Definition: Kaiba-Christmas von mystique (Merry Christmas, I could care less ∼ KaibaxWheeler) ================================================================================ Kapitel 1: And I'm of good cheer Cause I've been checking my list ----------------------------------------------------------------- Titel: „Merry Christmas“ - I could care less Rating: PG (2x ein böses Wort) Characters: Kaiba, Wheeler Warnung und Disclaimer: Nix meins und Weihnachten steht hier unter Beobachtung und Analyse. Weihnachten mit Seto Kaiba ist so romantisch, wie ein Besuch beim Finanzamt. Nur das dort die spärliche Dekoration (ja sogar der Kaffeeautomat) mehr Weihnachtsstimmung verbreitet als Kaibas ganzes Imperium zusammen. Er verzichtet auf Weihnachtsschmuck. Er verzichtet. In seiner ganzen Firma gibt es nirgendwo auch nur den kleinsten Streifen Lametta, Mistelzweige sind ein unausgesprochenes Tabu und Weihnachtsmusik ... nun ja, keiner seiner Angestellten ist dumm genug, herausfinden zu wollen, wie Kaiba auf Last Christmas reagiert. Kaiba schreibt auch in der Vorweihnachtszeit Kündigungen. Er ist eiskalt, endet aber wenigstens nicht mit der Floskel Mit freundlichen Grüßen. Das wäre nicht nur absolut unverschämt, sondern auch unheimlich. Er schreckt auch nicht davor zurück, den Weihnachtsurlaub zu kürzen. Wenn die Umsätze der KC nicht den Stand erreichen, den er erwartet, dann kaboom! - mal eben drei Tage weniger Urlaub in diesem Jahr. Viele seiner Angestellten dürften an dieser Art der Firmenleitung bereits verzweifelt sein. Kaiba kauft auch keine Geschenke. Er lässt sie kaufen. Von Roland, versteht sich. Kaiba ist pragmatisch, Roland darf sich dabei gleich sein eigenes Geschenk aussuchen. Kaiba lebt also über Weihnachten nicht nur in seiner eigenen Welt, er schafft sich ein eigenes, steriles Universum. Ohne Hektik, Vorfreude, Nächstenliebe - ohne Weihnachten. Die Räume der hauseigenen Villa werden zwar auf Mokubas Geheiß geschmückt, doch Kaibas Privaträume bleiben von Weihnachten unberührt. Es ist genauso wie mit seiner Firma. Keine Weihnachtsmusik, kein Weihnachtsschmuck, nicht einmal Weihnachtsgeruch wagt sich bis in diese Räume vor. Kaiba würde Weihnachten ignorieren, wenn Mokuba nicht das Gegengewicht zu diesem Boikott darstellen und ihn mit aller weihnachtlichen Fürsorge und Liebe dazu zwingen würde. Mit Blick auf all die aufgeführten Fakten und Tatsachen komme ich zu dem Schluss, dass Seto Kaiba ein versnobter Weihnachtsverweigerer ist, der keine Ahnung davon hat, was er verpasst, geschweige denn, wie man andernfalls überhaupt richtig feiern würde. Case Closed. Ich weiß, dass er zu Ende gelesen hat, da seine Augen sich nicht mehr über das Papier bewegen. Sie hängen an den letzten Worten. Er wirkt, als wüsste er nicht sofort, was er sagen soll. Sein Mund ist ein schmaler Strich inmitten seines Gesichts, ein Muskel seiner Wange zuckt kurz. Dann sieht er mich an. „Und das hast du wortwörtlich so abgegeben?“ Natürlich war das, was Kaiba da in Händen hielt nicht alles. Es war bloß ein Auszug, aber er war mein Liebster. Ich erwidere den Blick und klopfe mir triumphierend auf die stolz geschwellte Brust. „Aber sicher doch. Du hättest seinen Blick sehen sollen, als er das Thema gelesen hat. Ich dachte, ganz ehrlich gesagt, er würde jeden Moment die Fassung verlieren.“ Für einen Augenblick sehe ich kleine Falten auf Kaibas Stirn. „Du hast Boykott falsch geschrieben.“ Ich knurre. „Das ist doch egal!“ Wen kümmert meine Rechtschreibung?! Der Inhalt bringt’s! Ich will ihn eigentlich nicht fragen, doch letzten Endes habe ich es ihm doch nur aus diesem Grund gegeben. „Und? Was sagst du?“ Sein Blick liegt stechend auf mir, ich sehe jedoch, dass seine Mundwinkel verräterisch zucken. „Wheeler“, er macht eine bedeutungsschwere Pause, die mich wohl einschüchtern soll, „auch wenn ich zugeben muss, dass dein hier bewiesener Wortschatz meine Erwartung in gewissem Sinne übertrifft, zeugt der Inhalt doch von -“ „Einmaliger Menschenkenntnis und der Fähigkeit, es auf den Punkt zu bringen“, stelle ich klar, bevor er den Text verreißen kann. Er setzt bereits an, um mir zu widersprechen, resigniert dann jedoch und verdreht stattdessen die Augen. „Natürlich Wheeler. Red dir das nur weiter ein.“ Sekundenlang starren wir uns an, dann beginne ich bescheuert zu grinsen. Kaiba hat mir nicht widersprochen. Er hat mir nicht widersprochen. Ein klarer Sieg auf ganzer Linie. Ich schlinge die Arme um ihn und ziehe ihn zu mir. Er gibt einen genervten Laut von sich, den ich ignoriere. „Gib es zu, Kaiba, jeder weiß es: Du bist ein Weihnachtsmuffel.“ Er schnaubt. „Das ist sicher nicht einmal eine zulässige, geschweige denn richtige Bezeichnung.“ „Mir doch egal.“ „Wheeler, du bist penetrant nervig.“ Immer besteht er auf das letzte Wort ... Weihnachten mit Kaiba ist anstrengend und unromantisch. Er ist beleidigend, provozierend und so gut wie immer der reinste Arsch. Doch dieses Jahr - dieses Weihnachten - habe ich unabänderlich dafür gesorgt, dass er mich so schnell nicht vergessen wird, damit ich so lange wie möglich nicht aus dem komplizierten Leben dieses Arsches verbannt werden kann. Zum Glück war ich noch nie der Typ für Romantik. ✦ Don't come home for Christmas You're the last thing I wanna see Underneath the tree Merry Christmas, I could care less ✦ (Fall Out Boy - Yule Shoot Your Eye Out) Kapitel 2: I Saw Ni-san Kissing Santa Claus ------------------------------------------- Vorwort(e): Frohe Weihnachten für alle, auch wenn Mexx diesen One Shot erst einen Tag später hochladen sollte. Das ist dann wohl der alljährliche Fanficstau X3 Titel: I Saw Ni-san Kissing Santa Claus Rating: PG Characters: Kaiba, Wheeler, Mokuba, Roland Warnung und Disclaimer: Leider noch immer nix mir. Auch Lyrics nix mir. Seto Kaiba hoffte, es handelte sich nur um eine rebellische Phase Mokubas, ausgelöst durch seine voranschreitende Pubertät. Eine Auflehnung gegen das, was Seto ihm zu vermitteln versuchte, jedoch ohne subversive Hintergedanken. Er hoffte es inständig. Wenn dem nämlich nicht so wäre, dann hatte Mokuba es darauf abgesehen, ihn systematisch zu Grunde zu richten. Und das konnte er nicht gebrauchen, wo doch in genau vier Tagen die jüngste Tochterfirma der Kaiba Corporation in Großbritannien eröffnet würde und noch so viele Vorbereitungen – einschließlich ihrer eigenen Einreise - getroffen werden mussten. Mokuba hatte nie Weihnachten gefeiert. In Japan war dieser Brauch nicht so verbreitet wie im Rest der Welt, doch in den letzten Jahren hatte Weihnachten sich immer mehr etabliert. Seto erinnerte sich, dass Mokuba im Weisenhaus kleine Geschenke zum Geburtstag bekommen hatte, die – nachdem Gozaburo sie adoptiert hatte – schlagartig dem hundertfachen Wert entsprachen, doch Mokuba hatte sich nie darum gekümmert. Ihm war es nie auf die Geschenke angekommen, es sei denn, sie kamen von seinem Bruder. Nachdem Gozaburo nicht mehr lebte und Seto die Firma übernommen hatte, hatte Mokuba in jedem Jahr an seinem Geburtstag volle Entscheidungsfreiheit bekommen – über den Tagesablauf und die Geschenke. Weihnachten war nie ein Thema gewesen. Bis zu diesem Jahr. Bei einem Besuch der Kaiba Corporation in den Vereinigten Staaten vor zwei Wochen, in denen sie mit einem Taxi durch New York gefahren waren, hatte Mokuba offenbar angesichts der zahlreichen Weihnachtsbeleuchtung einen nervlichen Schock erlitten, der in ihm den unbändigen Wunsch hervorrief, das Fest der Liebe nicht dort zu lassen, wo es ursprünglich herkam, sondern es gemeinsam mit ihrem Gepäck beim Heimflug im familiären Privatjet nach Japan mitzunehmen. Keinen Tag nach ihrer Ankunft hatte Seto auf seinem Tisch im Arbeitszimmer einen fein säuberlich geschriebenen Zettel mit Weihnachtswünschen gefunden. Wenn es dabei geblieben wäre, hätte er damit leben können. Er hätte Mokuba sämtliche Wünsche erfüllt oder genauer: Roland jedes auf der Liste stehende Geschenk kaufen lassen. Doch Mokuba wünschte sich keine Geschenke. Oder zumindest keine Geschenke im klassischen Sinn. Mokuba wünschte sich Weihnachten. Und zwar mit allem, was dazu gehörte. Beim Überfliegen des Zettels hatte Seto das gleiche Gefühl gehabt, als würde er auf der Anzeigetafel der Wall Street die Aktienwerte der Kaiba Corporation live beim freien Fall beobachten, und am Ende der Liste angelangt hatte sein Griff um die Tischkante sich verdreifacht und die Bereitschaft seiner Beine, ihn weiter zu halten, war auf ein zehntel des ursprünglichen Wertes gefallen. Angefangen hatte es mit der Weihnachtsdekoration. Seto hatte angenommen, Mokuba würde sich mit einem Weihnachtsbaum und etwas Lametta begnügen, doch als er am 20. Dezember um 22.27 Uhr mit der Limousine die Einganstore zum Anwesen passierte, betrat er eine Kirmes. Den Kiesweg zur Villa säumten am Boden liegende, blinkende Lichterketten und als Seto Kaiba die Limousine verließ und ausstieg, wünschte er sich, er hätte es nicht getan. Geblendet von eine Unsumme an Volt schloss er die Augen und fragte sich einen Moment lang, ob er Mokuba davon überzeugen könnte, dass Lichterketten schädlich für die Gesundheit seien, sodass sein kleiner Bruder sich bereit erklären würde, auf sie zu verzichten. Es war eine närrische Hoffnung. Die Villa erstrahlt durch eine Anzahl von Lichterketten, die jeden Mathematikprofessor auf der Suche dem Maximalpotential des menschlichen Zählvermögens in den Wahnsinn getrieben hätte. Die Umrisse diverser Weihnachtsmänner zeichneten sich inmitten des Lichts auf sämtlichen Dächern der Villa ab und es wirkte mehr, als würde dort oben ein Krieg der korpulenten Männer stattfinden, denn weihnachtlicher Friede. Die Figuren des Weißen Drachens mit eiskaltem Blick, welche den Eingangsbereich flankierten, waren durch Lametta, Weihnachtskugeln und Mützen erniedrigt worden und Seto litt mit den bemitleidenswerten Kreaturen. Er betrat rasch die Villa, um es nicht länger mit ansehen zu müssen. Er hätte es nicht tun sollen. Die Eingangshalle glich einer direkten Kopie aus jeder noch so kitschigen Interpretation vom Haus des Weihnachtsmannes. Nur, dass es in der Realität noch schlimmer war als in jedem Film. Seto, überkommen von einer plötzlichen Kopfschmerzwelle, erklomm nur mit Mühe die Treppenstufen in den ersten Stock und schaffte den Weg in sein Schlafzimmer in einem Zustand der absoluten Apathie, bevor die Tür sich hinter ihm schloss und er sich im letzten weihnachtsfreien Raum des Hauses verbarrikadierte. Die folgenden zwölf Stunden sah ihn kein Mitglied des Hauses. Doch Mokubas Liste endete nicht mit der Dekoration. Sie war erst der Vorgeschmack auf den Weihnachtsgeist, der in der Kaibavilla einkehren sollte. Nachdem Seto genau zwei Stunden, dreizehn Minuten und siebenundvierzig Sekunden gebraucht hatte, um sich mit dem Gedanken abzufinden, dass seine Villa zumindest für die Tage bis Silvester zum Wirklichkeit gewordenen Haus des Weihnachtsmannes umfunktioniert würde, und dass er sich innerhalb dieser Zeit von jeglichem Besitzanspruch würde distanzieren müssen, um nicht mit alldem in Verbindung gebracht zu werden, stellte er fest, dass die Veränderung um ihn herum nicht nur oberflächlich war. Sie steckte in jeder Ecke der Villa. Angestellte verstrahlten einen nie gekannten Frohsinn, Gelächter hallte durch die Flure des Hauses und der Geruch von Plätzchen erfüllte die Luft. Es war die Hölle. Es fiel ihm zunehmend schwer, sich innerhalb der Villa auf die Arbeit zu konzentrieren. Weihnachtslieder schallten durch die geschlossenen Türen seines Zimmers und Seto Kaiba beschloss, dass Weihnachten und Arbeit sich nicht vertrugen. Er verließ die Villa nun öfter als ohnehin schon und verbrachte mehr Zeit in der Firma. Das einzig positive an Weihnachten war die Auswirkung, die es auf die Verkaufszahlen hatte. Die Konsumfreude der Japaner war um diese Zeit des Jahres noch größer als sonst. Zwei Tage schaffte Seto es, diesen Vorsatz umzusetzen, dann kam er zu einem plötzlichen Stillstand. Denn Mokuba gab sich damit nicht zufrieden. Mokuba hatte sich ein Weihnachtshaus geschaffen, hatte den Weihnachtsgeist in die Villa geholt und dort einquartiert, hatte einen Weihnachtsbaum geschmückt und allen Angestellten für die Feiertage freigegeben (Roland war nur unter Androhung einer Kündigung bereit gewesen, sich Urlaub zu nehmen), doch das war bei Weitem nicht alles. Es stand noch etwas auf seiner Liste. Mokuba wollte Weihnachten und er hatte alles arrangiert, was ihm ein Weihnachtsfest garantieren würde, doch etwas fehlte: Der Weihnachtsmann. Mokuba wünschte sich den Weihnachtsmann. Genauso gut hätte er sich einen Papierkorb mit verstellbarer Höhe wünschen können. Seto fand, dass es auf das gleiche hinaus gekommen wäre. Nur, dass der Mülleimer zumindest noch einen Zweck erfüllte. Er lehnte sich auf seinem Bürostuhl zurück. Vielleicht hätte er Mokuba darüber aufklären sollen, dass der Weihnachtsmann nur die kommerzielle Idee eines amerikanischen Großunternehmens war, um das Weihnachtsgeschäft zu verbessern. Andererseits hatte er das Glänzen in Mokubas Augen, als er von dem Weihnachtsmann gesprochen hatte, deutlich sehen können. Es im Nachhinein als Einbildung abzutun, wäre seinem kleinen Bruder gegenüber mehr als nur unfair. Er drückte auf den Knopf der Sprechanlage seines Telefons. „Sagen Sie alle weiteren Termine heute ab.“ „Chef“, erklang die Stimme seiner Sekretärin und Seto hätte schwören können, dass sie belustigt klang, „heute ist Weihnachten. Sie haben keine Termine. Gehen Sie nach Hause zu ihrem Bruder.“ Weihnachten? Er warf einen prüfenden Blick auf den Kalender in seinem Computer, glich ihn anschließend mit den in seinem Mobiltelefon ab und kam zu der erschreckenden Erkenntnis: Es war Weihnachten. „Nehmen Sie sich den Rest des Tages frei“, sagte er zu der Frau am anderen Ende, die nur eine Tür von ihm entfernt war. Sie bedankte sich und Seto vernahm hinter der Tür seines Büros Geräusche von jemandem, der ging. Er fluchte leise. Er hatte noch keinen Weihnachtsmann. Mokuba brauchte einen Weihnachtsmann. Wo bekam er um 17.34 Uhr an Weihnachten einen freien Weihnachtsmann her? Er suchte im Internet nach Adressen, doch er wurde nicht fündig. Schließlich, als ihm die Zeit davonzurennen schien, griff er nach dem Telefon und wählte die Nummer der Vermittlung. „Geben Sie mir die Nummer von einer Agentur, die Arbeitskräfte vermietet.“ „Ich fürchte, heute hat um diese Uhrzeit keine Agentur mehr geöffnet“, informierte ihn die Frau der Vermittlung. Seto tippte ungeduldig mit den Fingern auf seinen Glastisch, unterbrach schließlich – von sich selbst genervt – diese Handlung und begann stattdessen, einen Kugelschreiber zwischen seinen Fingern hin und her zu drehen. Es entspannte ihn nicht im Mindesten. „Es muss doch noch eine Agentur geöffnet haben.“ Waren denn alle von Weihnachten infiziert?! „Es tut mir leid, aber da heute Weihnachten ist, haben sie alle früher –“ „Wir sind hier in Japan“, fuhr Seto scharf dazwischen. „Auch meine Firma hat heute regulär geöffnet.“ „Ich kann Ihnen nur sagen, wie außerordentlich leid es mir tut, aber ....“ Er hörte ihren Entschuldigungsreden gar nicht mehr zu. Er spürte bereits eine sich nähernde neue Migräne und empfand keine Sympathie für die Angestellte, die redete und redete. „Dann verbinden sie mich mit dem nächsten Geschäft, das noch geöffnet hat“, sagte er schließlich und ärgerte sich darüber, wie deutlich ihm seine Ungeduld anzuhören war. „Welche Spezialisierung soll dieses Geschäft haben?“ „Ist mir egal. Verbinden Sie mich einfach weiter.“ „Meinen Sie das Ernst?“ „Ja.“ „Wie Sie wünschen. Danke, dass Sie unsere Vermittlung gewählt haben.“ Fürchterliche Weihnachtsmusik erklang aus dem Telefon und Seto verzog unweigerlich das Gesicht. Man wurde auch von nichts verschont. Nach qualvollen Sekunden wurde der Gesang unterbrochen und eine Männerstimme meldete sich, nannte den Namen einer Autowerkstatt. Seto massierte sich mit einer Hand die Schläfe. Warum hatte Sie ihn nicht gleich mit dem städtischen Mülldienst verbunden? „Was kann ich für Sie tun?“ Es war kurz vor sechs und wahrscheinlich hatte kaum ein anderes Geschäft heute um diese Uhrzeit noch geöffnet. Ihm blieb keine Wahl. „Hier spricht Seto Kaiba und ich zahle Ihnen den vierfachen Preis, wenn Sie einen Ihrer Angestellten vermieten.“ „Wofür?“ Wofür? Er hatte nicht vor, einen Mechaniker für Sex zu mieten. Was dachte der Mann denn? „Ich brauche jemanden für einen Botengang. Schicken Sie ihn zum nächsten Kostümverleih, damit er sich dort ein Weihnachtsmannkostüm ausleiht, dass dort bereits bezahlt und für ihn zurückgelegt wurde. Dann soll er zu meinem Anwesen kommen, wo er bereits erwartet wird. Der ganze Job dauert vielleicht eine, höchstens zwei Stunden, aber er wird den vierfachen Stundenlohn bekommen. Zuzüglich eines Zuschlags, wenn er die Sache gut macht.“ Der Mann am anderen Ende schwieg einen Moment. „Seto Kaiba, sagten Sie?“ Seto atmete leise aus. Na bitte. oOo Mokuba hatte die vergangene Nacht kein Auge zugetan. Immer wieder war er aufgeschreckt aus Träumen, in denen er dem Weihnachtsmann begegnet war oder mit ihm auf seinem Schlitten gefahren war. Ob Seto ihm ein Rehntier zu Weihnachten schenken würde, wenn er lieb fragte? Bereits seit einer Stunde saß er im geräumigen Wohnzimmer der Villa im Erdgeschoss, blickte sehnsüchtig in den Himmel und hoffte, dass es doch vielleicht zu schneien beginnen würde. Aber die Nacht war klar und keine Wolke war am Himmel zu erkennen. Dass es sich jetzt zuziehen und Schnee fallen würde, war so gut wie unmöglich. Soviel zum perfekten Weihnachtsfest. Dazu gehörte Schnee. Und ein Weihnachtsmann. Mokuba drehte den Kopf und blickte zum anderen Ende des Raumes. Aber was brachten Schnee und ein Weihnachtsmann, wenn Seto noch nicht da war? Weihnachten stand auch für Familie. Und ohne Seto war es für Mokuba kein Weihnachten. Er sah auf die Uhr und drehte sich gelangweilt auf den Rücken. Warten war doch immer am langweiligsten. Als er das Geräusch von Reifen auf Kies vernahm, setzte er sich kerzengerade auf und begann breit zu lächeln. Er musste wie ein Idiot aussehen, aber das war ihm egal. Seto hatte in den vergangenen Tagen bis weit nach Mitternacht gearbeitet und dass er heute so früh kam, hieß, dass er es nicht vergessen hatte! Die Tür der Villa wurde aufgeschlossen und Mokuba konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, aufzuspringen und seinem großen Bruder entgegen zu laufen. „Mokuba?“ „Im Wohnzimmer“, antwortete er freudig. Die Tür wurde geöffnet und Seto trat herein. Mokuba ließ die Beine von der Sofalehne baumeln. Außer dem beleuchteten Weihnachtsbaum war kein Licht in dem Zimmer. Mokuba konnte lediglich die Umrisse seines Bruders erkennen. „Wo ist Roland?“, fragte Seto, der seinen treuesten Angestellten bereits den ganzen Tag vermisst haben musste. „Ich habe ihn mir heute ausgeliehen“, erklärte Mokuba verlegen. „Es gab noch so viel zu erledigen. Im Moment ist er in der Küche und überwacht die Zubereitung des Weihnachtsessens.“ „Ah.“ Dass Seto nichts weiter sagte, bedeutete, dass es ihn nicht störte. Oder er wusste es gut zu verbergen. Beides war Mokuba recht. „Jetzt, wo du da bist, können wir ja essen. Ich habe mich schon vor Wochen schlau gemacht und ich bin sicher, ich hab das beste Weihnachtsmenü zusammengestellt, das man kreieren kann!“ Vielleicht bildete er es sich nur ein, aber er meinte, ein Lächeln auf den Lippen seines Bruders zu sehen. „Tatschlich?“ „Auf jeden Fall!“ Er sprang auf, griff nach Setos Hand und zog ihn in das angrenzende Esszimmer, welches schon für das Essen hergerichtet war. In der nächsten Stunde bewies er seinem großen Bruder, dass es nirgendwo anders als bei ihnen das beste Weihnachtsessen gab, das jemals zubereitet wurde. Dass Seto ihm, während er pausenlos redete und kaum selbst zum Essen kam, die ganze Zeit über zuhörte und nicht widersprach war für ihn Bestätigung genug. Die Standuhr im Zimmer schlug acht und das Essen war urplötzlich Nebensache. Mokuba starrte zur Wohnzimmertür, als läge dahinter der Schlüssel zu der wertvollsten Sache der Welt und seinem Bruder entging der Blick nicht. Er legte seine Serviette beiseite und sagte: „Wie wäre es, wenn du jetzt nach oben gehst?“ Mokuba sah seinen Bruder enttäuscht an. „Jetzt schon? Aber es ist doch noch so früh!“ Seto erhob sich. „Du hast auf Weihnachten bestanden und es gehört dazu. Mach dich fertig Mokuba, in einer Stunde möchte ich dich im Bett sehen.“ „Unfair“, murmelte Mokuba und trottete enttäuscht zur Tür. Als er sie hinter sich schloss, fiel schlagartig alle Enttäuschung von ihm ab und wurde durch Neugierde ersetzt. Seto schien seine Schauspielerei geglaubt zu haben und dachte, er wäre auf dem Weg nach oben. Mokuba presste ein Ohr an die Tür und lauschte. Im Esszimmer wurde das Essen abgeräumt und er hörte gedämpfte Stimmen. Dann war Rolands Stimme mit einem mal dabei und Mokuba hörte seinen Bruder sagen: „Informieren Sie mich, wenn er eintrifft.“ Mokubas Herzschlag beschleunigte sich und er rannte so leise er konnte zur Treppe und in den ersten Stock hinauf. Als er die oberste Stufe hinter sich gebracht hatte, hörte er, wie die Tür des Esszimmers sich öffnete. Mit wild klopfendem Herzen eilte er zu seinem Zimmer und schloss lautlos die Tür hinter sich. Die folgende Stunde verbrachte er voller Aufregung und Vorfreude. Er wusste, dass andere dreizehnjährige Jungen angesichts von Weihnachten nicht mit derartiger Aufregung reagierten wie er oder noch an den Weihnachtsmann glaubten, aber es war Mokubas erstes Weihnachten und auch wenn er wusste, dass der Weihnachtsmann nicht echt war, so fühlte es sich doch an, als wäre er es. Und dieses Gefühl war unbeschreiblich! Sein Herz schlug die ganze Zeit aufgeregt in seiner Brust, außerdem hatte er mehrere Anläufe gebraucht, um seinen Pyjama ordentlich anzuziehen und als Seto ihm um neun Uhr gute Nacht sagte, protestierte er nicht mal, weil er eine ganze Stunde früher als sonst ins Bett musste. Als die Tür sich hinter seinem Bruder schloss und lediglich Licht durch den Spalt unter der Tür in das Zimmer fiel, war an Schlafen nicht zu denken. Mokuba schlug die Decke zurück und begann, unruhig in seinem Zimmer auf und ab zu laufen, auf das kleinste Geräusch im Haus wartend, das ungewohnt war. Nach einer Ewigkeit, wie es schien, hörte er ein sich näherndes Fahrzeug. Schlagartig kehrte die Aufregung zurück und sein Herzschlag verdoppelte sich. Er schlich zu seiner Tür und lauschte, bis er ein Klopfen am anderen Ende des Flures vernahm. Eine Tür wurde geöffnet und er hörte Roland gedämpft mit seinem Bruder sprechen. Dann entfernten sich Schritte und nachdem Mokuba noch einige Momente verharrt hatte, um sicherzugehen, dass niemand zurückkam, öffnete er seine Tür und trat in den Flur hinaus. Unten in der Eingangshalle hörte er seinen Bruder und während er auf Zehenspitzen den Flur entlang schlich, wurde unten die Tür geöffnet. „Was machst du hier?“ Die Stimme seines Bruders war so unfreundlich, dass Mokuba zusammenzuckte und einen kurzen Moment lang glaubte, sein Bruder hätte ihn doch erwischt. Dann wurde ihm klar, dass Seto die soeben eingetroffene Person meinte. Er erreichte das obere Treppengeländer und spähte nach unten in die Eingangshalle. Zum Glück lag er hier oben im Schatten, sodass man ihn nicht so leicht erkennen konnte. Seto stand an der geöffneten Tür und die Art, wie er sie festhielt, machte deutlich, dass er bereit war, sie jeden Moment wieder zuzuschlagen. So wie er aussah, spielte er bereits mit dem Gedanken. „Kannst du mir verraten, wieso man mir dich schickt?!“, sagte er in einem Tonfall, den Mokuba lange nicht mehr bei seinem Bruder gehört hatte. Dennoch war der Tonfall vertraut. Seto hatte ihn mal öfter benutzt, Mokuba konnte sich nur nicht mehr genau daran erinnern, wann und wieso. „Das wüsste ich selbst gerne“, erwiderte die andere Person nicht minder verstimmt. Und in dem Moment, in dem Mokuba die Stimme hörte, fiel es ihm schlagartig wieder ein. „Ich schätze, ich bin dazu verdammt, wieder und wieder mit Personen wie dir gestraft zu sein, Wheeler“, knurrte Seto. Joey. Joey Wheeler. Seto benutzte diesen Tonfall, wenn er mit Joey Wheeler sprach. Stritt. Unmerklich hatte Mokuba sich vorgebeugt. Das war mehr als nur interessant! Seto und Joey hatten sich seit ihrem Abschluss vor einem Jahr nicht mehr gesehen. Deshalb hatte Mokuba auch vergessen, wem dieser Tonfall von seinem Bruder gebührte, denn er hatte ihn ein Jahr lang nicht mehr gehört. „Bittest du mich jetzt rein oder nicht, Kaiba? Das Kostüm ist nämlich nicht so warm, wie es aussieht.“ „Na wenigstens lässt es dich genauso lächerlich aussehen, wie du tatsächlich bist.“ Trotz der Worte trat Seto zur Seite und ließ Joey, wenn auch merklich widerwillig, hinein. Mokuba wusste, dass er selbst über das ganze Gesicht strahlen musste, denn Joey trug ein Weihnachtsmannkostüm. Sogar einen weißen Bart hatte er dabei, auch wenn dieser momentan lose um seinen Hals hing. Seto hatte die Tür geschlossen und die Arme verschränkt. Er musterte Joey von oben bis unten. „Und du stehst jetzt vor mir, weil ...?“ „Du an Heiligabend um sechs bei uns in der Werkstatt anrufst und nicht lockerlässt, bis man dir die einzige Arbeitskraft, die um diese Uhrzeit noch dort ist, vermietet.“ „Für den Preis, den ich zahle, solltest du wenigstens den vorwurfsvollen Unterton streichen können, Wheeler.“ Joey fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Nicht, wenn ich durch die halbe Stadt irren musste, um den Kostümverleih zu finden, bei dem du das hier“, er deutete an sich hinab, „ für mich hast zurücklegen lassen.“ „Die Wegbeschreibung war eindeutig“, gab Seto kühl zurück. Joey warf die Hände in die Luft. „Wenn man ein Navigationsgerät ist, Kaiba! Aber ich bin zufällig ein gewöhnlicher Mechaniker.“ Einige Sekunden der Stille verstrichen, dann sagte Seto: „Hilft es dir, wenn ich überrascht tue?“ Joey knurrte. „Nein.“ „Dann beschwere dich nicht, Wheeler. Du wirst gut bezahlt für einen Job, den jedes Kleinkind erfüllen kann.“ „Offenbar sind dir ja die Kleinkinder ausgegangen, sonst hättest du ja eines von denen dafür anheuern können. Oder kann es sein, dass du es vergessen hast?“ Mokuba hielt die Luft an. Hatte Seto es wirklich vergessen? „Das tut nichts zur Sache, Wheeler.“ „Oh doch, denn wenn du es nicht vergessen hättest, dann hättest du nicht um sechs in einer Autowerkstatt angerufen und den vierfachen Preis angeboten. Wer hat dich daran erinnert? Deine recht Hand Roland? Oder deine Sekretärin?“ Bei der Nennung der letzten Person zuckte etwas über Setos Gesicht, dass Mokuba selbst aus dieser Distanz als kurzen Anflug von Reue identifizieren konnte. Er seufzte. Er hatte damit gerechnet, aber er hatte auch gehofft, dass Seto von sich aus daran denken würde. Mokuba schüttelte den Kopf und warf die trüben Gedanken ab. Seto hatte trotzdem einen Weihnachtsmann organisiert, was bedeutete, dass es ihm nicht egal war! „Also doch. Ein feiner großer Bruder bist du, Kaiba. Bist du in allen Dingen so zuverlässig?“, spottete Joey. Seto machte einen Schritt auf Joey zu. „Halt den Mund, Wheeler! Das geht dich nichts an. Entweder du bist still und machst deinen Job oder du gehst!“ „Und wer übernimmt dann den Job?“ Seto schwieg. Joey lachte leise. „Oh, ich würde ja zu gerne dich in diesem Kostüm sehen, Kaiba, aber leider wird mir das ja nicht gegönnt.“ „So weit kommt es noch“, höhnte Seto. „Dafür bist du dir also auch zu fein, Kaiba. Das ist ja wieder mal so was von typisch. Und wer muss es wieder machen? Der arme Mechaniker. Als ob er nicht schon genug zu tun hätte.“ „Oh bitte.“ Seto verdrehte die Augen. „Jetzt beklag dich nicht noch, Wheeler. Die Bezahlung ist mehr als nur angemessen, für das, was du tun musst.“ „Ich tue das nur, weil ich Mokuba gut leiden kann“, gab Joey zurück und verschränkte, wie Seto, die Arme. Mokuba hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut zu lachen. Wenn sie wüssten, wie ähnlich sie sich sahen – wenn man davon absah, dass Joey rote Weihnachtsmannkleidung trug. Mokuba hatte nie verstanden, wieso Seto Joey besonders wenig mochte. Er verstand, dass er gegen Yugi eine Abneigung hegte, weil sie Rivalen waren und weil Seto bereits mehrfach gegen ihn verloren hatte, aber Joey hatte Seto nie etwas getan. Er hatte nur seine Freunde verteidigt. Er hatte für sie eingestanden und hatte Seto wieder und wieder herausgefordert. Vielleicht irritierte Seto ja nur seine Art und er konnte nur mit Gereiztheit darauf reagieren. Mokuba geriet ins Grübeln und vergaß Weihnachten für einen Moment. Seto war ruhiger geworden, seit er die Schule abgeschlossen hatte und sich ganz auf die Firma konzentrierte. Mokuba hatte Yugi und seine Freunde seit dem letzten großen Turnier nicht mehr gesehen. Er mochte es sich einbilden, aber auch wenn Seto sich immer genervt gab, so schien ihn die Anwesenheit von Yugi und den anderen mittlerweile nicht mehr annähernd so zu stören, wie noch vor einigen Jahren. Er begegnete ihnen vielmehr gleichgültig. Nur bei Joey war es anders. Als ob das eine Jahr nicht gewesen wäre, verhielten sie sich genauso wie während ihrer Schulzeit. „Wie ein altes Ehepaar“, entfuhr es Mokuba. Er keuchte auf, schlug sich die Hand vor den Mund und presste sich mit angehaltenem Atem an die Wand neben dem Geländer, als Setos Blick sich bei dem Geräusch auf die Treppe richtete. Mokuba schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Weihnachtsmann, dass er ihm nur heute gnädig war und verhinderte, dass Seto ihn bemerkte. „Was ist?“, hörte er Joey fragen. „Nichts.“ Setos Stimme war voller Argwohn. Er stand kurz davor, nachzusehen, woher das Geräusch gekommen war, das hörte Mokuba an der kurzen Pause, die er vor dem Sprechen gemacht hatte. Joey gab einen ungeduldigen Laut von sich und Mokuba bettelte Gedanklich, Seto möge seine Aufmerksamkeit wieder auf den Besucher richten. Einige stille Momente verstrichen, dann sprach Seto, doch dieses Mal glücklicherweise wieder mit Joey: „Hast du alle Anweisungen erhalten?“ Ein Schnauben. „Heißt das, du akzeptierst mich jetzt?“ „Ich toleriere deine Anwesenheit, weil mir keine andere Wahl bleibt. Von Akzeptanz brauchen wir gar nicht erst zu sprechen.“ „Na ja, für deine Verhältnisse ist Toleranz ja schon ein Jahreserfolg.“ Seto ging nicht weiter darauf ein und als Mokuba einen flüchtigen Blick nach unten wagte, beobachtete er mit Wachsendem Unmut, dass Seto sich auf die Wohnzimmertür zubewegte. „Komm mit, Wheeler, ich zeige dir die Geschenke.“ Joey schulterte den leeren Sack, den Mokuba erst jetzt bemerkte, wie eine Jacke und folgte Seto. Beide verschwanden aus seinem Sichtfeld und er hörte das Klicken der sich schließenden Tür. Dann war es still. Mokuba fluchte leise. Er hatte genau zwei Möglichkeiten: Entweder gab er sich damit zufrieden, was er gesehen hatte und kehrte in sein Zimmer zurück, um dann auf das zu warten, was Seto vorbereitet hatte ... Er befand sich am unteren Ende der Treppe und auf dem Weg zur Wohnzimmertür, bevor er die andere Option überhaupt ausformuliert hatte. Oder er könnte einen Blick durch das Schlüsselloch werfen und nachsehen, was Seto vorbereitete, um danach in sein Zimmer zurückzukehren und zu warten. Außerdem war es mehr als nur unterhaltsam, der Unterhaltung von seinem Bruder und Joey zu lauschen. Auf Zehenspitzen schlich er an die Tür heran und legte, wie schon einmal an diesem Tag bei der Esszimmertür, ein Ohr prüfend an das Holz. „Das alles?“, fragte Joey in diesem Moment. „Ja, Wheeler. Das alles.“ „Aber es liegt doch schon unter dem Weihnachtsbaum. Ich verstehe nicht, was du von mir willst.“ Entweder Seto hatte geseufzt oder sich auf den Ledersessel gesetzt. Vielleicht sogar beides. Mokuba konnte es nicht genau genug hören. „Wheeler, mein Bruder wünscht sich nicht nur Weihnachten, sondern bedauerlicherweise auch einen Weihnachtsmann.“ „Er weiß schon, dass es ihn nicht gibt?“ Eine kurze Pause. „Ich bin mir da nicht ganz sicher.“ Mokuba blies empört die Backen auf. Also bitte, er war immerhin dreizehn! Er wusste, dass es den Weihnachtsmann nicht wirklich gab, aber durfte er es sich denn nicht wünschen? Es war sein erstes Weihnachten und zu einem richtigen Weihnachten gehörte auch ein „richtiger“ Weihnachtsmann! „Hm, ist ja auch irgendwie schön, wenn man in seinem Alter noch so viel Fantasie hat“, bemerkte Joey nach einigen Sekunden. „Das sage ich mir auch“, erwiderte Seto und Mokuba wusste, dass er sich dabei die Schläfen massierte. „Okay, ich packe also all diese Geschenke in den Weihnachtssack, laufe dann wie ein Idiot damit durch das Hausund rufe dabei ‚Ho, ho, ho’?“ „So etwa sieht der Plan aus.“ „Und Mokuba wird wirklich glauben, dass ich der Weihnachtsmann bin?“ „Wahrscheinlich.“ „Krass.“ Gedämpfte Geräusche drangen durch das Holz der Tür an seine Ohren und Mokuba nahm an, Joey hätte begonnen, die Geschenke einzupacken. Mit jedem verstrichenen Moment wurden Mokubas Augen größer und in seinem Kopf formten sich Bilder von einem unvorstellbar großen, prall gefüllten Sack voller Geschenke. Alleine die Vorstellung ließ sein Herz höher schlagen! „Sag mal Wheeler“, begann Seto schließlich wieder zu sprechen und Mokuba presste sich dichter an das Holz, denn die Stimme seines Bruders war so leise, dass er Seto nur mit Mühe verstehen konnte. „Warum arbeitest du an Weihnachten? Jeder andere Betrieb in der Stadt hatte deswegen geschlossen, nur eure Werkstatt nicht. Oder zumindest als eine von wenigen.“ Die Geräusche verstummten für einen Augenblick, Joey musste innegehalten haben. „Zu viele Worte auf einmal für dich Wheeler?“, spottete Seto. „Oder kannst du nicht gleichzeitig packen und reden?“ Das Geräusch kehrte zurück, dieses Mal etwas lauter und Mokuba nahm an, dass Joey die Geschenke nun mit mehr Nachdruck einpackte. „Mich hat einfach die Frage überrascht.“ „Dann nehme ich sie zurück und habe sie nie gestellt.“ „Ist schon okay, Kaiba.“ Joey klang belustigt. „Es ist nicht so, dass ich etwas zu verheimlichen hätte. Der Stundenlohn an Weihnachten ist besser, weil nur wenige in der Werkstatt arbeiten wollen und die Arbeiter irgendwie geködert werden müssen. Außerdem läuft das Geschäft an Wehnachten gut. Viele Autos kommen zu uns, weiß sie durch die zunehmende Zahl an Staus in der Vorweihnachtszeit überhitzte –“ „Wheeler.“ Joey verstummte. „Zu viele Details. Es war nur eine Frage aus Reflex. Vergiss es einfach.“ „Nein, Kaiba, nicht so. Bei dir geschieht nichts aus Reflex und ich lasse mir von dir nicht den Mund verbieten, dass solltest du wissen.“ „Na wunderbar.“ „Und jetzt sei still und hör gefälligst zu. Oder tu zumindest so.“ Vor Mokubas innerem Auge erschien ein ganz anderes Bild. Joey, der wie ein Besessener die Geschenke in den Weihnachtssack packte und sein großer Bruder, der auf dem Sessel am anderen Ende des Raumes saß, sich zurückgelehnt und die Augen geschlossen hatte. Er kicherte leise. Die beiden waren wirklich zu witzig! „Außerdem sind die anderen alle in Amerika. Téa hat zu sich eingeladen, nachdem sie in der Tanzschule angenommen wurde. Anders als meine Freunde habe ich jedoch auf die Schnelle kein Flugticket mehr bekommen und konnte deshalb nicht mitreisen. Serenity feiert mit meiner Mutter ebenfalls in den Vereinigten Staaten, darum kann ich sie auch nicht besuchen. Es muss wohl beim alljährlichen Anruf bleiben. Tja, dafür kann ich heute Arbeiten und habe einen Job bekommen, der mir das Vierfache von dem einbringt, das ich sonst verdiene. Ist doch auch nicht so schlecht.“ Joey grinste wahrscheinlich, aber Mokuba war nicht nach lächeln zumute. Joey tat ihm leid. Er feierte ganz alleine. Hätte er das gewusst, hätte er ihn zum Weihnachtsessen eingeladen. Zu Weihnachten gehörte auch, dass man seine Freude mit anderen teilte. Außerdem hätte Mokuba sich über zusätzliche Gesellschaft gefreut. Joey war immer gut gelaunt und hätte sicher gerne einige Weihnachtsspiele mit ihm gespielt ... „Soll ich dich jetzt bemitleiden, Wheeler?“ Wie immer war Seto sensibel wie ein Stück Hartmetall. „Nein. Ich würde dich mit diesem – was soll das sein? Ein Tennisschläger? – bewerfen, wenn du auch nur die geringsten Anstalten machen würdest, mich zu bemitleiden, Kaiba. Wenn ich nicht vorher einen Nervenzusammenbruch erlegen bin – angesichts dieses so uncharakteristischen Verhaltens.“ Sie schweigen für einige Minuten und der imaginäre Geschenksack in Mokubas Vorstellung war auf die Größe eines Kleinwagens angeschwollen. „Die Kaiba Corporation in Europa?“ „In England.“ „England gehört zu Europa, Kaiba.“ „Was du nicht sagst.“ „Das heißt dann ja wohl, dass dich nichts mehr aufhalten kann, was. Mokuba muss ziemlich stolz auf dich sein.“ „Mokuba?“ „Na er ist deine Familie. Die Familie ist immer stolz auf einen.“ Seto schwieg. „Bleibst du in Japan?“ „Vielleicht. Wieso interessiert es dich, Wheeler?“ „Nur so. Ich interessiere mich dafür, ob ich deine Visage auch in den nächsten Jahren überall zu sehen bekommen werde.“ „Als ob meine Präsenz hier verblassen würde, nur weil ich nicht mehr im Land bin.“ Das war sein Bruder, wie er ihn kannte. Selbstsicher und eine Spur arrogant. Mokuba lächelte gegen das mittlerweile warme Holz. „Das stimmt wohl. Schade auch. Ich hab nämlich ehrlich gesagt die Nase voll davon, jeden Morgen, wenn ich mir meinen Kaffee mache, durch das Küchenfenster ein Plakat mit dir auf der anderen Straßenseite anstarren zu müssen. Wer ist eigentlich für diese „Kaiba Corporation für eine bessere Welt“-Kampagne verantwortlich? Überzogener ging es ja wohl nicht.“ „Meine PR-Abteilung hielt es für eine gute Vermarktungsidee.“ „Ach und demnächst sieht man dein Gesicht auf den Gläsern für Babynahrung mit dem Spruch „Kaiba Corporation für unsere Zukunft“?“ Mokuba prustete, doch zum Glück hatte man ihn nicht gehört. „Machst du dich gerade lustig über mich, Wheeler?“ „Wo denkst du hin?“ Ich warne dich –“ „Fertig!“ Mokuba zuckte zusammen. „Das wurde auch Zeit, Wheeler. Ich hoffe, dass du kein Geschenk verknickst.“ „Jetzt komm mal wieder runter, sie sind alle ordentlich verstaut. Da, sieh es dir selber an.“ Schritte durchquerten den Raum. „Schlampig, Wheeler. Ein Grundschüler hätte das besser hinbekommen. Dir ist eine Schleife abgefallen.“ Mokuba hörte Seto förmlich die Augen verdrehen. „Ach, was rede ich eigentlich, es macht doch eh keinen Sinn.“ „Kaiba, was sagst du dazu, einfach mal für fünf Minuten die Klappe zu halten?“ „Wheeler, vergiss nicht, in wessen haus du dich befindest.“ „Und vergiss du nicht, in welcher Lage du dich befindest! Du kannst dir gleich einen neuen Weihnachtsmann suchen!“ „Das würde ich liebend gerne, Wheeler“, knurrte Seto. „Dann versuch es doch. Nur leider wirst du keinen finden!“ Joey war lauter geworden und auch Setos Stimme hatte an Lautstärke zugenommen. „Jeder Hund würde diese Arbeit mit mehr Professionalität als du ausführen, Wheeler!“ „Aha! Da ist der Hundekommentar. War ja nur eine Frage der Zeit, bis du wieder darauf zurückgreifen würdest, Kaiba. Ganz wie in alten Zeiten!“ „Offenbar, Wheeler. An deinem Verhalten hat sich auch nicht das Geringste geändert, da liegt der vergleich nahe, Köter!“ „Ach ja? Dann sperr die Lauscher auf, reicher Pinkel: Du hast mir gar nichts zu sagen! Du willst Weihnachten feiern, aber du verstehst doch überhaupt nicht, worum es geht! Noch dazu hättest du es vergessen, wenn deine Sekretärin dich nicht daran erinnert hätte!“ „Das tut nichts zur Sache.“ „Und ob es das tut! Als ob du ohne meine Hilfe auch nur irgendwas geregelt bekommen hättest.“ „Ohne deine Hilfe? Was hast du denn bitte bis jetzt getan? Du hast Geschenke eingepackt. Wie unglaublich! Du hast recht, das würde ich ohne dich nicht schaffen, Wheeler.“ Die Situation eskalierte. „Du elender Großkotz!“ „Fass mich nicht an, Wheeler.“ „Fass du mich nicht an, Kaiba!“ Dann war es plötzlich still. Mokuba, der sich in den vergangenen Minuten immer stärker an die Tür gepresst hatte, als wollte er in sie hineinkriechen, riss seinen Kopf zurück. „Was zum –“, murmelte er und lauschte noch einmal prüfend. Es war still. Nur gedämpfte Laute, die er nicht genau identifizieren konnte, drangen durch das Holz. Es klang irgendwie, als ob jemand keine Luft mehr bekam. Mokuba schluckte schwer. Sie würden sich doch nicht schlagen? Oder würgen?! Er rappelte sich auf und warf einen Blick durch das Schlüsselloch, ein Stück über ihm. Was er sah, ließ ihn nach Luft schnappend zurückstolpern. Er landete auf dem Boden. „Master Mokuba?“ Er zuckte wie unter einem Schlag zusammen und wirbelte herum. Roland stand hinter ihm und wirkte sichtlich irritiert darüber, ihn hier anzutreffen. Jegliche Mahnung – sollte er vorgehabt haben sie auszusprechen – wurde jedoch nebensächlich, als er den Ausdruck auf Mokubas Gesicht registrierte. „Ist alles in Ordnung?“ Mokuba wollte bereits zu einem zittrigen Nicken ansetzen, doch einer plötzlichen Eingebung folgend schüttelte er heftig den Kopf, nur um letztendlich doch zu nicken. „Ich weiß nicht“, sagte er leise und hob die Hand, deutete auf die Tür. „Master Mokuba, Sie sollten –“ Schneller als Roland blinzeln konnte, war Mokuba bei ihm. „Psst!“ Er presste sich den Zeigefinger gegen die Lippen und Roland konnte nicht anders, als verstummen. „Sieh es dir selbst an, Roland.“ Er winkte den Mann in Richtung Tür. Roland folgte der Aufforderung mit sichtlichem Zögern, noch immer besorgt über das uncharakteristische Verhalten des jungen Kaibas, und hatte bereits eine Hand auf die Klinke gelegt, als ein plötzliches Gewicht ihn zurückriss. „Ma-“, wollte Roland protestieren, doch ein weiteres gezischtes „Pssst!“ ließ ihn seine Stimme senken. „Master Mokuba!“, flüsterte er atemlos. „Nicht reingehen“, erwiderte Mokuba ebenso leise. „Das Schlüsselloch.“ Roland hatte in seinem Leben als Butler, Chauffeur, Bote, rechte Hand und in nicht seltenen Fällen sogar Kindermädchenersatz der Familie Kaiba schon vieles erlebt, aber man hatte ihn noch nie aufgefordert, durch das Schlüsselloch einer Tür zu blicken. Mit einem Seufzen resignierte der erfahrene Mann und ging vor der Tür auf die Knie. Ein Blick durch das Schlüsselloch klärte alle Fragen. Mokubas Verhalten, Master Kaibas Abwesenheit und die Verspätung des angeheuerten Weihnachtsmannes, der bereits längst durch die Flure der Villa laufen sollte. Roland brauchte sich mit keinem weiteren Blick zu vergewissern, dass er richtig sah. Für ihn hatte sich alles geklärt und er richtete sich langsam auf. Er räusperte sich verlegen, obwohl er nicht derjenige war, der in Mokubas Anwesenheit Verlegenheit zeigen sollte. „Nun“, sagte er ruhig und bewies die Unerschütterlichkeit seiner Fassung aufs Neue, „Das erklärt Ihre Verwirrung, Master Mokuba. Ich schätze, wir sollten die beiden alleine lassen.“ Mokuba nickte und wirkte abwesend, dann saß er mit einem Mal kerzengerade auf dem Boden. „Nein Roland!“, sagte er entschieden und schüttelte den Kopf. „Seto feiert da drin gerade Weihnachten und ich möchte auch eine Bescherung.“ Er sah nicht, wie Roland bei seinen Worten schmunzelte. Mokuba freute sich darüber, dass sein Bruder und Joey eine ganz eigene Art der Bescherung hatten – ja wirklich, wenn das Setos Art war, Weihnachten zu feiern, dann durfte er das ruhig tun - aber das änderte nichts daran dass er auch sein Weihnachten wollte. Er schob sich an Roland vorbei und spähte erneut durch das Schlüsselloch. Er spürte, wie seine Wangen sich bei dem Anblick röteten. Er wollte nicht spannen oder Ähnliches, auch, wenn es schon ... amüsant war, das sein Bruder und Joey ihren Streit auf diese Art fortsetzten. Mokuba schüttelte rasch den Kopf. Das ging nur Seto etwas an und nicht ihn. Eigentlich sollte er das gar nicht sehen – wenn Seto davon erfahren würde, würde er sicher richtig wütend werden, aber – „Master Mokuba“, drängte Roland und der jüngere Kaiba löste sich nur widerwillig von dem Schlüsselloch. „Das ist nun wirklich keine Situation, in der wir die beiden stören sollten.“ „Aber der Weihnachtsmann soll durch die Villa laufen.“ Mokuba wusste, dass er wie ein kleines Kind quengelte und morgen würde er sich dafür schämen, aber heute war Weihnachten. Und er hatte sich seit Wochen auf diesen Abend gefreut. Joey konnte auch als Weihnachtsmann durch das Haus ziehen und danach mit Seto ... na ja, weitermachen. Oder was immer. Er sollte es sich wohl besser nicht vorstellen. Mokuba warf einen weiteren Blick durch das Schlüsselloch. Joey hatte sich on seinem Bruder gelöst und grinste ihn auf eine Art an, von der Mokuba instinktiv wusste, dass Seto sie nicht mögen würde. „Mistelzweig“, bemerkte er belustigt und Mokuba registrierte, dass sein Bruder zum ersten Mal seit langem eine Spur von Überraschung zeigte. Seto räusperte sich. „Wheeler, das –“ Seinem großen Bruder fehlten die Worte. Mokuba war beeindruckt. „Wie viele Mistelzweige habt ihr noch in diesem Haus?“ Seto blinzelte irritiert. „Wieso interessiert dich –“ Joey lachte leise. „So viele Möglichkeiten“, sinnierte er und blickte zur Decke. Mokuba erinnerte sich daran, etwa zwanzig Mistelzweige aufgehängt zu haben. Wenn Joey vorhatte, sich mit Seto unter jeden einzelnen zu stellen, dann würde es wohl nie eine Bescherung geben ... „Master Mokuba“, drängte Roland hinter ihm und als Mokuba nicht reagierte, wiederholte er etwas lauter: „Master Mokuba!“ Mokuba zuckte zusammen – ebenso wie Seto und Joey hinter der Tür. Mokuba wich zurück, warf Roland einen vorwurfsvollen Blick zu und packte den Mann im Vorbeigehen am Arm. „Schnell“, murmelte er und zog ihn mit sich. „Mokuba.“ Er erstarrte. Roland neben ihm seufzte resigniert und Mokuba ließ ihn los. Er straffte seine Haltung und drehte sich langsam um. In der nun geöffneten Wohnzimmertür stand Seto, dicht hinter ihm Joey im Weihnachtsmannkostüm. Aus dieser Distanz stellte Mokuba fest, dass Joeys Bart und die Mütze verrutscht war. „Äh ... hallo, Seto, ich wollte gerade wieder gehen. Aber wer ist das?“, Er reckte sich und hoffte, er konnte den Überraschten überzeugend spielen. „Der Weihnachtsmann? Du hast den Weihnachtsmann getroffen! Wow!“ „Mokuba.“ „Lebst du wirklich am Nordpol? Wo stehen deine Rehntiere? Wie viele sind es?“ „Mokuba.“ Nun lag deutlich mehr Schärfe in der Stimme seines Bruders. Mokuba gab das Spiel auf, seine Schultern sanken nach unten. „Hi Joey“, sagte er mit einem bedrückten Lächeln und hob die Hand. Joey erwiderte den Gruß deutlich besser gelaunt. „Was tust du hier unten, Mokuba? Du solltest im Bett sein.“ Mokuba verschränkte die Arme und imitierte die Pose seines Bruders. Er sah, wie Joey sich dabei grinsend die Hand vor den Mund hielt. „Es ist Weihnachten, Seto, und du schickst mich früher als sonst ins Bett.“ Joey neigte den Kopf. „Du hast ihn früher ins Bett geschickt? An Weihnachten? Was für ein Weihnachtsmuffel bist du eigentlich, Kaiba?“ Seto ignorierte Joey du erwiderte Mokubas Blick. „Du hast dir dieses Weihnachten gewünscht.“ So wie er das sagte, klang es wie eine Bestellung im Restaurant. Mokuba schüttelte den Kopf. „Ich habe mir keinen Weihnachtsmann gewünscht, dessen Spuren – also Geschenke - ich am nächsten Morgen finde, sondern einen, den ich in der Weihnachtsnacht sehe! Du solltest wissen, dass es mir nicht um die Geschenke geht.“ „Das weiß ich, Mokuba.“ „Warum darf ich den Weihnachtsmann dann nicht sehen?“ Seto hob eine Hand an die Schläfe – das Signal einer sich nähernden Migräne und Mokuba ließ schuldbewusst die Arme sinken. Seto kannte sich nicht mit Weihnachten aus, mochte den Trubel, der darum gemacht wurde ebenso wenig, und trotzdem hatte er alles toleriert, was Mokuba dieses Jahr veranstaltet hatte und hatte ihm sogar einen Weihnachtsmann bestellt. Mokuba blickte auf den Boden. Er war wieder viel zu egoistisch gewesen und hatte Seto wahrscheinlich noch mehr Stress bereitet, als er ohnehin durch die Firma in der Weihnachtszeit hatte. „Tut mir leid, großer Bruder“, sagte er darum leise. „Ich wollte dich nicht zu irgendwas drängen, was dich stört. Ich wollte nur Weihnachten.“ „Ich weiß.“ Der jüngere Kaiba blickte auf. Seto blickte zur Seite, doch seine Züge waren merklich weniger streng als noch vor einer Minute. Hätte Joey ihn nicht von der Seite gemustert, hätte er vielleicht sogar gelächelt. Mokubas Stimmung hellte sich auf. „Jetzt fehlt nur noch die versöhnende Umarmung“, bemerkte Joey lächelnd und Seto warf ihm einen kalten Blick zu. „Hat dich jemand um deine Meinung gebeten, Wheeler?“ „Na hör mal Kaiba, es ist Weihnachten. Dein Bruder hat sich gerade bei dir entschuldigt, weil er sich Weihnachten gewünscht hat.“ Joey stemmte die Hände in die Hüften. „Sei mal etwas lockerer. Und wenn du mich nun entschuldigst, ich habe einen Job zu erledigen.“ Er klopfte Seto auf die Schulter und beugte sich zu Mokuba hinab, der noch immer drei Köpfe kleiner war als Joey. „Lust, dem Weihnachtsmann beim Durchstreifen der Villa zu helfen?“ Mokuba strahlte ihn an. „Aber sicher!“ Joey zwinkerte ihm zu, dann griff er in eine Tasche des Kostüms und hielt plötzlich eine weitere Weihnachtsmütze in der Hand. „Dann ernenne ich dich für heute Nacht zu meinem Gehilfen. Außerdem muss mich jemand durch eure Villa lotsen, sonst verirre ich mich noch und lande sonstwo.“ Mokuba grinste heimtückisch. „Setos Schlafzimmer ist im ersten Stock“, bemerkte er unschuldig und beobachtete amüsiert, wie sowohl Joey als auch sein großer Bruder zusammenzuckten und einen beunruhigten Blick wechselten. „Mokuba“, setzte Seto an, doch Mokuba hörte ihm längst nicht mehr zu. Er war bereits am Fußende der Treppe, die Spitze der rote Weihnachtsmütze wackelte ebenso aufgeregt wie er selbst hin und her. „Na los, Joey, hol den Geschenksack und wir ziehen los. Ich kann es gar nicht erwarten!“ Joey hatte sich schneller wieder gefasst als Seto. „Und danach machen wir eine Schneeballschlacht in eurem Garten!“ „Schneeballschlacht?!“ Mokuba hatte vor Euphorie schon ganz rote Wangen. Joeys und Setos Wangen waren ebenfalls gerötet, doch aus einem ganz anderen Grund. „Cool!“ In der nächsten halben Stunde geisterte Joey Wheeler gemeinsam mit Mokuba Kaiba durch die Villa. Sie sangen gemeinsam mit den schiefsten Tönen amerikanische Weihnachtslieder, aßen die Kekse, die Mokuba für den Weihnachtsmann aufgestellt hatte und legten in jedes einzelne Zimmer der Villa ein Geschenk. Mokuba platzierte sein Geschenkt für Seto auf dem Nachtschrank seines Bruders und auch wenn seine ganzen Gedanken bei der anstehenden Schneeballschlacht waren, so entging ihm doch nicht der besonders interessierte Blick des Weihnachtsmannes neben ihm, der das Schlafzimmer einer neugierigen Inspektion unterzog. Als alle Geschenke verteilt waren, gingen sie nach draußen, wo mehrere Zentimeter Neuschnee lagen. Wäre Mokuba nicht zu dem Zeitpunkt in einem Zustand der absoluten kindlichen Euphorie gewesen, hätte er gemerkt, dass dieser Neuschnee lediglich in einem Umkreis von sechs Metern auf der hinteren Gartenseite der Villa lag und dass auf dem zu Garten gewandten Dach eine Schneekanone brummte, doch spätestens als den jüngeren Kaiba ein gut platzierter Schneeball von Joey traf, waren all seine Gedanken auf etwas völlig anderes fixiert: Ebenfalls einen Schneeball zu formen und Joey damit zu treffen! Seto Kaiba stand hinter den Wohnzimmerfenstern der Villa und beobachtete sie mit scheinbarem Desinteresse, doch alleine der Umstand, dass sein Blick noch auf sie gerichtet war, zeugte davon, dass auch er an diesem Abend milder gestimmt war. Vielleicht war das auch dem Mistelzweig zu verdanken. Mokuba wusste es nicht. Am nächsten Tag hatte Roland frei, doch Mokuba störte sich nicht daran. Er fühlte sich nicht alleine, denn beim Frühstück waren sie zu dritt. Am anderen Ende des Tisches, Seto gegenüber, saß Joey, der mit so viel Begeisterung das Frühstück in sich hineinschaufelte, dass Seto den Versuch aufgab, seine Weihnachtszeitung lesen zu wollen und sich stattdessen auf Mokubas ausschweifende Schilderung über den gebauten Schneemann des vergangenen Abends einließ. Ein Blick nach Draußen verriet dem Firmenleiter, dass von dem Schneemann nicht mehr als eine Karotte und eine nasse Weihnachtsmütze übrig geblieben war, dies jedoch an der Freude, die in Mokubas Gesicht lag, nichts änderte. Seto wies Joey mit einem genervten Kommentar darauf hin, nicht so gierig zu sein, woraufhin Joey erwiderte mit einem Grinsen, dass ihn das letzte Nacht auch nicht gestört hätte. Seto Kaiba erstarrte und sein Blick richtete sich auf Mokubas Platz, doch dieser war leer. Mokuba hatte längst den Raum verlassen und saß einige Meter weiter vor dem leuchtenden Weihnachtsbaum. Als Minuten später nichts mehr aus dem Esszimmer zu hören war – zuvor war eine wie in der Nacht immer lauter werdende Auseinandersetzung zu hören gewesen - stand Mokuba auf und warf einen Blick durch den Spalt der angelehnten Tür. Bei dem Anblick verdrehte er lächelnd die Augen und zog sich rasch zurück. „Immer diese Erwachsenen “, murmelte er. „Wie viele Mistelzweige habt ihr noch mal hier im Haus?“, hörte er Joey belustigt hinter sich fragen, als er die Tür zuzog. Er griff im Vorbeigehen nach einer Schale Kekse. Mokuba Kaibas Wunsch für dieses Jahr war Weihnachten gewesen. Er hatte es bekommen. Noch am selben Tag begann er mit der Planung für ein angemessenes Silvesterfest, welches seinen Bruder nicht nur einige teure Pflanzen im Garten und einen Designervorhang, sondern auch sämtliche Nerven kosten würde. Doch das war eine andere Geschichte. ~*~ I saw Daddy kissing Santa Clause Underneath the mistletoe last night Saw spots of green and red Get these thoughts out of my head I wish that I'd rolled over and gone back to sleep instead Not that there's anything wrong with that ∼*∼ (I Saw Daddy Kissing Santa Claus by Stand Still) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)