The Wasted Time of Our Lives von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 30: 自白 - Jihaku - Confessions ------------------------------------- „Ja. Bis später!“, verabschiedete ich mich und legte den Hörer auf. Ich war einerseits glücklich, dass Tetsu mich zu sich kommen ließ und mir zuhören würde, andererseits jedoch war ich schrecklich nervös. Was sollte ich sagen? Wie sollte ich es sagen? Und was würde Tetsu sagen? Ich konnte sofort vorbeikommen, hatte er gemeint. Er war wirklich immer für mich da, wenn ich ihn brauchte. Ich hoffte, dass dies auch anders herum der Fall war. Hastig richtete ich mich und hielt inne, als ich im Schlafzimmer neben der Kommode stand und einen Ring darauf entdeckte. Einen Ehering. Sie trug ihn also nicht mehr. Warum löste das ein so seltsames Gefühl in mir aus? Warum war es mir nicht gleich? Oder warum war ich nicht glücklich darüber, dass sie nicht versuchte, festzuhalten, an dem was war und nie wieder sein würde? Warum tat ich das? Ich nahm meinen Ring - den ich wie so oft in meiner Hosentasche mit mir herumtrug, weil ich nicht wusste, wohin ich ihn sonst tun sollte - heraus und legte ihn zu dem ihren. Es war ein schönes Bild, sie wieder vereint zu sehen. Plötzlich verspürte ich den Drang, ihn wieder an mich zu nehmen und an meinen Ringfinger zu stecken. Doch weshalb sollte ich das tun? Was würde Megumi von mir denken, wenn sie das sah? Und wie viel Sinn würde das machen, wenn ich auf dem Weg zu Tetsu war und danach vielleicht sogar noch zu Gackt ging? „Was tust du denn da?“ Megumis Stimme ließ mich herumfahren. „Was? Ich? Nichts.“ Ich versteckte den Ring vor ihren neugierigen Blicken. „Aha.“, meinte sie nur, lächelnd. „Das Mittagessen ist fertig, willst du auch?“ „Nein. Ich bin jetzt mit Tetsu verabredet.“, antwortete ich ihr und steckte meinen Ring wieder unauffällig in meine Hosentasche. „Schade. Ich habe sowieso viel zu viel gekocht...“, sagte sie verlegen, bevor sie in die Hände klatschte und hinzufügte: „Na ja. Vielleicht isst du ja später noch etwas davon.“ Ich sagte ihr nicht, dass ich noch nicht sicher wusste, ob ich heute hier übernachten würde. „Also dann, sag Tetsu-kun einen Gruß von mir, okay?“ „Ja, mach ich.“, versprach ich ihr. Ich würde es jedoch bestimmt vergessen. Es klingelte. Ich öffnete die Tür und erblickte den erwarteten Besuch. „Hallo.“, meinte er schüchtern und trat ein. Ich schloss die Tür hinter ihm und folgte ihm. Allerdings blieb er bereits mitten im Flur wieder stehen, statt ins Wohnzimmer zu gehen. „Setzen wir uns. Willst du was trinken?“, fragte ich ihn, auf dem Weg in die Küche. „Hast du Sake da?“, wollte er vorsichtig wissen. Ich schaute ihn überrascht an. „Ist es so schlimm, worüber du mit mir sprechen willst, dass du Alkohol dazu brauchst?“ Er bewegte seinen Kopf vage in verschiedene Richtungen. Ich deutete es als ein Ja. „Dann bin ich aber mal gespannt.“, entgegnete ich und holte eine Flasche Sake und zwei Gläser aus der Küche. Als ich zurückkam, hatte Hyde angefangen, mit seiner rechten Hand nervös auf seinem Schenkel herumzuklopfen. Die Finger seiner Linken waren an seinem Mund, sein Blick war weit entfernt. Er biss sich leicht auf die Unterlippe. Er stoppte all das, als er mich bemerkte. „Hier. Den trinkst du doch gerne.“ Ich reichte ihm die Flasche und stellte die Gläser auf dem Tisch ab. „Aber übertreib es jetzt nicht. Zuerst will ich hören, was los ist, bevor du dich so dermaßen betrinkst, dass ich nachher kein Wort mehr verstehe.“ Es sollte ein Scherz sein, aber Hyde schien es nicht als solchen wahrzunehmen. Ich hatte das Gefühl, er wollte sich wirklich betrinken. Ich setzte mich neben ihn aufs Sofa und wartete. Ich wusste, ich musste nur warten und er würde von sich aus zu sprechen anfangen. Und das tat er auch: „Also... Es ist so... Ich fange von ganz vorne an.“ Er holte tief Luft. „Alles begann mit dem Dreh zu ‚Moon Child’...“ Ich runzelte die Stirn, war irritiert über diesen Anfang. Das war zehn Jahre her. Wieso sprach er erst jetzt mit mir darüber? Und worauf wollte er eigentlich hinaus? Ich hatte angenommen, es würde in diesem Gespräch um Megumi gehen. „Ich... Na ja... Nach den Monaten, in denen wir ‚Moon Child’ gedreht hatten, glaubte ich, festgestellt zu haben, dass... Ga-chan... mehr für mich geworden war... als nur ein Freund...“ Tetsu sah mich aufmerksam an. Er war nicht erstaunt, sein Blick war jedoch auch nicht wissend. Er schien zu versuchen, sich nicht selbst auszudenken, wie meine Erklärung wohl weitergehen würde. Er wartete ab, was ich wirklich sagen würde, und würde sich erst dann ein Bild davon machen. Und wie ich ihn kannte, würde er mich niemals für etwas verurteilen. „Ich mochte ihn sehr. Und ich wollte irgendwie, dass mehr als nur Freundschaft zwischen uns war.“ Tetsus Reaktion fiel noch milder aus, als ich erwartet hatte. Er nickte lediglich. „Damals wusste ich es noch nicht so sicher, aber im Laufe der Jahre wusste ich es. Doch ich war längst verheiratet. Ich-“ „Du bist verheiratet.“, korrigierte er mich. „Ja, stimmt. Ich bin verheiratet, ich habe ein Kind und ich... liebe Mei-chan.“ Ich wusste sicher, dass dies die Wahrheit war, doch ich wusste nicht, um welche Art von Liebe es sich hierbei handelte. „Aber Ga-chan war etwas anderes.“, erläuterte ich weiter. „Er ‚war’?“, hakte Tetsu nach. „Nein, er ist es.“, korrigierte ich mich. „Mit ihm zusammen zu sein, ist etwas ganz anderes. Aber ich dachte, das konnte ich nicht haben. Und ich dachte ohnehin, dass ich keinerlei Grund hatte, nach mehr zu verlangen. Schließlich hatte ich schon alles, was sich ein Mann nur wünschen kann. Doch ich konnte mich nicht überzeugen. Aber ich konnte auch nichts unternehmen. Ich wartete, ohne mir dessen wirklich bewusst zu sein. Ich lebte, ohne es wirklich zu genießen. Jahre vergingen, Ga-chan war mein Freund, ein guter Freund, doch mehr nicht. Doch dann, eines Tages - oder besser eines Nachts - war es passiert. Wir hatten uns geküsst. Nein. Er hatte mich geküsst. Und ich war völlig durch den Wind. Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte. Ich konnte mein Glück nicht fassen. Ich... musste das ganze erst einmal verarbeiten. Damit wären wir bei dem Tag angelangt, an dem du mich von der Single-Aufnahme nach Hause geschickt hast.“ Tetsu schüttelte den Kopf. „Jetzt wird mir alles klar...“, meinte er nur und ließ mich weitererzählen. „An diesem Tag kam ich aus dem Studio und wollte, wie du gesagt hast, nach Hause gehen, aber das tat ich letztendlich nicht. Ich ging zu Ga-chan. Es dauerte zwar ein paar Stunden, aber dann kam auch er nach Hause. Und wir redeten und wir... waren zusammen. An diesem Tag war ich endlich sicher, dass ich mit ihm zusammen sein wollte. Doch das ‚Problem Megumi und Joseph’ blieb.“ Ich bemerkte, wie hart es klang, meine Frau und mein Kind als Problem zu bezeichnen. „Es war ein ewiges Hin und Her. Ich führte ein Doppelleben, wie Ga-chan es nannte, und eines Tages wollte er, dass ich mich entscheide. Es war unser Zweimonatiges. Und das tat ich auch, doch ich brauchte Bedenkzeit. Und dann gab es noch ein blödes Missverständnis...“ Ich musste lachen. „Aber das ist jetzt egal. Irgendwann kam der Tag, an dem ich es wagte und Mei-chan sagte, dass ich mich von ihr scheiden lassen wollte. Es war ein grausamer Tag. Ich habe noch nie einen so schrecklichen Tag erlebt. Und ich hoffe, dass es der schlimmste bleibt.“ Tetsus Miene zeigte Besorgnis. „Was ist denn passiert?“, fragte er, schon jetzt entsetzt. „Megumi ist... fast durchgedreht. Sie hat an mir herumgezerrt, geschrieen, geweint. Es war schrecklich. Du dann... habe ich sie in den Arm genommen und sie hat mich von sich gestoßen, oder eher sich von mir weggestoßen.“ Ich erinnerte mich, wie ich Gackt versucht hatte, dieselbe Szene zu schildern. Vollkommen anders. „Sie ist auf den Glastisch gestürzt, hat dabei die Petroliumlampe, die ich ihr zum Valentinstag geschenkt hatte, auf den Teppich geworfen. Er brannte. Sie war bewusstlos. Ich habe sie in den Flur getragen, das Feuer erstickt - und dann stand Jo-chan hinter mir. Ich weiß bis heute nicht, wie viel er gehört oder gesehen hat.“ Mein Blick schweifte in die Ferne und kam erst wieder zurück, als Tetsu aufmunternd sagte: „Er wirkt nicht, als hätte er Schaden davon genommen. Jo-chan geht es gut. Aber wie sieht es jetzt aus? Habt ihr euch bereits getrennt?“ „Ja. - Nein - Also, ja, getrennt schon, aber ich wohne noch bei ihr, Jo-chan zuliebe, und wir werden uns auch nicht scheiden lassen. Aber jetzt bin ich in der seltsamen Situation, dass ich nicht mehr wirklich weiß... was ich eigentlich will.“ Tetsu runzelte wieder leicht die Stirn. „Ich bin mit Ga-chan zusammen, aber ich wohne bei Megumi. Und ich... liebe Megumi auch noch. Auf eine Art.“ Tetsu dachte angestrengt nach. Er versuchte, mich zu verstehen. „Ich weiß, es ist nicht so einfach nachzuvollziehen, aber... ich könnte weder ohne Ga-chan noch ohne Mei-chan leben.“ Tetsus Erwiderung überraschte mich. „Das ist doch verständlich.“ Ich schaute ihn perplex an. „Ga-chan liebst du und mit Mei-chan warst du so viele Jahre verheiratet, da dürfte es für dich kaum vorstellbar sein, dass sie plötzlich nicht mehr da sein könnte.“ Ich war Tetsu so unendlich dankbar für diese Worte. „Ja?“, fragte ich hoffnungsvoll nach. „Natürlich. An deinen Gefühlen ist nichts seltsam. Und du hast alles richtig gemacht.“ Er gab mir Antworten, zu denen ich noch überhaupt keine Fragen gestellt hatte - zumindest nicht laut. „Danke, Tet-chan... Wirklich vielen Dank.“, bedankte ich mich bei ihm. Ich war so unsagbar erleichtert. Ich umarmte ihn. Er legte eine Hand auf meinen Rücken und strich ein paar Mal freundschaftlich darüber. „Danke...“, sagte er abermals und löste die Umarmung. Es waren Tränen in seinen Augen. Seinem glücklichen Lächeln nach zu schließen, mussten es Tränen der Erleichterung sein. „Das nächste Mal kommst du mit so etwas sofort zu mir, verstanden?“, befahl ich ihm. „Nicht dass du dich wieder monatelang alleine damit rumschlägst und dich nur unglücklich machst!“ „Du hast ja recht...“, gab er kleinlaut zu. „Das nächste Mal höre ich auf dich...“ „Wie, glaubst du, wird es jetzt weitergehen?“, fragte ich ihn, selbst nicht fähig, mir seine Zukunft auszumalen. „Wie meinst du das?“, fragte er zurück, unschuldig. „Na, was ihr jetzt vorhabt. Du, Mei-chan und Ga-kun. Wollt ihr der Öffentlichkeit gegenüber den Anschein aufrechterhalten, dass du und Mei-chan glücklich verheiratet und Ga-kun und du nur Freunde seid?“ Meine Frage schien ihn zu überfordern. Es hatte den Anschein, als hätte er sich diese Frage noch gar nicht gestellt. Ich konnte sie jedoch leider nicht mehr zurücknehmen. „Ich habe keine Ahnung... Aber ich denke schon. Was gibt es für eine andere Möglichkeit?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Viele Möglichkeiten habt ihr nicht. Entweder ihr macht alles öffentlich oder nichts.“ „Dann wohl besser nichts.“, lächelte er schwach. Ich versuchte sein Lächeln zu erwidern, aber ich machte mir Sorgen. Ich hatte das Gefühl, dass ihn diese Frage noch schwer beschäftigen würde. Wenn noch nicht jetzt, dann gewiss irgendwann. Vielleicht wenn es bereits zu spät war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)