The Wasted Time of Our Lives von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: 僕達の子 - Bokutachi no ko - Our Child --------------------------------------------- Meine Augen öffneten sich. Die Sonne war noch nicht sehr weit aufgestiegen. Es war noch früher Morgen. Doch ich nahm nach und nach mehr in dem trüben Licht wahr, das den Raum sanft erhellte, der mir im ersten Moment unbekannt vorkam. Als ich einen Arm, nur wenige Meter von mir entfernt, bewegungslos von einem Sofa herunterhängen sah, wusste ich sofort, wo ich war, weshalb, was passiert war und - was nicht. Ich warf einen Blick auf meine Kleider, die über der Sofalehne hingen. ~Vielleicht sollte ich mich besser anziehen, bevor er aufwacht... Es ist ihm doch so peinlich...~ Leise erhob ich mich und tat Hyde diesen - wie ich annahm - „Gefallen“. Als ich beinahe fertig angezogen war, begann Hyde sich zu räkeln, doch seine Augen blieben geschlossen. Sein Gesicht war nun mir zugewandt, sodass sich mir der friedliche Anblick eines schlafenden Engels bot. Ich hielt inne. Dieses Bild hatte mich in seinen Bann gezogen. Plötzlich flatterten seine Augenlider. Und öffneten sich langsam. Ein Paar unschuldig brauner Augen blickte in meine Richtung. „Guten Morgen.“, sagte ich, nachdem ich ihm eine Sekunde oder zwei Zeit gelassen hatte, richtig wach zu werden. Er schien sich dennoch zu erschrecken, als hätte er zuvor geglaubt, ich wäre nichts weiter als ein Traumbild gewesen, nicht wirklich hier, sondern nur eine Erscheinung. Er schien einen Augenblick angestrengt nachzudenken, und dann erkannte man die Erkenntnis in seinem Blick: Er hatte sich erinnert, dass ich hier übernachtet hatte. „Guten Morgen...“, gab er schwach zurück, bevor er sich über das verschlafene Gesicht und durch die wirren Haare fuhr. „Und? Konntest du doch noch gut schlafen?“, fragte ich ihn und griff nach meinem Hemd, das ich noch immer nicht angezogen hatte. Er setzte sich auf, fuhr sich erneut durch die Haare, dieses Mal jedoch scheinbar mit der Absicht, sie wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen. „Ich denke schon.“, antwortete er, in meine Richtung blickend, die er daraufhin sofort wieder änderte, als hielte er es für unverschämt, zu mir zu blicken, während ich mich anzog. Mit einem Mal sprang er regelrecht vom Sofa auf und schien zu sprechen zu beginnen, bevor er wusste, was er sagen wollte: „Ich... werde dann jetzt mal duschen gehen. - Oder willst du zuerst ins Bad? Ich kann auch noch warten!“, fügte er sofort hinzu, als hätte er etwas Rücksichtsloses gesagt. „Nein, nein, geh du nur.“, meinte ich, ließ mich zurück auf meinen Schlafplatz fallen und schloss müde die Augen. Es vergingen ein paar Sekunden, bis ich hörte, wie sich Hydes Schritte entfernten. War er diese paar Augenblicke stehen geblieben und hatte mich beobachtet? Als ich die Augen aufschlug, sah ich ihn gerade noch im Bad verschwinden. Ich seufzte. Ich wusste nicht genau, weshalb, aber ich hatte das Gefühl, ich hatte etwas verpasst. Mein Blick wanderte unbestimmt zu dem Sofa, auf dem Hyde geschlafen hatte. Die Decke lag unordentlich da. Ein Gedanke formte sich in meinem Kopf und mein Körper bewegte sich wie von selbst zu dieser Decke. Ich beugte mich hinunter und sog den Duft, den ich gehofft hatte, dort zu finden, genüsslich ein. Das löste ein unbeschreiblich schönes Gefühl in mir aus. Ich atmete erneut tief ein, gieriger. Ich wollte diesen Geruch nicht mehr entbehren, ihn nicht wieder hergeben, nie wieder missen müssen; ich wollte ihn permanent riechen. Am liebsten hätte ich nur ein und nicht wieder ausgeatmet. Ich wollte seinen Geruch in mich aufnehmen, ihn dort festhalten und nie wieder freigeben. Ebenso wie ich von fremder Kraft geleitet zu dieser Stelle geführt worden war, war ich nun gezwungen, mich auf den noch warmen Schlafplatz zu legen. Genießerisch schloss ich die Augen und badete in seiner Wärme und seinem Geruch. „Schläfst du etwa schon wieder?“, fragte eine Stimme ganz in meiner Nähe. Ich öffnete erschrocken die Augen und richtete mich unweigerlich halb auf. „Warum liegst du jetzt eigentlich auf meinem Platz?“, fiel ihm dann das Unvermeidliche auf. „Shirimasen.“, meinte ich ahnungslos klingend und blickte mich verwirrt um. Ich versuchte einfach mal, den Unwissenden zu spielen. Vielleicht würde es mir ja gelingen, mich so aus dieser Situation zu retten. „Bist du Schlafwandler?“, fragte Hyde amüsiert. Sein Lächeln ließ meine Befürchtungen verblassen. „Vielleicht.“, antwortete ich unbestimmt, ebenfalls mit einem Lächeln im Gesicht. „Na, egal. Wollen wir frühstücken?“, schlug Hyde vor und machte sich auch schon auf den Weg in die Küche. Er schien ungewöhnlich gute Laune zu haben, vor allem für diese Uhrzeit. „Was möchtest du essen? Was willst du trinken?“ Ich konnte mich nicht sattsehen an diesem lächelnden Gesicht, dass von noch leicht nassen Haarsträhnen umrahmt wurde. „Kaffee. Hunger habe ich noch keinen.“, antwortete ich ihm, ihm in die Küche folgend. „Ach, komm. Irgendetwas kannst du doch bestimmt essen.“, meinte er zuversichtlich. „Es ist noch Suppe übrig, die wir uns aufwärmen könnten. Na? Wie wäre es damit?“ „Na gut.“ Ich konnte es ihm nicht abschlagen. Ich wollte, dass seine Stimmung ewig hielt. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Ich wollte nicht mehr hier sein, wenn andere Bewohner des Hauses zurückkamen. „Ich werde mich dann mal auf den Weg machen.“, sagte ich zu Hyde, der auch schon seit einer ganzen Weile mit Essen fertig war und nur noch ab und zu an seinem Glas Wasser nippte. „In Ordnung.“ Sein Blick war mir gefolgt. Wir standen beide vom Tisch auf und gingen langsam in Richtung Haustüre. „Lust, was zu machen? Übermorgen, oder so?“ Ich ertrug den Gedanken nicht, nicht zu wissen, wann ich ihn wiedersehen würde. Ich hoffte, dass es bald sein würde. Ich betete zu Gott. „Ich kann nicht, ich habe Jo-chan schon etwas versprochen.“ Seine Stimme und sein Blick zeigten mir, dass es ihm leid tat. Doch trotzdem konnte ich meine Enttäuschung nur schwer verbergen. „Ah... Sou da.“ Es tat weh. „Vielleicht... Freitag?“, schlug Hyde versöhnlich vor. „Klar, dann Freitag.“, entgegnete ich wieder fröhlicher. Mein Lächeln sollte jedoch nicht lange halten. Als Hydes Stirn sich in leicht angestrengte Falten legte, verspürte ich bereits eine ungute Vorahnung. „Oh, warte. Doch nicht.“, zog er seinen Vorschlag zurück. „Freitag ist schlecht.“ Ich versuchte, ruhig zu bleiben. Es war nicht einfach. Es tat einfach weh. „Freitag ist ganz schlecht.“, fügte er hinzu, als könnte das die Zurücknahme rechtfertigen. „Lass mich überlegen...“ ~Bevor du wieder etwas Falsches sagst... um meine Hoffnung wieder zu zerstören...~, fügte ich in Gedanken hinzu. „Wie wäre es mit... Montag?“ Ein weiterer Stich. So viele Tage lagen zwischen Jetzt und diesem Tag. Was sollte ich in der Zwischenzeit tun? Wofür sollte ich es? „Vielleicht ergibt sich ja vorher noch etwas. Du musst ja nicht gleich den halben Tag Zeit für mich haben. Ein, zwei Stunden reichen auch.“, ließ ich ihn wissen, in der Hoffnung, es würde ihn dazu bewegen, sein Angebot zu ändern. „Dann finde ich bestimmt zwischendurch noch etwas Zeit.“ War es ein Versprechen oder nur ein Tröstungsversuch? „Ich melde mich dann kurzfristig bei dir.“ Ich konnte es nicht sagen. „In Ordnung.“ Er konnte nichts dafür. „Also dann, tschüß...“ Doch es tat nichtsdestotrotz weh. „Ja. Tschüß...“ Er zögerte, doch dann umarmte er mich flüchtig. Ich schloss meine Augen. Auch wenn es nur ein kurzer Moment war, hatte er eine lange schöne Nachwirkung. „Lass den Kopf nicht hängen.“ War es ein Ratschlag oder eine Bitte? „Ich werde es versuchen.“, sagte ich mit einem schwachen Lächeln und schritt davon. Es war eine Lüge. Ich wusste viel zu gut, dass es sinnlos war. Ich sah ihm nach. Er nahm seine Autoschlüssel aus der Hosentasche und schloss seinen Wagen auf. Er öffnete die Autotür, doch bevor er einstieg, sah er zu mir zurück, legte zwei Finger auf seinen Nasenrücken, ließ sie diesen hinunterstreifen und warf sie in meine Richtung. ~Unser Abschiedsgruß...~ Ich lächelte und tat es ihm nach, verabschiedete mich von ihm auf unsere Art und Weise. Eigentlich war es ja seine Erfindung, doch alles, was mit ‚Moon Child’ zusammenhängt, betrachten wir stets als unser Eigentum. Er tat es, so vermutete ich, aus Bescheidenheit; ich tat es, weil mir die Vorstellung gefiel, dass etwas uns beiden gehörte. Dieser Gedanke erinnerte mich wieder an die Situation am Abend zuvor, als Gackt „Es ist unser Film“ gesagt hatte. Mit diesen Worten wurde eine fast vergessene Erinnerung wach. Ich ging zurück ins Haus, schloss die Türe hinter mir, lief zielstrebig in mein Arbeitszimmer zum Regal, griff einen Ordner heraus, legte ihn auf meinen Schreibtisch, schlug ihn ganz hinten auf und entnahm einer Klarsichtfolie ein paar Blätter. Das oberste, das man durch die Folie hatte sehen können, war der erste Entwurf für „The Fourth Avenue Café“. Er war die Tarnung, das Deckblatt, das die Papiere darunter verdecken sollte. Seiten, die niemand finden sollte, die niemand sehen sollte. Es waren zwei. Zwei Seiten mit zwei verschiedenen Texten. Nach einem davon suchte ich gerade. Es war der ältere. Er war neun Jahre alt. Our Child Everything began with our child It meant work, it was fun It cost us a lot of time And gave us much to spend together And even more We were close to each other for such a long lapse of time for it was our child We raised it, made it beautiful and kind But one day, I feared to admit that I loved you That day was the same day that I said I was sorry for not being able to come to sing with you together on stage I was so afraid anyone could see how much I felt while singing our song for our child It would have been so obvious Everyone would have seen the sparkling in my eyes The tears falling off of them The pain in my face for we had to say goodbye to our child We knew we could see it anytime we wanted to But never again together Never together again We would never again be occupied by looking after, watching over, taking care of our child We could only watch it Maybe Maybe at the same time Maybe even together But in another country Not where we raised it We could merely watch it from far away For I will never go back to that place where we raised it It’s too hard to endure the pain I would feel when seeing the streets again we walked so many times together doing anything to make our child decent and respectable We wanted it to be successful for we were not in being parents or rather I was not for you did anything for our child for you are its mother for you gave birth to it Actually You should be its only parent for I did almost nothing for our child It’s cruel not to be sure if I changed anything about that if I could turn back time I am listening to our song It reminds me of the closeness there once was It reminds me of the confusion there once was when I did not yet understand what I felt for you Now I feel sorry for not having been honest with you Even now I am not successful in being honest with you and me I hope our child won’t be forgotten I hope we will watch it one day together Still I fear to admit that I love you I am looking to the moon above us And think about you think about us think about our child Our Moon Child Die letzten beiden Worte konnte ich nicht mehr lesen; meine Sicht war verklärt. Doch ich kannte sie, kannte sie nur zu gut. Meine Hände zitterten. Ich spürte etwas Warmes meine Wange hinabfließen. ~Wir haben es gesehen... zusammen...~ Ein Lächeln zeichnete sich langsam auf meinen Lippen ab. ~Mehr können wir nicht mehr tun...~ Ein Schluchzen entwich meiner Kehle. ~Wie gerne würde ich die Zeit noch einmal zurückdrehen wollen... Wie sehr wünschte ich mir, diese kurzen Wochen noch einmal erleben zu dürfen... Wie viel würde ich dafür geben, den gemeinsamen Abschied unseren „Kindes“ nachzuholen... mit dir zusammen... Ein Duett... nur für unser „Kind“... Würdest du mir diesen Wunsch erfüllen? Würdest du das, Ga-chan?~ Das Blatt Papier fiel aus meinen bebenden Fingern auf den Tisch, meine Hände folgten, stützten sich auf dem kalten Holz ab, bevor sie von warmen Tropfen getröstet wurden. Sie spürten den Trost jedoch nicht. Sie nahmen die Berührung gar nicht wahr. Es gab nichts, das mir in diesem Moment Trost hätte schenken können. Nichts. Nichts. Er begann zu singen. I didn’t know how much My own life could depend on another I was sure I would live just for me and would not even bother If I fell out of love There was still me and myself, I thought So I could do without anybody else I thought that was the life I had sought But then there came a time when I didn’t know what to do for I had forgotten if it was me or you I was leading my life for I realized that I would do more than many things for your sake rather than for mine That was when I learned the difference between real love and fake I never was tormented so frequently by thoughts of sudden change I never thought that much of the daily danger that’s soaring over you - it’s strange That I never felt this fear before Although there have ever been precious people in my life I can’t compare my feelings for you with anything before you arrived I realized that I would do things for your rather than for my sake That was when I learned the difference between real love and fake It’s not like being in heaven It’s not like being in hell It’s not my body - neither yours In love with your mind I fell So deeply I can’t describe I need you I can’t explain why I could never hurt you Not even in my thoughts I could try More than a lover You are my friend More than a friend You are my everything I realized that I would do more than many things for your sake That was when I learned the difference between real love and fake It’s not that I need to kiss you all the time It’s just that I will miss you if you’re not by my side It’s not that I need to feel your body on mine It’s more that I want you to want to feel mine More than a lover You are my friend More than a friend You are my everything I realized that I would do anything for your sake I finally learned the difference between real love and fake Sein Gesang verklang. Zurück blieb er, alleine, in der Dunkelheit seiner Wohnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)