Schnee von ZombieOnTour ================================================================================ Kapitel 3: Paradies ------------------- Wenige Tage nach meinem Gespräch mit Jason wird mir von jemand Fremden gesagt, dass es an der Zeit wäre, zu den Anderen gehen. Die Anderen … Ich sehe, was Jason gemeint hatte. Jedes Gesicht in das ich blicke ist leer, vollkommen Ausdruckslos. Es macht mir Angst, dass ich auch einmal so sein könnte, darum füge ich mich lieber, sehe keinen der Wachen an, tue alles, was man mir sagt, auch wenn es in mir rebelliert, ich nichts anderes will, als dem zu entfliehen. Ich trage die selbe Kleidung wie die anderen, mein Haar ist ebenso kurz geschnitten worden, bin nur ein unbedeutender Teil eines großen Ganzen. Ich muss mich mit jedem Tag mehr zwingen, nicht auf zufallen, mich unterzuordnen, zuzusehen, nichts zu unternehmen, wenn sie jemanden weg bringen weil er sich nicht angepasst hat. Ab und zu entfliehe ich dem Ganzen und unterhalte mich mit Jason mithilfe des Chips und des Programms darauf. Es tut gut, ich-selbst zu sein, auch wenn es nur für kurze Zeit ist. Es hilft mir, alles zu überstehen. Sei es das Gleichsein oder das Training auszuhalten, dem ich unterzogen werde. Sie Wachen, die immer zu um mich herum sind, sind mehr Maschine als Mensch und Jason ist der Meinung, dass der Computer bereits das Denken dieser Männer übernommen hat. Eine grausige Vorstellung. Ich sehe mich unauffällig um, gehe zu dem mir zugewiesenen Platz. Ich erkenne ihn sofort, ein Blick genügt, als ich ihn geduckt zwischen den Anderen sitzen sehe. Mein Herz klopft, als ich um den Tisch herum auf ihn zu gehen, die zitternde Hand ausstrecke und sie ihm auf die Schulter lege. „Eden“, flüstere ich, kaum hörbar. Er fährt zusammen, dreht sich zu mir um. Ich habe angst, in seinem Blick das selbe Nichts zu sehen wie bei dem der anderen. Er sieht mich verständnislos, ängstlich an, als hätte ich ihn geschlagen. „Eden“, flüstere ich erneut und Erkennen legt sich auf sein Gesicht. Ich kann nicht sagen, ob er sich freut, mich zusehen, ob er wütend ist oder mich wirklich bewusst als den erkannt hat, der ich bin. „D … du …“, stammelt er atemlos, sieht mich mit seinen stechend grünen Augen an, ehe sein Blick auf einen Punkt hinter mich wandert und er sich ängstlich duckt, sich von mir weg dreht. Unsanft packen mich zwei der Wachen, obwohl eines dieser Monster ausreichen müsste, um mich zu halten. „Kontakt zu anderen ist untersagt“, knurrt die Wache rechts von mir, zieht mich von Eden weg, versucht mich zu Boden zu drücken, mich bewegungsunfähig zu machen. „Lasst mich los“, brülle ich zornig und alles, was ich in den letzten Tagen verdrängt, hingenommen oder herunter geschluckt hatte, kam mit einem Mal hervor, zusammen mit einer unbändigen Wut auf diesen Ort, den Menschen, die ihn erschaffen hatten, die mich hier hielten und mir meine Freiheit, meine Individualität, mein Leben gestohlen hatten. Ich versuche mich aus dem Griff zu befreien, reiße meinen Arm los, spüre zum ersten Mal die Kraft, die ich besitze, schlage zu, merke wie die Nase des Wächters zertrümmert wird. Er weicht zurück, schlägt die Hände vor das Gesicht. Ich fahre herum, ducke mich instinktiv vor dem Schlag des Anderen weg, ramme ihm mein Knie in den Magen, als er sich krümmt noch unters Kinn, den Ellbogen mit voller Wucht in den Nacken. „Packt ihn!“, höre ich jemanden rufen, springe auf einen der langen Tische, renne zu seinem Ende. Leere Gesichter starren mich an, emotionslos, willenlos und keiner versucht mir zu helfen. Wenigstens auch den Wachen nicht. Edens Blick folgt mir, ich spüre es förmlich, sehe zurück, stolpre, stürze. Etwas trifft mich in der Seite, ich schnappe keuchend nach Luft, rappel mich auf, werfe mich gegen eine Wache, bringe sie nur zum Wanken. Überall sind Hände, Schläge, ich ringe nach Atem, der Schmerz treibt mir Tränen in die Augen. Es hört erst auf, als ich mich nicht mehr bewege. Zitternd liege ich am Boden, habe Mühe mich wach zuhalten. Mein Blick ist verschwommen, als ich aufsehe. Jemand tritt zu mir, sieht auf mich herab. Ich verstehe die Worte nicht, versuche unter Schmerzen aufzustehen. Renn, brüllt es in mir. Renn oder du bist tot! Mit letzter Kraft springe ich auf, schlüpfe durch die Wachen, renne so schnell ich kann. Durch eine offene Tür, auf einen leeren Gang, stolpre immer wieder, kann verhindern zu stürzen, werfe hastige Blicke zurück, biege in Gänge ein, die alle gleich aussehen, vorbei an leeren Gesichtern, erschrockenen Forschern. Immer weiter, egal wohin, einfach fort. Bebend komme ich zum Stehen, beuge mich vor, stütze mich auf meine Knie, schlucke trocken, lausche. Alles was ich höre ist fernes, gedämpftes, aufgeregtes Rufen. Ich habe sie abgeschüttelt. Ein flüchtiges Lächeln huscht über mein Gesich. Ich bin schnell, schneller als sie, vielleicht auch als jeder andere hier. Die Vorstellung gefällt mir. Ich richte mich langsam auf, atme noch einmal tief durch, zucke vor Schmerz zusammen, ehe ich mich genau umsehe. Über mir hängt eine Kamera, das Auge auf mich gerichtet. „Verdammt!“, fluche ich. Wie hatte ich nur so leichtsinnig sein können? Es ist doch logisch, dass sie hier Kameras installiert haben. Ich gehe weiter, diesmal nicht panisch, sondern in gleichmäßigem Laufschritt, suche nach einem Ort, ohne Kamera, renne fast in ihn hinein, als ich unachtsam um eine Ecke biege. „Hallo Nin“, sagt er leise, die Arme unsicher um den Körper geschlungen, sieht mich an. „Ich dachte, du wärst tot …“ „Du … du erinnerst dich an mich?“, frage ich ungläubig, unsicher. Irgendetwas sagt mir, dass ich in seiner Nähe vorsichtiger sein muss, doch so sehr ich auch nachdenke, ich weiß nicht warum. „Ja … an einiges. Auch weil du mich so genannt hast … Eden … wie das Paradies.“ Sein Blick wirkt verträumt, abwesend, als sehe er etwas, das nicht da ist. „Du hättest das nicht tun sollen, Nin … sie sind wütend. Suchen immer noch dir und wenn sie dich finden, werden sie dich töten.“ „Und was ist mit dir?“ „Ich habe mich nicht widersetzt … ich tue dass, was ich soll.“ Eden macht einen Schritt auf mich zu, bleibt dennoch unsicher außer Reichweite stehen. „Eigentlich müsste ich dich hassen“, sagt er leise. „Hättest du mich nicht in die Flammen gezogen, wäre ich nicht hier, wären wir beide nicht hier.“ Es versetzt mir einen Stich. Immerhin weiß ich, dass es meine Schuld ist. „Es tut mir Leid“, sage ich ehrlich, seufze. „Du hast Recht. Wäre ich nicht so besessen darauf gewesen, den Helden zu spielen, wären wir beide nicht hier. Auch wenn ich nicht mehr weiß, warum ich es getan habe. Aber ich kann es nicht ändern. Und ich weiß nicht, ob ich es tun würde, wenn ich könnte, ob ich anders handeln würde.“ Wie er mich ansieht, als wäre er ein kleines Kind, dass man bei etwas verbotenem erwischt hatte. Von jemandem, vor dem es Angst hat, den es verehrt und gleichzeitig hasst. Er weicht meinem Blick aus, geht einige Schritte zurück. „Mir tut es auch Leid, Nin“, sagt er leise. Ich höre Schritte hinter mir, fahre herum, sehe genau in den Lauf einer Waffe, drehe mich schnell zu Eden um. Er sieht mich nicht an, lässt die Wachen hinter sich vorbei, versteckt sich hinter ihnen. Augenblicklich weiß ich wieder, warum man ihm nicht trauen darf, dass er sich immer hinter dem versteckt, der ihm am meisten Schutz bietet, der stärker ist als er. doch dieser Erkenntnis kommt zu spät. Sie packen mich, drücken mich unsanft zu Boden, so sehr ich mich auch wehre, so sehr ich auch versuche, mich zu befreien, ich habe keine Chance. Eine kalte Angst legt sich um mich, ich schnappe nach Luft, angesichts de Gewichtes auf meinem Rücken, sehe zu Eden auf, doch er weicht meinen Blick aus, wendet sich ab. Etwas sticht mir in den Hals, ein träger, dichter Schleier legt sich um mein Bewusstsein. Ich kann nicht dagegen ankämpfen, werde von der Dunkelheit verschluckt. „Das ist erbärmlich.“ „W … was?“ „Dass du immer demjenigen nachrennst, von dem du meinst, dass du dich gut hinter ihm verstecken kannst!“ Betreten sieht er zu Boden, zeichnet mit seinem Fuß Kreise in den trockenen Sand. Ich seufze, schüttle den Kopf. „Jetzt zieh nicht so ein Gesicht. Lass dir lieber etwas Rückgrat wachsen. Das ist ein Tipp, mehr nicht.“ Er schweigt immer noch. „Meine Fresse. Wie heißt du überhaupt?“ „Eden“, nuschelt er unsicher. „Das ist ein ungewöhnlicher Name“, entgegne ich, ziehe die Brauen hoch und mustere den hageren Jungen neben mir. Er nickt still. „Heißt du wirklich so?“ Ich muss zugeben, der Name passt zu ihm. Mit dem hellem Haar und den stechend grünen Augen gleicht er doch stark einem Engel. Nur die Flügel fehlen. „Nein. Ich habe ihn mir selbst gegeben.“ „Warum nennst du dich Eden?“ „Weil man im Paradies keine Angst haben braucht, aller Schmerz, alles weltliche ist vergessen.“ Er sieht zu mir auf. In seinem Blick liegt ein Funkeln, als wäre es eine Vorstellung, die ihm sehr gut zu gefallen scheint. „So etwas gibt es nicht.“ Ich schüttle entschieden den Kopf. „Du wirst nie so einen Ort finden, egal wie lange du danach suchst. Und ich bezweifle, dass es den Garten Gottes, wie es uns die Geistlichen weiß machen wollen, überhaupt gibt.“ Ich lasse mich zurück fallen, sehe in den Sternenhimmel. „Du musst dir selber einen Garten Edens schaffen. Und aufpassen, ihn nicht zu verlieren.“ „Meinst du?“ „Sonst würde ich es ja wohl kaum sagen, oder?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)