Goldenes Herbstlaub von Awkward-Penguin (Unter Eichen, unter Linden wirst du einen Dämon finden) ================================================================================ Kapitel 1: Der Verletzte ------------------------ Die Sonne stand schon am Himmel und das Herbstlaub an den Bäumen glitzerte unter dem Morgentau golden. Einige Sonnenstrahlen brachen durch die Vorhänge eines Zimmers in einem Haus am Rande Tokyos. Ein Wecker klingelte, doch der Besitzer tastete vorsichtig mit der Hand unter der Decke hervor, schaltete ihn aus, drehte sich um und wollte weiter schlafen, wenn da nicht sein Vater gewesen wäre. „Aki, aufstehen!“, bat er und zog seinem Sohn die Decke weg. Er war groß, blond, trug eine Brille und sein Name war Ikigo Suda. Er war einer der Top- Anwälte in Japan und bekannt als einer der wenigen, die keine Unschuldigen verurteilen lassen. „Papa...nur noch ein wenig!“, murmelte Akira, sein schwarzhaariger Sohn und wollte sich die Decke zurück holen, doch Ikigo trat schnell einen Schritt zurück. „Du hast genug geschlafen! Bitte steh jetzt auf!“ Akira gab sich geschlagen und stand auf. Lustlos ging er ins Bad während sein Vater Frühstück machte. Dabei summte er leise vor sich hin, bis das Telefon klingelte. Ikigo beschloss, nicht dran zu gehen und wartete, bis sich der Anrufbeantworter einschaltete. „Guten Morgen Ike“, sagte eine freundliche weibliche Stimme, „tut mir Leid, wenn ich dich und Aki wecke, aber es ist wichtig! Du darfst auf keinen Fall heute arbeiten kommen, hörst du? Es ist wirk-!“ Ikigo hörte nicht weiter hin. Es war ihm klar, dass er an seinem freien Tag nicht arbeiten kommen würde, daher brauchte er keine Gründe für etwas, das er sowieso nicht vorhatte zu tun. In dem Moment, als die Stimme auf dem AB verstummte, kam Akira runter und griff nach seinem Pausenbrot. „Wer war das?“, fragte er neugierig und deutete auf das Telefon, doch Ike winkte ab: „Ist doch egal! Soll ich dich zur Schule fahren?“ Der Junge musterte seinen Vater mißtrauisch. „Es ist eben nicht egal! Ich möchte, dass du endlich wieder glücklich bist! Und nein, mach dir keine Umstände!“, seufzte er und wollte grade seine Schultasche nehmen, als Ikigo ihm seine Hand auf die Schulter legte. „Ich bin glücklich, mein Kleiner! Solange ich dich habe, ist alles in Ordnung!“, murmelte er und gab seinem Sohn einen Kuss auf die Stirn. Akira sah ihn noch immer etwas ungläubig an, dann lächelte er. „Mach dir einen schönen Tag, Papa!“, sagte er, dann lief er die Holztreppe runter und zum Kiesweg, der in die Stadt führte. Während Akira so ging, dachte er nach. Noch nie hatte er sich getraut, seinen Vater nach seiner Mutter zu fragen, da er keine alten Wunden aufreißen wollte, doch wunderte es ihn doch, dass sein Ike grade mal 38 war, obwohl er selber am nächsten Tag 19 werden würde. Ob seine Mutter wohl älter war? Der schwarzhaarige Teenager sah auf seine Uhr. Er hatte noch genug Zeit, den langen Fußweg zur Schule zu gehen und dabei noch etwas Zeit zu vertrödeln. So schlenderte er den Weg entlang, erfreute sich an dem Knirschen des Kieses unter seinen Schuhen und beobachtete, wie das Laub von den Bäumen fiel. Kurz bevor Akira die Innenstadt von Tokyo erreichte, kam er an einem kleinen Fluß vorbei. Dort setzte er sich kurz hin und genoß die Aussicht. Er liebte es, außerhalb der Stadt zu wohnen und nahm es auch in Kauf, dafür länger zu Fuß zu gehen. Die Stadt war ihm zu laut und hektisch und es war ihm zuwider, jeden Morgen durch den Lärm der Straße geweckt zu werden. Da, wo er wohnte, war es schön. Sein Vater und er waren alleine, doch nicht abgeschieden von der Welt. Das Haus war leicht zu erreichen und man konnte auch von Akiras Fenster aus die Lichter der Stadt sehen. Hinter dem Haus befand sich ein schöner japanischer Garten. Ein kleiner Wasserlauf zog sich quer durch ihn und eine kleine Brücke hatten Ike und sein Sohn selber gebaut. Hinter dem Fluß war ein großer Bambusstrauch, der mittlerweile größer war als Akira und neben diesem Strauch stand ein großer Stein. Die Mitte des Gartens wurde geziert von einem kleinen Sakurabaum, der seine rosa farbenen Blüten über den Kiesweg im Garten verteilte. Akira würde von dort nie wegziehen, selbst wenn ihm dafür eine Millionen Yen geboten werden würde. Er war zufrieden mit sich, seinem Vater und seinem Leben. Etwas riss Akira aus seinen Gedanken. Es war sein Handy, das klingelte. Langsam zog er es aus seiner Tasche und sah, dass er eine SMS von seinem besten Freund Sasa erhalten hatte. Er schrieb, dass er krank sei und darum nicht in der Schule sein würde. „Schade“, seufzte Akira und steckte sein Handy wieder weg, „mit Sasa ist es immer lustig!“ Ein plötzliches Rascheln im Herbstlaub hinter ihm ließ den Jungen aufmerken. Eine kleine Maus kam unter den Blättern hervor, doch etwas störte Akira an diesem Anblick. Die Maus war blutgetränkt, doch schien sie selber unversehrt zu sein. Vorsichtig trat Akira näher und schob die oberen Blätter beiseite. Was er darunter fand, war ein großer Schock für ihn. Unter dem goldenen Laub lag ein Junge, etwa in Akiras Alter mit roten Haaren. Er blutete überall und seine Kleidung war kaputt gerissen. Besonders stark blutete sein linkes Auge und Akira wollte die Blutung stoppen. Doch als er sich das Auge näher ansah, bemerkte er, dass da keines mehr war. Die linke Augenhöhle des Jungen war leer. Ein lauter und schriller Schrei kam über die Lippen des 18-jährigen. Er hatte noch nie einen Menschen gesehen, der so schwer verletzt war und es bereitete ihm Unbehagen, ihm nicht helfen zu können. Zitternd zog er wieder sein Handy raus und wählte die Nummer seines Vaters. „Suda Ikigo?!“, meldete er sich schließlich und Akira versuchte so ruhig wie möglich zu klingen. „Papa, ich bin es. Wir brauchen schnell Hilfe.... hier am Fluß liegt ein schwer verletzter Junge...ich glaube, er hat ein Auge verloren...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)