Sternchensuppe von Berrii ================================================================================ Kapitel 28: leere Antworten --------------------------- Beim Anblick von Robins kleiner Wohnung fiel Laurin fast vom Glauben ab. Es war ein wirklich sehr sehr altes marodes Haus, an dem außen der ganze Putz abbröckelte und die roten Klinkersteine frei gab. Das Treppenhaus roch extrem modrig, ein Wasserproblem konnte nicht erst seit gestern der Fall sein. An verschiedenen Stellen schauten Kabelverbindungen aus den Wänden, die wie bunte Wollknäule aussahen. Zum Teufel nochmal, hatte man in diesem Haus überhaupt Strom? Geschweige denn Internet?! Die Wohnung an sich bestand nur aus einem kleinen Raum, indem ein kleines Sofa, ein Regal und ein Tisch mit zwei Stühlen stand. Obwohl es sauber war, sah man, wie angegriffen die Möbel waren. Das Bad war noch winziger und gab nicht mehr her, als ein Klo und eine winzige Nasszelle zum Duschen. Keine Küche, kein Kühlschrank, keine Waschmaschine und erst recht keine Heizung. „Oh man... Auf dem Sofa hast du geschlafen?“, fragte Laurin ungläubig und setzte kurz ein Knie drauf. Es war durchgelegen und hart. „Ich passe gut drauf.“ „Ich weiß ja das du klein bist, aber das ist doch auch für dich winzig. Und was isst du bitte? Und überhaupt, womit hättest du im Winter geheizt? Die Bude hat keine Heizung!“ „Gar nicht...“, antwortete der Kleinere beschämt. Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf: „Das man sowas überhaupt vermieten darf. Gib mir was zum Tragen und lass uns gehen.“ Robin besaß wirklich nicht viel. Er lebte klamottentechnisch aus einem Koffer, in den er in nur wenigen Minuten sämtlichen Kleinkram gestopft hatte, was er noch so besaß. In einen Karton stellte er alle seine Unterlagen und Bücher, zum Schluss legte er einen dunkelblauen Schlafsack darauf. „Das wars.“, gab er eingeschüchtert von sich. Laurin staunte noch immer. Wie konnte er nur mit so wenig leben? Er schüttelte den Gedanken ab, um mit Robin schleunigst das Bruchhaus zu verlassen. „Wir nehmen den Bus, damit sind wir schneller bei mir.“, entschied der Schwarzhaarige und führte den anderen zu einer Bushaltestelle. Bei Laurin angekommen, schloss dieser seine Wohnung auf und trug den Karton weiter in sein Wohnzimmer. Robin folgte ihm und sah sich dabei beeindruckt um: „Das kannst du dir leisten?“ „Ich hab vorher als Barkeeper gut verdient. Das ist jetzt zwar deutlich weniger, aber es reicht. Einige Nächte arbeite ich ja noch.“, erklärte er und zog seine Schuhe aus. Der Braunhaarige folgte seinem Beispiel und schlüpfte ebenfalls aus seinen. Er kam sich etwas verloren vor in der schön eingerichteten Wohnung seines Kommilitonen. Laurin schloss die Tür hinter ihm und schob ihn weiter ins Wohnzimmer: „Mach dich breit. Du kannst deine Sachen da in die Ecke stellen.“ Verlegen stellte der Kleinere seine Tasche ab und drehte sich zu Laurin: „Danke für deine Hilfe, ich hoffe ich bin dir keine Last. Ich werd so schnell wie möglich etwas Neues suchen.“ Der Schwarzhaarige stemmte leicht die rechte Hand an das Becken und legte den Kopf schief: „Sag mal, wie viel hast du an Miete gezahlt?“ Nun wurde sein Gast rot: „Ehm... Hundert Euro.“ „Und du hast noch die Studiengebühren, du musst dich von irgendwas ernähren und deine Wäsche irgendwo waschen... Von wie viel lebst du im Monat? Und wie willst du hier in Hamburg für so wenig Geld ein Zimmer finden?“ Beschämt sah Robin zu Boden: „Ich hab halt nicht die finanziellen Mittel.“ „Bafög?“ „Kann ich nicht beantragen.“ „Einen Job nebenher?“ „Geht auch nicht.“ Fragend hob Laurin eine Augenbraue: „Warum geht das nicht?“ „Weil es halt nicht geht!“, da kam wieder Robins abweisende Art durch. Er seufzte: „Es tut mir leid, ich such mir so schnell es geht was Neues.“ „Ach, mach den Kopf zu. Ich hab genug Platz für zwei.“, er legte dem Kleineren einen Arm um die Schulter und grinste. Dieser lief rot an und wandt schnell sein Gesicht ab, da er die Wärme in seinem Gesicht spürte: „Danke.“ Wie Laurin das so sah, machte sein Herz einen kurzen Aussetzer. Er weckte seinen Beschützerinstinkt in ihm, ein für Laurin längst vergessenes Gefühl. Schnell ließ er von Robin ab und deutete auf die Couch: „Sie ist ausziehbar und wirklich sehr gemütlich. Bettzeug hab ich auch da, du brauchst deinen Schlafsack also nicht. Waschmaschine steht im Bad, die Küche hat alles, was man so braucht.“ Der Kleinere nickte verstehend: „Okay.“ „Hunger?“ Robin schüttelte den Kopf, er wollte nicht noch mehr Last sein, als er eh schon war. Doch sein Magen knurrte und das nicht grade leise. „Lüg mich nicht an.“, befahl der Schwarzhaarige und ging in die Küche, „Ich koche jetzt.“ „Ich hol mir nachher was zu essen, du brauchst nicht für mich mitkochen.“, wies Robin ihn mal wieder ab. „Versuch es erst gar nicht.“, kam es ebenso abweisend von Laurin. Er stellte einen Topf mit Wasser auf den Herd und begann einige Dinge hervorzukramen. Am Abend saßen beide auf dem Sofa vor dem laufenden Fernseher. Laurin hatte sich einen Film eingeschmissen, während Robin in einem Buch einen Text bearbeitete. Neben dem so fleißig arbeitenden Braunhaarigen kam sich Laurin ein wenig dumm vor. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus und drückte bei dem Film auf Pause, um sich Robin zuzuwenden, der im Schneidersitz mit seinen Sachen auf den Schoss dasaß. „Sag mal, lernst du den ganzen Tag?“ Der Kleinere blickte durch seine schmale Brille zu ihm auf: „Ich kann es mir nicht leisten, irgendwelche Prüfungen nicht zu bestehen.“ „Wie war dein Schnitt vom Abi?“ „1,2.“, war seine knappe Antwort. Der Schwarzhaarige staunte: „Und du machst dir Sorgen, das du irgendeine Prüfung nicht schaffst? Das ist lachhaft!“ Robin schob seine Brille zurecht und strafte ihn mit einem missbilligenden Blick: „Das war auch harte Arbeit!“ „Irgendwie kann ich mir das bei dir schon fast nicht vorstellen... Du hörst etwas und hast es doch sofort drin, oder? Wenn ich da mich sehe... Ich muss mir das alles einprügeln.“ „Warum studierst du dann?“, harkte der andere nach. „Irgendwas muss ich ja machen. Ich kann ja nicht auf ewig Barkeeper bleiben. Und da ich auf Ausbildung erst recht keinen Bock hatte, hab ich mich für ein Studium entschieden.“ „Irgendwie ist das nicht grade logisch... Und Mathematik war auch nicht deine erste Wahl, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, oder?“ Laurin schüttelte den Kopf: „Ich kann Mathe zwar, aber ich mag es nicht sonderlich. Aber was soll man machen.“ Sein Gast schüttelte den Kopf: „Man sollte sich für das entscheiden, was einem liegt und Spaß macht.“ „Ach, das Ende ist das gleiche. Lehrer ist Lehrer.“ Nun entglitten seinem Gegenüber die Gesichtszüge: „Bitte was? Da gibt es himmelweite Unterschiede!“ „Du bringst irgendwelchen Gören was bei und fertig. Ich sehe da keinen Unterschied.“ Seufzend schüttelte Robin den Kopf, um sich dann wieder auf seine Arbeit zu konzentrieren. Neugierig beugte sich Laurin über ihn: „Was machst du da eigentlich?“ Sein Blick fiel auf den Text im Buch, in dem einige Stellen markiert waren. Ein weiterer Blick auf Robins Block zeigte, das dieser grade anscheinend eine Zusammenfassung mit praktischen Beispielen ausarbeitete. Der Größere hob eine Augenbraue: „Da sind wir doch noch lange nicht. Warum bearbeitest du das jetzt schon?“ Mit leichter Röte im Gesicht zog sich Robin ein bisschen zurück, die Nähe vom anderen machte ihn nervös. Doch da das Sofa begrenzt war und er nun direkt an der Seitenlehne saß, konnte er kein weiteres Stück zurückweichen. Laurin grinste innerlich und rückte einfach nach, während er den Blick des anderen suchte. „Mach ich dich nervös?“ „Du störst, das ist alles.“, gab der Kleinere säuerlich von sich, doch die Farbe in seinem Gesicht nahm zu. „Sag mal, hattest du eigentlich schon mal einen Freund?“ Nun leuchtete er und antwortete beschämt: „Das geht dich doch nichts an! Und wie kommst du da überhaupt drauf?!“ „Weil du so unglaublich schnell rot anläufst. Ein Wunder, das du nicht noch stotterst. Man könnte meinen, du wärst noch Jungfrau...“ Peinlich berührt, aber nicht um eine Antwort verlegen, schoss Robin zurück: „Du bist einfach nur aufdringlich, das warst du schon bei unserer ersten Begegnung.“ „Ich rede halt gerne über Sex und solche Dinge.“ Robins Röte hatte sich mittlerweile komplett über seine Ohren und seinen Hals ausgebreitet. Selbst durch den Haaransatz schimmerte es durch. „Ich glaube, du hast es einfach wieder nötig. Aber dann such dir woanders einen Spielpartner!“, entgegnete der Braunhaarige zickig und schaute wieder in sein Buch, um sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. „Man könnte meinen du hättest deine Tage.“, schmunzelnd lehnte sich Laurin wieder zurück, „Aber vielleicht ist es ja doch nur deine Jungfräulichkeit.“ Puterrot lugte Robin über seine Brille. „Ich bin keine Jungfrau mehr und jetzt lass mich in Ruhe!“, platzte ihm der Kragen. Innerlich um Würde kämpfend starrte er wieder auf seinen Text, doch fand er seine Zeile nicht mehr, in der er sich davor befand. Fasziniert sah der Größere ihm zu: „Erzähl doch mal, wie hast du sie verloren? Mit Mann oder Frau?“ Kurz schloss der Kleinere die Augen und atmete durch: „Lou... Ich bin dir wirklich dankbar, das ich bei dir schlafen kann, aber hör auf in meinem Privatleben zu bohren.“ „Ach komm schon du Spielverderber... Ist doch nichts dabei. Ich kann dir auch im Gegenzug von meinem ersten Mal erzählen.“ „Nein danke, kein Interesse!“, noch immer suchte er seine Zeile. Schließlich gab er es auf und knallte das Buch zu: „Toll...“ Grinsend piekste Laurin in die Seite: „Schau nicht so grimmig. Es ist doch nichts dabei, sich mit einem Freund über sowas zu unterhalten.“ „Freund?“ Als Robin das so leicht verwirrt wiederholte, sah Laurin ihn leicht empört an: „Ja natürlich? Meinst du ich lasse jeden einfach so bei mir schlafen?“ „Ehm... Du kennst mich doch gar nicht.“ „Ich weiß wie du heißt und was du studierst. Und im Moment auch, wo du wohnst und sogar schläfst.“ Der Kleinere schwieg für einen Moment und fixierte seinen Blick auf seine überkreuzten Beine: „Naja, aber Freunde?“ „Freundschaft fängt doch immer klein an. Du könntest ja aufhören, so verbohrt zu sein und mal etwas über dich erzählen. Woher kommst du eigentlich?“ Robin hob den Blick und schaute in seine blaugrauen Augen. Er schien einen Moment zu überlegen, was er sagen wollte, bevor er das Wort ergriff: „Ich komme von überall her. Bin ziemlich oft umgezogen.“ „Das ist doch keine richtige Antwort. Sag schon, wo warst du überall?“ Der Braunhaarige seufzte kurz: „Zum Beispiel in Freiburg. Und in der Eifel. An der Nordsee. In Dresden. Zu viele Orte.“ „Warum bist du so oft umgezogen?“ „Familiär bedingt. Wir sind ständig umgezogen.“ Laurin verdrehte die Augen: „Deine Antworten sind nichts Halbes und nichts Ganzes.“ „Es ist doch auch vollkommen egal, woher ich komme. Ich bin jetzt halt hier und fertig.“, mürrisch verschränkte er die Arme und lehnte sich leicht zurück. Der andere nickte: „Wenn du meinst.“ Laurins Handy klingelte und vibrierte auf dem Wohnzimmertisch vor sich hin. Ein Blick darauf verriet ihm, das es sein Chef war. „Was will der denn...“, er nahm sein Telefon und nahm das Gespräch entgegen, „Ja?“ Robin schaute unterdessen zu, wie sein Gastgeber sich vorbeugte und die Ellenbogen auf die Knie setzte, während er zu Boden schaute und mit dem Gegenüber sprach. „Muss das sein? Ich hatte heute einen langen Tag, die ganze Schicht schaffe ich nicht.“ Sein Schlaf war ihm heilig, auch wenn sein Chef ihm grade die Ohren volljammerte, das der neue Barkeeper unfähig war und dringend eine vernünftige Einarbeitung seitens Laurin brauchte. „Ich komme, aber nur für zwei Stunden. Den Rest muss der Neue selbst geschissen kriegen.“, er legte auf und erhob sich. Der Kleinere sah fragend zu ihm hoch. „Mein Chef glaubt das gleich die Welt untergeht, wenn ich nicht sofort mit meinem weißen Schimmel zur Rettung eile.“ „Das klingt dramatisch.“, mit seinem Kommentar hatte er Robin ein Grinsen entlockt. „Wie wärs, möchtest du mit? Du musst auch nichts bezahlen.“, schlug Laurin vor. Robins Lächeln erstarb und Unsicherheit machte sich auf seinem Gesicht breit: „Ich weiß nicht... Ich mag sowas nicht wirklich. Ist es dir unangenehm, wenn ich hier alleine zurück bleibe?“ „Nein, schon okay. Aber vielleicht würde dir ein Drink ganz gut tun.“, keck streckte der Schwarzhaarige ihm die Zunge raus und zwinkerte. Beschämt wandte Robin den Blick ab: „Nein danke, ich bleibe lieber hier und lerne.“ „Wenn du meinst.“, lachte Laurin und schmunzelte innerlich. Robin gefiel ihm immer besser. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)