Prinzessin Mononoke von abgemeldet (-- die Fortsetzung) ================================================================================ Kapitel 1: Die Verbannung ------------------------- Vor einiger Zeit hatten der Krieger Ashitaka und das von Wölfen aufgezogene, von den Menschen verachtete und gefürchtete Mädchen San den Wald nach einer Reihe gefährlicher, oftmals tödlicher Abenteuer gerettet, indem sie den Waldgott besänftigten und den Krieg zwischen Mensch und Tier beendeten. Danach hatten die beiden Helden sich zwar in Freundschaft voneinander getrennt, doch San konnte ihren unübertrefflichen Hass gegen die Menschen nicht vergessen. Noch heute wartete Ashitaka vergeblich auf eine Antwort des Wolfsmädchens. San hockte in der Wolfshöhle, hielt die Knie mit beiden Armen fest umschlossen und vergoss bittere Tränen. Ihre zwei Brüder saßen vor ihr und blickten sich traurig an. Ihre Entscheidung war gefällt. Einer von ihnen versuchte, San zu beruhigen. „San, versteh doch. Wir müssen dich aus dem Rudel – was wir Rudel nennen – verbannen, um in eine neue Gruppe aufgenommen zu werden. Seit Moro tot ist, können wir das uns angestammte Revier nicht mehr verteidigen. Wir brauchen Unterstützung von verbündeten Wolfsrudeln in der Nähe, sonst wirst du getötet und wir müssen den Wald verlassen.“ San blickte auf und ihr tränenverschmiertes Gesicht glänzte. „warum kann ich nicht mit euch gehen? Ich bin ein Wolf wie ihr auch, von den Tieren werde ich jedenfalls so angesehen!“ schrie sie. Der Wolf schüttelte den großen Kopf. „Du bist kein Tier. Bei Wölfen, die dich nicht kennen, wirst du ohne unseren Schutz zerfleischt, egal, was du für den Wald getan hast! Wir können nicht ewig auf dich aufpassen!“ bei den letzten Worten wurde er etwas deutlicher. Sein Bruder schaute nur hilflos von San zu seinem Bruder und zurück. Er war aus Moros zweitem Wurf und damit jünger als sein Bruder. Das Vorrecht des Älteren machte diesen zu dem neuen Leitwolf des Rudels. Doch er hatte recht: ohne die Hilfe eines Gottes war ihr Rudel nicht stark genug, sich bei Revierkämpfen zu behaupten. Außerdem mussten sie Weibchen finden, um sich zu paaren. San war ihnen bedauerlicherweise im Weg. Sie konnten nicht zu einem Rudel gehören, wenn sie ständig die Beschützer ihrer Menschenschwester spielen mussten. San konnte –oder wollte dies nicht einsehen. So wurde es für die Brüder eine harte Gewissensprobe, die Höhle zu verlassen und in den winterlichen Schneesturm, welcher in dieser Jahreszeit besonders heftig war, hinauszuziehen. Der größere Wolf rief San noch über die Schulter zu: „Du kannst in der Höhle bleiben, bis der Sturm abflaut. Dann musst du dich allein durchschlagen, verstanden?“ San schaute ihm kerzengerade ins Gesicht und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann rannte sie zu ihm und fiel ihren beiden Brüdern um die zottigen Hälse. Ihnen wurde schwer ums Herz. San wisperte: „Ich... ich werde jetzt aufbrechen. Was soll ich denn noch hier? Wenn ihr wiederkommt und hier mit einem neuen Rudel lebt, werde ich sowieso gehen müssen.“ San lief schnell an ihnen vorbei und rannte verzweifelt den Pfad hinunter. Die Wölfe blickten ihr nach. „Ich hoffe für sie, dass sie zu den Menschen geht. Würde sie sich im Wald allein durchbeißen wollen, wäre dies ihr Todesurteil.“ „Ist sie bei den Menschen vielleicht besser aufgehoben?“ fragte sein Bruder sarkastisch. San lief wirklich den Weg zur Menschensiedlung, in welcher Ashitaka lebte. Sie war wieder so aufgebaut wie früher, doch das große Gebäude, die Eisenhütte, blieb eine Ruine. Sie diente als Erinnerung an das Abenteuer, welches für viele Menschen tödlich endete. Damals hatten sie erwartet, die Natur läge in den letzten Zügen, doch diese hatte ihnen das Gegenteil bewiesen: Die Natur ist geduldig, doch wehe dem, der ihren Zorn erregt. Die entfesselte Kraft des Waldgottes zeugte von der wahren Macht, welche der ewige Feind der Menschen in sich barg. Mit nur einem einzigen Streich zerstörte der Nachtwandler die Eisenhütte, vernichtete das Lager der belagernden Samurai und stürzte das ganze Tal in ein Inferno. Der Wald erholte sich schnell von diesem Hammerschlag, doch der Waldgott blieb verschwunden. Die Nachtwache ging schweigend auf dem Wehrgang der Palisaden umher, als eine Bewegung seine Aufmerksamkeit erregte. Das Wolfsmädchen, die verabscheute Hexe, näherte sich stracks dem Tor der Eisenhütte. San hatte durch ihre Verzweiflung jegliche Vorsicht eingebüßt und blieb schließlich vor dem Holztor stehen. Einerseits wollte sie von den Menschen bemerkt werden, andererseits aber auch nicht. Sie nahm den Dolch aus Flintstein, welchen sie erst vor kurzem gefertigt hatte, und kratzte am Tor herum. Auf den Zuruf der Wache, sie solle verschwinden, reagierte sie nicht. Gonza wurde gerufen und dieser befahl, eine Muskete auf den Eindringling zu richten. San nahm trotzig den auf sie gerichteten Gewehrlauf zu Kenntnis und scharrte weiter eine kleine Mulde in die Tür. Als die Herrin Eboshi am nächsten Morgen aus dem Haus trat, erblickte sie als erstes die Menschenmenge an der Tür. Noch immer stand San vor dem Tor und kratzte an dem Holz herum. Ihre Gedanken kreisten um eine einzige Erkenntnis: Weil Moro nicht mehr am Leben war, musste San das Rudel verlassen. Moro starb, weil die Menschen sie mit einem Gewehr angeschossen hatten. Folglich waren die Menschen schuld, dass sie aus dem Rudel gestoßen war! San rammte jetzt voller Wut den Dolch in das Tor. Als er stecken blieb, setzte sie einen Fuß an das Tor, um ihn herauszuziehen. Mit einem leisen Knacken löste der Dolch sich aus dem Holz und San stürzte hintenüber in den frisch gefallenen Schnee. Dort blieb sie liegen, ihrer Meinung nach hatte es eh keinen Sinn, wieder aufzustehen. Eboshi hatte das Schauspiel mit gerunzelter Stirn mitangesehen und fragte Gonza: „Warum hast du sie nicht weggeschickt?“ „Ich habe es versucht, aber sie ist nicht gegangen. Soll ich Befehl zum Schießen geben?“ „Ich habe nicht vor, mir den Zorn der Wölfe aufzuladen, auch wen sie noch keine vollwertigen Götter sind. Wenn wir sie noch drei Nächte dort stehen lassen, geht sie uns wegen der Kälte ein. Aber aus unserem Tor macht sie vorher noch Zahnstocher, wenn sie weiter darauf herumhackt. Schick jemanden zu Ashitaka und lass das Tor öffnen.“ „Aber Herrin...“ „GONZA! SOFORT!“ ihr Leibwächter rannte sofort los und schickte einen der Soldaten, um Ashitaka zu holen. Dieser wurde unsanft aus dem Schlaf gerissen und war sehr überrascht, einen Soldaten im Hirtenlager, wo er schlief, zu sehen. Die Hirten waren ebenso erstaunt, als der Soldat den Grund für sein Kommen erläuterte. Ashitaka war sofort hellwach und folgte dem Soldaten zum Tor. Die Luft war frisch und klar, und Schnee lag auf den Dächern der Holzhütten. Gerade wurde das Tor geöffnet. Ashitaka rannte hinaus und hob San vom Boden hoch. Er rief der Herrin zu: „Sie ist ganz kalt!“, er beugte sich über sie. „Was machst du hier?“ er erwartete keine Antwort und trug San in das Innere der Menschensiedlung. Im Hirtenlager legte er sie auf sein provisorisches Bett und deckte sie zu. Die Herrin blickte ihm nach und ging dann ebenfalls ihrer Wege. Die Ankunft des Wolfsmädchens ließ auf neue Probleme schließen, dessen war sie sich sicher. Einer der Hirten setzte sich zu Ashitaka und betrachtete das Mädchen, welches in die Decke eingewickelt auf dem Bett lag. Vorsichtig berührte er ihren Arm. „Sie ist sehr unterkühlt. Was hast du mit ihr vor?“ „Ich weiß noch nicht einmal, warum sie hier ist! Ich schätze, solang ich nicht mehr über sie weiß, wird sie hier bleiben müssen, mein Freund. Tut mir leid.“ „Du magst sie wohl sehr?“ „Ja. Ich hoffe, dass sie in ihrem Innersten meine Gefühle erwidert.“ Plötzlich spürte der Mann ein Zucken in Sans Arm und entfernte sich rasch ein paar Schritte. „I...Ich glaube, sie wacht auf.“ Ashitaka hatte ebenfalls die Bewegung wahrgenommen und setzte sich näher zu ihr. Mit einem Male öffnete San die Augen und blickte etwas erschrocken um sich. Ihr erster Gedanke galt dem Dolch an ihrem Gürtel, doch dann sah sie in Ashitakas freundliches Gesicht. Sie beruhigte sich nun ein wenig. Ashitaka hielt sie an der Schulter und drückte sie sanft auf den Boden. „Du bleibst besser liegen, bis du nicht mehr so kalt bist.“, sein Blick wurde ernst. „Du hättest dort draußen erfrieren können, ist dir das klar? Was willst du überhaupt hier?“ San erinnerte sich nun wieder an die vergangenen Ereignisse der letzten Nacht und ihr drehte sich fast der Magen um. Sie drehte Ashitaka den Rücken zu und kämpfte gegen ihre Tränen an. Sie wollte vor den Menschen der Eisenhütte nicht weinen, dafür war sie selbst jetzt noch, in ihrer Situation, zu stolz. Ashitaka wusste nicht, was in ihr vorging, aber er bedrängte sie nicht. Er erhob sich und holte aus einem Fass in einer Ecke eine Birne, welche als Wintervorrat in den Fässern gekühlt wurden, und legte sie neben San ab. „Wenn du Hunger hast, iss ruhig!“ riet er ihr und setzte sich an das Feuer. „Hey! Ashitaka!“ Jemand tippte ihm auf die Schulter. Ashitaka drehte sich um und blickte in Kohrokus Gesicht. „Die Herrin fordert alle Hirten auf, sofort zu kommen. Sie will wieder einmal in die Stadt, um Proviant zu besorgen.“ „Jetzt? Im Winter?“ fragte Ashitaka verdutzt. „Natürlich. Aber ich schätze, unter diesen Umständen“, er deutete auf das Wolfsmädchen „Wirst du diesmal nicht mitkommen, oder?“ „Nein. Ich lasse San nicht in der Eisenhütte allein.“ Er wusste, die Reise in die nächste Stadt würde mehr als drei Tage dauern. „Auch gut. ich werde der Herrin Bescheid geben.“ „Nein, warte! Ich werde es ihr selbst sagen. Ich habe noch eine wichtige Frage an sie. Mir ist gerade eine sehr gute Idee gekommen, glaube ich.“ Die anderen Hirten waren indessen aufgestanden und eilten nach draußen. Ihre Frauen kamen ihnen vor dem Haus entgegen und verabschiedeten sich von ihnen. Die Frauen, welche noch keinen Mann hatten, warfen einige Blicke in das Innere des Hauses. Es hatte sich herumgesprochen, dass die Hexe im Dorf war. Ashitaka bemerkte, das die meisten Frauen jedoch mehr wegen ihm als wegen San gekommen waren. Er war noch nie wirklich mit San gesehen worden, infolgedessen war er für viele Frauen noch immer zu haben. Dieses Gerücht wollte er jetzt aus der Welt schaffen! Er hob die überraschte San vom Boden hoch und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Er ignorierte ihre geweiteten Augen und den mörderischen Blick, den sie ihm zuschickte, und schielte zu den Fenstern. Die Frauen waren nun verschwunden, bis auf eine. Kyou hatte noch nicht vergessen, was Prinzessin Mononoke mit ihren Wölfen getan hatte. Sie hatte ihren Mann bei einem Angriff der Wölfe verloren und war mehr als die anderen Frauen darauf bedacht, Ashitaka für sich zu gewinnen. Schließlich zog auch sie wütend ab. Ashitaka löste sich von San und sagte: „Leg dich lieber wieder hin, du bist noch nicht ganz fit, glaube ich. Ich werde nicht lang weg sein, und du hast das Lager jetzt auch für dich allein.“ Damit rannte er hinaus, um der Herrin seine Frage zu stellen. San fuhr sich mit den Fingern über die Lippen und spürte immer noch ein leichtes Kribbeln in ihrer Magengegend. Sie zuckte mit den Achseln und setzte sich auf das Bett. Erst hinlegen, dann aufstehen, dann wieder hinlegen...! dachte sie bei sich und biss herzhaft in die Birne. Was sollte dieses Schauspiel gerade und warum fühlte sie sich auf einmal besser? Von den vielen Ereignissen in den letzten paar Stunden war sie so überrumpelt, dass ihr der Kopf schwirrte. Wieder biss sie in die Birne und spuckte eine Handvoll Kerne ins Feuer. Sie beobachtete, wie sie sich langsam verfärbten und schließlich nicht mehr von der rabenschwarzen Kohle zu unterscheiden waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)