The Wasted Time of Our Lives von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 24: 前途 - Zento - Future Prospects ----------------------------------------- Ich hatte Angst. Wie würde Joseph mir begegnen? Was würde er für Fragen stellen? Würde ich sie beantworten können? Ich wusste es nicht. Würde er mir etwas von Megumi geben? Einen Brief? Einen Scheidungsantrag? Ihren Ehering? Ich hatte Angst. Als ich in die Einfahrt fuhr, kam - ungewöhnlicherweise - Megumi, von der ich erwartet hätte, dass sie im Haus bleiben würde, um mich nicht sehen zu müssen, zusammen mit Joseph heraus. Ihr Blick verriet jedoch nichts Gutes. Sie schien wütend. Doch nicht wütend genug, um Joseph nicht zu bitten, kurz auf der Haustreppe zu warten. Man sah die Anstrengung der Beherrschung in ihrem Gesicht, als sie direkt vor mir stehen blieb und, trotz dass sie ein Buch in der Hand hielt, die Arme vor ihrer Brust verschränkte. „Du hast noch keine Wohnung gefunden, nehme ich an.“ Damit hatte ich nicht gerechnet. „Nein... noch nicht. Warum...?“ Sie lächelte wissend, kalt. „Der ‚Freund’, von dem du gesprochen hast, der bei dem du jetzt wohnst, der heißt nicht zufällig...“ Sie tat, als überlegte sie. „...Gakuto, oder doch?“ Ich musste reagieren, als wäre das das Normalste auf der Welt. „Ja, doch. Aber warum? Was spielt das für eine Rolle?“ Ihr Blick sagte mir, dass sie mir keinen Glauben schenkte. „Er ist einer meiner besten Freunde.“ Ich brauchte mehr Argumente, schnell. „Er hat mir angeboten, bei ihm zu wohnen, bis ich was Eigenes gefunden habe.“ „Bis du was Eigenes gefunden hast!“, wiederholte sie meine Worte spöttisch. „Du glaubst wirklich, das glaube ich dir?“ Ich musste es weiter versuchen. „Wie meinst du das? Was willst du damit sagen?“ „Ich habe das Gefühl, du glaubst, ich wäre völlig blind, oder?“ Ich konnte nicht mehr sprechen. „Die vielen Anrufe auf dem Anrufbeantworter, auch wenn er nie auf das Band gesprochen hat! Seine häufigen Besuche, sein schnelles Verschwinden, sobald ich kam! Das Telefonat an meinem freien Tag! Wie niedergeschlagen du warst, als du wieder zurückkamst! Wie du ihm, einen Tag bevor du mir gesagt hast, dass du dich trennen willst, nachgerannt bist, ohne Schuhe! Durch den Regen! Dass du erst am nächsten Tag zurückgekommen bist! Und das nur, um mir zu sagen, dass du die Scheidung einreichen willst! Und dieses wahrscheinlich Valentinstagsgeschenk...“ Sie schüttelte fassungslos den Kopf. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Mein Körper war nie zuvor dermaßen angespannt gewesen. „Außerdem glaube ich fast, dass du das noch nicht gesehen hast.“, sagte sie nahezu mitleidig und hielt mir das Buch hin, aufgeschlagen auf der ersten Seite, sodass ich die Widmung lesen konnte. Ich wusste sofort, wie der Titel des Buches lautete. For my winged Angel who will always be loved by me. Camui Gackt Was hatte er getan? Was um Himmels Willen hatte Gackt getan?! Es war zu spät. Sie sah meinen entsetzten Blick, konnte alles darin lesen. Ich hätte sagen können, was ich gewollt hätte - wenn ich es gekonnt hätte -, sie hätte nicht mehr von ihrer Annahme abgebracht werden können. Ihre Theorie wurde allein durch meinen Blick bewiesen. „Wie konnte ich nur so blind sein? Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte es merken müssen, oder nicht?“ Ihre Augen flehten, dass ich ihre Frage verneinte. Doch ich konnte nicht sprechen. Ich war hypnotisiert von der Traurigkeit in ihrem Gesicht. „War ich eine schlechte Frau? Sag es mir. Sei ehrlich. War ich dir eine schlechte Frau?“ Ich schluckte. „Nein, Mei-chan... Nein... Gott, nein, das warst du auf keinen Fall. Das darfst du nicht einmal denken.“ Es tat weh zu wissen, dass sie das angenommen hatte. „Du bist eine gute Ehefrau, und eine wundervolle Mutter.“ „Warum also? Warum willst du mich dann nicht mehr?“ Ihre Stimme wurde immer dünner. „Ich... will dir einfach nichts vormachen. Ich wollte, dass du weißt, dass ich dich nicht mehr so liebe, wie ich es als dein Ehemann sollte. Ich liebe dich nämlich noch immer so sehr, dass ich dich nicht belügen will. Aber ich liebe dich eher... wie meine beste Freundin, verstehst du?“ Sie schüttelte langsam ihren Kopf und somit Tränen aus ihren Augen. Ich musste sie einfach in meine Arme schließen. Sie hielt sich an mir fest, fast so sehr, dass es wehtat. Es tat weh. Es herrschte eine längst vergessen geglaubte beruhigende Stille. Megumi brach sie, doch sie tat es sanft, zerstörte sie nicht. Ihre Worte zogen sich wie ein zarter Schleier durch die Lautlosigkeit. „Bin ich noch immer deine beste Freundin?“ Ich lächelte in ihre Haare hinein, erwiderte den Druck ihrer Arme. „Ja…“ Sie so im Arm halten zu dürfen, ließ alles von mir abfallen. Ich fühlte mich so leicht, befreit von der Last des Betrügens, unseren Schweigens und ihres Zornes. Es war ein unglaubliches Gefühl. Nie zuvor war ich dermaßen erleichtert gewesen. Ich wollte sie küssen. Ich fragte mich, wie eng unsere Freundschaft in Zukunft sein würde. Ich hielt mich zurück. ~Kinderwochenende...~ Ich seufzte. Das Wort gefiel mir nicht. Aus irgendeinem Grund machte es mir Angst. Vielleicht, weil ich nicht wusste, was das für mich - und auch für Hyde - bedeutete. Würde er die Nächte lieber in einem Hotel verbringen als hier? Und wenn nicht, würde er hier im Gästezimmer schlafen, damit Joseph sich nicht wunderte? Würde er nie zu Hause sein, immer unterwegs? Würde er mich manches Mal in ihre Pläne miteinbeziehen? Würde Joseph mich mögen lernen? Irgendwann? Auch wenn ich bisher ein eher eigenartiges Verhältnis zu ihm hatte. Nie hatte ich gewusst, wie ich damit umgehen sollte, dass er das Ergebnis einer glücklichen Ehe war. Das Resultat einer Verbindung, die meinem Herzen nach niemals hätte eingegangen werden dürfen. Jetzt, da dieses Band zerbrochen war, musste ich versuchen, ein gutes Verhältnis zu dem Kleinen aufzubauen. Das war mein Ziel. Einerseits um meinetwillen, um es wieder gutzumachen, wie ich ihn behandelt hatte, obgleich er unschuldig war; andererseits Hyde zuliebe, um es ihm einfacher zu machen. Denn würden wir drei uns gut verstehen, würde ihm zumindest dieser Kummer erspart bleiben und wahrscheinlich ein großer Stein vom Herzen fallen. Zudem würde es uns, Hyde und mir, ermöglichen, dass wir uns auch an diesen Wochenenden, und an den anderen Tagen zwischendurch, die er mit seinem Sohn verbringen wollte, sehen konnten. Das war mein Ziel. Es war zu erreichen. So hoffte ich zumindest. Es war Samstagabend. Ich fragte mich, was die beiden gerade taten. Sollte ich ihnen anrufen? Würde Hyde sich von alleine bei mir melden? Hatte er das überhaupt vor? Schon jetzt, am ersten Kinderwochenende? Hatte er Angst, dass Joseph etwas bemerken könnte? Konnte er das? Was würde er dann tun? Wie würde er reagieren? Würde er es Megumi erzählen? Wie würde sie reagieren? Würde das etwas ändern? Würde es unsere Beziehung in Gefahr bringen? War es ein Risiko, zu dritt etwas zu unternehmen? Ich wusste es nicht. Ich wollte es auch lieber nicht wissen. Es war einen Versuch wert. Es ist immer einen Versuch wert. Mai richtete ihre Ohren auf. Ich hörte etwas an der Türe. Ich lächelte. ~Das sind sie...~ Ich ging in den Flur, als sich die Wohnungstür öffnete und - es war Hyde. Hyde allein. „Hallo.“, sagte er mit einem schüchternen Lächeln und schloss die Tür hinter sich, steckte den Schlüssel wieder in seine Tasche, den ich ihm an dem Tag mitgegeben hatte, als er mich das erste Mal im Krankenhaus besucht hatte. Ich hatte gewollt, dass er bei mir übernachtete. Einerseits, weil er extra für mich wieder von seinem Elternhaus aufgebrochen war und ich nicht wollte, dass er sich wegen mir ein Hotel nehmen musste oder gar auf die mich beängstigende Idee kam, Megumi zu fragen, ob er bei ihr übernachten könne. Und andererseits - weil er sich weigerte, dieses Angebot anzunehmen - trug ich ihm noch auf, für mich nach Mai zu sehen, während ich im Krankenhaus lag. Dabei war meine Haushälterin längst informiert und kümmerte sich um alles. Aber ich wollte, dass er in meiner Nähe und das er mit mir verbunden war. Ob dadurch, dass er sich in meiner Wohnung aufhielt, oder durch den Schlüssel zu ihr. Außerdem hoffte ich, dass er wusste, dass der Schlüssel ein Zeichen dafür war, dass er jederzeit willkommen war. Ob mit oder ohne seinen Sohn. „Hallo.“, entgegnete ich überrascht. „Wo ist Joseph?“ Nun blickte Hyde irritiert. „Zu Hause. Wieso?“ „Ich dachte nur, du würdest ihn vielleicht noch mitbringen.“ Meine Stimme wurde immer leiser. „Wieso? Sollte ich?“, fragte Hyde, gleichzeitig überlegend, ob er mir etwas in der Art gesagt oder gar versprochen hatte. „Ich hätte es schön gefunden.“, antwortete ich schlicht, und ehrlich. „Das wusste ich nicht. Du hast nichts gesagt. Ich dachte eher, es wäre dir lieber, wenn du ihn nicht so oft sehen müsstest.“, erwiderte Hyde offen. „Das... war vor eurer Trennung.“, gab ich leise zu. „Oh... Ach so...“ Sein Gesicht hellte sich auf. „Dann bring ich ihn natürlich das nächste Mal mit.“ „Das wäre toll. Weißt du, ich würde ihn - jetzt - gerne besser kennen lernen.“ „Das finde ich schön.“ Er lächelte. „Er wird dich mögen.“ Als Dankeschön für diese ermutigenden Worte - denn ich fühlte mich, als stände mir nun der Tag bevor, an dem ich zum ersten Mal dem Sohn meines Partners vorgestellt werden würde und ich die Aufgabe hatte, mich als vorbildlicher Ersatzvater zu präsentieren -, und zur Begrüßung, legte ich die Arme um ihn und gab ihm einen Kuss. Er blickte mich daraufhin lange an. Ich spürte, dass er mir etwas sagen wollte. „Was willst du denn tun, wenn ich Jo-chan mitbringe?“ „Dinge unternehmen, in den Zoo gehen und so.“, antwortete ich etwas irritiert. „Willst du ein Freund für ihn sein oder eine zweite Vaterfigur?“ stellte er die nächste seltsame Frage. Ich zog erst beide, dann nur eine Augenbrauen nach oben. „Also alles, nur keine Mutterfigur.“ Hyde lächelte etwas schief und biss sich leicht auf die Unterlippe. Ich liebe es, wenn er das tut. „Wenn du die Mutter sein willst, kein Problem, dann übernehme ich die Vaterrolle.“ Nun lachte er. Es wirkte sorglos. Sein Lächeln war ungetrübt. „Wie war dein - halbes - Wochenende?“ „Es war schön. Wir waren zusammen auf dem Tai Festival in Toyohama.“, erzählte er. „Warum hast du ihn dann heute schon zurückgebracht?“, wollte ich nun doch genauer wissen. „Megumi wollte Morgen mit ihm noch zu irgendeiner Veranstaltung, die schon seit langem geplant war.“ Ich zuckte beinahe zusammen, als er ihren Namen aussprach. Zu lange hatte er das bereits nicht mehr getan, sodass ich es nicht gewohnt und nicht darauf gefasst gewesen war. Zu lange, und doch nicht lange genug. Wie konnte er das plötzlich? Gerade jetzt? Ich verstand es nicht. „Was ist?“ Damit holte er mich wieder zurück. „Nichts. Es ist nur... Wie war es, s- Megumi wiederzusehen? Habt ihr miteinander gesprochen?“ Er begann unerwarteterweise zu lächeln. Es war ein Lächeln, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Ein neuer Gesichtszug. Ein eigenartiges Gefühl. „Viel besser noch!“, strahlte er. „Wir haben uns sozusagen versöhnt.“ Ich wusste nicht recht, was ich davon halten sollte. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir beste Freunde bleiben wollen.“ Auch hiervon nicht, doch es gab eine deutliche Tendenz. „Ist das nicht klasse?“ Seine Begeisterung spiegelte sich in meinem Gesicht nicht wider. „Schön... Und das heißt?“ In meinem Kopf formten sich unschöne Gedanken. Bilder, zahllose Bilder strömten auf mich ein. Ihr Schöpfer: meine Fantasie. „Wie ‚das heißt’?“ Hyde war eindeutig verwirrt ob meiner Nachfrage. „Was bedeutet das dann für die Zukunft?“, machte ich mein Anliegen deutlicher. Er stutzte. „Na, dass wir gut miteinander klarkommen, dass es keine Probleme geben wird, was Jo-chan angeht, dass wir normal miteinander reden und uns gemeinsam um Jo-chans Erziehung kümmern können.“ Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Es klang nicht so schrecklich, wie ich es mir im ersten Moment vorgestellt hatte. Er musste die Erleichterung in meinem Gesicht sehen, denn er nahm meine Hand, drückte sie leicht und sagte: „Zwischen uns wird sich nichts ändern.“ Ich schloss die Augen; seine Worte waren wie Balsam für mich. Bei seinen nächsten Worten allerdings öffneten sie sich wieder schlagartig. „Und sie weiß jetzt auch von uns.“ Mein Atem blieb fort. „Sie tut was?!“ Ich konnte es nicht fassen, was er eben gesagt hatte. „Sie hat es sich zusammengereimt.“, meinte er lediglich. „Aber... wie...? Macht es ihr denn nichts aus?“ Vollkommene Verwirrung. „Ich weiß es nicht so wirklich, scheinbar aber nicht so sehr. Ihr schien es viel wichtiger, von mir zu erfahren, dass es nicht an ihr lag, dass ich sie nicht für eine schlechte Ehefrau und Mutter halte. Das war es wohl, das ihr solche Sorgen gemacht hatte. Jetzt, da sie weiß, dass es nicht so ist, ist sie erleichtert.“ Ich starrte ihn lange an, lächelnd. „Das ist schön... Das ist... wirklich schön...“ Ich nahm ihn in den Arm. „Das freut mich für dich...“ Aufrichtiger hätte ich nicht sein können. „Ich hätte nie gedacht, dass alles so gut gehen könnte.“ Er drückte mich an sich, glücklich. Es war pures Glück. „Ja, das habe ich auch nicht gedacht. Und ich kann es auch noch nicht fassen.“ Er presste mich noch fester an sich. „Jetzt ist alles perfekt...“, hauchte er mir ins Ohr. „Wir haben eine Glückssträhne...“, flüsterte ich zurück, als sollte es niemand hören, der sie uns wegnehmen könnte. „So viel Glück kann einem Angst machen...“, lächelte er, kein Anzeichen von Furcht, doch ich wusste, dass es ihn ernsthaft beschäftigte. Mir selbst machte es auch Angst, doch ich versuchte, es einfach zu genießen. Zum ersten Mal in meinem Leben. „Es gibt keinen Grund, Angst zu haben... Ich bin da.“, wisperte ich gegen seine Lippen. Es würde nicht lange dauern und ich würde eines Besseren belehrt werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)