Jigoku Shoujo 4523 von Sinistral (Ein Crossover aus Jigoku Shoujo und Shigofumi (benötigt *keine* Vorkenntnisse beider Serien)) ================================================================================ Prolog: Gerüchte (?) -------------------- "Hey, hey, hast du schon gehört, was so um sich gehen soll?" "Wie?" "Briefe! Shigofumi! Briefe von den Toten!" "W-Was hat es damit auf sich? Klingt gruselig!" "Das soll wahr sein, hab ich gehört. Tote Mädchen als Briefträgerinnen sollen dir die Briefe überbringen!" "Ts, wer's glaubt...das klingt für mich genauso wie die Story mit diesem Höllenmädchen da, Jigoku Shoujo. Glaub nicht immer alles, was diese Trottel in der Kantine labern." "Aber diese Seite, Jigoku Tushin, die gibt's wirklich! Ich hab sie letzte Nacht um Punkt 0:00 Uhr entdeckt!" "Da macht sich jemand einfach nur einen Spaß, ich denke mal, dass...Hey, wir kommen noch zu spät zu Englisch! Schnell, ich will nicht wieder 'ne Strafarbeit aufkriegen!" Es gibt Dinge auf dieser Welt, die man erst nach dem eigenen Tod sagen kann... Kapitel 1: Anfang eines Albtraums --------------------------------- Eine ganz normale Oberschule in einer kleinen Stadt, wie jede andere auch in Japan, ist Schauplatz dieser Geschichte. Aber Ort und Zeit dieser Erzählung sind völlig irrelevant. Sie sind nur der Rahmen für ein Bild, welches in seiner Unsterblichkeit selbst von den größten Künstlern dieser Welt beneidet werden würde. Was dieses Bild zeigt? Es zeigt, wie Hass und Liebe zwischen Menschen entsteht und wozu diese führen können. Und es will versuchen eine Erklärung darzubieten, wie komplex die Koexistenz einzelner Schicksale ist. "Ken-San, das ist er. Guck mal, wie er in die Straße entlang schlendert. Ich könnt' brechen." "Hmmm, ich wette, er ahnt noch nichts von seinem Glück, hehe." "Osamu, du gehst hinter ihm und Nori und ich packen ihn von vorne." "Yeah, das wird richtig gut tun. Meine Faust fühlt sich richtig hungrig an!" Von Außen betrachtet, spazierten nur drei Oberschüler gemütlich und die Straße hinunter. Ihre Schulkleidung war so sauber und anständig wie ihr Äußeres Auftreten. Sie waren, wie man so schön sagt, aalglatt und würden in ein paar Jahren sicher erfolgreiche Unternehmer werden, perfekt durchgestylte Yuppies, die nur darauf warteten, an Börsenspielchen ihre Mitmenschen das Blut auszusaugen. Katsu, ein junger, unbedarfter Mitschüler, war wieder ganz in Gedanken versunken unterwegs in das nächstgelegene Blumengeschäft. Er wollte einen besonders schönen Strauß für das Grab seiner Mutter aufsuchen. Auch wenn Jahr für Jahr die Erinnerung an sie blasser und blasser wurde, fühlte er sich doch noch mit ihr verbunden. Es war irgendwie absurd, er kannte sie vielleicht gerade mal 5 Jahre, und doch... "Hey, Katsu-Kun, du hast du was im Nacken!" "Was denn...!" "Meine Faust, du Wurm!" Ein kurzer Schock entriss Katsu aus seinen Träumen, schleuderte in in die Realität, wirbelte ihn in mitten in den Beginn eines Alptraums. "Na, wohin waren wir denn unterwegs? In den Games-Tempel mal wieder? Oder wollten wir uns neue Manga kaufen? Hmmmm? Warum redest du nicht, bist du taub?!" Noch ein Schlag, diesmal in den Rücken. "Wir waren uns grad alle einig, dass du uns gehörig auf den Sack gehst, mit deiner ganzen Art. Wir hassen dich einfach, Junge." "Aber, wieso..." Der Preis für diese Worte war ein Tritt in seinen Leisten. Er lag nun wie ein Embryo gekrümmt auf den Boden. "Wir fühlen uns durch dich den ganzen Tag genervt und angewidert. Wir können uns schon kaum mehr konzentrieren, so schlimm ist es. Meinst du nicht, dass es unser Recht ist, dir eine Abreibung zu verpassen? Hm?!" Katsu bekam kein Wort noch raus. In Gedanken sah er seine Mutter, wie sie verzweifelt versucht, ihm zu Hilfe zu eilen. Er wollte jetzt nicht weinen, nicht, vor den Augen seiner Mutter. "Antworte gefälligst!" Eine Daumenschraube entlocket Katsu ein gequältes, langezogenes "Ja". "Geht doch. Schon besser." Ken, Nori und Osamu verschwanden fast so schnell, wie sie gekommen waren. Diese Straße war so gut wie tot. Diese Szene spielte sich nicht mal innerhalb von zwei Minuten ab. Aber Katsu fühlte sich um knapp 200 Jahre gealtert. Die Orientierungslosigkeit war schlimmer als die Schmerzen in seinem Körper. Endlich kam seine Mutter ihm zur Hilfe und streckte ihre Hand aus, um Katsu aufzuhelfen. Er ergriff sie danked mit seinen letzten Kraftreserven. Als er in die Augen seiner Mutter blickte, sah er... Kapitel 2: Hoffnungssplitter ---------------------------- ...wie Midori sich grade seiner annahm. Es war ihm furchtbar peinlich, sich vor seiner Klassenkameradin retten zu lassen. Er fühlte sich furchtbar klein und schwach. Wenigstens weinte er nicht...aber die Augen waren schon angefeuchtet und die Umgebung leicht getrübt. "Alles in Ordnung, Katsu-Kun? Diese Typen sind unausstehlich." Zum ersten Mal in seinem Leben betrachtete Katsu Midori genauer. Er war eher verschlossen und kümmerte sich nicht viel um seine Mitmenschen, welche sich eh eines Tages in alle Himmelsrichtungen verstreuen würden. Die Welt wurde immer vernetzter, ein einziges Dorf, aber sie war noch groß genug, dass man sich nicht gegenseitig auf die Nerven gehen musste, wenn man wollte. Einer von Katsus ersten Gedanken beim Anblick Midoris lautete in etwa, "Scheiße, ist die niedlich.". Die Schuluniform ließ sie erwachsen und seriös wirken, aber ihr natürliche wirkendes Gesicht und ihr Zopf ließen sie auch jugendlich aussehen. "Katsu...?" "Äh, ja, ja, es geht schon, danke, Midori-San. Ich...Ich..." "Ist schon gut, du musst nicht so rot werden, tihihi. Drei gegen einen, das war verdammt noch mal unfair! Hey, sag mal, was verbringst du deine Mittagspause hier so alleine?" Ihr Lächeln war so unwiderstehlich. Midori war so offen und gut zu ihm, Katsu war fast stumm. "Ich war unterwegs zum Blumengeschäft. Meine Mutter hat morgen ihren Todestag." Katsu tat sich selber Leid. Er wollte Midori nicht anlügen, aber noch weniger wollte er eigentlich die Stimmung noch tiefer drücken. Er wich ihren Blick aus. Er hatte jetzt eine böse Vorahnung, was jetzt eintreten würde. "Oh...das tut mir Leid für dich, Katsu-kun." Es trat ein. Peinliches Schweigen. "Also, ich...geh dann mal, bis morgen..." - Katsu wollte nur noch hier weg. Mit einem "Ja, bis morgen, man sieht sich." verabschiedete sich Midori mit einem Honig-Karamell-Zuckerlächeln. Leicht perplex beeilte sich Katsu, seine Blumen zu kaufen und ging wieder zum Unterricht. Als die Sonne unterging, macht sich Katsu sofort auf in die Küche. Es war spät geworden, und musste am Abend noch die Reisbällchen für den nächsten Tag vorbereiten. Während er das Kochbuch und die Bento-Box seiner Mutter aus dem Schrank holte und anfing, Reisbällchen zu kochen, ließ er den Tag in Zeitraffer nochmal Revue passieren. Er spulte bis zu seiner Auseinandersetzung mit drei Schlägern vor und pausierte in dem Augenblick, wo Midori in sein Leben trat. Als die Reisbällchen fertig zum Abkühlen waren, stand der innere Film immer noch auf "Pause" und als sich Katsu auf die Couch zum Dösen hinlegte, hatte er noch lange nicht vor, weiter auf "Play" zu drücken. Er schloss die Augen und prägte sich das Bild von Midori ein. Einen Menschen, den er vertrauen konnte, die ihm Halt gab, das konnte er gut gebrauchen. Besonders, wo Katsu schon sehr bald nach jeder Form von Halt sehnen wird. Kapitel 3: Eine Fahrt --------------------- Am nächsten Morgen packte Katsu die Reisbällchen sorgfältig in die Bentobox seiner Mutter und verstaute die Blumen in einer separaten Plastiktüte. Er rannte aus seiner Wohnung, das Treppenhaus hinunter und während er sich zum Bus aufmachte, fiel ihm auf, dass heute Monatsanfang war. Leider hatte er keine Zeit, seine Post zu checken, wo in den letzten Jahren seit er allein lebte immer das Geld von seinem Vater wartete. Sein Vater setzte sich kurz nach dem Tod von Katsus Mutter in seiner ursprünglichen Heimat, den U.S.A ab. Er war Entwickler bei einer angesehen Software-Firma oder so in der Art, Katsu hatte dies nie wirklich interessiert. Sein Vater war halt irgendwo dort, und damit sollte es gut sein. Endlich im Bus angekommen, setzte sich Katsu auf die hintersten Plätze, auf der Rückband. Dort war meistens genug Platz um hervorragend zu dösen um Kräfte für den Tag zu sammeln. Noch gut 15 Minuten konnte er sich auf der Fahrt entspannen. Er streckte sich gerade auf seinen Platz aus, als der Bus an einer Haltestelle anhielt. Nur flüchtig stellte er fest, wie drei athletisch gebaute Jungen in den Bus stiegen. Sie trugen die gleiche Schuluniform wie er. Es waren Ken, Nori und Osamu. Ihr brüllendes, wieherndes Lachen hallte durch den ganzen Bus. "..und dann hab ich mich in die Umkleide geschlichen und die BHs genommen. Und am Ende der Stunde kreischten auf einmal alle Mädels wie im Kanon, weil sie ihre Unterwäsche gesucht hatten, buwahaha." "Hehe, hast du noch was Wäsche, hehe?!" "Hah, Du Ferkel du, du willst doch nur..." Katsu hörte nicht mehr zu. Stattdessen macht er sich ganz klein hinter den Sitzreihen. Er glaubte, dass sie ihn noch nicht bemerkt hatten, sie waren zu sehr in ihr Gespräch vertieft. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, er spürte, wie sein Puls allmählich schneller schlug, irgendwie ein ekliges Gefühl. Wie ein Tier suchte er bereits panisch den Bus noch Fluchtmöglichkeiten ab, fand aber keine. Er wusste, dass er sich im Falle einer Konfrontation nicht auf die Insassen des Busses verlassen konnte. Alte Menschen, junge Menschen, Frauen, Kinder, Mitschüler, sie alle folgten den Muster der drei weisen Affen: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. So waren Stadtmenschen. In der Öffentlichkeit galt das ungeschriebene Gesetzt der Anonymität, an das sich gefälligst alle sklavisch zu halten hatten. Beiß dir lieber die Zunge ab ehe du Zivilcourage zeigst. Wie Katsu feststellte, waren auch die anderen Fahrgäste nicht sehr angetan von den dreien. Obwohl sie alle wie versteinert auf ihren Plätzen saßen und die Landschaft oder die Warnhinweise im Bus anglotzten, verrieten einzelne Gesten ihre Gedanken: Der Business-Man wippt nervös mit den Füßen, eine Mutter umklammerte fester den Griff ihres Kinderwagens und ein kleiner Junge verdrehte ständig die Augen. Er dachte über die verschiedenen Möglichkeiten des Stressabbaus nach, war leicht amüsiert über seine kleine, Wissenschaftliche Abhandlung zum Thema, die grade in seinem Kopf vorging als plötzlich seine drei Peiniger grinsend in seine Richtung gingen. Kapitel 4: Fehlstunden ---------------------- Midori war die Erste in ihrer Klasse, die zu Chemie kam. Sie war heute überpünktlich, noch 15 Minuten bis zum Unterricht. Unter normalen Umständen wäre sie gar nicht so früh zum Unterricht gegangen - besonders nicht bei ihrem Hassfach Nr. 1 - aber sie hatte eigentlich keine andere Wahl. Bei einem Experiment hatte sie am Tag zuvor leichtsinnig fast das Labor angezündet und jetzt musste sie durch ein vorbildliches Verhalten diesen faux pas wieder gut machen. Sie war wütend auf sich, dass sie beim Experiment so herumträumen musste und es erst soweit kommen konnte, aber es gab Schlimmeres. Zwei Minuten nach Midoris Ankunft schlenderte Ren den Gang mit einen ganzen Haufen Bücher unter seinen Armen Richtung Labor entlang. "Ah, Midori-kun, sie sind schon da, sehr löblich. Guten Morgen." "Guten Morgen Sensei." Midoris Verbeugung wirkte sehr schuldbewusst. "Ich wollte heute wieder ein Experiment machen, diesmal zur PCR-Methode. Nix Spektakuläres, nur eine kleine Veranschaulichung, weil ich den Eindruck hatte, dass ihr euch nie den Stoff vorstellen könnt." "Hm, ja, äh, nein, so ist es nicht, nur...nur..." "Hahaha, du brauchst nicht zu lügen, ich merk' doch, wenn ihr nicht folgen könnt. Keine Sorge, ich bin mir sicher, nach der Stunde heute werdet ihr alles klarer sehen." Ren lächelte warm und machte die Tür auf. "Ich muss noch etwas vorbereiten, kannst du mir noch helfen? Oder musst du noch schnell Hausaufgaben machen?" Sie gingen lachend in das Labor. "Verteil' schon mal die Halter für die Reagenzgläser an die Plätze und steck in jedes 2 Gläser, das wäre sehr nett von dir." "Okay sensei." "Hör mal, wegen deinem kleinen Vorfall gestern -" "Ich weiß, ich weiß, ich werde nicht mehr herumträumen, entschuldigen sie." "Gut. Entschuldigung angenommen. Und jetzt vergessen wir den Vorfall, ja? Mach dir keine Sorgen um deine Note, ich drück' diesmal ein Auge zu." "Arigatou." Das leichte Brummen in den Wänden, das Surren von Leitungen und ein beißender Geruch bestimmte wie immer die Atmosphäre in dem Labor. Das Chemie-Labor gehörte mit Abstand zu den unbeliebtesten Räumen der Schule, nur die Physikräume konnten sich noch im Schülerhass messen. Mal abgesehen davon, dass die Jungen Menschen viel lieber Mangas, Drogen oder Sex als Physik lernten waren die Räume auch sehr unvorteilhaft ausgestattet, besonders die viel zu kleine Tische des Hörsaal-artigen Raums waren Vielen ein Dorn im Auge: Selbst ein Heft passte von der Höhe hier nicht mal richtig drauf. Gewissermaßen konnte man sagen, dass die Schüler rechtzeitig darauf vorbereitet werden sollten, in einer Gesellschaft zu leben, wo sie mit vielen Menschen auf engsten Raum so effektiv wie möglich zu arbeiten. Die Chemie-Stunde kam und alles lief glatt. Nur ein Schüler fehlte. Der, der fehlte, war Katsu. Kapitel 5: Brieffreundschaften ------------------------------ Katsu konnte den Griff von Osamu nicht mehr entfliehen. Nori hielt ihm die Hände vor den Mund und Ken begann mit einem Klappmesser vor seiner Nase rumzufuchteln. "Ein falscher Mucks und du bist eine Narbe reicher, Freundchen!", sagte Ken und griff nach Katsus Tasche. "Schau'n wir mal, was er so mit sich schleppt!" "Ich hätte Lust auf Hähnchen. Sag, kannst du gut kochen, Katsu? Hehe..." "Aber sicher kann er das, ich hab gehört, er lebt allein!" "Dann wird er ja sicher für uns mitkochen können, was?!" "Jaha, eine köstliche Idee, hah!" Nachdem Ken fast den ganzen Inhalt der Tasche auf der Rückband verstreut hatte, entdeckte er die Tüte mit den Blumen und die Bento-Box. "Ooooh, wie süß, hat unser Freundchen ein Betthäschen?" Ken grinste, warf die Blumen auf den Boden und trampelte auf ihnen herum. "Als ob eine mit DIR etwas anfangen würde, du Wicht, ich bewahre dich nur vor Enttäuschungen, hahaha!" Kens Grinsen erinnerte Katsu an ein Warzenschwein. "Uuuuuund was haben wir in dieser Bentobox?" jauchzte Osamu. Er klang ein Bisschen wie einer dieser schmierigen Showmaster. Nur war es sehr unwarscheinlich, dass Katsu hier etwas gewinnen würde. Das Ziel dieses Spiels war es, so heil wie möglich aus der Affäre zu kommen. "Jaha, das ist doch auch ganz gut! Jungs, heute gibt's Reisbällchen zum Mittag!" "Yeah, großartig." "Die brauchen wir jetzt nicht mehr.", sagte Ken entschlossen und zeigte auf die Bento Box. Er platzierte sie auf dem Grund und trat beherzt auf ihr drauf. Die Bento Box war alt und Kens Stampfer geladen; sofort gab das Holz nach uns zersprang in paar Dutzend Teile. Katsu konnte das nicht mehr ertragen, das ging ihm zu weit. Er schämte sich zutiefst, jetzt hatten sie auch seine tote, wehrlose Mutter angegriffen. Er wollte gerade den Mund aufmachen, wie er das Messer an seiner Halsschlagader kitzeln spürte. Er blickte um sich. Keiner der Fahrgäste machte Anstalten zu Helfen und der Greis von einem Busfahrer bemerkte das Geschehen gar nicht. Er schluckte kräftig und konnte erneut das Messer an seinem Hals spüren. "Wir haben dich gewarnt, unterschätz' uns nicht so." ermahnte ihn Ken grinsend. Katsu beruhigte sich für den Augenblick wieder. Er hatte Angst(, eine tierische Angst, um ehrlich zu sein), jedoch war es ihm auch klar, dass wenn er in diesem Bus erstochen werden würde, es mehr als genug Zeugen gab, die die drei Schläger gesehen haben. Sie würden das schon nicht tun...dann widerum, wer weiß, was hinter diesen schrecklich grinsenden Visagen wirklich steckt? Zu was die Peiniger fähig sind? An der Schule angekommen, verflüchtigten sich die drei wieder sofort. Während des Ausstiegs gaben sie Katsu noch einen Tritt in die Leisten und den Ratschlag "Und kein Sterbenswörtchen zu den Lehrern" mit auf dem Weg. Kaum unterwegs zu Chemie, kam ein kleiner, schwächlicher Junge zu Katsu. Er war mindestens einen Kopf kleiner als er und stotterte schrecklich. "I-Ich soll-sollte d-d-dir d-d-das gib-gib-geb-geben!" Katsu erhielt ein zusammengeknülltes Blatt aus einem karierten Block. Er entfaltete es hastig und las: "Haben wir schon drüber nachgedacht, es weiterzuerzählen??? Das hoffen wir doch nicht. Sonst wirst du deines Lebens nicht mehr froh. Versprochen! :) Deine neuen drei Freunde." Beim Lesen wurde Katsu kreidebleich, seine Hände zitterten. Als ob das nicht genug gewesen wäre, enthielt der Brief noch ein P.S.: "Ach ja, vergiss deinen Untericht. Wir haben noch was zu 'bereden'. Komm sofort zur Jungentoilette vor dem Raum B-3. ^_^" Widerwillig ging Katsu mit erhöten Blutdruck auf die Toilette. Grund für das Treffen war eine Art Vorsichtsmaßnahme der drei Schläger. Sie hauten ein paar Minuten lang auf ihn ein, um ihrer Warnung Nachdruck zu verleihen. Nach der "Besprechung" musste sich Katsu erstmal von den Strapazen erholen, sodass er nicht zu Chemie gehen wollte. Ab diesen Zeitpunkt spürte Katsu kaum noch etwas, seine Sinne waren wie abgestumpft. Zum ersten Mal dachte Katsu intensiver über das Jigoku Shoujo, das Höllenmädchen, nach. Kapitel 6: Ein kleines Meeting ------------------------------ Katsu ließ den Chemie-Unterricht für sich ausfallen und überlegte sich als Ausrede, dass ihm einfach schlecht geworden sei. Natürlich konnte er auch dann gleich sich ein Schild um den Hals hängen "Ich lüge sie an!!!", aber das war ihm vorerst egal. Zudem, ihm war schlecht. "So, dann noch die Fehlstunden eintragen...mal sehen...heute fehlt nur Katsu-kun, oder? Komisch, er ist doch sonst immer da, weiß einer von euch, was da los ist?" Ren starrte in Augen, die nicht weniger fragend als seine waren. Das konnte nur zwei Sachen bedeuten. Entweder wusste ein Schüler wirklich nicht, wo Katsu war. Oder die zweite Möglichkeit (und die war ebenso wahrscheinlich), der Schüler setzte sein Pokerface auf und stellte sich dumm, in der Regel, um einen Schwänzer zu schützen. "Wäre denn einer von euch so nett, ihm die Arbeitsblätter zu geben?" fragte Ren die Masse, welche nur noch in die Pause wollte. "Hier, ich könnte das tun, Sensei!" meldete sich Midori. Mit einem erleichternden "Ah, arigatou." bedankte sich Ren und drückte der lächelnden Midori die Blätter in die Hand. Für einen kurzen Augenblick dachte Ren, dass Midori beim Lächeln kampflustig ihre Zähne zeigte. Die erste große Pause des Tages kam für alle wie gerufen. Ren führte Aufsicht auf dem Hof und fühlte sich geschmeichelt, wie die Schülerinnen ihm heimlich hinterherblickten. Was Ren für die Schülerinnen war, war Hone bei den Schülern. Es war ein offenes Geheimnis, dass die beiden Neulinge, welche von manchen Lehrern im Kollegium abfällig als "Jungpädagogen" bezeichnet wurden, sicher nicht nur wegen ihrer Lehrmethoden so beliebt bei den Schülern und Schülerinnen waren. Ren und Hone trafen sich wie immer in der Pause mit Wanyudo, welcher sich als Hausmeister verdiente. "Mmh, und du magst sie also nicht?" fragte Wanyudo Ren. "Ja...sie setzt immer so ein gekünsteltes Lächeln auf und tut so, als ob kein Wässerchen trüben könnte, diese Midori." Ren lehnte sich lässig an ein Geländer, Wanyudo und Hone stellten sich zu ihm. "Du meinst also, dass sie ein Wolfs im Schafspelz ist, was?" fragte Hone Ren und genoss die Sonnenstrahlen. "Ja...Sie ist ein gefährlicher Umgang. Besonders bei so Typen wie Katsu." "So spielt das Leben, lassen wir die Jugend ihre eigenen Erfahrungen machen." sagte Wanyudo und widmete sich wieder seiner Arbeit, passend zum Klingeln. "Und du hast jetzt wieder Sport-Unterricht? Aber überanstreng' dich nicht, schließlich sind wir nicht mehr die Jüngste mit unseren paar hundert Jahren, was?" neckte Ren Hone. "Noch so ein Spruch und es setzt was, du Laborratte!" konterte Hone und lachte. Erneut fühlten sie sich alle mehr wie eine Familie als nur ein Team, dass Menschen die Hölle präsentierte. Katsu hörte den Gong nicht. Er saß wie benommen auf der Bank und blickte in die Leere, seinen Rucksack fest umklammert. In Gedanken war er am Grab seiner Mutter, jedoch mit einem Strauß Blumen in der linken Hand und die Bento-Box in der Rechten. Doch waren all diese Dinge zerstört, er und seine Mutter wurden von Kens Bande erniedrigt. Dieses Lachen hallte immer und immer wieder in seinem Kopf. Er würde ihnen nie verzeihen. Nie. Das schwor er bei seiner Mutter. Midori befreite ihn aus seiner Paralyse. Erst dachte Katsu, dass Ken ihn an die Schulter tippte. Er wollte sich schon drauf vorbereiten, sich mit ihm zu prügeln, als er Midoris Stimme hörte: "He, Katsu-chan, wo warst du denn? Hier, ich sollte dir noch Arbeitsblätter mitgeben." "Oh, Midori-chan! Ich, ja, ich...mir war schlecht, wirklich! Ich konnte unmöglich kommen." "Ach herje, du Ärmster, du siehst ja wirklich übel zugerichtet aus, du bist ja ganz blass! Was ist denn mit dir los?" Katsu fühlte einen leichten, aber angenehmen Schauder, als Midori ihren Arm um seine Schulter legte. "Oder waren es...nein!" "Midori-chan, nein, ich wurde nicht von denen..." "...diese blauen Flecken, lüg nicht." "Midori, ich...ich...kann nichts sagen, sonst...drohen Konsequenzen." "Katsu-chan...okay. Ich verstehe. Trotzdem kann es so nicht weitergehen." Midori rückte dichter an Katsu. "Komm, gehen wir endlich, du hattest heute schon eine Fehlstunde. Wir reden ein andermal über dieses Problem." Sie schlenderten über den Schulhof in das Gebäude. Auf den ganzen Weg zum Klassenraum redeten sie kein Wort miteinander, sie ließen stattdessen ihre Blicke sprechen: "Ich bin dir so dankbar, dass du mir Beistehst, Midori.", sagten Katsus Augen. "Mach dir bitte keinen Sorgen, ich bin ja da.", erwiderten Midoris Blicke. Seine faltige Stirn runzelnd schaute Wanyudo ihnen hinterher. Kapitel 7: Jigoku Tsushin ------------------------- Der Schultag war ausgesprochen lang für Katsu. Als er endlich frei hatte, war es schon am Dämmern. Dennoch machte er sich Richtung Friedhof auf, er wollte sich seiner Mutter stellen, auch ohne die Opfergaben und die Blumen. "Lass mich mit dir gehen, du siehst so geschafft aus...oder willst du lieber allein sein?", fragte Midori ihn, ihren Arm um seine Taille haltend. Fast hätte Katsu schon aus Gewohnheit dieses Angebot verneint, aber bevor diese Worte über seine Zunge kamen, überlegte er sich es anders, sehr zu seinem eigenen Erstaunen. Der Friedhof war nie wirklich viel besucht gewesen, dafür waren die Anlage viel zu mau und trist, der Ort zu abgelegen und der Friedhofswärter viel zu unfreundlich. Katsu und Midori hatten Glück, dass jener sich gerade eine Pause gönnte und in den Himmel starrend seine Zigarette rauchte. Katsu hätte lügen müssen, wenn er sagen musste, dass es bisher mit Schlägereien und Drohungen ein schöner Tag war; aber wenigstens musste er sich das ewige Nörgeln dieses alten Fettsacks von Friedhofswärter nicht mehr anhören. Wenigstens das. Als Katsu vor dem Grab seiner Mutter stand, wurde ihm bewusst, was an dem Tag tatsächlich passiert war. Kens Bande hatte nicht die Bento-Box von ihm mutwillig zerstört; sie hatten die seiner Mutter zerstört. Sie hatten nicht ein paar Blumen aus dem Laden zerfledert; sie hatten auf seinem Ehren der toten Mutter getrampelt. Er war nicht mehr traurig, er war wütend. Midori bemerkte dies augenblicklich. So gut konnte Katsu dann doch nicht schauspielern, leider. "Ich kann gut verstehen, wie du dich jetzt fühlst," tröstete sie Katsu, "aber du darfst trotz allem nicht deine Beziehung zu deiner Mutter an solchen Objekten festmachen." fügte sie hinzu. "Du hast ja Recht...trotzdem will ich es Ihnen heimzahlen..." flüsterte Katsu und sein Blick verfinsterte sich. Sie standen noch ein paar Minuten schweigend vor dem Grab, die Arme jeweils um die Hüften des Anderen gelegt. Katsu dachte, dass es wohl keine seltsamere Art gab, mit einem Mädchen auszugehen (denn gewissermaßen *war* das ein Date). Doch Midori dachte an völlig andere Sachen. Hätte Katsu gewusst, was sie dachte, würde die Geschichte ab diesem Punkt sicher völlig anders verlaufen. Jedoch können Menschen nur sehr, sehr begrenzt Gedanken lesen (mit Ausnahme dieser Typen in Fernsehen, aber diese Trickbetrüger zählen nicht), sodass der Fluss dieser Geschichte nicht umgeleitet wird. Am späten Abend setzte sich Katsu an seinen Laptop und laß in einem Internet-Forum über okkultes Zeug. Seine Suche nach dem Schlagwort "Höllenmädchen Jigoku Shoujo" ergab zahllose Treffer. Er klickte das angepinnte "Vor dem Posten lesen"-Thema an und informierte sich über den um sich gehenden Kult des Höllenmädchens: -Z_Hime6669_Z- schreibt: "Die folgenden Informationen beruhen auf Erlebnissberichten von Leuten, die bereits in Kontakt mit dem Höllenmädchen in irgendeiner Form geraten sind oder über Bekannte etwas erfahren haben. Die Admins und Mods sind bemüht, diese Informationen so aktuell wie möglich zu halten und ihren Wahrheitsgrad durch Vergleichen mit ähnlichen Berichten zu überprüfen" "Mein Gott," dachte Katsu, "wie die sich hier aufspielen...". Dennoch las er interessiert weiter, das hätte er nicht leugnen können. "So haben wir zum Beispiel Folgendes über den Prozess beim Umgang mit dem Höllenmädchen herausgefunden: - Die Seite "Jigoku Tsushin", auf der man das Höllenmädchen kontaktieren kann, ist NUR um Punkt Mitternacht zu erreichen, zu anderen Zeiten wird keine Seite angezeigt. Der Link zur der Seite findet ihr am Ende des Posts (WIR RATEN EUCH ABER, ERST NACH DEM LESEN DIESES THEMAS DIE SEITE ZU BESUCHEN). - Falls der Besucher der Seite Groll gegen einen Menschen hegt und diesen in die Hölle befördern will, muss er nur den Namen dieses Menschen in ein Feld auf der Seite eingeben und absenden. Das Motto der Seite ist: 'Wir werden in deinen Namen Rache nehmen.' - Ab dem Punkt werden die Erfahrungsberichte ungenauer, bis jetzt stimmen sie aber zu 100%!!! - Sehr wahrscheinlich kommt als nächstes das Jigoku Shoujo den Anwender besuchen und bietet dem Rache-Suchenden eine Strohpuppe mit einem roten Band um den Hals an. EDIT: Zahlreiche Besucher meinen zudem das Höllenmädchen in Begleitung von Helfern gesehen zu haben. Viele Quellen erzählen von einer schönen Frau und einen gut aussehenden Mann sowie einen alten Mann mit Hut. Manche meinen sogar, dass sich einer ihrer Begleiter kurzweilig in die Strohpuppen verwandelt, die das Jigoku Shoujo aushändigt. - Dann verschwinden des Höllenmädchen und ihre Kameraden wieder. Sobald nun der Anwender das rote Band vom Hals der Strohpuppe löst, verschwindet diese mit den Worten 'Deiner Rache wurde gewährt' und das gedachte Opfer, dessen Name auf der Seite eingegeben wurde, landet in der Hölle. Achtung, es folgt gleich eine ausdrücklich WARNUNG!! - Wie dem auch sei, der Anwender muss einen PREIS dafür zahlen, einen Menschen in die Hölle befördert zu haben: - DER ANWENDER KRIEGT EIN ** SCHWARZES MAHL AUF DER BRUST, WAS IHM DARAN ERINNERN SOLL, DASS ER NACH DEM TOD ZUM AUSGLEICH AUCH IN DER HÖLLE LANDEN WIRD!!!!!! - Das Betreten dieser Seite geschieht somit auf eigene Gefahr, das Forum übernimmt keine Verantwortung der Folgen!* Hier endete der Post. Katsu war leicht perplex und grinste, nachdem er all dies gelesen hatte. Er glaubte nicht wirklich dran, trotzdem war es schön zu lesen. Er wollte gerade noch das Thema zu "Shigofumi" lesen, wo Leute angeblich die Briefe veröffentlichten, die ihre verblichenen Angehörigen aus dem Reich der Toten geschickt haben, als er bemerkte, dass es 23:55 Uhr war. Er klickte schnell wieder auf das "Jigoku Shoujo"-Thema und klickte den Link. Nichts passierte. 23:56 Uhr. Wieder wurde beim Klicken keine Seite angezeigt. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, in seinen Oberschenkeln spürte er eine leichte Anspannung. Auf seinen Armen hatte er eine Gänsehaut, welcher sich immer mehr ausbreitete, je näher Mitternacht kam. Er holte Tief Luft und hielt den Atem an, als er um Punkt 0:00 Uhr auf den Link klickte. Es öffnete sich tatsächlich die Seite des Höllenmädchens. Kapitel 8: Nach dem ersten Kontakt ---------------------------------- Er öffnete die Seite, nur um sie nach ein paar Sekunden wieder voller Panik zu schließen. War er wirklich für kurze Zeit mit der Hölle in Berührung gekommen? Hatte er irgendwie Kontakt mit etwas Mystischen, Übernatürlichen aufgenommen? War das überhaupt als übernatürlich zu bezeichnen, wenn Himmel und Hölle schon seit Ewigkeiten ein Bestandteil des Lebens waren? Solche Fragen beschäftigten Katsu noch Tage nach dem Betreten der Seite, besonders in den furchtbar langweiligen Englischstunden. Die Frage, die ihm allerdings am meisten zu schaffen machte, ihn regelrecht quälte - "Lande ich oder wer anders jetzt in der Hölle?" "Natürlich nicht," dachte Katsu, "immerhin hab ich doch gar nichts gemacht auf der Seite, nur gucken!". Das war eine simple, logische und in sich schlüssige Antwort. Der Haken an der Sache: Vor nicht alzu langer Zeit hat er nicht an Übernatürliches geglaubt, wie konnte er sich jetzt sicher sein, dass die Gesetze der Logik nicht schon längst außer Kraft waren? Was wäre, wenn das Betreten der Seite irgendwie unbemerkt schon einen Effekt hatte, quasi eine Art Virus? Die Frage hämmerte sich tief in seinen Kopf, bis ihm schlecht wurde. Das Hämmern im Kopf ging über durch den Hals zu einem Pochen und in den Magen zu einem Wirbeln, es war unerträglich. Er kotzte eine lange Viertelstunde in die Kloschüssel, bis er der Meinung war, das es ihm besser ginge und sein Innerstes sich genug nach Außen gewandt hatte. Tatsächlich, am nächsten Morgen ging es ihn schon etwas besser. "Eigentlich ist es total blöde,", dachte Katsu als er am Frühstücken war,"das war sicher nur so'n behämmertes Fake. Wahrscheinlich gibt es die Seite in ein Dutzend Variationen. Das Internet halt." Und doch, er hatte Angst. Ähnlich wie ein Kind, das sich einredet, dass es keine Gespenster gibt und dann doch unter dem Bett nachguckt, weil es die Furcht nicht mehr erträgt. Die nächsten Schultage waren mehr oder weniger schmerzvoll für Katsu. Auf Busfahrten hatte er seine Ruhe vor Ken, Osamu und Nori, wohlmöglich wollten die drei nicht zuviel Aufmerksamkeit erregen indem sie immer am selben Ort zur selben Zeit zuschlugen. Mal schlugen sie in den Pausen zu. Mal schlugen sie kurz oder nach dem Unterricht zu. Nie schlugen sie jedoch nach der Schule zu. Lustigerweise ging Midori immer mit Katsu nach der Schule zurück den Weg nach Hause zusammen. Obwohl Midori schön resolut war, wäre sie in einer direkten Konfrontation mit den drei Schlägern hoffnungslos unterlegen gewesen. Dass Kens Band Angst vor Midori hatte, schien also auszuschließen zu sein. Katsu konnte es sich nicht einfach erklären. Midori war sein Schutzschild, sein letzter Halt. "Schon bald......werden hier mal andere Seiten aufgezogen, Leute!" jaulte Ken und verschlang den Rest Ramen. "Ich platze gleich." grunzte Osamu und kratze sich am Pickel auf der rechten Wange. Er und Nori hatten mehrere Schachteln und Plastikbecher auf dem Tisch vor sich und standen gerade auf. "Dafür sind die Putzen da, gehen wir!" Die drei gingen pfeifend die Straße entlang. Die stechende Sonne knallte heute in die Stadt. "Also, ihr holt die Farbe und ich die Eier! Bis heute Abend!" Die Kellnerin im Imbiss räumte seufzend den Müll der drei weg und dachte sich, was sie heute wieder anstellen wollten. Sie wäre nicht mal in ihren Träumen drauf gekommen, was Kens Bande für diese Nacht im Sinn stand. Kapitel 9: Katsus Vater ----------------------- "Er hat also die Seite schon mehrmals besucht, was?" warf Wanyudo in die Runde. "Und er hat noch immer nicht einen Namen eingeben, dieser Katsu. Ich glaube, er ist zu ängstlich..." sagte Ren und hockte sich zu Wanyudo. Hone lachte die beiden an: "Männer, ihr überseht das Offensichtlichste. Er ist viel zu sehr in seine kleine Freundin vernarrt, als dass er in die Hölle gehen würde. Solange sie noch da ist um ihn zu trösten, wird es beim Gucken von Jigoku Tsushin bleiben." "Bist du dir sicher?", fragte Wanyudo und blickte erstaunt und bewundernd zu Hone auf. "Ich bin eine Frau, ich weiß das doch!" Ren schloss die Augen, grinste hämisch und spottete: "Hmpf. Vielleicht weiß er auch nicht, welchen von den dreien er in die Hölle befördern will." "Du bist so unromantisch!" Emna Ai, das Höllenmädchen, saß in einem Feld aus roten Schönlilien. Schon lange war sie hier nicht mehr gewesen, hat die Ruhe genossen und am nahen Fluss gebadet. Die ewig untergehende Sonne tauchte den höllischen Wohnsitz des Höllenmädchens in ein schönes Orange. "Das junge Fräulein kommt heim." sagte Wanyudo bedacht, als Enma Ai mit gesenkten Kopf richtung Hütte ging. Ihr schwarzer Yukata stichte aus der Harmonie der Natur traurig hervor. Nicht unschön, traurig. "Nun, die Zeit wird zeigen, wie diese Geschichte aussgehen wird, nehme ich an.", seufzte Ren und fügte dem hinzu:"Wir können wie immer nur abwarten und zugucken." Währenddessen, mehrere Tausend Kilometer von Katsu entfernt, machte sich ein alternder Yuppie in New York zu seinem Arbeitsplatz auf. Der Mitt-Vierziger hörte auf den Namem Harman Ryhers. Harman aß wie seit Ewigkeiten zum Frühstück seinen Toast mit Erdnussbutter und sah sich die Frühnachrichten dazu im Fernsehen an. Die Wohnung war sehr leer gewesen, seit seine Liebe gestorben war. Eigentlich hatte er keinen Sinn mehr im Leben gefunden, nachdem sie tot war. Er gehörte zu den oberen Zehntausend, seine Firma war in der hart-umkämpften Computer-Branche gut dabei; er konnte (wenn er es gewollte hätte), sich jeden Abend in den Stundenhotels der Stadt vergnügen und hatte für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Kurz gesagt, er fristete ein fast bedeutungsloses Dasein. Die einzige Familie, die er noch hatte, war sein Sohn Katsu. Er wollte nie wirklich Kinder haben; für ihn zählte es, mit seiner Liebe alleine glücklich zu leben, egal ob in Japan oder den U.S.A.. Doch es sollte halt alles nicht so sein, und nun war die Frau tot und der Sohn da. Harman konnte und wollte sich nicht den Druck aussetzen, gleichzeitig eine Firma zu führen und einen unehelichen Sohn zu erziehen, also wählte er den bequemsten Weg, mit Geld war schließlich alles möglich in dieser Welt. Also machte es ihm auch nichts aus, als er heute früh mal wieder einen Scheck für seinen Sohn Katsu ausstellte. Wäre Katsu nicht gewesen, hätte er sich schon längst das Leben genommen, aber der letzte Wille von Katsus Mutter zwingte ihn förmlich dazu, Katsu zu unterstützen, wenn nicht als Vater, dann durch Geld. Harman war in seiner melancholischen Phase und er kramte den letzten Willen seiner Frau noch einmal hervor. Es war ein Brief aus dem Jenseits, ein Shigofumi. "Es tut mir für alle Beteiligten Leid, was passiert ist. Es hätte nie soweit kommen dürfen, wir waren beide dumm. Vielleicht ist es ganz recht, dass ich jetzt tot bin. Bitte setze alles daran, Katsu zu unterstützen. Wenigstens finanziell. BITTE!" Das "BITTE!" am Schluss des Briefes war so fett geschrieben, dass das Papier schon leicht rissig geworden war. Dieser Brief einer Toten, dass war im Grunde der ganze Lebensinhalt von Harman. Diesen Wunsch wollte er seiner Geliebten nicht verwehren. Es war schon viele Jahre her, dass er den Brief gekriegt hatte. Ein junges Mädel in Uniform und einem sprechenden Stab brachte ihm den Brief der toten Frau, welcher "Shigofumi" genannt wurde. Er hielt das alles erst für einen schlechten Scherz, aber als er die Schrift wiedererkannte, war er sich sicher, dass sie es war. Er aß sein Brot zu Ende und machte sich auf zur Arbeit. Er fühlte sich wie ein lebender Toter. Kapitel 10: Ein Sommernachts(alb)traum -------------------------------------- Es war eine halbe Stunde vor Mitternacht, als sich Kens Bande an einem alten Kriegerdenkmal in der Stadt traf. Obwohl es für die Zeit sehr warm war, trugen die drei schwarze Kapuzen-Shirts und Sonnenbrillen, ein Bisschen wie ein paar erfolglose Graffiti-Sprayer. Ohne viel Worte zu verlieren, gingen sie unauffällig richtung Friedhof; die einzigen Laute, die von ihnen kamen, waren Gekicher und Osamus Fürze. Auf den Friedhof zu gelangen, war für die drei kein Problem, weil der alte Friedhofswärter das Tor in der Regel nie abschließte. Nach ihrer Aktion würde er wahrscheinlich für seine Fahrlässigkeit entlassen werden, aber daran dachten Ken und seine Freunde gerade nicht; sie waren viel zu sehr in Rage, viel zu aufgewühlt, als dass sie jetzt einen Rückzieher machen konnten. "Also, sucht das Grab dieser verdammten Nutte, verstanden? Und macht nichts anderes, wie wir es vereinbart hatten!" "Yeah, Ken-kun!" flüsterte Nori und setzte sein fuchsartiges, listiges Grinsen auf. Es verging gute 5 Minuten, als die ganze Aktion scheinbar schief gegangen wäre. Die drei hatten sich aufgetrennt um ihr Ziel schneller zu finden. Es war sehr finster und Osamu hatte keine Lust, seinen müden Augen weiter zu fordern und schaltete seine kleine Taschenlampe ein. Als Ken das Blitzen des Lichts 20 Meter von sich entfernt sah, durchfuhr in ein kurzer, aber dafür umso schmerzvollerer Schock. Er bermerkte jedoch schnell, was Sache war: "Du Nichtsnutzt, du verdammter Idiot!" zischte er und zeigte die Zähne, als er auf Osamu zuging. "Aber was denn, Ken - " Ken haute Osamu als Antwort erstmal eine ins Gesicht, sodass sein Pickel augenblicklich aufplatze und Eiter sowie Blut in seinem Gesicht klebte. Angewidert wischte Ken sich die Hand an seiner Jeans ab. "Was sollte das? Willst du, dass wir gesehen werden?! Weißt du, dass mir fast das Herz in die Hose gerutscht ist, weil du der Friedhofswärter hättest sein können?!" fauchte Ken. Osamu antwortete nichts, denn jede Form von Protest war bei Ken zwecklos. Ken war wie ein Elektroherd: War er erst einmal warm, kochte die Suppe auch erstmal eine ganze Zeit und war so schnell nicht wieder abzukühlen. "Weiter an die Arbeit!" Nori war eifrig bei der Sache, man konnte schon fast von einer Gier sprechen. Seine Augen blitzten auf, als er das Grab fand. Sofort holte er seine Kumpanen zu dem gesuchten Grab, seine Freude und sein Stolz waren schier grenzenlos, wie ein kleines Kind, dass seinen Eltern zeigen wollte, was es tolles auf der Straße gefunden hat. "Ah...sehr, sehr gut..." murmelte Ken vor sich hin, als er das Grab fand. "Das ist es doch, oder?" "Ja, die Beschreibung passt genau!" "Zeigt es dieser verdammten Schlampe und ihrem nichtsnutzigen Sohn einmal so richtig, Leute!" Bevor die drei anfangen konnten, ihre "Arbeit zu erledigen, hörten sie Schritte und ein Husten. "Verdammt, diesmal ist es wirklich der Wärter! Los, versteckt euch!" Das Adrenalin der drei stieg in kurzer Zeit ins Unermessliche. Nori schlich sich sofort in ein Gebüsch. Für ihn war das immer noch ein Spiel, das beste Spiel der Welt. "Boah, ich fühl mich wie Solid Snake!" dachte er. Er grinste leicht manisch. Osamu hatte große Probleme sich zu verstecken, weil er der größte und lahmste der Bande war. Er stolperte hinter einem Baum und musste vor lauter Aufregung keuschen. Nur Ken hatte die Ruhe weg und verkroch sich hinter eine Reihe Bäume. Der Friedhofswärter schwenkte die Taschenlampe umher und horchte. Er glaubte, in der Ferne ein Winseln zu hören, oder irgendein andere Laut, vielleicht von einem streunenden Hund. "Ist da wer? Hallo? Ist da wer?" fragte er in die Dunkelheit. "Wieso ist der um die Zeit verdammt nochmal hier?!" dachte Ken angestrengt nach und versuchte so lange wie möglich die Luft anzuhalten. Der Wärter kam an dem Gebüsch vorbei wo Nori kauerte. Nori sah die abgetretenen Stiefel des Mannes, roch den Gestank von Schweiß und Erde und konnte sich nicht mehr halten. "Hier ist wer!" zischte er und riss dem Mann die Beine weg. Der Wärter landete auf seinem Hinterkopf und wurde auf der Stelle bewusstlos. Seine Taschenlampe fiel auf den Boden und rollte den Weg entlang, die Scherben des aufgesprungen Glases verteilten sich. Nori kicherte und trat auf den Wärter ein, welcher genau so gut hätte tot sein können. "Was tust du da, du Irrer?" krächzte Ken und rannte wie Osamu zu Nori. Sie packten ihn und hielten ihn fest wie ein wildes Tier, dass in Rage gekommen war und beruhigt werden musste. "Es...fühlt...sich so...LEBENDIG!" jauchzte Nori voller Glück und Freude. "Was ist wenn er tot ist, du Spinner?!" "Na und? Uns kriegt man nicht! Niemand hat uns gesehen!" "Scheiße, was sollen wir machen?" "Schieben wir ihn erstmal ins Gebüsch und bringen unsere Sache so schnell wie möglich über die Bühne." Osamu und Nori hörten auf Ken und verrichteten die Arbeit schnell. Die Schändung des Grabes von Katsu Mutter, ihr eigentliches Ziel, verkam zur Nebensache, dennoch machten die drei ihr Werk gründlich. Graffiti, faules Obst und Urin verunstaltete das Grab. "Okay, das reicht." "Schade, es war grade so schön." "Und jetzt? Was machen wir nun?! Wer weiß, was er gesehen oder gehört hat. Er wird alles ausplaudern." Sie starrten in das Gebüsch, wo der Körper des Friedhofswärters lag. Plötzlich hatte Ken eine Idee. "Durchsucht seine Taschen, ich will seinen Führerschein sehen!" "Aber wie-" "Macht es einfach, ich erklär' es gleich..." sagte Ken gelassen. "Hier ist es, da ist sein Schein! Aber..." "Her damit! Gute Leistung!" "Sag uns doch, was du damit willst? Ihr seht euch echt nicht ähnlich!" sagte Nori und grinste. "Nori...der Typ hier heißt Daiki Yoshi, dass sagt sein Führerschein." "Und?" Ken entspannte sich merklich zur Verwunderung seiner Genossen. Er kramte sein Handy hervor, ging ins Internet damit (Gott sei dank waren Akku und Empfang noch gut genug hierfür, dachte er). Er wartete kurz, bis es Mitternacht war und ging auf die Seite Jigoku Tsushin. "Nori, du hast doch sicher von dem Höllenmädchen gehört, oder?" "Klaro, ich weiß alles über so 'nem Kram!" "Sehr gut...hier, willst du den alten Sack nicht in die Hölle befördern?" Für einen kurzen Augenblick schwiegen alle drei, doch Nori hatte rasch seine Entscheidung getroffen. "Jau, her mit dem Handy, ich mach's, ich heiz' dem ein!" Er tippte sofort den Namen in das Eingabe-Feld der Seite ein und drückte auf Senden. Nori grinste hämisch, schloss die Augen, grinste noch breiter, und als er sie aufmachte... Kapitel 11: Nori trifft das Höllenmädchen ----------------------------------------- ...sah er einen fantastischen, in Abendrot gehüllten See. "Hier bin ich." sagte auf einmal eine Mädchenstimme. Nori wusste sofort, um wen es sich handelte: "Jigoku...Shoujo!" Er grinste. "Hone-Onna." sagte das Höllenmädchen und wandte sich zu einer schönen Frau hin, welche zusammen mit einem alten Mann mit Hut und ein Jüngling hinter dem Höllenmädchen stand. "Wie ihr wollt." antwortete Hone und verwandelte sich in eine handliche, rötliche Strohpuppe mit einem roten Band um den Hals. Das Jigoku Shoujo nahm sie auf und hielt sie Nori hin: "Nimm dies." Nori griff gierig, aber auch ehrfürchtig nach der Puppe. "Löse einfach das rote Band wenn es dir wirklich nach Rache gelüstet. Wenn du es löst, wirst du mit mir einen Vertrag abschließen. Die Person, an der du Rache nehmen willst, wird sofort in die Hölle befördert." Nori hatte die Hand schon am Band, als er nochmal in die blutroten Augen des Jigoku Shoujo guckte. "Wie auch immer...", setzte sie fort, "...falls du Rache nimmst, wirst du auch einen Preis zahlen müssen. Verfluche einen Menschen und zwei Gräber werden gegraben. Wenn der Vertrag erfüllt ist, wird deine Seele auch in der Hölle landen. Obwohl dies erst nach deinem Tod passiert." Nori runzelte noch nicht einmal die Stirn. "Zur Hölle? Nur zu, wuahaha, den alten Sack werde ich's zeigen!" Nori zog sofort am Band. Mit den Worten "Deiner Rache wurde gewährt" flog die Puppe in der Luft und löste sich in Luft auf. Nori befand sich wieder auf dem Friedhof mit seinen beiden Kumpanen. Ken trat euphorisch auf ihn zu. "Sehr gute Arbeit, du Teufelskerl, hahahaha!" "N-Nori-kun, der alte Mann...er ist plötzlich verschwunden!" "Ja...ich war es, der ihn verschwinden ließ! Er soll vor mir den Staub fressen, DER wird uns keine Sorgen mehr machen, ahahaha!" Nori grinste und bleckte seine Zähne, er fühlte sich unglaublich mächtig. Die drei fingen an, den Friedhof zu verlassen. Während der Rückkehr schaute Nori auf seine Brust, an der er kurz ein seltsammes Gefühl spürte. Er sah eine Art Tattoo. "Das soll mich daran erinnern, dass ich nach dem Tod in der Hölle landen werde." dachte er und er war leicht überrascht, dass er das wusste. Das war keine Vermutung, dass war eine Tatsache für ihn, so wie dass die Erde rund ist oder dass der Mensch Wasser zum Überleben braucht. Das Ausmaß seiner Tat begriff Nori nicht im Entferntesten. Genaugenommen fühlte er sich verdammt cool. Wer weiß schon, wie die Hölle war. Er würde sein Leben jetzt in vollen Zügen genießen und für den Augenblick leben. Und das hieß,noch ein Bisschen mehr Terror ausüben, am Besten bei Katsu. Ken fühlte sich einfach nur erleichtert, dass die Sache glatt gelaufen ist und der verrückte Nori sich zu so einem Blödsinn hat hinreißen lassen. Er hätte beinahe laut loslachen können, er konnte es nicht fassen, wie manipulierbar Nori doch war. Die nächsten Tage hielten die drei sich von Katsu fern, weil sie dachten, dass sie zu schnell ins Kreuzfeuer geraten könnten, wenn sie nach Schändung des Grabes von Katsus Mutter Katsu weiter mobbten. Am nächsten Tag gingen bekam Katsu einen Anfruf von einem Polizisten namens Noji. Noji machte seinen Job schon seit gut 20 Jahren und noch immer bereitete es ihm Probleme, solche Gespräche nach schlimmen Taten zu tun. Als er Katsu anrief, fand er nur schwer die richtigen Worte, um ihn behutsam zu erklären, dass das Grab seiner Mutter verschandelt wurde. Diesen Tag ließ Katsu die Schule sausen. Er hockte sich in die Ecke auf den Küchenboden und weinte. Er brauchte seine Zeit, bis er sich wieder gefangen hatte. Mit noch geröteten Wangen und Wut im Bauch machte er sich zum Friedhof auf, um sich selbst ein Bild von der Tat zu machen. Unter heftigen Tränen und Schmerzen säuberte er das Grab so gut es ging, nur die Graffiti bekam er nicht weg. Auf einmal spürte er eine kräftige Hand auf seiner Schulter und als er sich umdrehte, stand ein Polizist im Trenchcoat hinter ihm. "Wir setzen alles daran, diese Schweine zu finden. Nenn mich Noji." "Noji-san...was...was..." "Wir wissen noch nichts Genaueres, aber die Polizei gibt sich wirklich Mühe...Katsu-kun, weißt du, wer dir so etwas antun könnte?" Mit gesenkten Kopf und abschweifenden Blicken erzählte Katsu von seinen Mobbern in der Schule. "Oh, meine Güte...diese Bastarde werden wir uns vorknöpfen, verlass dich drauf." "Arigatou, Noji-kun." "Hey, das ist doch schließlich unser Job!" antwortete Noji und lächelte mild. "Wegen der restlichen Sauerei hier...wir werden schon wen engagieren, der das professionell reinigt, mach dir keine Sorgen." Sie vereinbarten beide, dass sie sich am nächsten Tag an Katsus Schule vor dem Unterricht treffen und nach Kens Bande Ausschau halten würden, um sie zur Rede zu stellen. Was die beiden nicht bemerkten war, dass sie von Kens Bande beobachet wurden. "Er hat also die Bullen auf seiner Seite, was?!“ "Sie kommen uns auf die Spur, Ken-kun!“ "Mach dir nicht ins Hemd...hey, Osamu!“ "Was ist denn?“ "Weißt du noch, wie ich dich einst vor den Schlägern aus der Stufe über uns gerettet hatte?“ "Ja, so hatten wir uns doch kennen gelernt.“ "Kannst du dich dafür revanchieren, mein Freund?“ "Ich schulde dir so viel, Ken-kun. Was -“ Osamu fiel es auf einmal ein, was Ken von ihm wollte. "Ja, Osamu-kun. Falls uns dieser Bulle gefährlich wird, schaffst du ihn aus den Weg, klar? Nori kann ich ja nicht mehr bitten, er hat das Jigoku Shoujo schon kontaktiert, aber du...aber du könntest dich nach all den Jahren für den Menschen bedanken, der dir vielleicht das Leben gerettet hat. Osamu hatte seine Zweifel, er wollte und konnte Ken aber nicht im Stich lassen. „Einverstanden.“ „Natürlich nur für den Fall der Fälle. Wenn wir in die Mangel genommen werden, fragen wir diesen Bullen nach seinem Namen, ganz unterschwellig, und dann wirst du in der nächsten Nacht um Punkt 0:00 auf die Seite gehen und seinen Namen eintippen. Ken glaubte für sich, die Situation unter Kontrolle zu haben und sein Puls schlug allmählich wieder normal. Am nächsten Morgen wartete bereits am Schultor Inspektor Noji mit Katsu auf ihn und seine beiden Freunde. Ken stieg aus dem Bus vor seinen Freunden aus und flüsterte ihnen zu, dass sie ihm das Reden überlassen sollten. Kapitel 12: Eine gelungene Inszenierung --------------------------------------- "Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass ich nicht weiß, wovon sie reden, Noli-San, oder wie hießen sie?" "Noji Fuda war mein Namer, Ken-kun." Ken warf für den Bruchteil einer Sekunde einen scharfen Blick zu Osamu und Nori; er wollte sicher gehen, dass seine Kumpanen diese essentielle Information in ihren Köpfen abspeicherten. "Hören sie, wir haben vielleicht mit Katsu unsere Konflikte, doch wer hat die nicht? Das kennen sie doch sicher auch zu Genüge. Aber deswegen sind wir noch lange keine Grabschänder, das ist eine verdammt unverfrorene Beh-" "Lüg nicht, du...du Heuchler!" griff ihn Katsu an. Seine Wangen waren gerötet und seine Stimme ungewöhnlich hoch. "Dann sagt mir, Jungs...wer hätte sonst ein Motiv, das Grab seiner Mutter so zu verschandeln? Von euren Mobbing-Methoden hab ich bereits genug gehört, ich kenn' mich verdammt nochmal aus mit dieser Scheiße. IHR habt ein Motiv. Wer hat denn eurer Ansicht nach noch einen Grund, so ein Verbrechen zu begehen? Sagt schon, ich warte." Noji griff in die Innentasche seiner Cordjacke und suchte nach Zigaretten. Zu seiner Ernüchterung stellte er fest, dass er nur in ein paar Zahnstocher griff. Er hatte ja ganz vergessen, dass er aufhören wollte. Seine Frau schimpfte schon wieder in seinem Kopf rum...sie hatte ja recht, Zigaretten waren böse...aber in diesem Job braucht man sein kleines Refugium, seine kleine Glücksquelle. Die einen essen bis sie platzen, die anderen trinken...und er gab sich halt den Glimmstengeln hin, oder wollte es zumindest. Er hatte schon genug Schrecken in den letzten Dienstjahren mitmachen müssen, als dass er diese Sucht aufgeben wollte. Wie etwa das Mädchen, dass ihren Vater und auch einen Freund im Park erstochen hat und heimlich fliehen wollte. Gott, dieser Beruf konnte echt an den Nerven zehren, allerdins - "Haben sie verstanden, Noji-San?!" Noji war peinlich berüht, dass er kurz in Gedanken abwesend war. "Diese Stadt ist riesig und voller kranker Menschen, nur weil wir in ihr Schema passen, sind wir noch lange nicht schuldig!" "Natürlich habe ich das nie behauptet. Aber ihr müsst zugeben, dass ihr an meiner Stelle sehr, sehr ähnlich denken würdet, nicht wahr? So dumm bist du doch nicht, Ken-kun." Noji lächelte mild und ließ die Hände in den Jackentaschen baumeln. Ken hätte ihn in diesem Augenblick an die Gurgel springen können; nur weil er einen Kopf größer war und ein Bulle war, konnte er sich wohl alles erlauben, dachte er. Diese Überlegenheit, die Noji austrahlte, ekelte ihn an. "Ich werde weiter ermitteln. Macht euch keine Hoffnung, die Methoden der Polizei sind heutzutage besser als ihr Ruf, die Spurensicherung ist höllisch genau. Wenn ihr nichts verbrochen habt, habt ihr nichts zu befürchten." Wieder dieses milde lächeln. Wieder dieser Hass in Kens Brust. Wieder dieser Drang, ihn in die Hölle zu schicken. Alle Beteiligten trennten sich ohne viel Aufwand. Katsu wirkte sehr in sich gekehrt, Kens Bande machte auch einen in sich geschlossenen Eindruck. Ohne Worte trennte sich Katsu von Ken und seinen Freunden, er hatte Angst, große Angst. Aber Ursache dieser Angst war nicht die Gefahr auf härte Mobbingattacken (obwohl Katsu diese für gut möglich hielt), sondern etwas völlig anderes. Es war aber mehr ein Gefühl, so wie man morgens schon weiß, dass ein Tag sehr schön sein wird. Oder halt auch nicht. "K-K-Ken..." stotterte Osamu. Er kratzte wie wild im Gesicht, in dem wieder ein paar Pickel mehr waren. Eiter mischte sich viel Angstschweiß. "Wir werden...nichts tun. Nicht, bevor er mehr tut. Was der da abgelassen hat, ist hohles Gelaber. Der hat NICHTS in der Hand." "Oh, schaut mal!" sagte Nori und deutete Richtung Schuleingang. Die drei sahen, wie Katsu sich aufgeregt mit Midori unterhielt, wie sie sich an ihn heftete. "Oh, Katsu, ich hab es schon gehört, das tut mir so Leid für dich!", jammerte Midori und drückte Katsu zum Trost. Händchen haltend gingen sie in Richtung Klassenraum. "Der Inspektor wird alles tun was er kann, um diese Idioten hinter uns zu überführen. Ich weiß es einfach, dass sie es waren, verdammt noch mal..." Wieder wurden seine Wangen rot. Seine hohe Stimmlage legte sich etwas, er wollte nicht wie das letzte Weichei vor Midoris Kulleraugen gelten. "Das hoffe ich auch für dich Katsu. Ich kann Ken und seine Gang nicht ausstehen. Drei gegen einen, wie unfair. Und dann noch völlig grundlos." "Sie macht ihren Job ziemlich gut, findet ihr nicht? Sie ist sollte Schauspielerin werden." sagte Ken und schmatzte mit seinem Kaugummi. Osamu und Nori nickten. Kapitel 13: Ein Blick in die Vergangenheit ------------------------------------------ Warum schauspielerte Midori so gut? Oder besser gefragt: Warum schauspielerte sie überhaupt? Jeder Mensch lügt mehrmals am Tag, oft unbewusst, um Konflikte zu vermeiden. Das Midori Katsu etwas vorspielte, diente jedoch nicht der Vermeidung eines Konfliktes, im Gegenteil, es sollte ihn herbeiführen. Midori hasste Katsu aus ganz besonderen Gründen, denn sie hatten beide eine Gemeinsamkeit, von der Katsu nichts wusste: Durch sie floss das gleiche Blut. Sie hatten beide die gleiche Mutter. In der Tat, die beiden waren Halbgeschwister. Vor vielen Jahren lernte Harman Rhyers während einer Geschäftsreise in Japan in der Bar Hanafuda eine attraktive Frau mit blasser Haut kennen und trotz der Hitze in der Bar trug sie seltsamerweise eine langarmige Jacke. Harman entwickelte sofort Interesse an ihr, besonders an ihren eisblauen Augen. Blicke, Gespräche, Witze, Drinks, Tänze, Spaziergänge, Küsse, Hotels, Sex. Im Dunkel des Hotelzimmers brauchte Harman einige Zeit zu erkennen, was mit den Armen seiner Geliebten war. "Was hast du da? Warte ich mach mach Licht an." "Nicht...bitte nicht..." Harman beugte sich weiter über das Bett um den Lichtschalter zu streifen. Das grelle Licht der Tischlampe brannte in seinen Augen. Er erblickte die Wunden und Schrammen an den Armen seiner Geliebten: "Wolltest du die verbergen?!" "Es ist nicht so, wie du...ich hab mich nur..." Sie brach in Tränen aus, Harman rückte näher an sie, hielt ihre Hand und er hörte ihre Leidensgeschichte: "Ich hielt es nicht mehr aus, mich täglich...mich täglich...dieser Tyrannei auszusetzen. Mein Mann war sehr liebevoll, bis er seinen Job verloren hatte. Er hing den ganzen Tag nur noch zu Hause rum und das einzige was ihm wichtig war waren seinen Ausflüge in die Bars mit seinen Kumpanen. Er...er...schlug. Er...schlug fest." Sie kroch fast bis zum Hals unter die Bettdecke, als sie ihre Geschichte erzählte und starrte noch nicht mal die Decke an. Vielmehr starrte sie in eine ewige Leere. "Ich hatte solche Angst um Midori, dass er mit ihr das Gleiche machen wird wie mit mir. Sie ist ein zartes Pflänzchen, was in einer Wüste ums Überleben kämpft. Sie ist das wahre Opfer in dieser Sache. Ich kann nur hoffen, dass sie mit ihren paar Monaten noch nicht soviel Terror im Haus mitbekommen hat, als dass sie sich daran erinnern wird. Sie wird wohl bei meiner Schwester aufwachsen müssen. Das Jugendamt verbietet es mir, sie zu sehen. Ich bin Ihnen zu labil." Kaum die Worte gesprochen, schien nicht nur ihr Blick und ihre Haut tot zu sein; auch ihr Körper fühlte sich an wie ein Eisklotz. "Und dein Mann? Was ist mit deinem Mann? Seid ihr geschieden?" Sie antwortete nicht und starrte nur auf ihre Brust. Langsam, ganz langsam schob Harman die Decke von ihr ab und erblickte im warmen Licht der Tischlampe ein schwarzes Mahl auf der Brust seiner späteren Frau. Ihrer beider Sohn, Katsu färbte seine Windeln bereits Gelb und Braun, als Harman mit seiner Frau mit all seinen Mitteln versuchte, den Rechtsstreit um Midori zu gewinnen. Im entscheiden Prozess verloren sie jedoch. Harman konnte genau die gehässigen und triumphierenden Augen seiner Schwägerin sehen. Die Kontrahenten verließen sich ohne Worte, nur mit den Blicken, die alles bedeuten. Die drauffolgende Nacht war der blanke Horror. Die Zeitungen schrieben von einem "Sorgerechtsdrama mit fatalen Folgen", das Wort "Harakiri" geisterte in der Boulevardpresse Amerikas: Midoris und Katsus Mutter war tot, von Balkon gesprungen. Das einzige, was Harman jetzt noch von ihr hatte, war ihr gemeinsamer Sohn, welcher bald in Japan aufwachsen sollte...und ein Shigofumi. Und so wuchsen Katsu und Midori in der gleichen Stadt auf, ohne von den Band zu wissen, welches sie untrennbar miteinander verband. Das Leben bei ihrer Tante war hart und schwer für Midori, aber sie kannte es nicht anders. Trotz ihrem Wohnsitz im Problemviertel der Stadt, wo Bordsteinschwalben Hand in Hand mit Drogendealern gehen und Möchtegern-Kriminelle für Ärger sorgen, biss sie sich durch. Sie wusste, dass wenn sie sich anstrengt, ihr ein besseres Leben bevorstehen musste. Ihre Tante brachte ihr diese Einstellung gerne bei, sie selber hatte es zu nichts Großen mehr bringen können. Es geschah zufällig beim Aufräumen, als Midori Papiere in der Schublade ihre Tante fand. Zum Glück war ihre Tante nicht zu Hause, als Midori die Wahrheit über den Tod ihrer Mutter erfuhr. Der Prozess, ihr Halbbruder, der Selbstmord ihrer Mutter, schockierend auf Schwarz auf Weiß. Sie packte die Papiere nach dem Lesen - es war eigentlich mehr als nur Lesen, es war wie ein Sog - vor lauter Angst zurück in die Schublade, warf sich auf ihr Bett und schrie in das Kissen. Von diesem Augenblick an wandelte sie sich schlagartig. Alles, was sie tat, alles was sie erlebte, alles, was sie dachte...alles diente nur noch einem Zweck, alles lief auf die gemeinsame Spitze zu: Katsu leiden sehen. Sie wollte den Sohn leiden sehen, dessen Vater ihre Mutter geraubt hat. Rationales Denken war völlig ausgeschaltet. Das Katsu leiden sollte war so natürlich wie beim Gehen einen Fuß vor den Anderen zu setzen. Typen wie Ken fanden sich sehr leicht in ihrer Umgebung und ließen sich mit ein paar Yen schnell kaufen. Doch langsam war Midori der Ansicht, dass Kens Bande eine schlechte Investition war, besonders, wo dieser Polizist die drei im Auge behielt. Kapitel 14: Der Hund und der Mond --------------------------------- "Was soll das heißen, du blödes Flittchen?!" "Das soll heißen, dass ihr nichts mehr wert seid, ich habe euch bezahlt, dass ihr Katsu richtig einheizt...stattdessen steckt ihr jetzt im Dreck!" "Wir haben verdammt noch mal alles unter Kontrolle, glaub uns! Wir haben den Friedhofswärter beseitigt, wir beseitigen auch Noji, wenn's sein muss!" Ken guckte Osamu drohend an. "Ihr, ihr...habt eure Chance vertan, ihr seid gefeuert. Ich kümmer' mich selber um Katsu, ihr Versager!" "Ach, uns jetzt einfach auf dem Trockenen sitzen lassen, was?" "Eure Schuld." "Was ist, wenn wir Katsu von deinem doppelten Spiel erzählen, Süße?" Ken griff Midori fest an die Schulter und schaute ihr in ihre glasigen, kalten Augen. Sie befreite sich angewidert von seinem Griff, trat einen Schritt zurück. Sie stemmte ihren rechten Arm gegen ihre Hüfte und warf sich lässig zurück. "Was glaubst du, wen Katsu mehr vertraut? Ihr könnt nichts beweisen. Glaubt ihr ernsthaft, dass dieses unschuldige, herzensgute Schulmädchen ihn so hinters Licht führen würde, ihre fiesen Bastarde?" Ihr hoher Tonfall brachte Ken fast zur Weißglut. "Gehen wir, Jungs." Ken und seine beiden Freunde gingen die dunkle Straße hinab, sehr gedemütigt. "Glaub nicht, dass du so einfach davon kommst. Das wird ein Nachspiel noch haben, niemand legt uns so einfach auf's Kreuz und lässt uns wie eine heiße Kartoffel fallen!" Midori war nicht beeindruckt und starrte den Mond an. "Was kümmert es den Mond...wenn der Hund ihn anbellt." murmelte sie zufrieden. Am nächsten Tag war Midori spurlos verschwunden. Kapitel 15: Das Blatt wendet sich --------------------------------- "Dann wollen wir mal sehen...es scheinen alle da zu sein...nein, halt, wo ist Midori-kun?" Ren blickte in fragende Gesichter. Wie immer. "Hm, na ja, warscheinlich hat sie sich nur eine Erkältung zugezogen, so wie die Grippe mal wieder um sich geht. Also, fangen wir an. Heute wollte ich mit euch..." Der Rest des Unterrichts flog an Katsu vorbei. Das Gefühl ließ ihn nicht los; etwas stimmte nicht. Der Nachhauseweg gestaltete sich zu einem Trip der Ängste für Katsu. Was, wenn Midori etwas zugestoßen war? Was, wenn gar Kens Bande sie geschnappt hatten? Das war ihnen zuzutrauen. Die Angst um Midori und was Ken ihr antun konnte war noch größer als die Angst, das er von Kens Truppe überrascht wurde. Er befand sich nun genau auf der Straße, auf der Midori das erste Mal traf. Wie sie kam, wie sie ihn...rettete? Ja, so peinlich es ihm war, sie rettete ihn. Aber nicht deswegen liebte er sie. Er liebte sie, weil er in ihr endlich einen Menschen fand, die ihn verstand. Wolken verdeckten die Sonne plötzlich und Katsu Anfall von Nostalgie wurde abrupt unterbrochen. Das Träumen würde sie jetzt auch nicht herholen, also zückte Katsu sein Handy und rief Midori an. Keine Reaktion. Das Handy klingelte und klingelte, sie hob aber einfach nicht ab. Ein leichtes Gefühl von Angst durchzog sich durch Katsu Körpers und seine Knie wurden weicher. Er rannte zwar nicht, aber er sein Schritttempo nahm deutlich zu, er wollte erstmal nach Hause und einen kühlen Kopf kriegen. Vermutlich hatte sie ihr Handy gerade verlegt und ging deswegen nicht ran. Ja, das sollte eine logische, rationale Erklärung sein. Oder sie lag krank im Bett und schlief und hörte das Klingeln nicht. Katsu ging alle möglichen Szenarien im Kopf durch. Tausende von Harmlosen gegen ein Schreckliches, Furchtbares. Die Chancen, das alles in Ordnung war, waren sehr, sehr hoch. Dennoch war da immer noch dieses grässliche Bild, wo Midori gefangen war. Wie Ken und seine Freunde sie erwischt hatten. Wie sie sie quälten, nur um ihn eins auszuwischen. "Ich...ich werde erstmal eine Kleinigkeit Essen und ein Glas Wasser trinken...dann...sieht die Welt...schon wieder anders aus.", stammelte Katsu, als er das Wohnhaus betrat. Routinemäßig kontrollierte er seinen Briefkasten, wo er verstört einen Brief wahr nahm. Auf den Umschlag standen vier Zahlen, die ihm war ein Schlag auf das Gesicht in den Blick sprangen: 4, 5, 2, 3. "...Shigofumi..." murmelte Katsu, schnappte sich den Brief, und rannte zu seiner Wohnung. Er fuhr den Computer hoch. Die 2 Minuten Ladezeit erschienen ihm wie eine Ewigkeit. Er haute mit den Fäusten auf den Tisch. "Verdammt, verdammt, verdammt...MACH SCHNELLER", schrie er. Er rannte in die Küche, holte sich eine Packung Chips und stopfte sie in sich hinein. Endlich hochgefahren, wollte er seine Lesezeichen nach der Seite mit dem okkulten Kram checken, als die Internet-Verbindung zusammenbrach. "NEIN, NEIN, NEIN, NICHT JETZT!" Er schmiss die Tüte gegen die Wand, nahm die Flache Wasser neben dem Tisch und schleuderte sie gegen das Fenster. Tausend kleine Splitter und sprudelndes Wasser reflektierten das Licht der Sonne. Endlich zeigte die Verbindung wieder genug Balken. Ja, da war die Seite. Ja, da war das Thema worum es um Shigofumi ging. Katsus schlimmste Ängste wurden bestätigt. In dem Umschlag steckte der Brief einer Toten. Kapitel 16: 4523 ---------------- "Katsu, ich hab viele Schlimme Sachen gemacht, viele Sünden gemacht, die ich nun nie mehr rückgängig machen kann. Ich war nie ein einfacher Mensch, aber ich glaube, dass du mich trotzdem so lieben konntest. Es tut mir so unendlich Leid, dass ich meinen Mitmenschen immer so viel Kummer bereiten musste...Hüte dich vor meinem Mörder, Ken. Er hatte eine offene Rechnung mit mir gehabt und sie beglichen... Für mich ist es zu spät. Katsu...das ist eine große Last, aber geh für mich auf Jigoku Tsushin und schick ihn in die Hölle...ich weiß, ich kann nichts von dir verlangen als Tote... Midori" Katsu starrte auf den Brief. Es war kein böser Traum. Aus denen wacht man auf. Das hier war ein realer Alptraum, aus den er nicht erwachen konnte. Die Zeit verging. Die Uhr auf dem Monitor zeigte 23:40 Uhr an. "Diese Welt ist bereits eine Hölle für mich." flüsterte Katsu langsam. "Ich war immer einsam...nur für eine kurze Zeit des Glücks hatte ich das Gefühl der Geborgenheit, des Verständnisses...ehe mir dieses Glück von Monstern geraubt wurde. Midori...Midori...Midori...Ich werde dich rächen, in meinem Namen." Um Mitternacht ging Katsu auf Jigoku Tsushin: "Wir werden in deinem Namen Rache nehmen." Katsu tippte den Namen von Midoris Mörder und seinen Peiniger in das Eingabe-Feld ein und klickte auf Senden. Das Höllenmädchen vollzog seine übliche Prozedur und Katsu erhielt die Puppe. Kalt zog er am Faden und Ken landete in der Hölle. Rien ne va plus. Kapitel 17: Der Höllentrip -------------------------- Ken fuhr grade mit dem Bus in Richtung Stadtmitte. Er hatte sich mit Osamu und Nori verabredet, es war mal wieder Zeit, wieder richtig einen drauf zu machen. Der Regen prasselte gegen die Scheiben und er starrte auf die einsame Straße. Eine schöne Frau stieg in der nächsten Haltestelle in den Bus ein und setzte sich in den Vierer auf der anderen Sitzreihe neben ihm. Er tat so, als ob er gelangweilt aus dem Fenster gucken würde, stattdessen gaffte er im Spiegelbild die Frau an. "Die sieht doch ganz passabel aus...", dachte er, und war schon langsam am Träumen. "Ist das nicht sogar diese Schnepfe von Lehrerin die neu bei uns ist?", überlegte er und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Auf einmal schaute die Frau in seine Richtung. "Gefällt dir was du siehst, Kleiner?" Im Spiegelbild sah Ken, wie weiße Teile aus dem Gesicht der Frau hervorsprangen, wie sich ihr Schädel stückweise im Gesicht entblößte. Ihre Haut löste sich auf, nur noch ihre Haarpracht hing halb über dem Schädel. "WAAAAAAAAAH, W-W-WAS?! BLEIB VON MIR!", wollte Ken schreien, aber was aus seinem trockenen Hals kam war nur ein schwaches Krächzen. "Geeeeeeeeefällt diiiiiir waaaaaaaas du siehiiiiiiest?" fragte der Schädel erneut. Ken sprang auf, kletterte über die Sitzreihen um von der schrecklichen Gestalt so weit weg wie möglich zu sein. Er war kurz vor dem Busfahrer, als der Regen härter einschlug. War er überhaupt noch auf einer Straße? Draußen schien die große Woge den Bus zu verschlingen. Der Busfahrer bremste Scharf um eine Kurve zu erwischen und Ken wurde mit dem Kopf gegen eine Stange geschleudert. Ein höllischer Schmerz durchfuhr ihn und Blut lief in sein Auge. Sein Fuß klemmte sich zwischen zwei Sitze und kam nicht mehr los. Mit seinem enorm geschrumpften Sehfeld nahm Ken war, wie der Busfahrer erneut das Lenkrad heftig einschlug. Mit der nächsten Linksdrehung des Lenkrades drehte sich sein gesamter Körper mit Ausnahme des eingeklemmten Fußes um seine eigene Achse. Ein lautes Knacksen teilte Ken mit, dass sein linker Fuß jetzt gebrochen war. Er wagte es nicht, nach hinten zu schauen, weil er fühlen konnte, dass der Fuß komplett verbogen war. "Hören sie, hören sie mich? Sie müssen m-mir...hel...fen! HELFEN SIE MIR!" Der Busfahrer hörte Kens nicht. Stattdessen zeigte der Busfahrer auf ein kleines Schild mit der Aufschrift "Während der Fahrt bitte nicht mit dem Busfahrer reden." und fuhr gemütlich weiter. Diese gemütliche Art, kannte Ken sie nicht? War das nicht der alte Hausmeister seiner Schule? "WAS ZUR HÖLLE IST HIER EIGENTLICH LOS?" "Es ist Endstation." sagte der Busfahrer mit einem schelmischen Lächeln. Eine Klappe öffnete sich unter Kens Körper und er fiel und fiel und fiel. Sein linker Fuß war inzwischen nicht mehr Teil seines Körpers. Endlich nahm der Fall ein Ende. Er war jetzt in den tosenden Fluten des Meeres. In weiter Ferne sah er den Berg Fuji. Ein furchtbares Dehnen, welches er noch nie so gespürt hatte, quälte seinen Körper. Auf einmal konnte er sich selbst aus weiter Ferne sehen, wie er in den tobenden Fluten unterging. Er war 2-D. Er war in einem Bild. Ein Seefahrer winkte ihm aus einem Boot zu. "Das ist doch auch dieser neue Lehrer!" dachte Ken, aber diese komischen Begebenheiten waren ihm in Vergleich zu seinen Schmerzen und seiner Angst für das Erste egal. "Bereust du deine Sünden?" fragte der Seefahrer. "W-Was...MEINEN SIEMMMMH" versuchte Ken zu Antworten, doch seine Lungen füllten sich mit Wasser. "Habt ihr das gehört?" fragte Ren, aber nicht Ken. Seine Frage richtete sich direkt an die klauenartigen Wellen. Nur schwer konnte Ken sehen, wie ein junges Mädchen mit langen schwarzen Haaren aus den Wellen erschien. Sie schwebte auf ihn zu, während er am ertrinken war und doch nicht. "Dein kläglicher Schatten war in Dunkelheit gehüllt. Du hast Trauer, Schmerz und Leiden verursacht. Deine hohle Seele ist im schlechten Karma getränkt. Ippen shin de miru?", sagte das Höllenmädchen zu Ken und öffnete ihre Arme. Ein kleines Glöckchen am Handgelenk des Höllenmädches ertönte und das Klingeln hallte in Kens Ohr klar und deutlich. Dann wurde es still und Blumen schienen auf Ken zu zufliegen. Dann kam die Leere. Ken lag wie betäubt in einem Boot. Er konnte sich nicht rühren, seine Glieder waren dafür zu schwach. Der Fluss floss langsam und war schwarz wie die Nacht. Nebel lag in der Luft und es war eiskalt. "Wo bin ich?" stammelte Ken mit seiner letzten Kraft. Das Höllenmädchen steuerte das Boot entlang des Flusses. "Diese Rache wird dich direkt in die Hölle befödern.", war ihre einzige Antwort. Erschöpft legte sich Katsu auf sein Bett und schlief traumlos ein. Nach ein paar Stunden wachte er wieder auf und begab sich ins Bad. Das grelle Licht der Lampe forderte seine Augen heraus, sodass er erst ein paar Momente später in den Spiegel guckte und das schwarze Mahl auf seiner Brust betrachtete. Er hatte jetzt große Angst vor dem Sterben und dem Leben danach in der Hölle. Um es sich leichter zu machen, sagte Katsu gefasst immer wieder den gleichen Satz: "Ich habe es für dich getan, Midori. Ich habe dich gerächt." Wie in Trance wiederholte Katsu immer wieder den Satz. Am nächsten Morgen ging Katsu unruhig, aber nicht völlig unglücklich nach draußen. Die Sonne schien und er hielt es für das Beste, mit einem Morgenspaziergang seinen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Epilog: Ein Morgenspaziergang ----------------------------- Eine sanfte Brise kitzelte seine Nase und erfrischte ihn. Er atmete tief ein, schloss die Augen und lehnte seinen Kopf zurück. Er öffnete die ersten Knöpfe seines Hemdes um das schwarze Mahl erneut zu begutachten. Er war etwas stolz auf sich. "Nicht jeder kann von sich behaupten, für einen anderen Menschen in die Hölle zugehen", dachte er. Was Katsu nicht bemerkte, war ein Mädchen das ihn schon den ganzen Morgen verfolgte. Sie war mit offenen Haaren und einer Sonnenbrille eine sehr sportlich-dynamische Erscheinung. Sie rief Katsu zu. "Hey, Junge." Katsu drehte sich perplex um. Das Mädchen zog ihre Sonnenbrille ab und Katsu blickte in vertraute Augen. Er verstand die Welt nicht mehr. Das Mädchen kramte in ihrer Tasche und zückte eine Hand voll Umschläge, auf denen überall die Zahl "4523" notiert war. Das Mädchen schien Hunderte davon zu haben. "Midori...Midori...", murmelte Katsu. "Ganz Recht", antwortete das Mädchen und warf mit den Umschlägen um sich, welche von Wind kreuz und quer auf die Straße verteilt wurden. „Ich hab noch ganz viel mehr davon! Ich hab geübt, damit sie richtig gut aussehen!“ Midori lachte laut, hysterisch und triumphierend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)