nicht mehr gesehen. Für das, was in unserem Clan vorging interessierte sie sich schon gar nicht mehr. Und Vater und Mutter waren wir, ihre Kinder, ohnehin egal. Wir sollten nur die Familie irgendwann fortsetzen. Doch er würde das nie tun. Er. Dieses Halbblut. Mit einem Werwolf war er durchgebrannt. Nicht einmal Mila, mit der Vater ihn verlobt hatte, brachte ihn dazu wieder zurückzukommen. Aber jetzt war er ohnehin für den Großteil unseres Clans gestorben. Er war eben ein Mörder. Sogar der von einem seiner eigenen Art. Wenn er doch liebe diese Missgeburt von Werwolf getötet hätte. Das wäre um Längen besser gewesen. Einen Wolf mehr oder weniger hätte niemanden interessiert. Aber er hatte diesem Biest kein Haar gekrümmt. Es ging aber auch das Gerücht um, dass er mit diesem Monster wirklich zusammen wäre. Das er mit ihm schlief. Er war eine Schande für unsere gesamte Art. Wie konnte er sich aber auch nur mit einem niedrigen Sklaven abgeben und mit dem vielleicht auch noch Sex haben. Er gefleckte unseren Ruf. Unsere ganze Art. Vom Ersten bis zum Letzten. Aber jetzt verfolgte ich ihn. Mit meinem Leibwächter Tofan und dem Wolf, der mir zugeteilt worden war. San hieß er, wenn ich mich nicht irrte. Beide recht unbrauchbar. Der Vampir warf mir nur schmachtende Blicke zu und der Werwolf war eben nur ein solcher. Dumm, wie jeder andere seiner Art. Ich würde mit so einem Wesen nie etwas anfangen können. Die verstanden uns doch nicht einmal richtig. Meistens musste man ihnen etwas zwei Mal oder sogar drei Mal sagen, bevor sie überhaupt wussten, was sie tun sollten. Doch zumindest wurde ich nie angegriffen. Weder von Werwölfen, noch von streunenden Vampiren, die keinem Clan angehörten. Kein Wesen der Nacht traute sich an mich heran. Und ein anderes könnte mir doch ohnehin nichts anhaben. Tofan und San waren doch nur wegen meines Vaters mitgegangen. Mir hätte ja etwas passieren können. Dabei konnte ich mich gut genug selbst verteidigen. Im Kampf war ich trainiert worden. Mit Leichtigkeit würde ich es doch mit so einem herumtreibenden Köter aufnehmen können. Was sollte mir aber schon groß zustoßen? Ich war ein Vampir. Zwar mit meinen 15 Jahren noch jung, aber schon stark genug um mich selbst zu verteidigen. Und er würde das auch zu spüren bekommen. Dieses verdammte Halbblut. Er würde dafür bezahlen, was er meinem Bruder angetan hatte. Dafür würde er nie wieder das Licht des Mondes sehen. Und das der Sonne ohnehin nicht. Mila's PoV Eigentlich wollte ich ihn nicht mehr suchen. Er hatte sich doch entschieden. Für den Werwolf. In den er sich verliebt hatte. Ich wäre da nur fehl am Platz. Aber meine Gefühle für ihn konnte ich auch nicht unterdrücken. Nur deswegen hatte ich angefangen ihn wieder zu suchen. Auch wenn ich seinen genauen Aufenthaltsort nicht kannte. In Transsilvanien soll er von einigen Vampiren gesehen worden sein. Dort könnte ich ihn vielleicht sogar finden. Und ich hatte jetzt sogar eine Verbündete. Eine Werwölfin. Sie hieß Lana und war wohl in den Werwolf, der bei meinem Liebsten war, verschossen. Und somit hatten wir doch das gleiche Ziel. Wir wollten sie wieder auseinander bringen, damit sie zu uns zurückkehrten. Wir waren es doch, die sie wirklich liebten. Sonst niemand. Nur wir. Was sollten sie schon mit dem jeweils anderen. Die gehörten doch nicht einmal ihrer Art an. Und immerhin waren sie doch beide Kerle. Das war doch noch grässlicher, als das sie Vampir und Werwolf waren. Er hatte mich doch nur nie verstanden. Nie gespürt, was ich für ihn empfand. Lana ging es genauso. Der Wolf konnte sie nicht verstehen. Aber vielleicht könnten wir sie noch zu uns zurück bringen. Nur finden mussten wir sie. Unsere Liebsten. Die, die uns am teuersten waren. Etwas anderes wollten wir doch gar nicht. Jemil und Jesko. Mein Vampir und ihr Werwolf. Für die wir doch eigentlich geschaffen waren und nicht sie füreinander. Ihre Liebe war nicht einmal erlaubt. Die, die wir gegenüber ihnen hegten schon. Sie würden das auch noch verstehen. Und das war dann unsere Chance. Sie gehörten doch uns. Wir liebten sie. Nur wir! Sie bildeten sich doch ihre Liebe nur ein. Was sollten sie denn schon füreinander empfinden können. Blut trinken ------------ Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 1 – Blut trinken Jemil’s PoV Sanft wurde ich wach geküsst. Rollte mich aber schon im nächsten Moment auf die andere Seite herum. Jetzt noch nicht. Es war noch viel zu früh. Selbst für meine Verhältnisse. „Jemil, komm schon.“ Ein weiteres Mal küsste mich der Werwolf zärtlich auf die Wange, bevor ich leicht ein Lid hob. „Guten Morgen“, nuschelte ich und schlang die Arme um Jesko, der sich genüsslich an mich kuschelte und mir vorsichtig über den Hals leckt. „Jesko, das kitzelt“, gab ich leicht kichernd von mir. „Gerade deswegen mach’ ich es ja.“ Ein Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab. „Kleiner Fiesling.“ Ich stellte mich schmollend, als ich die Zimmertür schon hörte. „Mama“, rief Felix und stürzte sich auf mich. Zum Glück waren die Vorhänge noch zugezogen, denn die Sonne konnte ihn noch verletzten. „Ich will endlich auch tagsüber raus, Mama“, maulte er auch schon los. Da vernahm ich schon ein Seufzen von Jesko. Fast synchron blickten ich und der kleine Hybride zu ihm. „Was ist denn, Papa?“, fragte der Kleine und legte leicht den Kopf schief. Der Werwolf hatte die Arme vor der Brust verschränkt und atmete einmal tief durch, bevor er mit einer Gegenfrage antwortete: „Wieso - um alles in der Welt - ist er die Mama?“ Meiner Meinung nach hatte es sich Felix einfach irgendwann angewöhnt. Und immerhin war doch Jesko der männlichere von uns beiden. „Weil Jemil viel hübscher ist, als du“, erwiderte da der Kleine aber auf einmal, „und eine Mama muss hübsch sein!“ Ein leichtes Kichern konnte ich mir nicht verkneifen. Felix war doch wirklich zu süß. „Du, Jemil, wann darf ich endlich raus? Jetzt schlaf ich doch schon immer ganz brav nachts.“ Mit großen Augen blickte mich der kleine Hybride an. Da legte ich aber schon die Arme um ihn. „Bald“, murmelte ich. Zu früh wollte ich ihm noch nichts von meinem Blut geben. Immerhin wusste ich eigentlich gar nicht, was dann mit ihm sein würde. Mir hatte das von Pio geholfen, dass ich die Sonne vertrug. Aber vielleicht würde das bei ihm gar nicht so sein. Darauf wollte ich es nicht unbedingt ankommen lassen. Mit einem Seufzen sank der Werwolf zurück in die Kissen. „Damit gibst du wohl nie Ruhe.“ Jesko hob leicht eine Augenbraue und blickte den Kleinen prüfend an. Der verzog aber nur das Gesicht zu einem Schmollen. „Du kannst ja raus!“, murrte Felix und verschränkte trotzig seine Ärmchen vor der schmalen Brust. „Du bekommst ja bald was.“ Liebevoll legte ich wieder einen Arm um ihn und zog ihn zu mir. Samt ihm ließ ich mich in die Kissen zurück sinken, während Jesko sich wieder aufgesetzt hatte. „Frühstück wäre fertig“, meinte der schließlich und stand auf. Da war ich aber mit dem Kleinen im Arm schon wieder eingeschlafen und der bei mir. Eine gute Stunde später hatte es dann Jesko nochmal versucht. Dieses Mal zog er mir nur einfach die Bettdecke weg. „Mann! Jesko! Kannst du einen nie schlafen lassen“, zeterte ich auch gleich los. Felix kicherte noch im gleichen Moment los. „Ist doch schon spät genug, … Mama.“ Das letzte Wort betonte er dieses Mal extra und grinste auch sofort übers ganze Gesicht. Ich ließ den Kopf in den Nacken fallen. „Ihr beide gebt wohl nie Ruhe?“, murmelte ich. Da nickten Felix und Jesko aber schon eifrig. Manchmal kam es mir so vor, als ob sie nur so glücklich waren, weil sie Werwolfsblut in sich hatten. Die beiden konnten sich über jede Kleinigkeit freuen. Bei mir ging das meistens nicht so einfach. „Aber jetzt raus aus den Federn!“ Als ob es abgesprochen gewesen wäre – war es vielleicht sogar – nahmen sie mich beide an einer Hand und zogen mich hoch. „Jetzt könnt' ihr beide zusammen frühstücken“, meinte da auf einmal Jesko, als er mich – samt dem Kleinen – in die Küche gezogen hatte. Auch dort waren die Vorhänge zugezogen. Nur wegen Felix. „Langsam sollte ich dir wirklich etwas geben“, meinte ich zu dem Hybriden, der mich mit großen Augen ansah. „Dann mach' es doch gleich, bitte!“ Er legte einen bettelnden Gesichtsausdruck auf. „Heute noch nicht“, erwiderte ich nur knapp. So wie ich es immer tat. Irgendwie konnte ich es nicht tun. Egal, wie oft mich anflehte, dass ich ihm etwas von meinem Blut gab. Ich war mir einfach nicht sicher, ob er dann immer noch der kleine, süße Hybride wäre, wenn er es trinken würde. „Aber Jemil! Ich will endlich auch raus können und mit den Kinder spielen!“ Er schob leicht die Unterlippe vor. Es war nicht ungewöhnlich, dass er schmollte. Das würde jedes Kind in seinem Alter wohl tun, wenn es etwas nicht bekam, was es wollte. „Warte bitte noch ein bisschen.“ Leicht streichelte ich ihm über den Nasenrücken. Ganz genau wusste ich, dass ihm das gefiel und auch dieses Mal wieder. „Das kitzelt“, kicherte er los. Jesko kümmerte sich jeden Tag um das Frühstück. Aber auch nur, weil er immer der Erste war, der morgens aufstand. Und jedes Mal küsste er mich eigentlich wach, obwohl er wusste, dass ich immer noch einmal einschlief. Meistens mit dem Kleinen im Arm. Mit Felix hatten wir wirklich einen süßen Fratz erwischt. Ich könnte ihn jetzt wohl nie wieder hergeben. Er war mir viel zu wichtig geworden. Wenn ich wüsste, wie es war, könnte ich ihn fast als meinen Sohn bezeichnen. „Schatz?“ Langsam sah ich zu Jesko auf. Ganz leicht wurde ich rot. Das passierte mir immer, wenn er mich 'Schatz' nannte. Irgendwie war ich das immer noch nicht gewohnt. Gerade da er es jedes Mal mit so einem süßen Unterton sagte. Einer, der einem einen Schauer über den Rücken jagte und wahrscheinlich für einen Diabetiker tödlich hätte sein können. „Was denn?“ Mühsam setzte ich ein Lächeln auf. Es viel mir gelegentlich immer noch schwer. Obwohl Felix oft genug versuchte es mir wirklich richtig beizubringen. Nur wohl heute nicht. Für den Rest des Tages wäre er sicherlich eingeschnappt. Manchmal könnte man meinen, er wäre noch in der Trotzphase. Dabei müsste er doch da schon längst raus sein. „Jesko! Ich will raus!“, quengelte er da schon los und angesprochener Wolf sah im ersten Moment nur zu mir. Ich knabberte nur an einem Stück Brot mit Butter, dass mir der Werwolf gemacht hatte. Zu mehr traute ich mich noch nicht ganz. Dabei erlaubte mir das Ältestenblut, das in meinen Adern floss, viel mehr. „Was schaust du jetzt mich so an?“, fragte ich und hob gespielt irritiert eine Augenbraue. „Zumindest ein paar Tropfen könntest du ihm ja geben“, murrte der Werwolf und setzte sich auf den Stuhl zwischen mich und Felix, der immer noch vor sich hin schmollte. Nicht einmal zu Essen war er deswegen bis jetzt gekommen. Hartnäckig war der Kleine schon. „Morgen“, murmelte ich nur und erhob mich langsam. „Das sagst du immer“, rief mir Jesko noch hinterher, als ich die Küche verließ. Gemächlich stapfte ich ins Wohnzimmer und zog dort die Vorhänge auf. Sonnenlicht viel auf meine blasse Haut und tauchte zudem den Raum in ein angenehmes Warm. Das war mir auch immer noch ungewohnt, dass ich es mir nichts ausmachte, dass Tageslicht auf mich viel. Es kribbelte immer noch, wenn ich mich einfach so in die Sonne stellte. Aber sonst fügte es mir keine Schmerzen zu. Ich würde wohl auch nicht, wie meine liebe Verwandtschaft einfach zu Asche zerfallen. Ich öffnete das Fenster und lehnte mich leicht hinaus. Ein angenehmer Wind wehte und wirbelte mir durchs Haar. Für Mitte April war es immer noch etwas kalt, aber nicht so sehr, wie die Nacht. Leicht streckte ich mich, bevor ich das Fenster wieder schloss. Als ich mich umdrehte, stand Jesko vor mir und schlang auch schon im nächsten Moment die Arme um meine Schultern. „Du könntest dich schon einmal dazu herablassen und etwas von deinen Blut opfern?“ Zärtlich küsste er mich auf die Wange. „Ich will nur nichts Dummes machen“, erwiderte ich, als er mich bittend ansah. „Was soll denn daran dumm sein? Dann könnte doch der Kleine nur endlich auch an die Sonne. Willst du denn, dass es ihn noch in den Wahnsinn treibt, dass er die ganze Zeit die Kinder draußen hören kann, aber selbst nicht aus dem Haus darf.“ Jesko legte den Kopf schief. Was für einen süßen Blick er da doch auflegte. Ich drückte meine Stirn gegen seine Brust und atmete einmal tief durch. „Vielleicht tu' ich es ja morgen.“ Ein Seufzen verließ meine Kehle. Da hob mich der Werwolf auf einmal hoch. Wie in der Nacht der Wintersonnenwende. „Jesko! Du weißt, dass ich das nicht ausstehen kann!“ Etwas mühsam konnte ich mich an ihm hoch stemmen. Da landete ich aber schon auf der Couch. Ich windete mich unter ihm, wie ein Aal. Aber los kommen tat ich ohnehin nicht. „Jesko! Felix wird uns hören!“, kicherte ich, als der Werwolf meinen Hals küsste und mit den Fingern unter mein Shirt geglitten war. Wenn ich gewusst hätte, dass er sich so früh schon wieder an mich ranschmeißen wollte, hätte ich es wohl gar nicht angezogen. „Ist doch egal.“ Diese Antwort kam in den letzten Wochen oft von ihm. Es störte ihn scheinbar gar nicht, dass der Kleine in der Wohnung war. Wie traumatisch das für ihn sein könnte, wenn er uns erwischte, bedachte Jesko wohl gar nicht. „Komm, hör auf!“ Ich versuchte ihn mühsam von mir weg zuschieben. Doch der Werwolf wollte nicht nachgeben. Vorsichtig leckte er über mein Schlüsselbein. Nur schwer konnte ich ein Aufkeuchen unterdrücken. Krampfhaft kniff ich die Augen zusammen. Da ließ er aber auf einmal von mir ab. Aber auch nur um neben wir aufs Sofa zu sinken und meine Beine auf seinen Schoss zu legen. Leicht massierte er meine Füße. Erleichtert seufzte ich. „Kannst du also doch auf mich hören?“ Ich hob eine Augenbraue und sah Jesko durchdringend an. „Bin doch dein braves Hündchen.“ Ein Grinsen umspielte seine Lippen. Gerade als ich mich genüsslich entspannte. „Wo ist der Kleine?“, fragte ich, als ich für einen Moment die Augen geschlossen hatte. „Brav, wie er ist, macht er den Abwasch“, erwiderte der Dunkelhaarige sofort. Ich löste meine Füße von seinen Händen und stand auf. „Wo willst du denn schon wieder hin? Andauernd lässt du mich alleine“, maute Jesko schon los, als ich in Richtung Tür marschierte. „Willst du Felix nicht richtig glücklich sehen?“ Der Werwolf spitzte die Ohren, als ich das sagte. „Dann wirst du eine nette Fledermaus?“, wollte er wissen. Langsam nickte ich. Dabei passte es mir eigentlich gar nicht, wenn er mich 'Fledermaus' nannte. Aber dafür durfte ich auch zu ihm 'Wölfchen' sagen. Doch anstatt zu Felix in die Küche zu gehen, verzog ich mich in mein eigenes Zimmer. Unsere Wohnung konnte man wohl als riesig bezeichnen. Zwar nur ein Bad, aber dafür noch für jeden einen eigenen Raum in den er sich immer zurück ziehen konnte. Das machte ich auch oft. Manchmal wollte ich einfach meine Ruhe haben. Die, die ich früher viel zu häufig hatte. Jetzt suchte ich sie sogar freiwillig. „Jemil?“ Ich hob leicht den Kopf und setzte mich schließlich auf der kleinen Dreisitzer-Couch auf, als Felix ins Zimmer kam. Es war hier sogar dunkel genug für ihn, so das ihn die Sonne nicht verletzen konnte. Etwas scheu kam er zu mir und setzte sich neben mich. Da hielt ich ihm aber schon den Arm unter die Nase. Verwirrt sah er zu mir auf. „Na beiß' schon zu. Oder willst du auf einmal nicht mehr?“ Ich hob leicht eine Augenbraue, als der Kleine nur wie gebannt auf meinen Arm starrte. Vorstellen, dass er das Blut unter den Adern pochen sah, konnte ich mir denken. Das war ihm durch sein Vampirblut gegeben. Jeder konnte es. „Ich will nicht in deine schöne Haut beißen, Mama“, flüsterte er da aber auf einmal und blickte bedrückt auf den Boden. Da schlang ich aber schon die Arme um ihn. „Ist schon in Ordnung“, hauchte ich ihm ins Ohr. Er kuschelte sich an mich. „Dabei will ich es schon die ganze Zeit. Nur damit ich auch raus kann, so wie du und Jesko.“ Es zerriss mir fast schon das Herz, so traurig klang er und dann schniefte er auch noch. „Ist doch nicht so schlimm, wenn du mich nicht beißen willst.“ Zärtlich glitt ich ihm übers Haar. Felix war mir doch genauso wichtig, wie ein kleiner Bruder. „Wir flössen dir mein Blut schon noch irgendwie ein“, meinte ich und strich dem Kleinen über die Nase, die er auch gleich leicht rümpfte. Familienidylle -------------- Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 2 – Familienidylle Jesko's PoV Das er mich doch so einfach auf der Couch sitzen ließ. Das hätte er noch vor ein paar Monaten nicht gemacht. Da konnte er doch kaum von meiner Seite weichen. Nachdem ich Pio getötet hatte wurde er richtig anhänglich. Keine Sekunde wich er mehr von meiner Seite. Die Angst war ihm manchmal buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Die anderen Werwölfe hatten es gespürt, dass er sich verändert hatte. Nicht nur, dass er für einen Tag ein Mensch war, auch das Blut, das er jetzt in sich hatte, konnten sie spüren. Wahrscheinlich überdeutlich. Wütend hatten sie ihn manchmal an geknurrt. Wie, als ob er ein Monster wäre. Aber für sie war er das wohl sogar. Von Anfang an. Behandelt hatten sie ihn schon fast so, wie sein Clan jahrelang – und wohl jetzt auch noch – mit den Werwölfen umsprangen. Ich ließ den Kopf in den Nacken fallen und breitete die Arme auf der Rückenlehne aus. Manchmal saß er abends, wenn der Kleine schon im Bett war, auf meinem Schoss, wenn ich es mir so auf dem Sofa bequem machte. Da war er es dann, den es nicht interessierte, dass Felix uns vielleicht hören könnte. Nur das er nie wirklich weit ging. Ein bisschen rumknutschen und fummeln. Weiter ging er nicht. Fast so, als ob er es sich nicht trauen würde. Ein Seufzen verließ meine Kehle. Bisschen miteinander rummachen wäre doch wirklich einmal wieder schön. So wie am Anfang. Da, wo er mich eigentlich nur für seine Spielchen ausnutzen wollte. Irgendwie war das damals schon schön. Dass das auch gerade einmal fünf Monate her war konnte ich schon fast gar nicht fassen. Eigentlich war es gar nicht lange, aber für mich wirkte es lang genug. In dieser Zeit hatten wir von einander gelernt. Er von mir wirklich glücklich zu sein und umgekehrt hatte er mir alles in Sachen Verwöhnen und Sex beigebracht. Ich schloss für einen Moment die Augen. Da hörte ich aber auch schon, wie jemand die Tür öffnete. „Wart' einen Moment, Felix“, hörte ich Jemil sagen und wie er durch den Raum wuselte. Ich hob leicht wieder ein Lid und sah noch, wie der Vampir den Vorhang zuzog. Noch im selben Moment stürzte sich der kleine Hybride auf mich. „Hey, nicht da!“, kicherte ich, als der Jüngere auf einmal anfing mich zu kitzeln. Ich konnte mich vor lachen nicht mehr einkriegen, bis Jemil Felix am Kragen von mir herunter zog. „Die Stelle gehört mir!“, meinte er und zog die Augen zu Schlitzen zusammen. Fragend blickte mich der Kleine an. „Stimmt das?“ Ich nickte nur. Immerhin wusste ich auch, wo Felix seine Finger hatte und das gehörte wirklich Jemil. Sonst würde ich da aber auch niemanden ranlassen. Dafür war einfach der Vampir zuständig. Da ließ dieser den Kleinen aber auch schon wieder los, setzte sich neben mich und kuschelte sich auch sofort an mich. Das ging aber nicht lange, da sich schon Felix zwischen uns drückte. „Was machen wir heute?“, fragte er und sah immer wieder zwischen mir und Jemil hin und her. „Satôbi wollte eigentlich mit Venanzia vorbei kommen“, erwiderte der Blonde da schon und schob Felix etwas mehr auf meinen Schoss, so das er sich wieder an mich lehnen konnte. Wir könnten so fast wie eine kleine, glückliche Familie wirken. Wenn Jemil vielleicht etwas mehr, wie ein Mädchen aussehen würde. Da er schon so hübsch war, wie es der kleine Hybrid sagte und der ihn auch noch manchmal Mama nannte. Er wäre doch eigentlich sicher auch eine schöne, junge Frau. „Ich hab von Anfang an gesagt, wir müssen uns einen Fernseher anschaffen“, meinte ich da auf einmal. Das war doch wirklich eines der Dinge, die wir nicht hatten. „Kommt doch ohnehin nie was Anständiges“, murrte da aber schon Jemil neben mir und schmiegte sich noch etwas an mich. Genauso auch Felix. Irgendwie fühlte ich mich auf einmal richtig eingeengt. „Mädels?“, fragte ich, als es mir irgendwie so vorkam, als ob sie beide eingeschlafen wären. Sonst passierte das ja eigentlich nur abends und dann nickte auch eigentlich nur Jemil neben mir ein. Der kleine Hybrid hätte wahrscheinlich Energie bis in die späte Nacht hinein, wenn er nicht ins Bett müsste. Mir entfuhr ein kurzes Auflachen. Felix auf meinem Schoss und Jemil an meine Schultern gelehnt. Beide waren wohl in die süßesten Träume versunken. So ganz hatten sie sich da dann trotzdem noch nicht daran gewöhnt tagsüber wach zu sein. Dabei hätte ich eigentlich gedacht, dass es schon längst so wäre. Ich strich dem Vampir leicht über die Wange. Nachts wälzte er sich immer stundenlang im Bett nur hin und her. Wenn ich ihn wohl nicht in den Arm nehmen würde, dann käme er nie zur Ruhe. Und jetzt schlief er sogar einmal richtig friedlich. Meine süße, kleine Fledermaus. Behutsam schob ich den Hybriden von meinem Schoss und auch Jemil konnte ich – ohne das er aufwachte – auf die Couch legen, bevor ich aufstand. Für mich wäre es wohl schon etwas unbequem geworden. Da erfüllte aber schon das Geräusch der Türglocke die Wohnung. Ich wendete mich noch kurz zu den beiden Schlafenden. Scheinbar hatte es sie nicht geweckt. So marschierte ich geradewegs zur Tür. Das waren ohnehin nur Satôbi und Venanzia. Wer sollte uns aber auch sonst besuchen? Jemil war es zu gefährlich, sich mit jemanden anzufreunden. Dem hatte ich mich aber schon einige Male widersetzt. Mit dem Mädchen, das auf dem Markt Gemüse und Obst verkaufte, unterhielt ich mich liebend gerne. Meistens bekam er das nicht mit. Doch gerade als ich die Wohnungstür öffnete kam mir dieser eine Moment wieder in den Sinn. Wie sich Venanzias Zähne in Jemils Hals vergruben. Er hatte ihr erlaubt etwas von seinem Blut zu trinken – so wie er es Felix auch erlauben wollte. Seit dem konnte sie auch das Tageslicht genießen. Bei ihr hatte er auch keinen Moment gezögert, es ihr zu erlauben, wohingegen er bei dem kleinen Felix fast schon ein Drama daraus machte. „Hi, Sa...“ Mir stockte der Atem. Das war nicht der Werwolf und seine Hybrid- Freundin, die da vor mir stand. Keiner von beiden. Eine Gestalt in einem langen, schwarzen Mantel gehüllt befand sich da vor mir. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodass ich nicht einmal erkennen konnte, ob die Person eine Frau oder ein Mann war. Da streckte die Gestalt aber schon die Hand nach mir aus, von der sie aber erst einen ebenso tiefschwarzen Handschuh abnahm. Sie berührte meinen Hals. Lange Fingernägel streiften meine Haut. Ein Vampir. Da war ich mir sicher. „Du bist es. Derjenige, den er liebt“, flüsterte eine hohe Frauenstimmen. Mit einem leichten Schwung fiel die Kapuze zurück und es offenbarte sich, was ich gedacht hatte. Das Mädchen, das vor mir stand, hob leicht die Oberlippe. Die scharfen Eckzähne fielen wir zuerst ins Auge. Die mussten tödlich sein. Erst dann bemerkte ich es. Ihre Augen waren weiß. So, als ob sie blind wäre. Und so wirkte sie auch. Als würde sie mich gar nicht sehen. Ihre dünnen Finger glitten an meinem Hals hinunter. Bis zu meiner Brust und drückte dort leicht dagegen. Für einen Augenblick hielt ich die Luft an. „Ja, du bist es. Der Werwolf den Jemil liebt.“ Woher wusste sie das nur? Und woher kannte sie Jemil? „Wer bist du?“, fragte ich, als sie ihre Hand sinken ließ. „Oh, wie unhöflich von mir.“ - Sie deutete einen Verbeugung an. - „Mein Name ist Talinda und wie ich meine kennst du meinen Halbbruder.“ „Jemil?“, fragte ich verwirrt. Die Schwarzhaarige nickte langsam. „Genau den.“ Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab. Wieder blitzten für einen Augenblick ihre Eckzähne auf. „Kann ich rein kommen?“, fragte sie da auf einmal und trat ein ohne auf meine Antwort zu warten. Ich wirbelte nur herum. Als ob sie sehen könnte, bewegte sie sich durch den Flur. „Schön habt ihr es hier“, meinte sie da auf einmal. War sie vielleicht doch nicht blind und ich hatte es nur eingebildet, dass ihre Augen leer waren. Da drehte sie sich aber schon wieder zu mir herum und dieses Mal sah ich es ganz deutlich. Sie konnte sicherlich nichts sehen. Langsam kam Talinda wieder auf mich zu. Zaghaft hob sie die Hände und berührte dieses Mal meine beiden Wangen. „Du bist hübsch. Da hatte mein kleiner Bruder ja einen guten Geschmack.“ Etwas nervös sah ich mich bei ihren Worten um. „Ja, du bist wirklich ein hübscher Werwolf.“ Bei vielen anderen Vampiren hatte ich immer einen herablassenden Unterton in der Stimme gehört, wenn sie auch nur den Namen meiner Rasse aussprachen. Bei ihr kam mir das aber nicht so vor. Sie sprach so, als ob wir für sie genau die gleiche Stellung hätten. Für die meisten anderen Blutsauger war das nicht so. „Jesko?“ Sich verschlafen die Augen reibend kam Jemil aus dem Wohnzimmer. Da bemerkte er aber erst Talinda. Sie hatte sich zu ihm gewendet und blickte ihn prüfend an – als ob das gehen würde. Der Blick des jüngeren Vampirs nahm einen geschockten Ausdruck an. „Was machst du denn hier?“, fragte er irritiert. „Ich wollte deinen Liebsten kennenlernen“, erwiderte Talinda aber nur und sie klang dabei richtig glücklich. Ob sie das wirklich wollte? Es musste doch für sie auch eine Schande sein, dass Jemil sich in einen Werwolf verliebt hatte. In mich. „Also können wir dann wieder gehen?“ Ich wirbelte herum und wer da fast schon lässig an der Tür lehnte hätte ich wohl auch nicht gedacht. Nicht gerade ihn. „Devin? Na toll“, murmelte ich. Er wollte Jemil schon einmal dazu bringen, wieder zurück zukommen. Damals hatte er sich aber schon geweigert. Das Gleiche würde er wohl dieses Mal auch wieder tun, nur ob sich der andere davon wieder überzeugen ließe, war die Frage. Leicht drückte sich der Rothaarige weg und stapfte an mir vorbei zu Talinda. „Was ist?“, fragte er sie genervt. Langsam wanderte ihr Blick zu ihm. Ist wirkte richtig komisch, wenn sie jemanden ansah. „Wir könnten doch noch etwas hier bleiben“, meinte die Schwarzhaarige da nur knapp. Sie blickte direkt zu mir und meinte: „Hast du etwas dagegen?“ Das sie da gerade mich fragte? Ob Talinda bemerkt hatte, wie ich die Augen zu Schlitzen zusammen zog. Vielleicht spürte sie es innerlich. Sehen konnte sie es ohnehin nicht. Ich blickte jedoch nur Jemil fragend an. Genau so einen Blick warf er mir aber auch zu. Es kam mir fast so vor, als ob er zuerst den Kopf schütteln wollte, doch dann nickte er langsam. „Ist schon o.k.“, meinte er da auch schon, „ich kann ja kaum meine eigene Schwester einfach rausschmeißen.“ Da seufzte aber schon Devin überdeutlich. „Wir wollten doch gleich wieder zurück“, murrte er überdeutlich. „Du kannst ja meinetwegen gehen.“ Talinda klang richtig gelassen. Es interessierte sie wohl wirklich nicht, ob der Rothaarige noch länger hier bleiben würde. Etwas eingebildet war sie für mich dadurch schon. Auf einmal ging sie schnurstracks auf Jemil zu. So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie ihre Arme um seinen Hals lagen. „Wie ich dich doch vermisst habe, kleiner Bruder.“ Der jüngere Vampir wirkte davon irgendwie gar nicht begeistern. Und ich genauso wenig. Nur wirkte es bei Jemil eher, als ob es ihm unangenehm wäre. Oder als ob er vor etwas Angst hätte. Gerade, als ob sie etwas merken könnte. „Du riechst so extrem nach Vampir.“ Talinda klang etwas verwirrt. Da hörte ich aber schon ein weiteres Mal die Wohnzimmertür. „Mama“, flüsterte Felix und schniefte. Jemil löste sich abrupt von der schwarzhaarigen Vampirin und wendete sich dem Kleinen zu. Zärtlich nahm er ihn in den Arm. „Was ist denn, Spatz?“, fragte der Blonde und legte behutsam die Arme um den Hybriden. „Wer ist die komische Frau und der rothaarige Kerl?“, wollte der Jüngste wissen, als er sich langsam wieder von Jemil löste. „Weißt du Felix, dass sind Tante Talinda und Onkel Devin.“ Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen, als der Vampir das sagte. Der Hybride legte noch im gleichen Moment den Kopf schief und grinste. Das gefiel ihm jetzt wohl. Stürmisches Wetter ------------------ Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 3 – Stürmisches Wetter Luca's PoV „Tofan!“, brüllte ich in den Wald hinein. Wo war dieser verfluchte Vampir schon wieder? Sollte er nicht auf mich aufpassen? Und dann ließ er mich jetzt mit diesem Werwolf alleine. Immer wieder sah mich San seltsam an. Manchmal wollte ich schon wissen, was dieses Tier dachte. Aber viel konnte es ja nicht sein. Was sollte dieses Biest schon in der Birne haben, über das es vielleicht nachdenken könnte? Ich verschränkte mürrisch die Arme. Tofan könnte man eher als Ratte bezeichnen, als einen Vampir. So oft, wie er sich einfach irgendwo verkroch und mich dann mit San zurückließ. Der Werwolf kauerte sich neben mir zusammen. Immer wieder warf er mir einen kurzen Blick zu. Wie so ein scheuer Welpe. Nur das der zumindest süß sein könnte. Aber San war nicht einmal dafür gut genug. Dieses Tier widerte mich nur an. Für was hatte es mir nur mein Vater mit geschickt. Sonst war ich auch immer allein unterwegs. Die ganzen letzen drei Jahre. Da hatte ich weder einen Werwolf noch einen anderen Vampir gebraucht. „Herr? Wollt Ihr etwas zu essen?“, fragte da auf einmal der Werwolf. Das erste Mal wagte er es, mich längere Zeit anzusehen. „Du kannst mir ja ein Reh fangen.“ Mürrisch zog ich meine Oberlippe hoch und ließ dadurch meine Eckzähne aufblitzen. Sofort sprang San auf. „Wie Ihr wünscht“, meinte er nur und war schon in den nächsten Sekunden im Unterholz verschwunden. Zumindest musste ich den jetzt auch nicht aushalten. Zurückkommen würde er schon. San hatte es noch nie gewagt länger weg zu bleiben. Er wusste was ihm blühte. Das hatte man ihm wohl schon seit er klein war eingetrichtert. Vampire waren seine Herren. Denen hatte er zu gehorchen und bei denen musste er bleiben, bis sie ihm erlaubten zu gehen. Vielleicht hätte man das Jemil und seinem Werwolf auch einmal sagen sollen. Es war eigentlich die Regel, dass man sich auf ewig für den Clan einsetzte und sich nie von ihm abwenden sollte. Dieses miese kleine Halbblut hatte das doch jetzt getan. Zuerst zerriss sein Wolf einen unserer Ältesten und dann auch noch Pio. Meinen Bruder. Es war mir wirklich egal, dass er sich an Verona vergriffen hatte. Das war ohnehin nur eine aufgetakelte Ziege. Nur deswegen hätte sich dieser verdammte Wolf nicht an meinem Bruder vergreifen dürfen. Dafür würde er bezahlen. Und Jemil auch gleich. Er war ohnehin nie etwas wert. Das Menschenblut, das mit in seinem Blut floss, ließ ihn doch gerade noch knapp über den Werwölfen stehen. Im Grunde war er doch nur Futter für uns Vampire. Wenn nicht unser Blut noch in seinen Adern wäre. Sonst wäre er wohl schon längst von einem meiner Rasse ausgesaugt worden. Ich zuckte zusammen, als vor mich auf den Boden ein junges, lebendes Reh fiel. Eine Wunde klaffte an seinem rechten Vorderlauf. Deswegen kam es wohl auch nicht mehr hoch. Mein Blick schweifte nach oben. „Euer Essen“, meinte San, der mir das Tier gebracht hatte. Ich hätte nicht gedacht, dass er das wirklich tun würde. Ich ließ es mir nicht nehmen und biss einfach in den Hals des Tieres. Schon seit ein paar Tagen hatte ich kein Blut mehr bekommen. Doch weder über San noch über Tofan wäre ich wohl hergefallen. Der rote Lebenssaft des Werwolfes widerte mich nur an. Das war viel zu niedrig für mich. Und der von Tofan gehörte einfach einem Artverwandten. So wäre ich doch nicht besser, als Jemil. „Schaff das Vieh weg!“, zischte ich, als ich von dem Reh abließ. Es war wohl schon kurz vor dem Tod. Der Werwolf rührte sich aber nicht. Ließ nur unterwürfig den Kopf hängen. „Was willst du?“, fauchte ich ihn an. „Dürfte ich es haben?“, wollte San da schon wissen. Leise knurrte ich und nickte dann nur. Wie ein ausgehungerter Wolf stürzte er sich auch sofort auf das sterbende Tier. Ich stapfte ein Stück den Weg entlang, wo uns Tofan zurück gelassen hatte. „Wo ist er nur hin?“, murmelte ich. „Er wollte sich auch etwas zum Essen besorgen, Herr“, erwiderte auf einmal San. „Hab ich mit dir geredet?“, keifte ich ihn an. Sofort zog er den Kopf ein. „Entschuldigt, Herr“, flüsterte er kaum hörbar. Ich lehnte mich an einen Baum und wartete. Irgendwann musste Tofan ja zurückkommen. Immerhin konnte er mich doch nicht einfach allein lassen. Mein Blick schweifte zu dem jungen Werwolf. Er hatte sich auf dem Boden zusammen gekauert. Seltsamerweise machte er das oft, wenn wir alleine waren. Tofan bot wohl sogar ihm Schutz. „Herr?“ - Ich wendete den Blick in die andere Richtung. wo der um einiges ältere Vampir stand. - „Es wird bald hell und scheinbar zieht ein Sturm auf. Wir sollten uns einen Unterschlupf suchen.“ Es wirkte so, als ob er seine Worte genaustens geprobt hätte und sie jetzt nur noch – wie auswendig gelernt – herunter leierte. Gerade das störte mich an Tofan. Denn dadurch zeigte er nie eine Gefühlsregung. Man konnte nicht einmal erahnen, was er dachte. „Sollten wir wohl“, gab ich mit einem Murren zur Erwiderung. Durch einen schrillen Pfiff deutete ich dann auch dem Werwolf an, dass er kommen sollte. Gehorsam wie er war, kam er auch sofort angedackelt. Was für ein dummes Tier. Mila's PoV „Verdammt! Lana! Warte!“ Zum wiederholten Male rief ich das der jungen Werwölfin hinterher. Denn in dem aufgekommenen Regen konnte ich sie kaum noch erkennen. „Beeil du dich doch etwas!“, bekam ich da aber nur schroff zur Antwort, die so extrem nah klang. Ich tat noch einen Schritt. Dann lag ich auch schon auf der Nase. „Lana!“, fauchte ich und richtete mich mühevoll wieder auf, „Was kriechst du hier auf der Erde herum.“ Da erklang aber auch schon ein wütendes Knurren von Seitens der Wölfin. „Was ist?“, flüsterte ich. In den letzten Wochen hatte ich gelernt, dass irgendetwas nicht stimmte, wenn sie das tat. Eigentlich hätte ich gar nicht gedacht, dass ich jemals mit einem Werwolf alleine unterwegs sein würde. Und dann auch noch für so eine halsbrecherische Aktion. „Ich rieche mindestens einen anderen Vampir!“ Diese Antwort war mir Warnung genug. Wenn ich nur vor drei Wochen schon gewusst hätte, dass Vampire, die nicht zu meinem Clan gehörten, so schlecht auf andere ihrer Art zu sprechen waren, dann wäre ich wohl zu Hause geblieben und hätte Lana alleine hinter ihrem Jesko her hetzen lassen und Jemil wäre mir vielleicht sogar egal gewesen. „Bleib hinter mir!“ Kaum dass sie das ausgesprochen hatte, drehte der Wind und schlug einen Schwall Regen und den Geruch von Vampir in unsere Richtung. Selbst ich nahm es jetzt war. Ein fremder Blutsauger war in der Nähe. Wenn wir Glück hatten, würde er uns nicht einmal wahrnehmen. Da hielt ich aber abrupt die Luft an. Vor uns in dem Sturm tauchte eine vermummte Gestalt auf. Ich konnte nicht feststellen, ob sie der Vampir war oder ob noch jemand hier war. „Das ist er nicht“, flüsterte da aber schon Lana und ging langsam weiter. Dicht folgte ich hier. Meistens fühlte ich mich bei ihr richtig sicher. Kein Tier wagte sich an sie heran. Vor einer Woche war uns im nahe gelegenen Wald sogar ein Bär begegnet. Den hatten sie mit einem einfachen Knurren in die Flucht geschlagen. Vielleicht hatte er aber einfach gespürt, was sie war. Mein Blick schweifte kurz noch zu der Gestalt, die sich auch durch den Regen kämpfte - scheinbar zog langsam ein Sturm auf. Meine eigentliche Aufmerksamkeit zog aber eine rote Spur auf sich, die sie hinter sich herzog. Alle paar Meter zierte ein blutfarbener Fleck das nasse, grüne Gras. „Bleib stehen, Lana!“, rief ich geschockt, da stürzte sich aber schon etwas auf die Lilahaarige und riss sie zu Boden. „Das ist meine Beute!“, fauchte der dunkelhaarige – scheinbar – Vampir sie an. „Wir wollen sie auch gar nicht!“ Mit etwas Mühe konnte Lana ihn von sich herunter stoßen. Zuerst warf er nur ihr einen bösen Blick zu, aber dann auch mir. „Vampir mit Werwolf unterwegs? Das hab ich doch irgendwo schon einmal gesehen“, murmelte er. Doch da nahm seine ganze Aufmerksamkeit schon wieder die vermummte Gestalt ein oder zumindest das, was sie zurückgelassen hatte. Eine rote Spur aus Blut. „Wir sollten verschwinden“, meinte die Werwölfin zu mir und nahm mich an der Hand. Meine Finger waren längst blau vor Kälte. Etwas Warmes wäre wohl für mich am besten. „Wir müssen einen Unterschlupf finden“, murmelte Lana noch. Ich nickte nur sofort. Wahrscheinlich würden wir so bald nicht einmal etwas finden. Doch einige Minuten später tauchten kleine Lichter vor uns auf. Vielleicht ein Dorf? Ich beschleunigte meinen Schritt so weit es mir möglich war. Bis wir jedoch wirklich in dem kleinen Ort waren dauerte es wieder eine ganze Weile. Bis dahin verzog sich auch etwas der Sturm. Lana fuhr sich durchs nasse Haar, als es zumindest endlich zum Regnen aufgehört hatte. „Vielleicht können wir hier ja irgendwo übernachten.“ Obwohl wir eigentlich tagsüber schliefen nannte sie es immer wieder 'übernachten'. Anfänglich fanden wir das noch ziemlich lustig, jetzt war es normal geworden. Es war nicht unbedingt schwer, eine kleine Gaststätte zu finden, die auch Zimmer vermietete. „Hast du den Vampir gekannt?“, fragte die Werwölfin schließlich, als wir endlich allein waren und ich es mir schon in dem Doppelbett bequem gemacht hatte. Sie stelle diese Frage immer, wenn wir einem anderen Blutsauger begegnet waren und bis jetzt antwortete ich auch immer das Gleiche. „Nein.“ Es war jedes Mal so. Ich war mir noch nie so bewusst gewesen, dass ich eigentlich so wenig andere Vampire kannte. Nur die meines Clans. Und das waren auch nicht unbedingt viele. Dahingegen kannte aber wohl Lana auch nicht sehr viele Werwölfe. Nur waren uns da fremde freundlicher gesonnen, als meine eigentlichen Artverwandten. Vielleicht hatten die aber auch einfach nicht so einen Gemeinschaftssinn. Waren Wölfe nicht Rudeltiere? Daran könnte es eigentlich liegen. Ich rollte mich in die Bettdecke ein. So konnte ich in letzter Zeit immer noch am besten schlafen und tat es auch dieses Mal wieder. Schon bald war ich unter Lanas wachenden Blick in süße Träume versunken. Wieso sie? ---------- Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 4 – Wieso sie? Jemil's PoV Etwas nervös ließ ich den Blick immer wieder durch den Raum schweifen, nachdem ich mich auf den Sessel hatte fallen lasse. Felix, Talinda und Devin hatten sich dagegen auf die Couch gesetzt. Und Jesko? Der holte etwas zu trinken. Aber was bot man schon Vampiren an? Mehr als Blut konnten sie ohnehin nicht zu sich nehmen. Ich war mir auch gar nicht so sicher, ob wir noch so viel im Haus hatten. Vor einer Woche war der Werwolf das letzte Mal im Krankenhaus um ein paar Blutkonserven zu besorgen. Angeblich hatte er in der Stadt einen Werwolf getroffen der dort arbeitete. Von dem bekam er immer ein bisschen etwas. Nur so viel, das es nicht auffiel und wir über die Runden kamen. „Mann, Kleiner! Lass mich los!“, fauchte da auf einmal Devin. Felix kuschelte sich an ihn. So war er einfach. Fremden vertraute er schnell und schmiegte sich dann liebend gerne einfach an sie. Egal wer es war. „Aber du bist doch mein Onkel“, maulte der Hybrid aber auch schon los. Das hatte er wohl etwas zu ernst genommen. Aber was sollte man schon von einem kleinen Jungen, wie ihn, erwarten. Er war eben noch ein Kind. „Ich bin nicht dein Onkel!“, knurrte der rothaarige Vampir wütend und schüttelte den Hybriden von sich ab. „Das hat aber Mama Jemil gesagt!“, erwiderte Felix und zog die Augen zu Schlitzen zusammen. Eigentlich sah er so viel zu süß aus. Einen Moment herrschte eine fast schon erdrückende Stille, doch dann kicherte Talinda auf einmal los. „Mama Jemil?“, wiederholte sie mit einem fragenden Unterton. Da spürte ich auch schon, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Wieso musste der Kleine das sagen? Gerade das! „Du bist ja süß, Kleiner“, meinte da aber auf einmal die Vampirin, die sich leicht nach vorne beugte und Felix, der jetzt nur noch mehr ein Schmollen auflegte, mit einem Lächeln ansah. „Ich bin gar nicht süß!“, maulte er. Vielleicht hätte man sie warnen müssen, dass er es nicht mochte, wenn man ihn so nannte. „Was bist du denn dann?“, wollte sie da schon von ihm wissen und legte leicht den Kopf schief. Ein etwas fragender Ausdruck lag in ihrem Gesicht. „Ich bin stark. Immerhin muss ich auf Jemil aufpassen, wenn Jesko nicht da ist!“, meinte der Kleine nur und verschränkte trotzig die Arme. Aber im nächsten Moment blickte er mich schon fragend an. „So ist es“, meinte ich also. Das wollte er wahrscheinlich sogar hören, denn er sprang auf und lief zu mir. Seine Arme schlangen sich um meinen Taille. „Ich hab dich lieb“, flüsterte er, sodass nur ich es hören konnte. Es fühlte sich so gut an, wenn er es sagte. Vorsichtig hob ich ihn auf meinen Schoss. „Ich dich auch“, erwiderte ich schließlich und drückte den Kleinen leicht an mich. Es war so schön jemanden im Arm zu haben. Obwohl es Felix sonst nicht passte. Aber er spürte scheinbar, dass ich es brauchte, dabei verstand er wohl nicht einmal wieso. Und dennoch fühlte er es. Das reichte mir sogar schon. „Jemil, du erdrückst mich“, wimmerte da der Kleine aber auf einmal und ich ließ ihn langsam wieder los. Wirklich, dass er wieder zurück zu Talinda und Devin auf die Couch ging, wollte ich nicht. Da spürte ich aber auf einmal, wie er mit seinen Eckzähnen über den Ärmelstoff meines Shirts rieb. Zaghaft sah er schließlich zu mir auf. Ein seltsamer Ausdruck lag in seinen Augen. Irgendwie wirkte er so ausgehungert. „So, da bin ich wieder. Wir haben leider nur 0 und AB im Haus, die beiden jungen Herren trinken sonst nichts. Macht euch aber doch nichts aus?“, rief Jesko, als er den Raum betrat mit einem Tablett auf dem sich fünf Gläser und drei Kannen mit jeweils roter Flüssigkeit darin befanden. Verwirrt blickte er sich um, als ihm aber keiner eine Erwiderung gab. „Ist was?“, wollte er schließlich wissen. Wieder keine Antwort. Die beiden anderen Vampire hatten wohl Felix Gesichtsausdruck auch bemerkt und wussten gut genug, was er zu bedeuten hatte. Langsam wendete der Kleinen seinen Kopf wieder meinem Arm zu. Zuerst drückte er nur die Lippen dagegen, bevor er seine Eckzähne sowohl durch den Stoff meines Shirts als auch meine Haut bohrte. Der weiße Stoff färbte sich binnen weniger Sekunden tiefrot. Kurz durchzuckte mich ein Schmerz, als er zu saugen begann. Genau drei Mal, dann ließ er wieder von mir ab und drückte seinen Kopf gegen meine Brust. Sein Atem war kaum noch spürbar, als er zu Seite sank. Behutsam hielt ich ihn fest. Stocksteif stand Jesko da, als ich mit dem Hybriden im Arm aufstand. Ein Schrecken zeichnete seine Gesichtszüge. Aber nicht einmal ich hätte erwartet, dass Felix so plötzlich einfach zubeißen würde. „Ich bring ihn schnell ins Bett“, meinte ich nur knapp und ging an Jesko vorbei, der wohl zur Sicherheit das Tablett auf den Tisch abgestellt hatte. Noch so ein Schrecken und es wäre auf dem Boden gelandet. Vorsichtig legte ich den Kleinen in sein Bett und deckte ihn behutsam zu. Das es ihn doch so schwächte, dachte ich eigentlich nicht. Aber sein kleiner Körper war auch nicht so stark wie meiner oder der von Venanzia. Zärtlich küsste ich seine Stirn, bevor ich zurück zu den anderen gehen wollte. Doch gerade, als ich die Zimmertür öffnen wollte, hörte ich wie er leise meinen Namen von sich gab. „Brauchst du noch irgendwas?“, fragte ich und wendete mich wieder zu Felix. Langsam schüttelte er den Kopf und flüsterte nur: „Ich hab dich lieb.“ Das zeichnete mir wieder ein leichtes Lächeln auf die Lippen. „Ich dich doch auch. Aber jetzt schlaf“, erwiderte ich. Zaghaft nickte er und rollte sich auf die Seite. Noch einen Moment blieb ich an der Tür stehen, bis ich mir sicher war, dass er schlief. „Was ist mit dem Kleinen?“, fragten Jesko und Talinda fast gleichzeitig, als ich das Wohnzimmer wieder betrat. Das sich der Werwolf Sorgen machen würde, war mir klar. Aber meine Halbschwester? Sie hatte doch eigentlich noch fast gar nichts mit ihm zu tun. Oder hatte sie ihn einfach jetzt schon so sehr ins Herz geschlossen? „Er schläft“, erwiderte ich nur knapp und sank auf Jeskos Schoss, da der Wolf sich auf meinem Platz breit gemacht hatte. Er legte auch gleich vorsichtig die Arme um mich und ich drückte mich leicht zurück. Je mehr ich von ihm spürte, je wohler fühlte ich mich. „Jungs, ihr braucht dringend Sex!“ Vor Schreck wäre ich jetzt beinahe von Jesko heruntergefallen, als Talinda das sagte. Wie konnte die nur so etwas aussprechen? „Versuch das mal, wenn du so einen kleinen Knirps im Haus hast!“, knurrte da aber auf einmal der Werwolf. Könnte es sein, dass er sauer war? Kannte ich gar nicht von ihm. „Beruhig' dich wieder“, meinte ich und küsste ihn zärtlich. Meistens half das ja um ihn wieder auf den Teppich zu bekommen. Obwohl er – wie gesagt – nicht so oft ausrastete oder überhaupt wütend war. Eigentlich war er ja auch mehr einem ruhigen Husky, als einem wilden Wolf ähnlich. „Wieso wollt ihr überhaupt noch hier bleiben?“, murrte Jesko. Wurde er denn wirklich mürrisch? Das kam mir so süß an ihm vor. „Na ja, eigentlich wollte ich ja nur dich sehen, Werwolf, und ... euch warnen.“ Leicht senkte Talinda den Kopf, während ich und Jesko fast synchron eine Augenbraue hoben. „Vor was denn warnen?“, sprach Jesko die Frage aus, die auch mir auf der Zunge lag. Etwas zog er die Augen zusammen, während ich mich wieder an ihn lehnte. Zuhören gefiel mir momentan wirklich besser, als selbst etwas sagen zu müssen. „Vor Luca.“ Ich zuckte leicht zusammen, als Devin den Namen aussprach. Wieso denn gerade dieses kleine Ekel? Was könnte der denn schon von mir wollen. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Er ist sauer“, meinte ich, als ich mich etwas an Jesko hoch stemmte. Langsam nickte Talinda. „Ihr habt seinen geliebten Bruder getötet“, gab sie kaum hörbar von sich. „Hätte er nur Luca so sehr geliebt wie mich!“, fauchte ich wütend, sprang auf und stapfte zum Fenster. Wäre es nur so gewesen. Aber das war nur ein Wunschdenken. An mich hatte sich Pio herangemacht. Mich hatte er missbraucht. Und nicht seinen kleinen Bruder. Obwohl Luca auch nicht oft zu Hause war. Jahrelang war er bei dem Teil unseres Clans der in London lebte. „Jemil, niemand kann etwas dafür, dass er das mit dir gemacht hat.“ Woher sollte sie das wissen? Talinda war genauso wenig bei mir, wie Luca. Nur das sie ins andere Ende Europas abgeschoben wurde. In irgendein kleines Dörfchen in Italien. Vor drei Jahren war sie das letzte Mal bei mir. Sie hatte mich damals schon gesehen, wie er mich zurichtete. Zwar hatte sie mit Pio geredet und ihm gesagt, er solle aufhören, nur tat er das nicht. „Was weißt du schon?“, murmelte ich und machte wieder auf den Haken kehrt und marschierte zurück zu Jesko, der sich auch erhoben hatte und schließlich die Arme zärtlich um mich legte, als ich vor ihm stand. „Wie habt ihr uns überhaupt gefunden?“, fragte Jesko mit einem kalten Unterton. Denn hatte er so selten und es widerte mich an ihn in seiner Stimme zu hören. „Es ist nicht gerade schwer einen Vampir zu finden, der mit einem Werwolf unterwegs ist. Neben euch gibt es da ja nur noch eine Vampirin und die solltest du kennen, Jemil.“ Ich blickte verwirrt zu Devin. Über wenn redete er denn? Welcher meiner Rasse war denn noch mit einem Werwolf unterwegs. „Kommst du nicht drauf?“, fragte der Rothaarige und hob leicht eine Augenbraue. Ich schüttelte langsam den Kopf. „Mila.“ Kurz und knapp. Aber es reichte. Nur wieso sie? Verfolgte sie vielleicht uns? Könnte das möglich sein? „Mit wem?“, fragte Jesko. Was interessierte es denn ihn mit wem meine Ex-Verlobte auf Reisen war. „Lana, glaube ich, heißt sie.“ Durch Devins Antwort seufzte der Werwolf überdeutlich. Nur mir war der Name unbekannt. Wer sollte das sein? Ich erinnerte mich nicht an eine solche Wölfin. „Wieso denn gerade die beiden? Wollen sie uns denn auseinander bringen?“, flüsterte Jesko und drückte mich leicht an sich. Immer noch fiel mir nicht ein, woher ich den Namen der Werwölfin kennen könnte. „Dann gehen wir mal. Dir geht es scheinbar nicht gut, Brüderchen“, meinte da Talinda und erhob sich zum Gehen. Devin tat es ihr gleich. Erst jetzt bemerkte ich, wie weich meine Knie waren. Mit meinem Kreislauf lief wohl gerade nicht alles so ganz rund. Und auch Talindas besorgter Blick deutete das an. Manchmal meinte man gerade deswegen, dass sie sehen könnte. Nur war das nicht so. Seit ihrer Geburt war sie blind. Das Einzige, weswegen sie vielleicht etwas ähnliches konnte, wie sehen, war die Tatsache, dass sie ein Vampir war und wohl eher alles so wahrnahm, wie eine Fledermaus. Hören war bei ihr das Sehen. Den leisesten Ton konnte sie vernehmen. Und manchmal kam es einem auch fast so vor, als ob sie Gedanken lesen könnte. „Wir haben ein Zimmer in einem kleinen Hotel in der Str. Postel. Das muss hier ganz in der Nähe sein“, meinte da auch schon Talinda. Nach Jeskos Gesichtsausdruck zu schließen, wollte er gerade danach fragen. „Könnten wir jetzt gehen?“, murrte da auch schon Devin. Er wollte hier wohl nicht länger bleiben. Wahrscheinlich passte ihn Jeskos Anwesenheit nicht. Typisch Vampir eben. Eigentlich typisch. Wenn er es einmal wieder will... -------------------------------- Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 5 – Wenn er es einmal wieder will... Jesko's PoV Jemil lag mit dem Kopf auf meinem Schoß während ich es mir auf der Couch bequem gemacht hatte. Immer wieder verließ ein Seufzen seine Kehle. Sicherlich dachte der Vampir über das Gleiche nach, wie ich. „Wir müssen von hier weg“, meinte er da auch schon auf einmal. Ich erwiderte ihm ersten Moment nichts. Eigentlich half es nichts. Sie würden uns doch so oder so finden, wenn es schon für Talinda und Devin so einfach war. „Wer ist dieser Luca überhaupt?“, fragte ich schließlich. Von einem Vampir mit diesem Namen hatte ich eigentlich noch nie etwas gehört. Genauso wenig, wie Jemil wohl von Lana. „Pios und Talindas kleiner Bruder. Er war in London“, gab der Blonde kaum hörbar von sich und kuschelte sich nur etwas enger an mich. Es fühlte sich für mich so an, als ob er Angst hätte. In den vergangenen Monaten hatte er sich aber auch so gut eingelebt und jetzt müssten wir wieder weg. Aber es hätte auch keinen Sinn hier zu bleiben. Wir waren wirklich zu einfach zu finden. Werwölfe und Vampire konnten ganz einfach den Unterschied zwischen Menschen und Monstern spüren. Es wäre für einen der beiden Rassen ein Leichtes uns zusammen aufzuspüren. „Und Lana? Du hast so komisch geschaut, als Devin ihren Namen gesagt hat.“ Jemil hob leicht den Kopf und blickte zu mir auf. „Sie steht auf mich“, erwiderte ich nur knapp. Dass wir, genauso wie er und Mila, eigentlich schon indirekt seit Kindertagen einander versprochen waren, musste der Vampir nicht unbedingt wissen. „Liebst du sie?“ Jemil stemmte sich zu mir hoch. Ein trauriger Schimmer lag in seinen Augen. Erwartete er, dass ich jetzt ja sagen würde? „Vielleicht etwas“, meinte ich aber nur und senkte den Kopf. Früher mochte ich sie einmal wirklich. Nur hatte sich das seit ich Jemil kannte geändert. Nur noch er war mir wichtig. Nur ihn liebte ich. Jemand anderes brauchte ich nicht. „Wenn du sie liebst, kannst du zu ihr gehen. Wegen mir musst du nicht bleiben.“ Er krallte die Finger in mein Shirt. Zum Glück hatte er sich die Nägel abgefeilt. Die waren aber auch viel zu auffällig. „Und dich allein lassen? Das könnte ich nicht!“ Ich legte einen Arm um seinen Nacken und zog ihn leicht zu mir hoch. Bevor ich das letzte Stückchen zwischen unseren Lippen aufheben konnte, tat er das schon. Es war keiner seiner sonst so leidenschaftlichen Küsse. Nur ein ganz kurzer. Schon nach wenigen Sekunden löste er sich wieder von mir und stand schließlich auch auf. „Ich schau nach dem Kleinen“, murmelte er und verließ den Raum. Ließ mich wieder allein zurück. Es ging ihm nicht gut. Das müsste er nicht einmal versuchen zu verstecken. Wir waren jetzt schon lange genug zusammen, dass ich es ihm ansah. Er wollte hier bleiben und sein ruhiges Leben weiter führen. Aber wollte er sich auch Luca einfach so stellen? Selbst hatte er doch gesagt, dass der Vampir sauer sein würde. Und das eigentlich auf mich. Ich hatte Pio getötet. Aber auch nur, weil er die Finger nicht von Jemil lassen konnte. Er hätte ihn nur nicht mehr anfassen müssen und ihn erst recht nicht wieder versuchen zu vergewaltigen, dann würde er noch leben. Aber Pio wollte es doch nicht anders. Er hätte sich bewusst sein müssen, dass ich ihn töten würde. Ich liebte Jemil und tat es immer noch. Er war das einzige für mich, was mir wichtig war. Mit Felix. Keiner durfte einem von beiden auch nur ein Haar krümmen, außer er wollte unbedingt Bekanntschaft mit meinem Gebiss und meinen Klauen machen. Langsam ließ ich den Kopf in den Nacken fallen. Würde es eigentlich etwas bringen, wenn wir von hier weggingen? Im Grunde würden wir doch so nur noch mehr auf uns aufmerksam machen. Vielleicht wäre es einfacher, wir blieben einfach hier. Ob wir jetzt wegliefen und sie uns weiter verfolgen oder wir auf ihre Ankunft warteten, war doch eigentlich egal. Ich sank auf die Seite und rollte mich zusammen so gut es ging. Meine Nasenspitze berührte schon fast meine Knie. „Wenn du Fell und einen Wolfsschwanz hättest, wärst du wirklich ein Wolf“, meinte da auf einmal Jemil. Mit einem leichten Lächeln stand er in der Wohnzimmertür, als ich den Kopf hob. „Es wäre wohl ein Leichtes, dass auch noch zu bekommen“, erwiderte ich mit einem etwas mürrischen Unterton. Ich müsste mich nur verwandeln. Dann wäre ich einem Wolf ähnlich genug. Nur hatte ich immer noch zu viel Angst, dass mir die Kontrolle über meinen Körper verloren ging. Weiß Gott was ich dann mit Jemil anstellen würde. Nur einmal, als wir miteinander geschlafen hatten, wäre beinahe das Monster in mir durchgebrochen. Meine Augen hätten sich damals schwarz gefärbt und nicht ein einziges Gefühl mehr gezeigt, hatte mir Jemil damals danach gesagt. Dass ich ihm in dieser Nacht wehgetan hatte erfuhr ich dafür erst ein paar Tage später, als ich durch Zufall einmal seinen Rücken zu Gesicht bekommen hatte. Rote Schrammen hatten sich dort abgezeichnet. Von Klauen verursacht. Anfänglich wollte er es nicht einmal zugeben. Aber wer sonst sollte ihn verletzten können? Felix sicher nicht. Der war viel zu klein dafür. „Was schaust du denn so bedrückt?“ Der Vampir war vor mich getreten und hatte jetzt die Arme um meine Schultern geschlungen. Selten machte er das wirklich um mich zu trösten. Sondern eigentlich um selbst Halt zu haben. Was für Angst er doch davor hatte zu sinken. Abzurutschen und in die Finsternis zu fallen. Wenn er mich umarmte, wüsste er, dass das nicht ging. Zumindest meinte er das manchmal zu mir. Ich verstand das gar nicht richtig. „Es hilft nichts wegzulaufen“, murmelte ich leise. Bei Pio hatte es uns damals doch auch nichts geholfen. Er hatte uns einfach so eingeholt und dann wollte er sich auch noch einfach so wieder an Jemil vergehen. Es widerte mich selbst jetzt noch an, dass ich erst so spät damit anfangen konnte, es zu verhindern. Hätte ich damals nur früher fliehen wollen, dann wäre ich möglicherweise auch früher bei Jemil gewesen. Wir hätten uns nicht so spät kennen – und lieben? - gelernt. Vielleicht wäre er auch noch nicht so zerbrochen gewesen. Pio war doch im Grunde dafür schuld, dass der Blonde so gefühlskalt war. „Ist für Felix auch besser. Wir sollten ihm gar keine Angst deswegen machen“, murmelte der Vampir und schmiegte sich an mich. Er genoss es doch immer wieder, wenn er etwas mit mir kuscheln konnte. Sein Körper – und vor allem seine Seele – brauchten es manchmal, dass er sich einfach an mich drücken konnte. Ich strich über seine flauschigen Nackenhärchen. Eigentlich war ich doch der Hund, der es lieben sollte, wenn man ihn kraulte – und ich tat es auch –, aber Jemil war genauso scharf darauf. Zaghaft legte er sich wieder zu mir und schloss auch schließlich langsam die Augen. Während ich mit den Fingern über seine Taille glitt und dann auch vorsichtig unter sein Shirt. „Jesko, deine Hände sind kalt“, maulte der Vampir dann aber auch schon los. Mir entfuhr nur ein leises Kichern. „Dann lass sie mich doch an dir wärmen.“ Mit sanfter Gewalt drückte ich ihn aufs Sofa und beugte mich über ihn um ihn zu küssen. Meine Finger bahnten sich derweil ihren Weg unter seinem Oberteil nach oben zu seiner Brust. Vorsichtig begann ich seine Brustwarzen zu massieren. „Hör auf“, brauchte der Ältere unter einem Keuchen heraus. „Wieso denn?“, fragte ich und stellte mich dumm. Wieso sollten wir es jetzt lassen? „Felix... er wird uns hören.“ Das war doch langsam nicht mehr schön. Das er mit der Ausrede kommen würde, war doch klar. „Erstens denke ich einmal, dass er noch schläft und zweitens weiß er, dass wir zusammen sind und uns gelegentlich auch einmal so lieben müssen. So kindlich, wie du denkst, ist er nicht.“ Ich zog Jemil einfach das Shirt aus, obwohl er sich mit aller Gewalt dagegen wehrte. Doch kaum dass ich ihn davon 'befreit' hatte, wollte er mich schon von sich wegstoßen. So leicht ließ ich mich aber nun auch nicht überrumpeln. Fast mühelos drückte ich ihn wieder zurück und presste seine Arme über seinen Kopf auf die Couch. Genüsslich begann ich seine Brustwarzen zu liebkosen. Dass es ihm nicht gefiel könnte er mir jetzt nicht mehr weiß machen. Ihm entfuhr immer wieder ein leises Stöhnen. Wollte er es wirklich noch unterdrücken? „Lass es schon raus.“ Nur noch mit einer Hand hielt ich seine Arme fest, als ich ihm das ins Ohr hauchte. Die Finger meiner anderen Hand bahnten sich gerade ihren Weg nach unten zu seiner Hose, die ich ihm ausziehen wollte. Dagegen sträubte er sich aber auch wieder. Dieses Mal sogar kräftiger. Auf einmal landete ich durch ihn auf dem Boden. Fast schon triumphierend blieb er auf mir sitzen. Gerade hätte ich diesen verdammten Hosenknopf aufbekommen. Und dann tauschte er jetzt gerade unsere Positionen. Er hatte sich meine Arme gekrallt und drückte sie auf den Boden, bevor er anfing mich zu küssen. Erst auf die Lippen, dann wanderte er an meinem Unterkieferkochen entlang zu meinem Ohr. Von dort meinen Hals hinunter. Bis zum Schlüsselbeinknochen. Ich wand mich unter ihm, aber einmal ließ er wohl dem Vampir in sich freien Lauf. Dadurch musste er wohl sogar stärker sein, als ich. Zumindest kam es mir so vor. Doch mit einer Hand konnte er meine Arme trotzdem nicht festhalten, als er mein Shirt mit der anderen hoch schieben wollte. Da konnte ich mich aus seinem Griff befreien und brauchte ihn wieder unter mich. „Pech gehabt, Fledermaus“, meinte ich grinsend. Endgültig brachte ich endlich seine Jeans von ihm los und kurz darauf auch seine Shorts. Wie er es doch eigentlich hasste, wenn er so völlig entblößt vor mir liegen musste. Mürrisch ließ er den Kopf zu Seite fallen. Da hörte ich aber auf einmal etwas. Ganz leise. Ein Wimmern? „Verdammt“, murmelte ich und sprang auf. Ließ den irritiert dreinschauenden Jemil einfach so liegen. Aber Felix war jetzt wohl oder übel wichtiger, als dass ich meine Lust stillen konnte. Der Kleine war aufgewacht und hatte sich zusammen gekauert. Ängstlich blickte er mich an. „Was ist denn?“, fragte ich verwirrt und ging vor seinem Bett in die Hocke. Doch er schlang nur die Arme um mich und presste seinen Kopf gegen meine Brust. „Ich hab solchen Durst“, flüsterte er schließlich. Von mir konnte er nur nichts haben. Mein Blut war tabu. Nicht nur für ihn. Auch für Jemil. Und gerade der wusste, dass ich es möglicherweise nicht überstehen könnte. „Ich hol dir was. Bin gleich wieder da.“ Zärtlich küsste ich den Kleinen auf die Stirn, bevor ich in den Gang hinaus lief und von dort aus in die Küche. Als ich mit einer Blutkonserve wieder den Rückweg antreten wollte stand auf einmal Jemil in der Küchentür. Nackt. „Bin gleich bei dir.“ Ich gab ihm flüchtig einen Kuss auf die Wange. Aber scheinbar stimmte das ihn nicht unbedingt glücklich. Da hatte er sich einmal wieder dazu erweichen lassen, dass wir miteinander schliefen und dann ließ ich ihn liegen. Ich beeilte mich bei Felix. Obwohl der das scheinbar auch tat. Binnen weniger Sekunden hatte er die Blutkonserve leer getrunken. „Geht's wieder?“, fragte ich besorgt und der Hybride nickte langsam. „Bleibst du noch etwas hier?“, wollte er wissen und beinahe hätte ich sogar ja gesagt, aber da kam mir der Vampir schon wieder in den Sinn. „Geht nicht. Jemil braucht mich.“ Ob es jetzt wirklich brauchen war? Eigentlich könnte er sich genauso gut selbst einen runter holen. Aber das wäre wohl nicht so schön, wie mit mir. Noch einmal küsste ich Felix auf die Stirn und deckte ihn fürsorglich zu, bevor ich zurück ins Wohnzimmer ging. Nur war da kein junger, nackter Vampir mehr. Etwas irritiert sah ich mich um. Seine Klamotten lagen noch immer auf dem Boden. Also hatte er die zumindest nicht mehr angezogen. Ich machte auf den Haken kehrt. Es gab doch jetzt wirklich nur einen Ort, wo er sein konnte. Leicht hob ich eine Augenbraue, als ich die Küche wieder betrat. Der junge Vampir saß auf den Küchentisch und schlürfte genüsslich ein Glas Blut. „Auf dem Küchentisch?“, fragte ich etwas irritiert und hob die zweite Augenbraue. „Wieso nicht oder willst du auf einmal nicht mehr?“ Etwas von der roten Flüssigkeit floss an Jemils Mundwinkel hinunter. „Im Wohnzimmer wäre mir lieber gewesen. Aber so ist es auch gut“ Zärtlich leckte ich ihm das Blut aus dem Gesicht. Solange wir es überhaupt taten. Zurückhaltender Regen --------------------- Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 6 – Zurückhaltender Regen Luca's PoV Seit ein paar Tagen saßen wir jetzt in dieser verfluchten Höhle fest. Nur weil es wie aus Strömen regnete. Nur San wagte sich gelegentlich nach draußen um mir und Tofan etwas zum Essen zu besorgen. Wieso sollte aber auch ich in diesem Sauwetter raus? Dafür hatten wir doch den Wolf dabei. Dieses blöde Tier könnte doch auch etwas für uns tun. Und wieder kam er an diesem Tag zurück. Heute mit zwei Hasen – nur zwei Hasen! - und einer Wunde am Bein. Was hatte dieses Mistvieh da nur angestellt? Etwas aufpassen könnte er ja schon. Aber was sollte es mich kümmern, wenn er sich verletzte? Er umsorgte seine Wunden schon immer selbst. Da brauchte er keinen von uns Vampiren und ich würde sein Bein ohnehin nicht anfassen und meine Finger mit seinem Blut besudeln. Vorher würde ich ihm eher den Hals umdrehen. Und trotzdem sah ich ihm schon fast interessiert dabei zu, wie er die Verletzung sauber legte – für einen Hund nicht schwer, der kam bis an seine Beine mit der Zunge. Eigentlich war mir mein Essen ja wichtiger, aber das konnte ich nebenbei auch noch aussagen. Multi-Tasking eben. Dadurch ging das. „Ihr machst Euch doch nicht etwa Sorgen um ihn?“, fragte da auf einmal Tofan. Ich hab nur ein Knurren von mir. „Entschuldigt“, murmelte der ältere Vampir, „ihr habt unseren Hund nur so besorgt angesehen.“ Da wurde jetzt sogar San hellhörig und hob leicht den Kopf. Mit großen Augen blickte er mich an. Der dachte doch nicht wirklich, dass ich mich um ihn sorgen würde. So dumm wäre er noch. Dieses blöde Biest. „Weiß Gott, was du siehst, Tofan“, fauchte ich wütend. Doch da erfüllte ein Winseln die Höhle. San hatte versucht aufzustehen und war wieder eingeknickt. Er kauerte sich vor Schmerzen zusammen. Ob sein Bein sehr wehtat? Sollte es doch. Langsam ging Tofan zu ihm und betrachtete die Wunde prüfend. „Ein blöder Werwolf bist du, wenn du dich von einem streunenden Hund beißen lässt“, murrte der Vampir und schlug dem Jüngeren mit der flachen Hand ins Gesicht. Er gab keinen Laut von sich. Zumindest eines, bei dem er schweigen konnte. „Es tut mir leid, Herr, aber die waren auf einmal da und haben mich angegriffen“, flüsterte der Werwolf. Unterwürfig hatte er den Kopf gesenkt. Sicher wollte er weitere Schläge von seitens des Älteren damit abwenden. Doch da tat dieser schon etwas, was mir nicht einmal im Traum eingefallen wäre. Er riss ein Stück seines Umhanges ab und umwickelte damit Sans Bein. „Pass das nächste Mal besser auf!“, zischte er noch, als er wohl fertig war und schließlich auch zu mir zurück kam. Der Werwolf verkroch sich sofort an den Höhleneingang, wo ihn wahrscheinlich der Wind und der Regen richtig frieren ließen. Verdient hätte er es. Rein schon dafür, dass er lebte. „Wieso hast du das gemacht?“, fragte ich Tofan irritiert, als er sich wieder zu mir gesellte und den letzten Rest Blut aus dem Hasen saugte. „Er ist uns wohl noch nützlich, also sollte er nicht unbedingt verletzt sein“, erwiderte der Ältere nur knapp, nachdem er sich den roten Lebenssaft aus dem Gesicht gewischt hatte. „Nützlich“, murmelte ich nur. Was sollte denn an diesem Werwolf nützlich sein, wenn er sich von Tieren beißen ließ, die ihm eigentlich ähnlich waren? Dann war er doch nichts wert! Nur ein sinnloses Wesen, dass uns Zeit und Mühen kostete. Und wegen dem wir jetzt wohl noch länger hier festsitzen würden. „Ich bring ihm schnell sein Futter“, meinte Tofan auf einmal zu mir und hob die beiden toten Hasen hoch. Ließ mich schließlich zurück. Sollte er doch gehen. Ich lehnte mich an die kalte Wand. Jetzt hatte ich zumindest meine Ruhe. Mich widerte der ältere Vampir an. Immer wieder tadelte er mich darin, dass ich mich doch etwas um den jungen Werwolf kümmern sollte. Wieso nur? Wieso sich um diesen dreckigen Wolf kümmern? Er war doch unser Untergebener, da hatte er uns zu umsorgen und nicht umgekehrt. Ich hasste es hier herumzusitzen. Doch in diesem Regen konnten wir nicht weiter. Da der Wind aber auch zu stark war. Ein regelrechter Sturm. Dadurch war es hier drinnen wohl auch so kalt. Und ein Feuer konnten wir nicht machen, sonst würden wir wohl an dem Rauch ersticken. Ein klein wenig Sauerstoff brauchten Vampire einfach. Nie so viel wie Menschen, aber eben ein bisschen. Ich legte meine Hand auf meine Brust und spürte den schwachen Herzschlag. Nur wegen dem lebte ich doch überhaupt noch. Lebten wir Vampire überhaupt. Wir Blutsauger würden es doch eigentlich nicht brauchen. Werwölfe hatten einen wirklich lebenden Körper, wieso sollten wir das auch haben. Wir waren die Mächtigeren und Höheren. Langsam stand ich auf und ging in Richtung Höhleneingang. Dort saß San neben Tofan. Der Vampir kümmerte sich wieder um das Bein des jungen Werwolfes. Ob es doch etwas Schlimmeres war? „Wie geht’s dem Köter?“, fragte ich herablassend. Der Ältere blickte zu mir auf. „Sieht schlimmer aus, als es ist. Aber er kann wohl eine ganze Weile nicht laufen. So lange aber der Regen nicht aufhört, können wir ohnehin nicht weiter.“ In dem Moment dachte ich, ich würde nicht richtig sehen. San legte auf einmal den Kopf auf Tafans Schoß. „Darf ich mich so zu Euch legen, Herr?“, fragte der Werwolf unterwürfig und dieser Dummkopf von einem Vampir nickte doch sogar. „Idiot“, murrte ich. Mir war es so ziemlich egal, dass Tofan mich hörte. „Aber Luca. Du klingst wie dein Vater.“ Wie konnte dieser Blödmann jetzt auch noch so dumm grinsen. Eigentlich hätte man ihn doch gleich töten und ausweiden können. Dann wäre er zumindest für etwas Farbe in dieser verdammten Höhle nützlich. „Na und? Du führst dich doch auch auf wie Jemil. Kümmerst dich hier um diese Missgeburt von einem Werwolf. Das ist doch abartig“, fauchte ich wütend, sodass sich sogar San hinter dem älteren Vampir verkroch. Angsthase! „Wieso denn abartig? Hat er Euch nicht oft genug beschützt? Da könntet Ihr zumindest etwas netter zu ihm sein. Gerade wenn er verletzt wird.“ Wie gehoben er doch jetzt wieder daherredete. Verdammter englischer Vampir. Die hielten sich doch immer für etwas Besseres. Sie hatten auf ihrer Insel auch die Werwölfe mehr und mehr eher zu ihren kleinen Hausdiener gemacht, als zu Sklaven, wie sie noch bei uns auf dem Kontinent waren. Bei ihnen waren sie nicht mehr so minderwertig. San verbiss sich verängstigt im Shirt von Tofan. Angeekelt verzog ich nur das Gesicht. Der Speichel dieses Tieres versaute doch jetzt seine Kleider. Und es würde ihn sicher nicht stören. „Hab keine Angst, Luca tut nur so stark. Eigentlich überspielt er damit nur seine eigene Furcht.“ Das musste ich mir jetzt nicht noch länger anhören. Mürrisch machte ich auf den Hacken kehrt und marschierte wieder weiter ins Höhleninnere. Sollte er es doch da vorne noch mit diesem Wolf treiben. So wie es mein werter Halbbruder tat. Der hatte sich von so einem Biest doch ficken lassen. Tofan wäre doch genauso weit und würde das tun. Alleine lehnte ich jetzt wieder an der Wand. Zaghaft zog ich die Beine an den Körper. Sollten sie mich doch in Ruhe lassen. Ich brauchte keinen von beiden! Doch das konnte ich mir wohl abschminken. Tofan kam mit diesem räudigen Köter wieder zu mir. Er trug ihn doch sogar. Da ließ er den Wolf aber auf einmal auf meinen Schoß sinken. Angewidert versuchte ich ihn wieder von mir herunter zu schieben, doch er kuschelte sich an mich und krallte die Finger in mein Shirt. „Nimm ihn weg!“, zeterte ich los. „Sei ruhig! Siehst du nicht, dass er schläft?“ Gelangweilt sank der Ältere neben mich und zog behutsam San wieder zu sich. Er war wirklich eingeschlafen. Ganz eng schmiegte er sich an den Vampir. Irgendwie war das ein seltsamer Anblick. Ich hatte den Werwolf noch nie schlafend gesehen. Immer saß er wach irgendwo in der Nähe unseres Unterschlupfes und hielt Wache. Manchmal meinte ich, er würde nie schlafen. „Eigentlich dachte ich, die Vampire auf dem Kontinent wären weiter, als wir in England. Aber ihr seid in der Unterwerfung dieser armen Kreaturen stecken geblieben. Als ob ihr noch in der Steinzeit leben würdet.“ Ich blickte verwirrt zu Tofan auf. Wieso sollten man sie denn nicht unterwerfen? Für was wäre denn ein Werwolf sonst gut? Mila's PoV Ich kuschelte mich ganz eng an Lana. Das machte ich jede Nacht, wenn ich fror. Sie war so schön warm und es störte sie gar nicht, wenn ich mich an sie schmiegte. „Könnte es sein, dass du deinen Jemil mit mir betrügen willst?“, fragte sie da aber auf einmal. Eigentlich war ich der festen Überzeugung gewesen, dass sie längst eingeschlafen war. Ich löste mich von ihr und rollte mich so, dass ich aus dem Fenster sehen konnte. Immer noch schlug der Regen gegen die Scheibe. Schon seit Tagen. Deswegen saßen wir hier fest. Durch den Sturm war ein Fluss über die Ufer getreten und die Straße, in deren Richtung wir mussten, war überschwemmt. „Ich liebe ihn. Nie würde ich ihn also mit jemand anderen betrügen. Und immerhin bist du auch ein Mädchen“, murmelte ich nur, als die Lilahaarige schon die Arme um mich schlang. „Das hat Jemil und Jesko auch nichts ausgemacht, dass sie beide Kerle sind.“ Leicht summte die Werwölfin eine mir unbekannte Melodie vor sich hin. Es klang richtig fröhlich. „Aber ich steh' nicht auf Mädchen und ich liebe Jemil wirklich“, meinte ich. Wieso sollte ich ihn sonst auch zurück haben wollen, wenn ich ihn nicht liebte? Es gäbe doch dann keinen Grund für mich. „Ich liebe Jesko auch. Nie hätte ich gedacht, dass er etwas mit einem Vampir anfangen könnte und dann gerade mit dem. Jemil war so ein Ekel. Als ich die beiden einmal in Jeskos Zimmer zusammen erwischt hatte, war das aber irgendwie anders. Er wirkte so verstört.“ Fast schon mitleidig klang Lana. Sie fühlte doch wie ich. Beide hatten wir unsere Liebsten verloren. Und wir wollten sie wieder haben. Wie konnten sie aber auch nur miteinander durchbrennen? Sie gehörten doch eigentlich nicht zusammen. Ein Seufzen verließ meine Kehle. War das wirklich so? Eigentlich besagten nur die Gesetze meines Clans, dass sich die beiden Rassen nicht lieben durften. Aber hatten die denn immer Recht? War es so falsch, dass sie sich ineinander verliebt hatten? Wo war denn der Fehler darin? „Mit der Zeit weiß ich nicht mehr, ob wir das Richtige tun, wenn wir sie auseinander bringen wollen“, murmelte und wartete fast schon gespannt auf die Erwiderung der Werwölfin. Doch die kam nicht. War sie eingeschlafen? Vorsichtig drehte ich mich wieder zu ihr herum. Und natürlich war sie in süße Träume versunken. Sicherlich träumte sie von ihrem Jesko. Ihrem und Jemils Jesko. Zaghaft schmiegte ich mich etwas an sie und schlief binnen weniger Sekunden ebenfalls ein. Essen kann ganz schön schwer sein... ------------------------------------ Kapitel 7 – Essen kann ganz schön schwer sein... Jemil’s PoV Ich stöhnte auf. Das bisschen Sex hatte ich doch wirklich wieder einmal gebraucht. Dadurch konnte ich mich eigentlich wieder richtig entspannen. Und jeder Kuss von Jesko auf meinem nackten Oberkörper half nur noch mehr dabei. Ich bäumte mich auf. Ein letztes, erlösendes Keuchen verließ meine Kehle, als ich mich an dem Werwolf klammerte. „Himmel“, seufzte ich und drückte meinen schmächtigen Körper an den des anderen. „Geht’s?“, wollte der Jüngere da auch schon von mir wissen. Zaghaft bejahte ich das. Dabei bebte mein Leib noch. Das Gefühl war viel zu schnell wieder verflogen. Und mein Körper begann wieder danach zu ächzen. Wie als wäre ich danach auf Entzug. Einmal nach langem wieder gemacht und schon hing man wieder an der Sucht. Dabei war das sogar eine gute. Es gab nichts Schlechtes daran. Außer, dass es vielleicht etwas an den Kräften zehren könnte. „Ich schau nach dem Kleinen“, meinte ich, nachdem ich mich wieder angezogen hatte. Jesko sah mir nur mitleidig hinterher. Eigentlich wollte er wohl viel lieber noch etwas kuscheln. Das brauchte er danach gewöhnlich noch. Streicheleinheiten. Ein bisschen kuscheln. Noch etwas rumknutschen. Wie ein richtiges Liebespaar. Sonst ging das auch immer, nur gerade machte ich mir etwas zu viele Sorgen um Felix. Ich schlich ins Zimmer. Auf leisen Sohlen bewegte ich mich durch den Raum und ging vor dem Bett in die Hocke. Zaghaft strich ich dem Kleinen über die Stirn. Er war etwas warm. Hoffentlich würde er kein Fieber bekommen. Sonst käme ich nur die ganze Nacht nicht zum Schlafen vor lauter Sorge. „Na, wie siehst aus?“ Ich wandte mich zur Tür, wo Jesko stand. Leicht lehnte er sich gegen den Rahmen und blickte mich fragend an. „Nur etwas erhöhte Temperatur“, erwiderte ich. Langsam stand ich auch wieder auf. Fuhr dem Hybriden aber noch ein letztes Mal über die Stirn. Ja, hoffentlich würde er kein Fieber bekommen. Krank sein konnte er sich doch jetzt nicht leisten. Nicht gerade jetzt, wenn er raus konnte. Endlich würde er sich mit den anderen Kindern, die er sonst nur draußen spielen hörte, anfreunden und wäre nicht die ganze Zeit so alleine. Er hatte mir doch so Leid getan, als er nur hier drinnen sitzen konnte. Tagsüber zumindest. Nachts war er dann immer alleine gewesen, wenn er einmal raus war. Das lohnte sich eigentlich kaum. „Er wird zur Schule wollen“, meinte Jesko, als er seine Arme um mich schlang. Ich wollte eigentlich in die Küche. Abendessen für den Werwolf und den Kleinen machen. Sie konnten doch zumindest richtige Sachen essen. Ich traute mich an nichts wirklich heran. Pflanzliches konnte ich als Halbvampir zu mir nehmen, doch seit Pios – oder eigentlich Veronas – Blut in mir floss wusste ich nicht, ob das immer noch so war. Und ich wagte auch nicht, es auszuprobieren. Ein Freund des Risikos war ich noch nie. „Wenn er will, dann darf er“, erwiderte ich mit einem Lächeln auf den Lippen. „Und was wenn er seine Kräfte einmal nicht unter Kontrolle hat? Wenn er auf jemanden losgeht? Jeder würde wissen, was wir sind. Die Leute hier würden es wissen. Über die Wesen der Nacht glauben hier doch zumindest die Älteren und die könnte es den Jüngeren glaubwürdig vermitteln, was wir sind. Dann müssten wir von hier weg! Dann auf alle Fälle!“ Jeskos Umarmung wurde enger. Ein Seufzen verließ meine Kehle. In dem Fall hatte er Recht. Meine Vorfahren waren noch mit Fackeln und Mistgabeln verfolgt worden, wenn man davon erfahren hatte, was sie waren und viele wurden deswegen noch getötet. Werwölfen erging es doch kaum anders. „Wir leben aber nicht mehr im Mittelalter. Wer würde ihnen glauben?“ Ich versuchte mir doch gerade selbst etwas vor zu machen. Wer würde uns schon anerkennen? Welcher Mensch könnte das? Wir waren Monster. Wesen der Nacht. Die, die eigentlich Menschen töteten. Ich drückte mich leicht an den Werwolf. Es war mir immer noch am liebsten in seiner Nähe zu sein. Ihm war es auch nicht so wichtig, dass wir uns über irgendetwas unterhielten. Solang ich bei ihm war. Umgekehrt war es aber – wie gesagt – genauso. Wir reichte es wenn Jesko bei mir war und ich mich an ihn schmiegen konnte – so wie jetzt. „Du könntest wohl auch etwas Schlaf gebrauchen“, flüsterte da der Werwolf auf einmal. Bevor ich überhaupt noch etwas sagen konnte, hob er mich auch schon hoch. Auf mein Gezeter achtete Jesko auch gar nicht. Behutsam ließ er mich schließlich auf das Doppelbett in unserem gemeinsamen Zimmer fallen und sank selbst neben mich. Ich kroch zu ihm und legte den Kopf auf seinen Schoß. Leicht kuschelte ich mich an ihn. Normalzustand. „Jetzt können wir wieder öfters miteinander schlafen“, flüsterte ich, während mir Jesko übers Haar strich. „Muss aber nicht unbedingt sein“, meinte er. Zaghaft sah ich zu ihm auf. Unsere kleinen Bettgeschichten waren ihm doch eigentlich gar nicht so wichtig, egal wie hoch er sie manchmal einstufte oder wie er sich manchmal aufregte, wenn ich keine Lust hatte. Das war ja auch etwas oft vorgekommen in den letzten Monaten. Aber mein Drang nach seinem Körper ließ einfach mit der Zeit nach. Ich musste ihn nicht unbedingt so nah haben. So wie jetzt reichte es mir auch schon. Ich konnte seine Zuneigung doch gut genug spüren. Dafür brauchte ich keinen Sex. „Ist dir kalt?“, meinte der Werwolf mit gehobener Augenbraue. Erst jetzt bemerkte ich es selbst. Ganz leicht zitterte ich. Aber mir war doch warm. Wirklich. Es war richtig mollig hier neben dem Jüngeren. Mir konnte doch gar nicht kalt sein. Langsam schüttelte ich schließlich den Kopf. Aber dennoch blickte mich Jesko misstrauisch an. „Hoffentlich wirst du nicht auch noch krank. Felix würde schon schlimm genug sein.“ Zärtlich strich er mir ein weiteres Mal übers Haar, bevor ich mich leicht aufrichtete. Mir war ganz leicht schwindelig. Vielleicht kränkelte ich wirklich einmal wieder etwas. „Ich leg mich wohl wirklich etwas hin. … Dann kannst zumindest du einmal kochen“, meinte ich leicht lächelnd. Jesko dagegen verzog nur das Gesicht. Es war für ihn schon fast ein Ritual sich einfach an den Tisch zu setzen und essen zu können. Oder aber auch einfach nur unsere Familienaufteilung. „Dann kannst du aber auch einmal probieren etwas zu essen. Vielleicht geht es ja. Konnten den die ältesten Vampire das nicht auch.“ Leicht hob ich bei dieser Aussage eine Augenbraue. Dracula konnte dieses Laster nie ablegen. Das hatte ich ihn Erzählungen von anderen Blutsaugern gehört. Manche von ihnen wahren Hunderte von Jahren alt. Sie hätten vielleicht sogar den Ältesten von uns noch kennen können oder waren sogar von ihm erschaffen worden. Einen hatte ich zumindest schon einmal kennen gelernt. Doch der Kerl war eingebildet, wie sonst etwas. „Könnte ich machen“, murmelte ich schließlich und sank in die Kissen, wo ich mich etwas zusammen rollte. Jesko deckte mich schon wenige Sekunden darauf behutsam zu. „Wenn du wirklich krank wirst, ist es wohl gut, wenn dir schön warm ist und wenn du vielleicht etwas isst.“ Der Werwolf küsste zärtlich noch mein Ohrläppchen. „Das kitzelt“, flüsterte ich. „Soll es ja auch“, hauchte mir Jesko aber nur ins Ohr und schlag auf einmal die Arme um meine Schultern. Jetzt würde mir wohl wirklich warm werden. Etwas zu warm vielleicht sogar. „Jesko, du erdrückst mich“, fiepte ich, als es mir langsam zu eng wurde. Da löste der Werwolf aber auch zaghaft seine Umarmung um mich. „Tut mir leid“, murmelte er und kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf. So wirkte er doch jedes Mal wieder so süß. Fast wie ein kleiner Welpe, der etwas angestellt hatte. Oft führte er sich aber auch wirklich wie so ein junger Hund auf. Wenn er mit Felix herumtobte. Oder sich auf mich stürzte, nur um mich dazu anzuspornen einmal mit ihnen mitzumachen. Aber dafür war ich einfach nicht der Typ. „Wolltest du nicht Essen machen?“, fragte ich, als sich der Werwolf neben mir auf dem Bett lang machte. Er wollte doch jetzt nicht etwa schlafen? „Bin gleich weg“, murmelte Jesko da schon. Nur tat er es schließlich nicht. Minute um Minute verstrich in denen er immer noch neben mir lag. Das könnte wohl noch dauern. „Kann es sein, dass du auch noch etwas schlafen willst?“, wollte ich wissen, als ich mich wieder etwas an ihn schmiegte. Langsam begann er sogar zu nicken. Armes Wölfchen. „Na dann bleib liegen, ich kümmere mich ums Essen.“ Doch gerade, als ich aufstehen wollte, hielt er mich fest. „Das mach ich“, murrte Jesko, „aber heute werden wir halt später etwas bekommen. Felix schläft ja ohnehin noch. Der wird wohl gar keinen Hunger haben.“ Ich ließ mich von ihm gefügig zurück in die Kissen ziehen, als er sich schon über mich beugte und mit Küssen übersäte. Seine Lippen bahnten sich ihren Weg über meinen Hals, bis hinunter zu meinem Schlüsselbein, während seine Hände meine Hüfte umschlossen. „Willst du noch mal?“, fragte ich, als er sich mit seinen Lippen wieder zu meinen hoch gekämpft hatte. „Ach nö. Bevor du mir richtig krank wirst. Wäre doch schade...“ Zärtlich schmiegte er sich an mich. Ein bisschen etwas wollte ich ja von ihm auch noch haben. Man konnte sich ja Nähe auch nicht kaufen, also musste ich das nehmen, was ich von Jesko bekam. Und er gab es mir auch so schön freiwillig. Leicht drückte ich meinen Kopf gegen die Brust des Werwolfes. Ruhig lauschte ich seinem Herzschlag und driftete dadurch mit der Zeit immer weiter in süße Träume ab. „Hey, Jemil! Wach auf!“ Zärtlich rüttelte der Jüngere mich, bevor ich langsam ein Lid hob. Etwas länger hätte ich schon gerne geschlafen. Doch da stieg mir schon ein leckerer Geruch in die Nase. „Hast du dich also dazu herabgelassen und hast etwas gekocht?“ Eifrig begann Jesko zu nicken und berührte meine Wange mit den Lippen. „Felix hat auch schon gegessen. Jetzt bist nur noch du dran“, hauchte er mir ins Ohr. „Ich bin ein Vampir“, erwiderte ich leise. Ich brauchte doch eigentlich nichts zum Essen. Immerhin lebte ich auch sehr gut von Blut. Auch wenn ich es doch eigentlich hasste. „Du wirst jetzt etwas essen! Ob du willst oder nicht!“ Ruppig zu der Werwolf mich hoch und schlief mich fast schon in die Küche, wo noch immer der kleine Hybride saß und mich interessiert ansah, während Jesko mich auf einen der Stühle drückte. „Ich werde mich weigern!“, zischte ich und verfolgte den Jüngeren mit den Augen während er mir etwas von dem Ghiveci[1] auf einen Teller tat. Zumindest dachte ich, dass es das war. „Das ist sogar Gemüse. Als du dich noch nicht auf Pio und sein Blut gestürzt hast, konntest du das auch essen. Also fang an!“, befahl er. Doch ich rührte das Essen nicht an, als er es vor mir auf den Tisch stellte. „Das ist gut“, kommentierte Felix freudig. Ich erwiderte das nur mit einem Grummeln. Mehr fiel mir aber auch darauf nicht ein. Es würde mir doch nichts anderes übrig bleiben, als es zu probieren. Sonst würde Jesko wohl auch noch sauer werden. Das wollte ich nicht. Zaghaft nahm ich schließlich die Gabel in die Hand und blickte erst einige Minuten auf das Gemüse, bevor ich anfing darin herumzustochern. Irgendwie war mir der Hunger vergangen. Vielleicht lag das aber auch nur daran, dass mich sowohl der Hybride, als auch der Werwolf unentwegt ansahen. Mit etwas Mühe konnte ich ein Stück gelbe Paprika aufspießen und begutachtete sie erst noch einen Moment, bevor Jesko geräuschvoll ausatmete. Somit musste ich mich jetzt wohl dazu zwingen. Einmal atmete ich tief durch bevor ich das Gemüse in den Mund steckte und anfing zu kauen. Nur schlucken traute ich mich nicht so recht. Doch als ich kurz zu dem Werwolf blickte, musste ich wohl. Denn der sah mich mit zu Schlitzen zusammen gezogenen Augen an, als ob er mich gleich beißen wollte. So würgte ich irgendwie das Essen hinunter. Einen Moment wartete ich schließlich. Bis jetzt ging es mir noch gut. Vielleicht war das aber auch nur Zufall. Also probierte ich es mit einem Stück Möhre. Doch wieder geschah nichts. Eigentlich erwartete ich ja, dass ich keine Luft mehr bekommen würde. Genauso wie ein Vampir, der als Strafe sich in die Sonne stellen musste und qualvoll starb. Nach einiger Zeit hatte ich dann den Teller geleert und es war immer noch nichts passiert. Könnte es sein, dass ich etwas essen konnte? Oder zumindest das, was mir davor schon möglich war? „Morgen kommt dann was Fleischiges“, meinte Jesko, als er mich leicht umarmte und meinen Teller schließlich nahm und ihm zu dem anderen benutztem Geschirr stellte und sich dann auch wieder zu mir umwandte. Langsam nickte ich nur. Möglicherweise klappte das ja auch noch. Man könnte ja sogar hoffen. Dabei hatte ich Fleisch wirklich noch nie probiert. Es hatte mir bis jetzt auch nicht gefehlt. Vielleicht würde das dann ja passieren. Es könnte zumindest sein. [1] Rumänisches Gericht. Ghiveci besteht aus über 20 verschiedenen gebratenen und kalt servierten Gemüsearten. Aufgeteilung der Arbeit ----------------------- Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 8 – Aufteilung der Arbeiten Jesko's PoV Dicht aneinander gekuschelt lagen wir im Bett zusammen. Jemil schlafend und ich immer noch wach. Mir kam es so vor, als ob das öfters passieren würde. Gerade so, als ob ich über ihn wachen würde. Als Wolf aber wohl meine Pflicht. Leise wurde auf einmal die Tür geöffnet und ich hob verwundert den Kopf. Wollte etwa Felix noch zu uns kommen? „Papa Jesko... Ich kann nicht schlafen“, flüsterte der Kleine und ich stand schließlich langsam – und ohne Jemil zu wecken auf. Der Vampir brauchte seine Ruhe. Früher hatte er sie viel zu oft nicht gehabt. „Ich komm schnell mit rüber. O.K.?“, fragte ich, nur schüttelte der Hybride sofort den Kopf und blickte mich traurig an. „Ich will bei euch bleiben!“, meinte er und stapfte schon an mir vorbei um in unser Bett zu kriechen. Ich ließ es einfach zu. Jemil würde es nicht stören, wenn er von zwei Seiten umarmt wurde. Und mir machte es eigentlich auch nichts aus. Ich marschierte schließlich zurück zum Bett und schmiegte mich also von der anderen Seite an den jungen Vampir, der immer noch friedlich schlief. Fast wäre ich dann auch eingeschlafen, hätte mich nicht Felix davon abgehalten. „Stör' ich euch manchmal?“, fragte er scheu. Irgendwie meinte ich auch, dass seine Stimme einen weinerlichen Unterton hatte. Aber wahrscheinlich hatte ich mich verhört. „Wieso solltest du denn? Wir haben dich doch freiwillig mitgenommen... Immerhin hat dich Jemil so lieb gewonnen gehabt... Und ich auch.“ Zaghaft versuchte ich zu lächeln, auch wenn es der kleine Hybride gar nicht sehen würde. Zumindest hören würde er es können. Vielleicht. „Aber... durch mich könnt ihr gar keinen Sex mehr haben...“, murmelte der Kleine, da entfuhr mir aber auch schon ein Lachen. „Das ist doch nicht so wichtig“, meinte ich, „du bist da viel bedeutender!“ Ich streckte nach Felix die Hand auf und strich ihm leicht übers Haar. Da grummelte aber auf einmal Jemil etwas. Leicht zuckte ich zusammen. War er wach geworden? Doch es war wohl nicht so, da der Vampir sich nur leicht an mich schmiegte und dann keinen Ton mehr von sich gab. „Er schläft wohl noch...“, gab der Jüngste leise von sich und etwas zaghaft nickte ich. „Du solltest aber auch langsam schlafen... Wäre besser“, meinte ich schließlich, nur erwiderte der Kleinere da schon nicht mehr. War er endlich also in süße Träume abgedriftet. Besser für ihn. Jedoch wachte ich jetzt über beide. Immer noch nicht konnte ich schlafen. Es würde wohl noch eine ganze Weile für mich dauern. Vorsichtig drückte ich mich noch etwas enger an Jemil und konnte so noch einen Arm um den kleinen, schlafenden Hybriden legen, der sich auch sofort etwas mehr an den Vampir drückte. Einen Moment überlegte ich, dann setzte ich mich wieder auf und zog den Kleinen über Jemil hinweg, zwischen uns. Vorsichtig legte ich die Arme um Felix und auch der Ältere tat es in wenigen Minuten mir gleich. Aber wohl eher nur ein Reflex. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er wach war. Nicht jetzt auf einmal. Mir blieb es zumindest die ganze Zeit noch verwährt. Ich konnte einfach nicht schlafen. Aber hin und her rollen wollte ich mich auch nicht, so könnten doch nur die anderen beiden wieder aus ihren süßen Träumen erwachen. Wäre doch schade darum. Ich seufzte irgendwann leise und drückte mich etwas enger an den Jüngsten und somit auch an Jemil. Manchmal machte mich sein Geruch richtig schläfrig, wie wenn es ein Schlafmittel wäre und wohl dieses Mal wirkte es auch. Zumindest etwas. Mit der Zeit wurden mir die Lider schwer, nur richtig schlafen konnte ich immer noch nicht. Zwar war ich wirklich müde, es ging aber einfach nicht weiter. Irgendetwas hielt mich wach. Wahrscheinlich machte ich mir wegen Luca und den beiden Mädchen einfach Sorgen. Wegen ihnen könnte unser gemütliches Familienleben einfach so zerbrechen. Das wollte ich nicht. Immerhin brauchten wir uns doch gegenseitig. Ich würde wohl ohne Jemil kaum noch leben können. Und wollen tat ich auch nicht. Die ganze Nacht über war ich wach, bis in die frühen Morgenstunden. Da versank ich dann doch irgendwann in einen etwas unruhigen Schlafen, durch denn ich mich dann doch immer wieder hin und her wälzte. Möglicherweise hatte ich deswegen Jemil und wohl auch Felix geweckt. Hoffentlich aber nicht zu früh. Die beiden hatten ihren Schlaf wirklich verdient. „Jesko?“ - „Papa?“ Langsam hob ich ein Lid. Auf meinem Becken saß Jemil und daneben der kleine Hybride. Etwas irritiert blickte ich zwischen den Zweien hin und her, als der blonde Vampir schon erleichtert seufzte. „Wir dachten schon, du willst den ganzen Tag schlafen“, meinte Felix und klang dabei so kindlich wie eh und je. Etwas mühsam konnte ich mich aufsetzten, auch wenn der Ältere immer noch auf mir saß und seine ohnehin schon schmalen Augen noch weiter zusammen zog. Etwas Seltsames lag in seinem Blick, als ob er auf eine Erklärung wartete, doch ich schob ihn nur von mir herunter. „Wie spät ist es?“, fragte ich Felix, da der Vampir immer noch so einen komischen Gesichtsausdruck aufgelegt hatte. „Kurz nach elf Uhr“, erwiderte der Kleine, als ich mich schon herzhaft streckte und schließlich meinte: „Dann ist ja noch genügend Zeit zum Kochen... Willst du mir helfen?“ Wieder hatte ich mich an den Hybriden gewandt, der sofort eifrig nickte und hinter mir herlief, als ich in die Küche ging. „Was machst du heute?“, wollte Felix wissen, als ich mich nach einigen Töpfen umsah. Etwas mit Fleisch hatte ich gestern zu Jemil gesagt, damit er das auch probieren könnte. Ich war mir fast sicher, dass es ihm möglich war, auch das zu essen. Drăculea konnte es auch. „Bin mir noch nicht so sicher“, meinte ich schließlich zu dem Kleineren, der es sich gerade auf der Arbeitsfläche gemütlich gemacht hatte. Oft hatte ich den Vampir zetern hören, wenn er das machte. Doch mir machte es nichts aus. Wenn er schon rauf kam, dann sollte man ihn da doch auch sitzen lassen. Leicht am Kopf kratzend betrachtete ich den Inhalt des Kühlschrankes. Viel war ja nicht mehr da. Wir hätten schon längst wieder einkaufen müssen, darauf hatte nur so selten jemand von uns Lust. Leise seufzte ich, als sich jemand von hinten auf meine Schultern stützte. „Findest du nichts?“, fragte Jemil und langsam nickte ich auch. Eine seiner Hände lag auf meinem Hals und langsam bewegte sie sich darüber. Ich wagte es schlagartig nicht mehr mich zu bewegen. Nur noch mein Brustkorb hob und senkte sich immer wieder. Fast kam es mir sogar vor, als ob mein Herz schneller schlagen würde. Ich spürte auf einmal den Atem des Vampirs an meiner Kehle. Es war schon eine Weile her, dass er den Drang hatte mein Blut zu trinken. Aber auch in seinem Körper hauste eben eine Bestie, die immer wieder die Oberhand gewinnen wollte. Versuchte sie es bei ihm jetzt auch einmal mehr? Abrupt löste sich Jemil von mir und schüttelte leichte den Kopf. Völlig perplex blickte er sich um. „Was ist denn los?“, wollte auf einmal Felix wissen. Er verstand es nicht, dass mein gelegentlich die Kontrolle über sich verlieren konnte, wenn man ein Monster war. Bei ihm kam das einfach noch nicht vor. Oder vielleicht stritten sich die beiden, die in ihm waren – Wolf und Blutsauger – einfach zu sehr, um sich auf ihn konzentrieren zu können. „Nichts, Spatz.“ Zärtlich küsste der Vampir die Stirn des kleinen Hybriden, der gleich die Arme um den Älteren schlang und etwas murmelte, was dem Blonden ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Stumm folgte ich dem Schauspiel. Sie waren einfach zu süß zusammen, als das man sich da einmischen könnte. „Was willst du jetzt kochen?“, fragte Jemil schließlich, als der Jüngere sich wieder von ihm löste und mich beide erwartungsvoll anblickten. Ich seufzte nur überdeutlich und massierte mir leicht die Schläfe. Kochen war dann wohl doch nicht mein Ding, wenn mir nicht einfiel, was ich machen sollte. „Überlegt euch was“, grummelte ich und verließ die Küche. Es war doch eigentlich sowieso nicht meine Angelegenheit mich an den Herd zu stellen und zu kochen. Oder? Die ganze Zeit über machte das schon Jemil. Und er tat es doch sogar gerne, im Gegensatz zu mir. Ich sank auf die Couch im Wohnzimmer, ließ den Kopf in den Nacken sinken und schloss für einen Moment die Augen, als ich hörte, wie die Tür geöffnet wurde und sich jemand flink durch den Raum bewegte. Schließlich setzte sich dieser jemand auf meinen Schoß. Ich hob leicht wieder die Lider und blickte in Felix' Gesicht. „Du könntest dich schon nützlich machen“, maulte der Kleine, als ich ihn aber schon von mir herunter schob. „Das verstehst du doch nicht, Kleiner“, murmelte ich, erntete aber nur einen bösen Blick von Felix. Dem Hybriden schien es ja jetzt wieder gut zu gehen. „Er macht doch schon alles im Haushalt und du legst dich nur auf die faule Haut! Im Höchstfall holst du doch mal etwas Blut aus dem Krankenhaus... Aber sonst?“, fauchte mich da der Hybride an. Eine große Klappe hatte er wohl ganz schön. „Und ich habe jahrelang in Knechtschaft gelebt“, zischte ich, „zu einer Zeit in der du noch nicht einmal auf der Welt warst!“ Abrupt drehte Felix den Kopf weg und grummelte etwas Unverständliches. Über diesen Streit – wenn es nicht sogar eigentlich mehr war –, der seit Jahrhunderten zwischen Vampiren und Werwölfen herrschte wusste er doch gar nichts. „Trotzdem... Er tut doch auch alles für dich. Kannst du dich da nicht mal revanchieren? Ihr liebt euch doch...“, kommentierte der Kleine auf einmal. Ich wandte mich langsam zu ihm, bevor ich den Kopf aber schon wieder senkte. Eigentlich sollte ich es tun. Jemil hatte mir doch auch meine Freiheit geschenkt. Wo wäre ich denn, wenn es ihn nicht geben würde? Sicherlich nicht hier! Etwas unbeholfen raffte ich mich hoch. Sollte ich wohl zumindest helfen. Ein Schmarotzer war ich ja nun auch wieder nicht. „Geht doch“, meinte da Felix aber auch schon grinsend. Er wollte wirklich nur darauf hinaus. Ich wuschelte ihm noch durchs Haar, bevor ich wieder zurück in die Küche stapfte. Ein leckerer Geruch stieg mir schon im Gang in die Nase. Jemil kannte sich dann wohl doch besser aus, als ich. „Na?“, meinte ich und legte die Arme um die Taille des Vampirs, während mein Kopf auf seiner Schulter ruhte. Etwas misstrauisch betrachtete ich das, was da in der Pfanne vor ihm brutzelte. Gleichzeitig verzog ich das Gesicht etwas. „Brätst du da Zwiebeln?“, fragte ich etwas verwundert. Der, der von uns kochen konnte, war ja er. „Die machen den Geschmack… Merkt nur von euch Banausen keiner…“, erwiderte Jemil auch schon etwas schroff. Felix nörgelte immer daran herum, wenn er auch nur ein Stückchen Zwiebel im Essen fand und ich mochte es auch nicht unbedingt. Auch jetzt verzog ich wieder einmal das Gesicht. „Bevor du hier dumm herumstehst, könntest du dich etwas nützlich machen und die Paprika schneiden“, grummelte der Ältere. Ich nervte gerade wohl ganz schön, zumindest von seinem Tonfall aus zu schließen. Wie aufgetragen, schnitt ich das Gemüse. Das war auch nicht gerade etwas für mich. Wer war nur auf die Idee gekommen, so etwas zu essen? Fleisch war da schon viel sinnvoller. Schmeckte auch besser. Auf einmal legte Jemil mir einen Arm um die Taille und kurzer Hand nahm er mir auch das Messer ab. „Du bist ja richtig lahm, Jesko… Sonst bist du doch schneller…“, murmelte er und küsste kurz meinen Hals, bevor er meine Arbeit selbst übernahm. Eigentlich wusste ich gar nicht, dass er so flink mit den Händen war. Wie schnell er doch das bisschen Gemüse geschnitten hatte und schließlich mit in die Pfanne gab. Nachdem er noch einen Deckel drauf getan und etwas den Herd zurückgedreht hatte, kam er sich leicht schreckend wieder zu mir. „Holst du den Kleinen? In ungefähr 20 Minuten gibt’s Essen.“ Vorsichtig legte er die Arme um meinen Nacken und schmiegte sich an mich. Manchmal kam so in mir ein richtiger Beschützerinstinkt hoch und ich wollte ihn dann nicht mehr loslassen, selbst wenn er sich von mir wieder löste. Auch heute kam es mir so vor, nur das sich da noch ein anderes Gefühl dazu schlich. Meine Nasenspitze glitt über seinen Hals und der Drang zuzubeißen durchzuckte mich kurz, bevor ich mich fast mühsam von ihm befreite. Nicht weil er nicht losließ, sondern weil mein Körper fast nicht wollte. Leicht meine Schläfe massierend marschierte ich durch den Flur. Weit konnte er ja seit gerade eben noch nicht gekommen sein, vielleicht saß er ja sogar noch ihm Wohnzimmer. Der Hybride stand dort am Fenster und blickte hinaus. Im Grunde konnte ich mir vorstellen, was er sich da gerade ansah. Viel interessierte ihn ja da draußen kaum. „Jesko… Können wir heute mal raus gehen? Ich will mit denen da unten spielen!“, meinte er, als er sich zu mir umwandte. Leicht hob ich zuerst nur eine Augenbraue. So recht wusste ich nicht, ob ich ihm das erlauben durfte. Jemil würde da wohl auch gerne mitreden. „Fragen wir erst einmal unseren werten Vampir“, erwiderte ich schließlich. Es wäre wohl wirklich das Richtige. Aber Jemil war ja momentan beschäftigt, also wollte er jetzt wohl mit so etwas gar nicht gelöchert werden. Wir sollten bis nach dem Essen warten. Man hilft sich doch ------------------- Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 9 – Man hilft sich doch Luca's PoV „Wie geht’s ihm?“, wollte ich wissen, als sich Tofan einmal mehr um den Fuß des jungen Werwolfes kümmerte. Im Moment war es nicht um viel besser geworden. Eigentlich meinte ich schon eher, dass sich der Knöchel, wo er gebissen worden war, entzunden hatte. So könnte die Wunde doch nie heilen. Mühsam raffte ich mich auf und verließ die Höhle, in der wir ja immer noch mehr oder weniger hausten, ohne irgendein Wort. Ich war ihnen doch keine Rechenschaft schuldig, wenn ich ging. Der Regen hatte in den letzten Tagen aufgehört und eigentlich könnten wir weiter, wenn es eben San besser ginge, aber er konnte mit seinem Fuß einfach nicht auftreten. Langsam schlich ich durch den Wald. Ich wusste, dass hier in der Nähe ein Fluss sein musste. Das rauschen des Wassers hörte man fast bis zu unserer Unterkunft hinauf. Wahrscheinlich war der Strom durch den tagelangen Regen über die Ufer getreten. Nur wenige Minuten später hatte ich schließlich das Wasser erreicht. Das musste wohl zuvor wirklich nur ein Flüsschen gewesen sein, so breit war der vor einer Woche sicher noch nicht. Irgendwie wirkte die Machte des Wassers selbst auf mich beängstigend. Ich suchte ein Stofftaschentuch, das mir meine Mutter mitgegeben hatte, aus der Manteltasche und tauchte es vorsichtig in das scheinbar saubere Wasser. Eigentlich schwammen nur ein paar Blätter darin herum. Schmutzig sollte es demnach wohl wirklich nicht sein. Sofort lief ich darauf wieder zurück. Verwirrt sah mich der ältere Vampir schon an, als ich mich zu San setzte und vorsichtig den provisorischen Verband abnahm. Immer wieder verzog der Werwolf das Gesicht vor Schmerz, gab aber nie einen Ton von sich. Behutsam drückte ich schließlich das nasse Tuch auf die Wunde. Sie war wohl wirklich etwas entzunden, das es ihm wehtat war also kein Wunder. Sonst wollte ich ihn ja eigentlich nicht bemitleiden, doch gerade war es dann doch nötig. Er tat mir wirklich leid. „Geht's?“, wollte ich dann nach einiger Zeit wissen und der junge Wolf nickte sofort. Scheu sah er irgendwann auch zu mir auf und beinahe konnte ich meinen, dass so etwas wie Angst in seinem Blick lag. Könnte das sein? „Gaff mich nicht so an...“, grummelte ich und nahm seine Hand, damit er damit das Stück Stoff selber auf seinen Knöchel drückte. Etwas irritiert sah er mich an, als ich mich erhob und zu Tofan ging, der uns schon die ganze Zeit etwas misstrauisch zusah. War es denn so ungewöhnlich, dass ich mich jetzt gerade um den Werwolf kümmerte? „Auf einmal so fürsorglich?“, fragte der ältere Vampir mit gehobener Augenbraue, als ich mich neben ihm niederließ. San saß etwas abseits von uns und scheinbar hörte er gar nicht zu. Was wir redete, ging ihn aber auch im Grunde überhaupt nichts an. „Ich will nur endlich hier weg kommen“, grummelte ich und warf einen kurzen Blick zu dem Werwolf. Irgendwie sah er so einsam und verlassen aus, wenn er da so alleine saß. Ich meinte auch, dass ich bemerkt hätte, dass er fror. Doch das durfte mich doch gar nicht interessieren, ich war sein Meister und er eben nur mein williger Sklave. Was sollte mich sein Wohl eigentlich irgendwie bewegen. Leise seufzte ich, da spürte ich schon, wie Tofan seine Arme von hinten um ich gelegt hatte und er seinen Kopf auf meinen Schulter legte. „Ihr macht euch Sorgen um ihn. Gebt es doch einfach zu!“ Ich gab nur ein überdeutliches Knurren von mir, als aber auch schon ein Wimmern die Höhle erfüllte. Mein Blick schweifte sofort zu San und dieser kleine Dummkopf wollte doch schon wieder aufstehen. Nur war er einmal mehr zusammengesunken und jaulte jetzt herum. „Ich werde ihm helfen...“, meinte da auch schon Tofan, aber dieses Mal war ich schneller als er. Ich war aufgesprungen und zu dem Werwolf gelaufen. Die irritierten Blicke des anderen Vampirs durchlöcherten mich ja gerade zu, als ich mich vor den Jüngeren kniete und ihm versuchte aufzuhelfen. Mit etwas Mühe konnte ich ihn mit zu Tofan schleifen, neben dem ich erschöpft zusammen sank und der Werwolf mehr oder weniger auf mir. Unschuldig sah er zu mir auf, bevor er fragte: „Darf ich euch wärmen, Meister?“ Sein Blick war fast so durchdringend, wie der des Älteren, der immer noch etwas verwirrt aussah. Er hatte wohl so etwas gar nicht von mir erwartet, aber selbst ich konnte nett sein. Sogar zu einem Wolf. „Wenn du willst... Äh, wo ist mein Taschentuch?“, fragte ich da aber noch. Unsicher reichte mir San das Stück Stoff, das völlig verdreckt war. Ich hätte es mir ja denken können. „Tut mir leid“, murmelte der junge Wolf und schmiegte sich vorsichtig an mich. Leise seufzte ich, eigentlich müsste er dafür ja Prügel bekommen. Doch durch seine Beinverletzung war er ja schon geschwächt genug, wenn ich jetzt noch auf ihn einschlug, würden wir hier noch Wochen festsitzen. „Wieso seid ihr auf einmal so nett zu ihm?“, wollte Tofan wissen, als der Werwolf wohl endlich eingeschlafen war. Immer wieder hatte er leise vor Schmerzen gewimmert. Früher dachte ich einmal, dieses Tiere wären nur kaltblütige Monster, die keine Leid kannten, außer uns Vampire. San hatte mich da wohl vom Gegenteil überzeugt. „Wenn er noch länger verletzt ist, kommen wir doch gar nicht weiter“, grummelte ich schließlich als Erwiderung. Der Ältere musste nicht unbedingt wissen, dass ich mir etwas Sorgen um San machte. Tofan reichte wohl meine Antwort und ich hatte im Grunde keine Lust mehr zu reden, so versuchte ich es mir etwas gemütlicher zu machen und einfach zu schlafen. Heute musste wohl einmal der andere Vampir wache halten. Mila's PoV Endlich hatte der Regen nachgelassen und wir konnten weiter. Jetzt war es aber auch schon längst nach Mitternacht und wir waren demnach schon seit Stunden unterwegs. Mit der Zeit taten wir die Füße weh. Lana dagegen könnte wohl noch eine ganze Weile einfach weiter laufen. Sie war aber auch kräftiger gebaut und hatte mehr Muskeln. Vor allem in den Beinen. Das lag sicher daran, da sie ein Werwolf war. „Mann, Mila! Beeil dich doch mal!“, grummelte da die Wölfin und verschränkte mürrisch die Arme, als ich sie nach Minuten endlich einmal wieder eingeholt hatte. „Wenn du so schnell bist“, murrte ich und ließ ein Keuchen laut werden, um zu zeigen, wie erschöpft ich war. Eigentlich brauchte ich schon lange eine Pause, doch normalerweise wollte ich nicht zeigen, dass ich schwächer war als sie. Jetzt war es eben nötig. „Eigentlich könnten wir ja noch mindestens drei Stunden durchlaufen... Aber wenn du es nötig hast, suchen wir uns eben eine Unterkunft...“ Langsam sah sich die Werwölfin um, bevor ihr Blick wohl – wie der meinige – auf eine Scheune gefallen war. Dort könnten wir sicherlich den Tag überbleiben. Der Bauer, dem die gehörte, würden wir schon nicht auffallen, wenn wir uns etwas im Heu versteckten. Leise schlichen wir kurz darauf über den Hof und schlüpften durch das Scheunentor. Zu unserem Glück war die Leiter zum Heuboden offen und wie es aussah würden auch die drei Katzen, von denen uns eine mit ihren gelben Augen anfunkelte, nicht verraten. Genüsslich streckte sich Lana im Heu und deutete mir schon bald an, dass ich doch zu ihr kommen. Doch irgendwie war mir das hier alles nicht so geheuer. Was würde denn passieren, wenn wir doch erwischt werden? Ich könnte doch tagsüber hier nicht raus und wenn ich es doch tat, würde ich kläglich sterben. Ob mich die Werwölfin beschützen würde? „Jetzt komm schon endlich her!“ Lana packte mich am Arm und zog sich ruppig zu sich. Das Heu pikste überall ganz eklig, bis morgen würde ich mich doch hier ganz blutig gelegen haben. Darauf hatte ich so recht keine Lust. „Ich vermisse Jesko so sehr...“, flüsterte die Lilahaarige auf einmal und klang dabei so traurig. Vorsichtig schmiegte ich mich an sie. „Ich Jemil auch...“, meinte ich schließlich. Wie lange würden wir wohl noch brauchen, bis wir wieder bei ihnen wären? Und würden sie so einfach mit uns mitkommen? Sie liebten sich doch auch. Hatte nicht Jemil sogar mit Jesko geschlafen? Etwas, dass der Vampir mir nie gegeben hatte. Ich hatte ja nicht einmal das Glück ihn einmal nackt zu sehen und er mich eben so nicht. Aber dem Werwolf hat er sich hingegeben und das auch noch einfach so. Ob es schön für ihn war? „Sie hatten Sex miteinander...“, gab die Werwölfin auf einmal von sich und setzte sich wieder auf, „sie lieben sich sicher über alles, sonst hätten sie das nicht gemacht... Und so weit ich weiß, hat Jesko es davor noch nie gemacht... Mit Jemil hatte er sein erstes Mal...“ Ich schwieg, während sie redete und trotzdem hörte ich nicht richtig zu. Eher überlegte ich mir das selbst etwas. „Wer denkst du über nimmt bei ihnen den weiblichen Part...?“, fragte ich nach einer Weile, als auch Lana schon längst nichts mehr gesagt hatte. Verwirrt blickte sie mich an. Ob sie verstand was ich meine? Als sie dann nichts erwiderte, sprach ich weiter. „Ich meine... Einer von beiden muss... Wie soll ich sagen... Ähm...“ So recht wusste ich dann doch nicht, wie ich es ausdrücken sollte ohne das es irgendwie krank klang. „Du meinst, wer sich von ihnen ficken lässt?“ Ein fragender Unterton lang in der Stimme der Werwölfin und als ich langsam nickte, begann sie leise zu kichern. „Jesko war noch nie der Typ, der sich so richtig unterwarf und wohl auch keiner, der so etwas mit sich machen lassen würde. Jemil kommt mir da schon eher so vor... Obwohl er früher so... so grausam war. Er wirkt trotzdem sehr zerbrechlich und ich meine, dass er das mit sich machen lassen würde.“ Ganz leicht lief ich rot an, als sie das sagte. Scheinbar kannte sie meinen Vampir besser als ich und irgendwie machte mich das traurig. Wieso sollte er mich lieben, wenn ich ihn doch so gar nicht kannte? Vorsichtig schmiegte ich mich an die Werwölfin, als sie sich wieder zu mir legte. Vielleicht sollte ich lieber schlafen, als über so etwas nachzudenken. Momentan würde mein Körper eher die Ruhe brauchen und trotzdem schoss mir ein komisches Bild in den Kopf, als ich die Augen schloss. Jemil, wie er auf dem Becken von Jesko saß, mit so einem Ausdruck in den Augen, als ob er gleich vor Lust aufstöhnen würde. Gerade so, als würden sie gerade miteinander schlafen. Abrupt hob ich wieder die Lider. So könnte ich auch nicht schlafen, das würde mich einfach wach halten. „Ich träume jede Nacht davon, wie sie miteinander schlafen und glücklich sind...“, flüsterte Lana, als hätte sie gerade ein ganz ähnliches Bild gesehen. Vielleicht waren wir uns aber ja einfach nur sehr ähnlich geworden oder spürten sogar, was der andere fühlte. So lange wie wir aber jetzt auch schon zusammen unterwegs waren. Zuerst hielt ich es ja eher für eine Zweckgemeinschaft und jetzt hielt ich Lana für eine Freundin. Früher war ich immer schon nett zu den Werwölfen. Ich konnte einfach nicht mit ansehen, wenn man sie quälte. Doch wirklich mit einem abgegeben, hatte ich mich trotzdem nie. Lana war die Erste. Und erst jetzt erkannte ich, was wirklich für ein Potenzial in diesen Wesen lag. Die junge Werwölfin war verdammt stark und schon oft hatte sie mich gegen die verschiedensten Tiere, auf die wir getroffen waren, verteidigt. Ich wäre wohl weggelaufen, egal ob ich etwas gegen sie ausrichten hätte können oder nicht. Um mich solchen wilden Tieren in den Weg zu stellen, hatte ich einfach zu wenig Mut. Auf einmal drückte sich Lana enger an mich, jetzt war sie wohl eingeschlafen und ich lag hier trotzdem noch wach. Vorsichtig löste ich mich von ihr und rollte mich auf den Rücken. Wieder pikste das Heu etwas schmerzhaft. So würde ich wohl wirklich so bald nicht schlafen können. Mühsam versuchte ich eine Position zu finden, sodass ich mich nicht mit diesem verfluchten Heu aufspießte. Doch leider fand ich das nur, wenn ich mit dem Kopf auf Lanas Oberweite lag und die war ja auch nicht ohne. Zwar nicht riesig, aber auch nicht klein. Gerade perfekt. Jesko hatte es doch eigentlich richtig gut. Ich war dagegen einfach nur flach. Kein Wunder dass Jemil mich nie wirklich angeschaut hat und nicht einmal richtig bemerkt hatte, wie sehr ich ihn liebe. Wenn er mich nicht einmal mehr wirklich wahrnahm, war das auch etwas schwer. Und jetzt hatte er sicher auch nur noch Augen für Jesko. Da war ich ihm doch eigentlich gar nichts mehr wert. Mit der Zeit fielen mir dann die Augen zu und schließlich konnte ich auch einschlafen. Hoffentlich machte es Lana nichts aus, dass ich so mit dem Kopf auf ihr lag. Ich wollte nicht, dass sie wütend war. Unterwegs zu fünft ------------------ Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 10 – Unterwegs zu fünft Jemil's PoV Irgendwie roch es ja schon gut und mir lief doch wirklich das Wasser im Mund zusammen und trotzdem traute ich mich nicht, etwas zu probieren. Mir machte es zu viel Angst, was passieren könnte. Doch Jesko würde mich sowieso dazu zwingen. Wieso sollte ich es also nicht einfach selbst tun. Unsicher biss ich das Fleisch und begann langsam zu kauen. Ein Geschmack breitete sich in meinem Mund aus, den ich so gar nicht kannte. Es war ähnlich, wie wenn ich jemanden gebissen hatte, aber nicht das gleiche. „Jemil...!“ Abrupt schluckte ich, als die beiden den Raum betreten hatten, und ließ den Spieß vor Schreck in die Pfanne fallen. Mich trafen einige Tropfen des kochendheißen Fettes und vor Schmerz zuckte ich zusammen. Da stand aber schon Jesko neben mir und hatte meine Hand genommen, auf der sich eine kleine rote Stelle bildete. Da war das Fett wohl drauf gesprungen. Vorsichtig leckte er darüber und ich entspannte mich wieder. „Mann, was machst du denn für Sachen. Das lässt man doch nicht einfach so in die Pfanne fallen...“, nörgelte er herum und jetzt fiel wohl auch sein Blick auf das, was mir überhaupt aus der Hand gerutscht war. Verwundert sah er auf die Bissstelle. Glaubte er nicht, was er sah? „Du hast?“, fragte der Werwolf und legte einen völlig verwirrten Gesichtsausdruck auf. Zaghaft begann ich zu nicken, im selben Moment hellte sich Jeskos Gesichtsausdruck auch schon wieder auf und er schlang die Arme um mich. „Bist ja ein guter Junge“, freute er sich und zog mich ein ganzes Stück zurück. Zärtlich fing er an mich zu küssen. Da räusperet sich aber auf einmal Felix. „Ich bin auch noch da“, grummelte der Kleinere, als mir jedoch schon ein leicht angebrannter Geruch in die Nase stieg. Abrupt löste ich mich wieder von dem Werwolf und zog die Pfanne von der Herdplatte. „Mach dich mal nützlich, Jesko, und deck den Tisch!“, trug ich dem Jüngeren auf, der das auch gleich gehorsam tat. Nur ein paar Minuten später aßen wir auch zusammen und endlich wagte ich es einfach alles einmal zu probieren. Ich war mir gar nicht bewusst, wie schön es war zu essen. Die beiden anderen hatte doch ihr ganzes Leben über schon solches Glück. Und ich durfte es jetzt – erst wieder – erfahren. Leicht schloss ich die Augen, als wir nach dem Essen alle drei zusammen auf dem Sofa lagen. Ich mehr oder minder auf Jesko und auf mir der Kleine. Für den Bruchteil einer Sekunde erschien in meinem Kopf das Bild einer jungen Frau. Ich konnte ihr Gesicht niemandem zuordnen, denn ich kannte und trotzdem kam sie mir so vertraut vor. „Du, Jemil, könnten wir heute mal raus gehen“, fragte da Felix auf einmal. Knapp öffnete ich ein Lid wieder und begann dann auch schon zu nicken, meinte aber noch: „Wenn du unser verpenntes Schosshündchen wieder wach bekommst, gerne sogar.“ Ich kuschelte mich leicht an den Werwolf und zog auch den Kleinen noch etwas näher zu mir. Diese traute Dreisamkeit war das Schönste, was ich in den letzten paar Monaten hatte, wie lange dürfte ich das wohl noch haben. Da läutete es auf einmal an der Tür. Etwas mürrisch vor mich hinmurmelnd schob ich Felix vorsichtig von mir herunter und stand schließlich auf, um an die Wohnungstür zu gehen. Wer wollte uns denn jetzt unbedingt stören. Na ja, wenn der Hybride raus wollte, müsste ich eigentlich sowieso aufstehen, aber jetzt noch nicht. „Hey, Jemil“, johlte mir Satôbi entgegen, als ich ihm die Tür geöffnet hatte. Venanzia, die neben ihm stand, nickte nur leicht mit dem Kopf zur Begrüßung. Sie war viel ruhiger, als der Werwolf. Vielleicht lag es ja – wie bei Jesko – in seiner Natur als Wolf, dass er etwas aufgedreht war. Eigentlich könnte man sich ja über so eine fröhliche Gesellschaft nur freuen. „Wo ist denn dein Schatz?“, wollte da auf einmal die Hybridin wissen und ein Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Sie war wirklich ruhiger und drückte ihre Freude nicht so direkt aus, sondern machte das eher über solche kleinen Gesten. „Der schläft im Wohnzimmer auf der Couch“, erwiderte ich und erinnerte mich mit einem Grinsen daran zurück, wie er noch vor ein paar Wochen laut aufjaulte, weil er vom Sofa gefallen war und sich dabei etwas – nicht nur für ihn – Wichtiges eingeklemmt hatte. „Och, dabei wollte mir mit euch eine Runde durch den Park drehen... Felix könnt ihr derweilen ja zum Mittagsschlaf abkommandieren“, murrte da schon Satôbi. „Ich kommt mit! Kann nämlich jetzt auch raus“, kommentierte da aber auch schon der kleine Hybride, der die Finger in mein Shirt krallte. Irritiert hob Venanzia eine Augenbraue und blickte mich prüfend an. „Du hast ihm also jetzt auch etwas von deinem Blut gegeben“, meinte sie und warf nun einen etwas begutachtenden Blick auf den Hybriden, der sich immer enger an mich drückte. Man konnte so regelrecht spüren, wie er einen mochte und manchmal meinte ich, dass das bei mir sogar noch etwas mehr war, als bei Jesko. „Ich hab keinen Bock auf diesen verschlafenen Köter zu warten...“, grummelte Satôbi genervt. Warten tat er überhaupt nicht gerne – das hatte ich schon bemerkt – und erst recht nicht auf Jesko. Der war ihm manchmal doch etwas zu langsam. Dabei konnte er bei mir doch sogar richtig flott sein. Gelegentlich sogar etwas zu schnell. Doch da hörte ich schon wie die Wohnzimmertür geöffnet wurde. Das ich das bei Felix nicht wahrgenommen hatte. Möglicherweise war aber der Kleine auch etwas leiser. „Hm... Ist er ja doch wach, dieser Schosshund“, kommentierte auch schon der andere Werwolf, als Jesko an ihm vorbei stapfte und dabei noch recht müde war. „Halt die Klappe, Straßenköter“, grummelte auch schon Jesko und wirkte auf einmal viel wacher. Na wenn er sich mit jemanden streiten konnte, war er sofort ganz bei der Sache. Wenn er das nur immer bei allen Dingen so wäre. Ich legte einen Arm um die Schultern meines Werwolfes und auch Venanzia zog Satôbi etwas zurück. „Beherrsch dich mal“, zischte ich Jesko ins Ohr, der denn anderen immer noch mit einem bösen Blick anstarrte. Irgendwie konnten sie sich ja so überhaupt nicht riechen. Lang vielleicht auch daran, dass sie Werwölfe waren. Irgendwie waren es ja schon seltsame Wesen. „Dann können wir ja gehen.“ Zärtlich küsste Venanzia Satôbi, wohl um diesen etwas zu beruhigen. Bei Jesko musste ich das gar nicht tun, der ließ sich schon wieder ganz anständig hinter dem Ohr kraulen. Leise summte er sogar dabei. Manchmal wunderte ich mich aber schon, wie leicht man ihn glücklich machen konnte. Einige Minuten später saßen wir zu viert auf einer Bank. Vor uns ein kleiner Spielplatz auf dem sich noch einige Kinder mit ihren Eltern tummelten, obwohl Letztere es sich, wie wir, auf den umstehenden Sitzgelegenheiten gemütlich gemacht haben. Felix hatte sich zuerst gar nicht an die anderen Kinder herangewacht, aber jetzt spielte er richtig ausgelassen mit ihnen. Er war zu niedlich. Und endlich hatte er jemanden gefunden, der in seinem Alter war. Ich und Jesko waren einfach nichts für ihn. Zumindest nicht um einfach so ausgelassen herumzutollen. Ich fühlte mich unwohl. Väter waren schon kaum anwesend und solche wie wir – ich und Jesko – erst recht nicht. Manche der Mütter warfen und schon viel sagende Blicke zu, wohin gegen ein paar andere uns ganz interessiert ansahen. Wir waren wohl etwas Besonderes in ihrer kleinen Runde. Leise seufzte ich, bevor ich zu Jesko meinte: „Wir könnten den Kleinen doch heute Abend bei Venanzia und Satôbi lassen...“ Der Werwolf wartete gerade zu darauf, dass ich weiter redete und nach ein paar kurzen Minuten des Schweigens tat ich das dann auch. „Dann lassen wir uns einmal wieder ein schönes Bad ein und legen und zusammen in die Wanne... Was hältst du davon?“ Ich konnte das Leuchten in den Augen des Jüngeren jetzt schon sehen. Schon seit Wochen ließen wir es uns nicht mehr so richtig gut gehen und mit Felix kamen wir auch gar nicht dazu. Wenn er nur einmal eine Nacht bei den anderen beiden bleiben würde, könnten wir uns entspannen. Immerhin wussten wir ja nicht, wann unsere werten Verfolger hier auftauchen würden und ob sie das überhaupt irgendwann taten. Weiß Gott, ob die uns hier finden. „Wäre schon nett... Aber du kannst ihnen doch Felix nicht andauernd andrehen... Das nervt doch irgendwann...“ Ich schnaubte bei dieser Aussage. „Wie oft machen wir es denn schon? Drei Mal seit wir hier sind, davor überhaupt nicht, weil wir ohnehin andauernd unterwegs waren. Da hatten wir ja keine Zeit uns einmal richtig gehen zu lassen. Also könnten wir doch einmal wieder. Jesko. Ich will doch nur einmal wieder in aller Ruhe mit dir baden... Wie damals, als wir noch bei meinem Clan waren, nur dieses Mal ohne diese Ständeunterschiede...“ Ich legte einen zuckersüßen Gesichtsausdruck auf, da konnte er doch gar nicht Nein sagen. Doch zuerst seufzte er nur überdeutlich. Wunderbar, dann wollte er wohl nicht. Dann musste ich wohl auch gar nicht weiter quengeln. So leicht brachte man Jesko einfach auch nicht dazu, dass er seine Meinung änderte. Da konnte er fast so stur sein, wie ich, dabei sah man es keinem von uns so sehr an. Abrupt hielt da aber der Jesko die Nase in die Luft und auch der andere Werwolf roch wohl etwas. Tief sog er den Geruch in sich auf und stieß dann seinen Atem wieder mit einem leisen Knurren aus. Zwei oder drei Mal blickte er sich nach links und rechts um, während Satôbi schon aufgesprungen war. Verwirrt blickte ich Venanzia an, die auch nur mit den Schultern zuckte. Ich spürte die Blicke der anderen Leute, die auf uns lasteten. Die beiden Wölfe mussten aber auch gerade wie Freaks aussehen. „Sie kommen näher“, knurrte auf einmal Jesko und seine Augen hatten einen seltsamen Ausdruck angenommen. Die Anspannung spiegelte sich darin gerade zu wieder. „Aber sie sind wohl noch weit genug weg“, kommentierte der andere auch gleich. Auf dem Weg hier her hatten wir Venanzia und Satôbi von unseren neuen Verfolgern erzählt und die Hybridin hatte da noch gesagt, wir sollten uns nicht zu sehr in Panik versetzen lassen. Diese Stadt war groß, man würde uns nie so einfach finden. Aber jetzt kamen sie näher. „Wie weit...?“, wollte ich schließlich wissen und setzte mich der Gefahr aus, auch angestarrt zu werden. Satôbi – und auch Jesko – zuckte mit den Schultern. „Der Geruch lag nur im Wind...“, murmelte der ältere Werwolf schließlich. Das sagte mir ja viel aus. Woher wollte dann Jesko überhaupt wissen, dass sie näher kamen. Vielleicht nur ein Gefühl? Er hatte das ja öfters und häufig lag er ja sogar richtig dabei. Ob es wohl jetzt auch so war? Ich hoffte es ja fast nicht. „Wir gehen!“, meinte ich schließlich und packte Jesko am Arm, doch schon eine Sekunde später wandte ich mich um und ließ meinen Blick über den Platz schweifen. Wo war nur Felix? „Sei mal nicht so panisch.“ Fürsorglich legte Jesko mir die Arme um die Schultern und wiegte mich leicht hin und her. Wie sollte ich den jetzt nicht zumindest etwas nervös sein? Das beste wäre es doch wohl, wenn wir einfach wieder fliehen würden. Weglaufen konnten wir doch jetzt schon gut genug und es störte mich gar nicht mehr wirklich, dass wir so gut wie nie dann an einem Ort wäre. Obwohl es mir doch hier so gut gefiel. Ich sank schließlich mit Jesko wieder auf die Bank und auch Satôbi ließ sich wieder neben Venanzia nieder. Leicht lehnte ich mich an den jüngeren Werwolf und seufzte leise. Wir wollten doch wirklich nur unsere Ruhe und uns wirklich mit niemanden anlegen. Wieso konnte uns denn das nicht einfach gegeben werde? Mit der Zeit kümmerten sich die – zum größten Teil – Mütter und – vereinzelt – Väter wieder um ihre Sprößlinge. Selbst begann ich erneut nach Felix zu suchen, wo war der Kleine denn nur hin. Doch da kam er schon auf mich zugelaufen. Da schlang der Hybride aber schon seine Arme um mich. Wieso hatte ich ihn denn nicht bemerkt. „Da hinten ist Onkel Devin... Der will was von Jesko!“, meinte er und löste sich nur einen Moment später von mir um den Werwolf an der Hand zu nehmen und ihn hinter sich herzuziehen. Wobei ihm Letzteres nicht ganz so gelang. Der Ältere der beiden wirkte nicht so, als ob er sich bewegen wollte. „Schick ihn zu mir, wenn er was will“, murrte Jesko und sank wieder zurück, wodurch er Felix unweigerlich mit zog. „Aber er kann doch nicht“, maulte der Kleinere. Mein Blick schweifte gen Himmel. Zwar war die Sonne ganz langsam schon am Untergehen, doch sie erfühlte noch einen Großteil des Landes. Der andere Vampir hatte sich wohl irgendwo in dem kleinen Park verschanzt, der den Spielplatz umgab. Dort war es sicherlich schattig und er würde nicht vom Sonnenlicht berührt werden. „Wenn es sein muss.“ Etwas missmutig erhob sich der Werwolf wieder. Mir kam es wirklich so vor, als ob es ihn jetzt gerade nerven würde, dass er weg musste. Oder wollte er mich einfach nicht allein lassen? Wilde Wölfe ----------- Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 11 – Wilde Wölfe Jesko's PoV Was wollte denn jetzt Devin von mir? Und wieso war er zu dieser Tageszeit überhaupt unterwegs? Wenn ihn die Sonnenstrahlen berührten, dann wäre sein Leben gelaufen. Auf qualvolle Weise einfach beendet. Wie es eben bei Vampiren üblich war, die kein Ältestenblut in sich haben. „Wo ist der denn jetzt?“, wollte ich von Felix wissen, der mich schon einige Minuten durch den Wald lotste, dessen Blätterdach nicht im Ansatz ein Fünkchen des wertvollen Sonnenlichts durchließ. Dennoch war es nicht richtig dunkel. „Genau hier wer er“, meinte der Kleinere und blickte sich langsam um. Jetzt war Devin also weg. War er vielleicht gar nicht hier gewesen? Wenn mich Felix verarschen wollte, dann setzte es aber ein ganz schönes Donnerwetter. „Da bist du ja wieder... Kleiner“, hörte ich aber da schon den Vampir sagen. Er lehnte an einem Baum und atmete schwer. Was war denn passiert? Ich hob irritiert eine Augenbraue und blickte den anderen schließlich prüfend an, als ich auf ihn zuging. Da wich er aber schon abrupt einen Schritt zurück. „Bleib mir bloß vom Hals, Werwolf!“, knurrte er wütend und mir fiel es dann auch erst auf. Seine Kleidung war zerrissen und Blut klebte daran. Er zitterte am ganzen Körper, besonders seine Beine. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch stand. Auch wenn er es nicht wollte, trat ich noch etwas näher auf ihn zu und begutachtete schließlich seine Verletzungen. Dies ließ er auch ohne Widerworte zu. Vorsichtig knöpfte ich sein zerfetztes Hemd auf, um mir auch dort die Wunden etwas genauer zu betrachte. Felix stand nur schweigend neben mir, als der Vampir auf einmal zusammen sackte und ich ihn nur noch knapp auffangen konnte. „Lass mich los!“, knurrte der Vampir und ohne etwas zu erwidern tat ich es dann auch. Doch zu seinem Pech konnte er sich nicht auf den Füßen halten und sank vor mir zusammen. Herablassend sah ich ihn an, bevor ich meinte: „Soll ich dir nicht vielleicht doch helfen?“ Sofort schüttelte Devin den Kopf und versuchte sich selbst hochzustemmen. An Jemil sah ich es schon öfters, dass er recht stur war und sich nicht gerne helfen ließ. War das etwa etwas, dass in der Natur der Vampire lag? Ein Werwolf würde sich helfen lassen und half auch immer anderen. Ich machte das zumindest so. Aber wir waren eben auch Rudeltiere und musste auf die anderen achten. Vampire waren doch nur in Zweckgemeinschaften zusammen. Sie kümmerten sich um niemanden anderen, als sich selbst. Die meisten zumindest. Ich drückte den Vampir schließlich zu Boden und begann seine Wunden zu versorgen. So wie es Werwölfe taten. Er zuckte immer wieder zusammen, wenn meine Zunge eine Verletzung berührten. Einmal schrie er sogar fast vor Schmerzen auf, konnte es aber wohl noch knapp unterdrücken. Abrupt schlang der die Arme um mich und fiepte leise. Es tat wohl wirklich sehr weh. Ich löste mich langsam von ihm und betrachtete ihn noch einmal, um zu überprüfen, ob es so passte. „Müsste gehen“, meinte ich dann und hielt ihm sein Hemd wieder hin, das er mit einem leichten Kopfnicken annahm und es sich wieder überzog. So zitterte er schon mal nicht mehr so sehr. Es würde wohl noch dauern, bis er hier wegkommen würde. Die Sonne schien ja immer noch und würde das auch noch eine ganze Weile über tun. Ich sank schließlich neben den Vampir und da kuschelte sich auch schon Felix auf meinen Schoß. Der Kleine hatte mir die ganze Zeit zugesehen, wie ich mich um Devin gekümmert hatte. Ob das wirklich so interessant war? „Geh' mal schnell Jemil Bescheid sagen, damit der sich keine Sorgen macht“, trug ich dem Hybriden da aber schon auf und der wollte schon zuerst schmollen, tat aber dann doch, was ich ihm sagte und war schon im nächsten Moment in dem Gestrüpp des Waldes verschwunden. So konnte ich mich mit dem Rothaarigen besser unterhalten. „Wer hat dich so zugerichtet?“, fragte ich und blickte ihn mit einem solchen Ausdruck auch an. Beinahe meinte ich schon, er wollte gar nicht antworten, doch dann tat er es doch. „Drei oder vier Werwölfe...“ Ich schluckte. Deswegen diese plötzliche Angst mir gegenüber. Dann war es ja so überhaupt nicht ungewöhnlich. Und trotzdem hatte er gewollt, dass ich kam und nicht Jemil? Das fand ich dann wieder ungewöhnlich. „Haben sie dir sonst noch was getan, als... na ja, die Wunden?“ Ich wollte es nur wissen. Wer weiß, was solche wilden Wölfe – wenn sie es überhaupt waren – mit ihm sonst noch angerichtet hatten. Zuzutrauen würde es ihnen ja, wenn sie genügend Verabscheuung gegenüber Vampiren hegten. Da schüttelte Devin aber auch schon den Kopf. „Sie haben mich nur durch den Wald gehetzt, bis ich mich nicht mehr ausgekannt habe, wo ich überhaupt war. Und dann stürzten sie sich auf mich.“ Er erzählte es so ganz ohne Gefühl in der Stimme. Wahrscheinlich nahm es ihn dann doch etwas zu sehr mit, immerhin hatten sie ihn jetzt wie das Tier behandelt und nicht umgekehrt, so wie es die Vampire seines Clans taten. „Die haben eine regelrechte Treibjagt veranstaltet...“, gab er auf einmal noch von sich. Angst spiegelte sich in seinen Augen wieder, so hatte ich ihn noch nie gesehen. Doch da erfüllte plötzlich ein Jaulen die Stille, als ob ein Wolf seine Brüder und Schwestern zusammenrief. Ich sprang sofort auf und stellte mich vor den Vampir, bevor ich die Nase in die Luft hielt und versuchte einen Geruch aufzunehmen. Doch entweder waren sie nicht in der Nähe oder der Wind wehte alles direkt von mir weg. „Seht mal, jetzt sind sie schon zu zweit“, hörte ich da auf einmal jemand hämisch lachend sagen. Nur einen Moment später trat ein junge Mann aus den Schatten des Waldes. Sein Gesicht war mit – scheinbar – Kriegsbemalung bemalt. Ich war mir nicht sicher, ob es ein Werwolf war, sein Geruch wurde von mir weggetragen, aber rein von seiner Wortwahl musste er auf alle Fälle das mitbekommen haben, was Devin passiert war. „Hör auf... Der andere Vampir ist verletzt!“, hörte ich da eine junge Frau sagen. Sie tauchte hinter mir auf und ihr Geruch stieg mir sofort in die Nase. Eine Werwölfin. Glaubte sie, ich wäre auch ein Vampir? Vielleicht sollte ich ihnen zeigen, dass es nicht so war. „Na und? Der da steht ja noch ziemlich gut, diese verfluchte Fledermaus!“, knurrte ein Dritter und auch er war im Gesicht bemalt. Gegen alle hatte ich auf keinen Fall eine Chance und Devin konnte mir nicht einmal helfen. „Jesko! Hau von hier ab, ich schaff das schon!“, trug mir der Vampir aber auf einmal auf, als er sich wieder hochraffte und sich dabei leicht an mir abstützte. „Jemil dreht mir den Hals um, wenn ich dich zurücklasse und diesen Wölfen überlasse!“, meinte ich nur und das erste Mal klang ich herablassend, gegenüber Wesen meiner eigenen Art. Ich drückte den Vampir wieder zurück und trat einen Schritt nach vorne. So war ich zwar etwas von der Wölfin entfernt, aber die wollte uns scheinbar ohnehin nichts tun. Abrupt drehte der Wind und der Geruch der anderen beiden Werwölfe stieg mir in die Nase. Aus ihrer Richtung nahm ich auch noch mehr solche Gerüche war. Das mussten ein paar Dutzend sein. „Hör auf! Das ist ein Wolf!“, hörte ich da die Wölfin auf einmal rufen, jedoch stürzten sich die anderen beiden schon auf mich und rissen mich zu Boden. Mit Mühe und Not konnte ich einen von ihnen von mir wegstoßen, auf den die Frau dann los ging, um ihn davon abzuhalten, wieder auf mich loszugehen. Mit dem anderen kugelte ich mich auf dem Boden, bis er sich verwandelte und ich die Chance nutzte, von ihm wegzukommen. Ich rappelte mich auf und stolperte einige Schritte zurück. Himmel, war der stark. Mein Atem raste, als ich plötzlich spürte, wie mich jemand am Arm festhielt. Es war Devin, der mich wohl zurück halten wollte, weiter zu kämpfen. Doch der andere Wolf knurrte mich schon bedrohlich an. „Hau ab, ich mach das schon!“, fauchte ich und gab dem Vampir einen Stoß, doch er bewegte sich dann kein Stück mehr von mir weg. Was ließ es denn nicht zu, dass er einfach weglief? Sein Stolz vielleicht? „Toro! Hör sofort auf! Keiner hat gesagt, dass wir auf Werwölfe losgehen sollen!“, brüllte da auf einmal die Wölfin wieder und trat zwischen mich und den anderen Wolf. Langsam verwandelte er sich wieder zurück und knurrte nur noch überdeutlich. Ich sackte auf einmal zusammen. Da war das ganze Adrenalin also wieder weg und mich verließ meine Kraft. Vorsichtig kam Devin wieder auf mich zu und kniete sich neben mich. Wollte jetzt er mir helfen? „Geht's dir gut?“, fragte er besorgt und ich nickte. Ließ den anderen Werwolf aber nicht aus den Augen, der jetzt seinen Anpfiff von der Wölfin bekam. Der dritte von ihnen saß etwas weiter entfernt und durfte sich seine Bestrafung wohl schon abholen. Denn er wagte es nicht, sich auch nur einen Zentimeter zu rühren. „Wir sollten zu Jemil!“ Mühsam versuchte mir Devin hoch zu helfen, aber er hatte ja selbst kaum Kraft, wie sollte er da mich stützen können. Im Grunde hätte er das doch nicht einmal wirklich gekonnt, wenn es ihm ganz gut ging. Der Körper eines Vampires, war doch viel zu zerbrechlich, um einem Werwolf irgendwie halt zu geben. „Erst einmal ruhen wir uns noch etwas aus“, meinte ich jedoch und zog ihn hinter mir her. Wahrscheinlich hatte ich doch noch etwas mehr Power. Erschöpft sank ich trotzdem an den Baum, wo wir schon die letzten Minuten gesessen hatten. Da kam auf einmal die Werwölfin auf uns zu. Misstrauisch betrachtete ich sie, als sie sich plötzlich tief vor mir verbeugte. „Ich möchte mich für diese beiden Tölpel entschuldigen. Sie haben wohl bei dem Geruch des Vampires nicht darauf geachtet, dass du ein Werwolf bist. Bitte verzieh ihnen. Sie wollten nur den Auftrag unseres Herren ausführen.“ Langsam hob sie wieder den Kopf und ich nickte langsam. Mit solchen Wölfen wollte ich gar nicht reden. Sie hassten Vampire und dann taten sie ihnen etwas ganz ähnliches an, wie sie unseren Brüdern und Schwestern. Einen Moment später waren die drei Werwölfe weg und wir waren wieder allein. Doch es kam mir nicht so vor, als ob wir sie nie wieder sehen würde. Irgendwann würden die mir schon noch mal über den Weg laufen und dann wäre ich stärker! „Ich dachte nicht, dass es auch so starke Wölfe gibt...“, meinte der Vampir auf einmal. Mir war es ja eigentlich auch nicht bewusst gewesen, aber die konnten wohl ihren Körper ganz anders trainieren, als ich es all die Jahre über konnte. Ich hoffte, dass ich das nachholen könnte, immerhin wollte ich doch Jemil und Felix beschützen. Es war ja auch meine Pflicht! Es wurde von Minute zu Minute dunkler in dem Wald und mit der Zeit wurde es auch kälter. So raffte ich mich schließlich hoch und hob Devin hoch. Er war eingeschlafen. Wahrscheinlich aus reiner Erschöpfung heraus, aber er musste hier wahrscheinlich auch schon den ganzen Tag herumlaufen. Und wenn die Wölfe ihn wirklich getrieben haben, dann hatte er seinen Schlaf verdient. Ich marschierte nach einiger Zeit endlich wieder aus dem Wald und wirklich erhellte nun der Mond den kleinen Spielplatz, wo nur noch Jemil und Felix auf uns warteten. Wahrscheinlich waren sogar Venanzia und Satôbi längst weg. Langsam trat der junge Vampir auf mich zu und betrachtete etwas misstrauisch den anderen. Verwirrt blickte er schließlich zu mir auf und zog leicht eine Augenbraue hoch. Ich sollte wohl jetzt erzählen, was passiert war. „Er ist von Werwölfen angegriffen worden...“, meinte ich nur tonlos und schritt an ihm vorbei. Jetzt wollte ich nach Hause und in ein warmes Bett. Den Sex könnten wir meinte wegen auch auf morgen verschieben. Heute hatte ich genügend Aktion. „Was heißt hier 'von Werwölfen angegriffen'? Von welchen?“ fragte Jemil und konnte mit Leichtigkeit mit mir Schritt halten, genauso wie Felix. Das hatten wir uns schon angewöhnt durch die Wanderung hier her. Wir hatten immer mit den anderen mithalten müssen, anders wären wir wohl oder übel verloren gewesen. „Irgendwelche wilden. Wahrscheinlich... Ich weiß es doch auch nicht...“, gab ich mürrisch von mir und stapfte einfach weiter. Jetzt wollte ich einfach nicht reden. Ein Bett. Verdammt. Ich brauchte doch nur ein schönes warmes, weiches Bett! Eine ruhige Nacht wurde das leider trotzdem nicht. Felix wollte unbedingt bei Devin schlafen, aber genau der wollte das nicht. Irgendwann hatte er es dann doch aufgegeben den Kleinen immer wieder rauszuwerfen und hatte es zugelassen, dass er sich an ihn kuschelte. Davor war es trotzdem ein riesen Radau. Und dabei wollte ich doch nur schlafen. Zu meinen Glück kümmerte sich zumindest Jemil und die Streitereien. Der war für so etwas auch viel besser geeignet. Weitere Annäherung ------------------ Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 12 – Weitere Annäherung Luca's PoV Der Werwolf hatte sich heute Nacht ganz eng an mich gekuschelt und mit der Zeit störte es mich gar nicht mehr. Ich hatte mich aber ja auch schon um seinen Fuß gekümmert, da war dieses Anschmiegen von ihm jetzt wahrscheinlich nur noch Dank. So warm waren die Nächte aber auch noch nicht und irgendwie war es sogar für mich gut, dass er hier war. Denn so war mir nicht allzu kalt. Seit ein paar Tagen – eher Nächten – konnten wir auch endlich wieder weiter. Halbwegs konnte San laufe. Zwar nicht schnell, aber zumindest irgendetwas. Tofan versuchte ihm immer wieder etwas zu helfen und stützte ihn dann ein ganzes Stück über oder trug ihn sogar. So weit würde ich nun auch wieder nicht gehen. Doch heute durfte er bei mir liegen, immerhin war er auch so fleißig gewesen und hatte diesen Unterschlupf gefunden. Es war eine alte Hütte, vielleicht von Jägern oder Fischern. Ein See war zumindest in der Nähe, also wäre Letzteres auch möglich gewesen. Zusammen lagen wir in einem Bett und der ältere Vampir kümmerte sich um ein kleines Feuer, damit es dann doch nicht zu kalt war, obwohl mich der Werwolf schon aufheizte. Er war ganz warm und gab so viel von seiner Wärme an mich ab. Frieren war für mich ja schon gar nicht möglich. „Ihr seid dem Kleinen gegenüber momentan so anhänglich... Wollt Ihr euch etwa mit ihm anfreunden?“, fragte da auf einmal Tofan und richtete sich vor dem Kamin, den er noch gerade eben angeheizt hatte und in dem jetzt ein niedriges Feuer brannte, auf. Ich schüttelte langsam den Kopf. So etwas wie Freundschaft könnte zwischen mir und San nie entstehen. Er war ein Wolf und dadurch nur ein Bediensteter von mir. Nicht mehr. „Ihr wirkt aber momentan so... Gerade da Ihr ihn so umsorgt hab, als er verletzt war. Von Euch hätte ich das nicht erwartet...“ Ich gab ein Knurren von mir und abrupt schwieg der Ältere. Er wusste wohl, wer von uns beiden ranghöher war, auch wenn ich der Jüngere war. „Wieso denn wieder so förmlich?“, knurrte ich, statt auf sein Geschwafel einzugehen. Mich interessierte es eigentlich schon mehr, wieso er mich jetzt wieder siezte. Das hatte er die letzten Tage über doch auch nicht getan. „Ich will Euch nur nicht wütend machen, Luca.“ Etwas Spöttisches lag in seiner Stimme. Wollte er sich etwa über mich lustig machen, diese miese, kleine Ratte? Wieso musste eigentlich gerade der mir von den englischen Vampiren mitgeschickt werden? So eingebildet wie der war. Eben ein typischer Engländer. Wie mich das ankotzte. Da krallte auf einmal San seine Finger in mein Shirt und begann zu fiepen. Was war jetzt los? Unsicher blickte ich zu ihm und sah dabei zu, wie er sich immer enger an mich drückte und mir dadurch langsam das bisschen Luft nahm, das ich dann doch noch brauchte. Mühsam und fast erfolglos, hätte mir Tofan nicht geholfen, brauchte ich ihn wieder von mir los. „Was hat er?“, wollte ich von dem älteren Vampir wissen, als dieser den Werwolf leicht im Arm wiegte. Wohl um ihn zu beruhigen, denn irgendwie wirkte der Jüngste, gerade da er jetzt wach war, etwas panisch. „Nur ein Albtraum...“, murmelte Tofan und strich San vorsichtig über die Wange. Mir gegenüber war er eigentlich nicht einmal im Ansatz so fürsorglich, wie er es bei dem Wolf war. Konnte es sein, dass der etwa für ihn mehr wert war, als ich? Das konnte doch gar nicht sein. „Hm? Geht’s wieder?“, fragte der Älteste den Kleinen, der langsam nickte und sich dann schließlich von dem Vampir lösen wollte. Mit großen Augen blickte er mich an, als Tofan ihn dann aber nicht loslassen wollte. Konnte es sein, dass er bei mir sein wollte? Ich wandte mich ab und legte mich wieder hin. Seinen traurigen Blick konnte ich mir einfach nicht antun. Das war ja selbst für mich herzzerreißend. Leise hörte ich ihn da aber auch schon winseln, doch scheinbar hatte in dem Moment der Ältere ihn auch schon losgelassen und jetzt spürte ich, wie das Bett leicht unter einem Gewicht einsank, dass sich zaghaft zu meinen Füßen hinbewegte. Dort spürte ich dann, wie sich etwas hinlegte. Vorsichtig sah ich hinunter und erblickte den jungen Werwolf, der es sich dort bequem machte. Irgendwie war er dann ja doch wieder recht süß. „Darf ich mich hier hinlegen, Meister?“, fragte da der Jüngere auch schon und blickte mich scheu an. Ich nickte nur langsam, spürte dann aber auch schon sein Gewicht auf meinen Beinen. Das war aber nicht so schlimm, da er auch nicht ganz so schwer war. Tofan machte es sich vorne am Feuer, das den Raum erhellte, bequem. Da wäre es mir eindeutig zu warm. Hier hinten war es schon nicht mehr gerade kühl, aber da vorne musste es doch dann schon eher eine unerträgliche Hitze sein. Mühsam versuchte ich es mir auch etwas gemütlicher zu machen. So weit das überhaupt möglich war. Trotzdem schlief ich irgendwann ein. Leider wurde es kein so angenehmer Schlaf, wie ich es mir erhofft hatte. Ich wurde irgendwann aus meiner wohl verdienten Ruhe gerissen, da mich jemand fast krampfhaft an sich drückte. Nur langsam wagte ich es, die Lider zu heben und konnte dann auch nur den jungen Werwolf erkennen, der da seine Arme um mich geschlungen hatte. Es störte mich auch irgendwie nicht. Vorsichtig schmiegte ich mich doch sogar an ihn. Er war jünger als ich, jedoch kam er mir viel reifer vor. San wusste, was es bedeutete, zu gehorchen und das tat er dann auch. Weiß Gott, was der für mich tun würde, wenn ich es ihm befehle. Ich konnte schließlich nicht mehr einschlafen und blickte mich langsam etwas um. Tofan war weg. Weit konnte er aber nicht gekommen sein, da es draußen taghell sein musste. Die Sonne würde ihn verglühen lassen. So schade wäre es aber um ihn wohl auch nicht. Vorsichtig begann ich den jungen Wolf hinterm Ohr zu kraulen, der sich dadurch ganz zaghaft von mir löste und mir dadurch wieder mehr Bewegungsfreiheit zu geben. Das nutzte ich dann auch gleich aus, um es mir bequemer zu machen. Nur hielt es nicht lange. San legte seinen Kopf auf meine Brust und schmiegte sich vorsichtig an mich. Mit der Zeit nervte es. Was bildete er sich eigentlich ein, weswegen er das machen dürfte? Am liebsten hätte ich ihn gleich aus dem Bett geworfen, aber dazu fehlte mir dann doch die Lust. Und Tofan – wenn er wieder aufkreuzte – würde sich nur aufregen. „Meister Luca“, flüsterte da auf einmal San, „störe ich Euch?“ Zuerst ließ ich nur ein Seufzen laut werden, bevor ich den Kopf schüttelte. So direkt wollte ich dann doch nicht sein und ihn jetzt sagen, dass er nervte. Das konnte nicht einmal ich. Und immerhin war San dann doch etwas zu nett zu mir. Es kümmerte ihn nicht, ob ich ihn angebrüllt hatte, getreten, geschlagen oder sonst irgendetwas. Immer wieder kam er lächelnd auf mich zu und jetzt kuschelte er sich sogar so sehr an mich. Sozusagen war er überhaupt nicht nachtragend. Vorsichtig glitt ich über das kurze Haar des Wolfes. Es war richtig weich, fast schon seidig. Und die Farbe erst. Fast golden. Ob wohl nur Werwölfe so schönes Haar haben konnten oder ging das bei Vampiren auch? „Gefällt es Euch, Meister?“ Ich nickte langsam, bevor ich murmelte: „Es ist wunderschön...“ Berührt hatte ich es eigentlich noch nie so richtig, da ich es gar nicht gewagt hatte San anzufassen. Es war mir einfach zu wider, einen Wolf zu berühren, aber bei ihm hatte es sich jetzt langsam geändert. „Meister Tofan sagt immer, jedes einzelne Haar, egal wo es liegt an meinem Körper, sei wunderschön und anbetungswürdig.“ Leise kicherte der junge Wolf. Er verstand wohl gar nicht, was er da überhaupt wiedergab. Aber ich konnte mir darunter schon etwas ausmalen. „Hat er dich schon mal nackt gesehen?“, fragte ich dann doch etwas unsicher und der Werwolf nickte sofort eifrig. Er wusste ja wirklich gar nichts. „Er hat mal zu mir gesagt, ich soll mich für ihn ausziehen... Irgendwas hat er dann zwischen seinen Beinen rumgefummelt und hat ganz komische Laute von sich gegeben... Aber das interessiert Euch sicherlich gar nicht...“ Unsicher blickte er sich um, während er das erzählte. Mir dagegen stieg gerade zu der Würgreiz hoch. Tofan hatte sich also beim Anblick des nackten Werwolfes einen runtergeholt. War ja auch eine schöne Vorstellung von ihm. Bei mir regte er sich auf, wenn ich San zu etwas ausnutzte, aber selbst tat er es auch. Und dann auch noch auf so eine widerwärtige Weise. „Versprich' mir, dass du das nie wieder für ihn tust!“, trug ich San auf und er versprach es auch sofort. Hoffentlich hielt er sich dann auch daran. Ich wollte nicht gerade erleben, dass Tofan ihm am Ende noch irgendetwas antat, dafür war der Jüngere dann doch zu schade. Mila's PoV Wir hatten wirklich Glück gehabt, dass uns der Bauer nicht erwischt hatte. Am nächsten Morgen war er nämlich nach oben auf den Heuboden, nur hatte Lana ihn früh genug gehört und mich ins Heu gedrückt, bevor sie selbst zu mir gekrochen war. Noch im letzten Moment. Eng an eng saßen wir nebeneinander unter dem getrockneten Gras und zu meinem Pech – Oder Glück? - lag Lana fast auf mir. Langsam bekam ich keine Luft mehr. Irgendwann ging sie dann aber endlich wieder von mir herunter und zog mich dann auch schließlich hoch. „Puh“, gab die Werwölfin von sich, „das war ja knapp.“ Kaum das sie aber ihren Satz beendet hatte, kicherte sie schon los. Das musste ja jetzt wirklich sehr witzig sein. Eingeschnappt wandte ich mich um. Wir würden noch den ganzen Tag hier festsitzen. Wegen mir. Draußen war es sicherlich noch taghell und die Sonne würde mich verbrennen. „Was wohl Jesko gerade macht?“, hörte ich da Lana sagen, sie hatte sich wieder ins Heu fallen lassen und streckte sich dort jetzt herzhaft. Mich würde auch interessieren, was Jemil gerade tat. Ob es ihm wohl gut ging mit seinem Wolf? Ich wusste ja nicht wirklich so genau, wie es sich mit diesen 'Tieren' lebte ließ. Zwar war ich jetzt schon eine ganze Weile mit Lana unterwegs, aber so recht konnte ich mich dann doch nicht an sie gewöhnen. Von Charakter her war sie ganz anders, als ich. Viel fröhlicher und sie dachte immer positiv. Es würde schon gut werden. „Ich will zu Jemil...“, murmelte ich, als ich mich neben die Wölfin setzte und mich an sie lehnte, da sie sich gerade wieder aufgesetzt hatte. Eigentlich wusste ich, dass es falsch war, jetzt noch so etwas zu wollen. Es war doch im Grunde klar, dass Jemil nie so dumm gewesen wäre und einfach mit einem Werwolf mitgegangen wäre, wenn er ihn nicht lieben würde oder ihm nicht zumindest vertraute. Vorsichtig strich Lana mir auf einmal über die Wange, da hörte ich sie aber auch schon leise schluchzen. Zaghaft blickte ich zu ihr auf und sah, wie sie wirklich weinte. So sehr vermisste sie Jesko? Langsam senkte ich wieder meinen Blick und versuchte ihre gequälten Laute zu überhören, doch es gelang mir nicht und irgendwann schlang ich doch die Arme um sie um sie zu beruhigen. Doch so recht wollte das gar nicht gelingen. „Vielleicht... vielleicht sollten wir umdrehen?“, meinte ich irgendwann und versuchte dabei so sicher wie möglich zu klingen. Dabei wollte ich doch auch so sehr zu Jemil und wusste trotzdem, was wir eigentlich dabei falsch machten. Die beiden – er und Jesko – liebten sich doch. Wir konnten sie gar nicht auseinander bringen. „Das würde doch nichts helfen... Besser ist es, wenn wir sehen, wie es ihnen wirklich geht. Dann können wir zurück!“ Langsam nickte ich als Erwiderung. Vielleicht sollten wir es wirklich so machen, auch wenn mir Zweifel kamen. Wenn sie wirklich glücklich sind – was sie eigentlich müssen –, dann würden wir es sehen. Wir, die doch so unglücklich darüber waren, dann sie gemeinsam weg sind, ohne an uns zu denken. Fürsorglich werden ------------------ Lost Angel – Die Flügel wachsen wieder Kapitel 13 – Fürsorglich werden Jemil's PoV Gerade hatte ich leise die Tür zu meinem eigenen kleinen Zimmer geöffnet, wo eigentlich Devin schlafen sollte. Doch der Vampir saß aufrecht im Bett an die Wand gelehnt. Auf seinem Schoß den Kopf des kleinen Hybriden, der noch friedlich schlief. „Ging wohl nicht?“, meinte ich ruhig, doch damit schreckte ich den Vampir hoch, scheinbar war er ganz in Gedanken versunken gewesen. Verwirrt blickte er mich an, als ob er im ersten Moment nicht wüsste, wer ich war und es ihm jetzt erst langsam bewusst war. Etwas unsicher begann er schließlich zu nicken. „Zumindest der Kleine konnte schlafen...“, murmelte er dann und sank fast wie in Zeitlupe zur Seite, nachdem er Felix etwas von sich herunter geschoben hatte. Jetzt begann aber auch erst die Zeit für ihn, in angenehme Träume versinken zu können. „Soll ich ihn mitnehmen?“, fragte ich und deutete mit einem Kopfnicken auf den Hybriden, der sich gerade wieder an den Älteren kuschelte. Sofort schüttelte dieser den Kopf und ich nickte darauf hin nur unsicher. Der Anblick der beiden war richtig ungewöhnlich, immerhin hatte ich auch Devin noch nie so gesehen. Sonst wirkte er nicht so fürsorglich, gerade gegenüber einem Wesen, wie Felix. Alles, was kein Vampir war, wurde eigentlich von ihm verabscheut, gerade zu gehasst. „Ich lass dich dann mal wieder in Ruhe.“ Nur ein leises Hm bekam ich zur Antwort, als ich die Tür wieder hinter mir zuzog. Es war ungewöhnlich, dass Felix noch nicht herum lief. Sonst war er um diese Zeit immer schon wach, deswegen war ich es auch. Irgendeiner musste ja auf ihn aufpassen, bevor er etwas anstellte und der werte Jesko war dazu häufig nicht in der Lage. Jetzt schlurfte ich alleine durch die Wohnung. Was sollte ich auch groß machen? Putzen vielleicht? Letzte Woche hatte ich mich da das letzte Mal rangewagt und ich fand es zum Kotzen und irre langweilig. Könnte ja dann mein werter Wolf wieder machen, denn irgendwie gefiel dem das wiederum. Zumindest dann etwas, mit dem er mich entlastete. Dafür aber hatte ich immer noch nichts zu tun. Also ließ ich mich im Wohnzimmer auf die Couch gleiten und gähnte herzhaft. Wieso freute ich mich eigentlich nicht, dass es noch so friedlich war? Weiß Gott was wäre, wenn mich und nicht Devin diese Werwölfe angegriffen hätten. Jesko wäre aus der Haut gefahren und hätte sie wohl oder übel zerlegt. In ihre werten Einzelteile. Ich hatte es doch erlebt, als ich dieser kleine Hund vor ein paar Wochen gebissen hatte, am liebsten hätte er den zerfetzt, wenn ich ihn nicht zurück gehalten hätte. Es war doch nur ein Hund. „Mama?“ Ich hob langsam den Kopf und entdeckte Felix in der Tür stehen. Leicht lächelte ich. Das ich auf dieses >Mama< überhaupt reagierte, ich als Mann. Hatte ich denn so wenig Stolz noch, dass ich mich ansprechen ließ, wie eine Frau. „Was ist denn?“, wollte ich wissen und klang wirklich ruhig und wahrscheinlich sogar etwas fürsorglich. Mehr und mehr hatte ich mir das von Jesko abgeschaut, da er auch immer so mit dem Kleinen redete. Mir dagegen war es eigentlich noch vor einiger Zeit richtig schwer gefallen, so überhaupt ein Wort von mir zu geben. Es lag wohl einfach nicht in meiner Natur nett mit Kindern zu reden, aber jetzt ging es doch. Der Hybride kam auf mich zu getapst und schlang seine kleinen Arme um meine Taille, bevor er antwortete. Es war nicht recht laut, aber für mich dennoch verständlich. „Wieso haben die das mit Onkel Devin gemacht? Er war doch sicher nicht böse zu ihnen. Onkel Devin ist doch so nett...“ Den Grund dafür musste ich auch nicht. Immerhin wusste ich doch auch nicht, wieso sich Vampire und Werwölfe wirklich so hassten. Mir wurde als Kind immer nur eingeredet, dass es einfach um das Vorrecht über die Nacht ging. So wurden von uns Blutsaugern Werwölfe gejagt, gefangen und als Sklaven gehalten oder getötet und sie gingen auf Meinesgleichen auch nur los und zerfetzten sie. Einmal hatte ich einen Vampir gesehen, der von einem Rudel Werwölfe angegriffen worden war. Nicht mehr wirklich viel war von ihm übrig. Damals war ich ja auch nur knapp mit dem Leben davon gekommen. „Ich weiß es nicht...“, murmelte ich und zog den Kleinen auf meinen Schoß. Sanft wiegte ich ihn hin und her, vielleicht würde er ja wieder einschlafen. Tadeln, dass er wieder ins Bett sollte, wollte ich heute nicht, immerhin lag doch in dem Bett, in das sich der Hybride verkriechen würde, immer noch Devin. Sicherlich würde er wieder zu dem gehen. Vorsichtig schmiegte sich der Kleine da aber an mich und als ich hinunter sah, bemerkte ich auch, dass er wieder eingeschlafen war. Ich gab ein leises Seufzen von mir. Manchmal war die Vorstellung, dass sich Felix so wohl bei mir fühlte, fast unwirklich. Ich konnte es kaum glauben und trotzdem war es so. „Du bist ja schon auf...“, hörte ich da auf einmal Jesko sagen, der sich auch schon im nächsten Moment streckte und herzhaft gähnte. Mir entfuhr ein Kichern, als ich sah, was er überhaupt noch anhatte. Wir waren gestern Nacht dann doch noch etwas in ein kleines Liebesspiel verfallen, das aber nur aus streicheln, kraulen und ein wenig massieren bestand. Von daher trug Jesko nur Shorts und irgendwie die auch falsch. Wo war er gerade nur mit seinen Gedanken gewesen, als er die wieder angezogen hatte. Ich schob Felix vorsichtig von mir herunter, ohne ihn zu wecken und stapfte dann auf den Werwolf zu, der mich noch etwas verschlafen ansah. Früh aufstehen war einfach nicht sein Ding und manchmal war es wirklich besser, wenn er einfach liegen blieb. „Zieh dich doch erst einmal anständig an“, murmelte ich und schob seine Boxershorts ein Stück nach unten. Verwirrt sah er mich schließlich an, bis er verstand. Gerade damit brauchte er gelegentlich etwas länger. Ungezügelt streifte er sich die Unterwäsche vom Leib und zog sie sich schließlich richtig herum an. Dadurch, dass sonst niemand, außer uns, wach war, viel es auch keinem auf und mich störte es ja so gar nicht. Vorsichtig küsste ich den Jüngeren, während ich eine Hand auf die Stelle zwischen seinen Beinen legte. Leise seufzte er, als ich wieder von ihm abließ, mich dann aber kurz auch noch mit seinen Lippen berührte. „Was gibt’s zum Frühstück?“, fragte da der Werwolf aber auf einmal. Ich hob nur leicht eine Augenbraue und blickte ihn mit einem Ausdruck an, der sagen wollte, ob er sich nicht einmal selbst etwas machen könnte. Doch da verzog Jesko sein Gesicht schon zu einem Schmollen, heute würde das nur nichts helfen. Ich würde mich nicht dazu herablassen, dass ich ihm etwas machte. Leider erfüllte da schon ein Magenknurren die Stille und das ging nicht von dem Jüngeren aus, sondern von mir. „Hm, da hat ja einer Hunger“, meinte er und strich über meinen Bauch. Leise summte ich vergnügt, da ich es mochte, wenn er mich da berührte. Es durchzuckte mich dann immer ein so angenehmes Kribbeln, das sich scheinbar bis in die Fingerspitzen ausbreitete, dann aber auch jedes Mal abrupt nachließ. Vorsichtig drückte ich mich etwas an den jungen Wolf, nur um etwas von seiner Wärme aufzusaugen, die ich so brauchte. Wie ich es doch immer genoss in seinen Armen liegen zu dürfen und leise seine Stimme zu hören, die mir überschwänglich sagte, wie sehr er mich liebte. Das brauchte ich auch immer wieder. Leider störte ein weiteres Magenknurren erneut die Stille. Leise begann Jesko zu kichern, als ich schon etwas verlegen wegsah. Sonst brauchte ich doch auch nichts zu Essen, mir reichte das Blut voll und ganz, aber jetzt änderte sich das wohl. Nur weil ich etwas gegessen hatte? „Lassen wir den Kleinen noch etwas schlafen und essen alleine in Ruhe“, flüsterte mir der Werwolf ins Ohr und zog mich hinter sich her. Immer wieder zeigte er mir so, was er für eine Kraft hatte. Viel mehr, als ich. Deswegen hatte ich es gestern auch gar nicht glauben können, als er mir auf dem Heimweg erzählte, dass diese Werwölfe sogar noch stärker waren, als er. Wie konnte das denn sein? Ich setzte mich in der Küche an den Tisch, während sich Jesko doch wirklich um unser Frühstück kümmerte. Allerlei Zeug, was er regelrecht vergötterte verteilte er feinsäuberlich vor mir. Etwas irritiert hob ich dann aber doch eine Augenbraue, als er sich mir gegenüber nieder ließ und sein Werk strahlend betrachtete. Keine einzige Blutkonserve war dabei, obwohl ich doch trotzdem noch etwas von dem roten Lebenssaft trinken musste. Ohne würde ich nicht überleben, egal wie viel ich essen würde. „Komm, fang an! Blut gibt's nachher!“, meinte da aber auch schon der junge Wolf, als ob er meine Gedanken gelesen hätte. Etwas unsicher fing ich dann auch an, mir etwas von dem Essen zu nehmen. Erst einmal nur ein wenig Obst, dabei wusste ich, dass mir alles andere auch nichts anhaben konnte. Aber ich hätte es mir eigentlich auch denken können, bevor ich es gestern versucht hatte. Dracula konnte immerhin auch alles essen, was er wollte. Zaghaft wagte ich es dann auch mir etwas von der Wurst zu nehmen, die Jesko so schön auf einem Teller aufgetischt hatte. Wirklich Mühe hatte er sich gegeben und dann nur für uns beide. Auch etwas, was ich an ihm liebte, weil er immer nur das Beste für mich wollte und sich dann so ins Zeug legte. Obwohl das ja jetzt nur eine Kleinigkeit war. Ich sank irgendwann fast schon erschöpft zurück. Essen war ja wirklich richtig anstrengend, beinahe zu sehr für mich. Da meinte ich aber schon, dass ich spüren würde, wie mein Körper anfing die Nahrung zu zersetzen. Eigentlich konnte ich mir das nur einbilden. „Du siehst ja ganz schön fertig aus...“, meinte Jesko auf einmal, als ich die Lider etwas senkte, um mich ein wenig mehr zu entspannen und mich auf das Gefühl in meinem Bauch konzentrieren zu können. Als Kind von ein paar Jahren war es mir das letzte Mal so gegangen. Als ich noch bei meiner geliebten Mutter war. Ein Seufzen verließ meine Kehle. Wie es ihr wohl ging? Und wo sie überhaupt war? Ich konnte niemanden fragen, da ich mich ja nicht einmal mehr an ihr Gesicht erinnerte. Nur manchmal im Traum meinte ich, ihre Stimme zu hören. Nur ganz leise. Aber wie war konnte das schon sein, es ging doch nur von meinem Unterbewusst sein aus. Vielleicht war diese Stimme, die ich hörte, ja einfach irgendeine Frau. Es musste nicht meine Mutter sein. „Was ist denn?“ Jesko beugte sich über den Tisch und strich mir vorsichtig über die Wange. Die Geborgenheit, die ich so sehr liebte, machte sich wieder in mir breit und ich konnte nur ein leises Keuchen von mir geben. „Ich hab nur an jemanden gedacht...“, murmelte ich und auf einmal klang es seltsam für meine Ohren. >an jemanden