Abrechnung von Skorpion (Epilog: Die Spur) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Der Lift ist am Arsch, wie immer. Umziehen wird dadurch nicht einfacher. Bianca kümmert es nicht. Sie hüpft die von Sinnlosen Graffiti gesäumte die Treppe rauf. Wie ein kleines Kind. Nichts kann ihre Begeisterung stoppen. Sie hat sich unsere zukünftige Wohnung schon genau angesehen. Ihre Stimme überschlug sich vor Freude, als sie aus dem Fenster sah. ‚Sieh nur die Bäume!‘ Sie wird die Aussicht auf graue Fassaden und Leuchtreklamen nicht vermissen. Ich schon, ein Bisschen zumindest. Sie vermittelt die Realität in ihrer ganzen Hässlichkeit. „Das läuft alles zu problemlos, es muss einen Haken geben.“ Sie hört mir nicht mal zu. Ich wollte im Van nicht darüber reden. Ivan, der uns auf Alex Wunsch hergefahren hat, braucht es nicht zu wissen. Er ist total emotionslos, versteckt sich hinter einer perfekten Fassade. Ich trau ihm nicht. „Bianca, hör doch zu! Alex lügt wie gedruckt. ‚Ich hätte nicht gedacht, dass du Freiwillig herkommst,‘ sagte er, hat mit keiner Wimper gezuckt“ „Ach Andi, bitte“ Bianca dreht sich um, sieht mich an. „Du bist immer so negativ, freu dich doch über unser Glück.“ „Das einzige was gegen eine miese Falle spricht, ist der Aufwand. Es gibt genug, die sich ohne das Theater anlocken lassen.“ Bianca versteht genau, dass ich damit auch sie meine, zieht einen Schmollmund und kehrt mir wieder den Rücken zu. „Ich kann es kaum erwarten, von hier wegzukommen!“ Ruft sie und läuft die verbleibenden Treppenstufen hoch. Aber ich werde das ungute Gefühl nicht los. Vielleicht fallen mir deswegen die Kratzer an der Tür auf. „Bianca, warte, lass mich vor!“ Ich nehme drei Tritte auf einmal. „Wieso? Ich war zuerst da.“ Sie dreht den Schlüssel. Aber ich bin schneller, dränge sie zur Seite und öffne die Tür. Rauchgeruch. Jemand ist hier. Tatsächlich, sie sitzen an unserem Tisch. Den Zigarettenstummeln nach schon lange. Sie sind zu dritt. Schlägertypen. Ich kenne sie. Geldeintreiber. „Geh zurück zum Van!“ Ich wage nicht nachzusehen, ob Bianca gehorcht. Die auf mich gerichtete Mündung nimmt meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Ich bin am Arsch. In der ganzen Aufregung vergass ich die Drogeneinnahmen, die ich hätte abliefern sollen. Ich habe nur ein paar einzelne Münzen, das wird nicht reichen. Niemals. In der Wohnung ist es still. Nur das leise klicken der Pistolensicherung hallt durch den Raum. Es ist zu spät, ich kann nicht mehr zurück. „Nicht, ich geb‘ euch die Kohle.“ Meine Stimme klingt unsicher. Ich hebe beschwichtigend die Hände. Ein Teil von mir verflucht meine Schwäche. Aber jetzt geht es ums überleben. „Es war ein Notfall, ich hab‘ sie ausgegeben. Aber ich zahl‘ sie euch zurück, mit Zinsen.“ Ich werde immer schneller. „Ich, ich habe nichts Bares dabei, aber ich... unten im Van sitzt ein Freund, er überweist es dem Don sofort. Ich muss nur zu ihm, es ihm sagen.“ Ivan, natürlich, er wird die Kohle auftreiben können. Der Gedanke lässt mich wieder etwas zur Ruhe kommen. Ein möglicher Ausweg. Sie tauschen Blicke. „Der Don hat harte Währung verlangt.“ Brummt der mit der Pistole, er scheint der Anführer zu sein. Bargeld hinterlässt weniger Spuren als virtuelles. Wer mit zwielichtigen Geschäften zu tun hat, hinterlässt am besten gar nichts. „Das lässt sich auch organisieren.“ Ich deute auf die Treppe hinter mir. Langsam stehen sie auf, kommen auf mich zu. Ich steige die Treppe hinab, langsam. Schnelle Bewegungen könnten sie auf falsche Gedanken bringen. Es ist unangenehm sie in meinem Rücken zu wissen, ich sehe nur ihre Schatten. Endlich die Haustür, ich stosse sie auf. Der Van steht etwas die Strasse runter. Er fällt auf, viel zu sauber. Keine Kratzer. Ich hoffe, er hat nicht die Falschen Leute aufmerksam gemacht. Bianca ist dort. Verdammt. Ich führe sie genau zu ihr. Zu spät, mich trennen nur noch wenige Schritte von der Fahrertür. Durch die getönten Scheiben erkenne ich erst jetzt, dass der Sitz leer ist. Die harte Pistolenmündung drückt sich in meinen Rücken. Einer hämmert gegen die Seitentür. Nichts. „Du hältst dich wohl für schlau, wie?“ Ich fühle das kalte Metall durch den Pullover. „Er wird zurück kommen.“ Ein halbherziger versuch Zeit zu schinden. „Wann?“ Ich zucke mit den Schultern, woher soll ich das wissen. „Gleich.“ Er müsste hier sein. Der Anführer packt mich am Arm, zerrt mich grob vom Van weg. „Du kommst mit, erklär dem Don selbst, wo seine Kohle ist.“ Einer der Gorillas lacht dreckig. Schadenfroh. Soll ich mich losreissen? Aber sie sind zu dritt und bewaffnet. Die Kugel würde mich erreichen bevor ich Dekung habe. Ich würde ihnen nur einen Grund geben ihre sadistische ader auszuleben. Ich bin so feige. Aber flüchten macht die Situation sicher nicht besser. Was wenn sie stattdessen Bianca kriegen. Da ist mir der Don lieber. Obwohl er nur eins hasst. Missachtung seiner Anweisungen. „Andi!“ Biancas Stimme. Ich drehe ich nach ihr um. Der Griff um meinen Arm wird fester. „Tut ihr nichts!“ Bianca läuft auf uns zu. Typisch. Dem Feind direkt in die Arme. Aber da ist Ivan, er ist hinter ihr aus der Gasse gekommen. Er ist genau so auffällig wie der Van. Zu Sauber. In gerader, arroganter Haltung, wie nur bewaffnete Schwergewichte und Idioten gehen. Er gehört zu den Idioten, nichtwissend was ihm passieren könnte. Anderseits ist das gut für mich. Auf einmal kommt mir die Situation nicht mehr bedrohlich vor. Die Schlägertruppe wendet sich ihm zu. Sie haben Geld gerochen. „Wie viel schuldest du ihnen?“ Fragt er. Bianca muss ihm alles erzählt haben. „700.“ Er holt ein Bündel Geldscheine hervor, zählt ab. „1000 und ihr lasst euch nie mehr hier blicken.“ Muss er sich so aufspielen? „Und sagt dem Don, ich kündige.“ Ich weiss nicht, ob sie zugehört haben. Der Anführer prüft gerade sorgfältig jede Note. Dann winkt er, anscheinend zufrieden, seinen Kumpels. Sie ziehen ab. Wie konnte ich solche Angst vor ihnen haben? „Sorry, dass wir so spät kamen, Ivan musste erst Bargeld abheben. Er hat von seinem Geld vorgeschossen, ist das nicht nett? Er meinte Alex würde es bestimmt zurückzahlen.“ Bianca ist fröhlich wie zuvor. Ich ärgere mich immer noch, aber über mich selbst. „Mach dir keine Gedanken deswegen.“ Meint Ivan. Er muss meinen Gesichtsausdruck falsch gedeutet haben. „Monsieur De Cime ist in solchen Angelegenheiten grosszügig. Er hat mich angewiesen, euch finanziell auszuhelfen, wenn es nötig wird.“ Wie Edel. Aber ohne Monsieur wäre es nicht zu dieser beschissene Situation eben gekommen. Dass er bezahlt ist das mindeste. Ich habe nicht viel einzupacken. Die Dienstbotenwohnung, die wir bekommen, ist möbliert. Wir werden den Tisch mit den Brandlöcher, die durchgelegenen Matratzen und den wackligen Stuhl einfach hier lassen. Ich werfe einen letzten Blick in unsere Wohnung. Sie ist klein, nicht sonderlich schön und es stinkt nach kaltem Rauch. Ein bisschen schmerzt es mich doch, sie zu verlassen. Es stecken viele Erinnerungen drin. Wir zogen kurz nach Mutters Tod hierher. Der Don hatte uns die Wohnung organisiert. Unter der Bedingung, dass ich keine Botengänge für ihn erledigte. Wie Mutter es tat, bevor sie Krank wurde. Hier habe ich Bianca getröstet, ihr Geschichten von Mutter als Engel erzählt die ich selbst nicht glauben konnte. Nur heimlich geweint, Nachts, wenn Bianca schlief. Aber es gab auch die Momente, in denen Bianca fröhlich lachte. Die mir den Mut gaben, weiter durchzuhalten. In denen ich einfach Glücklich war. ‚Ich werde die Erinnerungen einfach mitnehmen‘, denke ich und grinse. Einmal bin ich nostalgischer als Bianca. Diese packt, mit vollem Eifer und den Gedanken weit in der Zukunft. Ivan hilft Bianca. Er trägt ihre Taschen die Treppe runter, ein professionelles Lächeln auf dem Gesicht. Der perfekte Hotelangestellte. Ich hoffe ich werde nicht so. Ich habe seine Hilfe abgelehnt und trage meine Sachen selbst. Erinnerungen sind nicht schwer. Endlich fahren wir los. Ich muss Bianca zustimmen, mich hält nichts mehr zurück. Ich kann es kaum erwarten, wegzukommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)