Autobahnlichter von angeljaehyo (One-Shots, LxLight/Raito) ================================================================================ Kapitel 3: Comptine d'un autre été ---------------------------------- "Un, deux, trois... Un, deux, trois..." Das kleine Mädchen im zartroséfarbenen Tutu beherrschte jede Bewegung perfekt. Ihre Mimik wies die minimalen Unterschiede zu sonstigen Gesichtsausdrücken anderer Tänzerinnen auf, die sie zur Mimik einer der großen Primaballerinas der Welt machte. Sie sah aus, wie sich der kleine Junge Schneewittchen vorstellte: rote, volle Lippen, ebenholzschwarzes Haar und natürlich die schneeweiße Haut. Die Melodie, die der kleine Junge am Klavier improvisierte wurde opulenter, komplexer... Wie ein Gefühlsausbruch. Der Musiker, gerade einmal drei Jahre alt, spielte immer das, was seine Seele widerspiegelte. Gerade eben war es unglaubliche Freude und herausragender Stolz - er war sehr stolz auf seine große Schwester, so wunderschön und begabt, wie sie war. Generell liebte es der Kleine zu lachen, zu weinen; er hatte seine Wutausbrüche, und danach krabbelte er auf den Schoß seiner Mutter und sah sie mit seinen ungewöhnlich großen Augen so traurig an, dass dies Entschuldigung genug war. Aber das Wort "Entschuldigung" nahm er natürlich nie in den Mund. Die vermeintliche Ballettlehrerin war, bei genauerer Betrachtung, nichts anderes als die zwanzig Jahre ältere Ausgabe der kleinen Ballerina. Wortlos - ihre Tochter brauchte schon lange keine Ermahnungen mehr, obwohl sie gerade erst zwölf war - ging sie zu ihrem Sohn, der überhaupt nicht auf die Tasten, mit Hilfe derer er seine magische Melodie erzeugte, sah, sondern nur seine große Schwester beachtete, gebannt von derer Eleganz und Anmut. Ihre Eltern achteten immer äußerst genau darauf, das beide sehr gerade und sehr elegant gehen konnten. Das war wichtig für die großen Charité-Veranstaltungen und Promi-Galas. "C'est tout pour aujourd'hui, ma petite! Du kannst dich jetzt umziehen gehen, Papa kommt gleich und holt uns beide ab." Die große, schlanke Frau strich über den wuscheligen, schwarzhaarigen Kopf ihres Sohnes; das Mädchen hatte aufgehört zu tanzen, ging an den beiden vorbei und lächelte ihrem süßen Bruder kurz zu. "Du bleibst noch ein bisschen hier, du kriegst jetzt noch deine Klavierstunde, mein Schatz." Ihr Sohn war, nachdem seine Schwester aufgehört hatte zu tanzen, nun ganz in seine Musik versunken. Sein gemurmeltes "Oui, maman" war kaum zu hören. "Hör doch zu, was deine Mutter dir sagt, und antworte auch ordentlich!" Gerade eben war der Vater des begabten Geschwisterpaares zur Tür hereingekommen. Der mahnende Tonfall war nur gespielt - er liebte seinen Sohn über alles, nie und nimmer könnte er ihn ernsthaft maßregeln. Er schlich sich von hinten an seinen Sohn heran - dieser war immer noch viel zu konzentriert, als dass er den gutaussehenden, etwas übermüdet dreinblickenden, grinsenden Mann hätte bemerken können - und fing an, den kleinen schwarzhaarigen Wuschelkopf durchzukitzeln. Der Kleine hörte sofort auf zu spielen und quitschte und lachte, während er mit seinen kleinen Fäustchen vergeblich gegen die Arme seines Vaters hämmerten. "Maman, papa, ich bin fertig!" Das hübsche Mädchen kam genau zu dem Zeitpunkt hinein, als ein älterer Mann mit englischer Melone und tadellos sitzendem schwarzem Anzug den Saal betrat. Es war der Klavierlehrer. Die junge Mutter nahm ihren Sohn in ihre Arme und wünschte ihm viel Spaß. Zum Abschied lächelte sie ihn an. "Je t'aime." __________ Wie immer brachte der Klavierlehrer ihn in der schwarzen Limousine von Mercedes nach Hause. Sie blieben vor der großen, prachtvollen Villa stehen. Dem Kleinen wurde vom Klavierlehrer die Tür aufgemacht; alles Routine, so wie sie bis zu seinem Lebensende bleiben sollte. Doch heute war es das letzte Mal, dass sich der blasse hübsche Junge lächelnd bedankte. Sie betraten das Haus. Es herrschte Totenstille. "Maman? Papa? Marianne?" An der Hand des nett aussehenden, älteren Herrn ging der Kleine in den Salon... Sein Vater lag in einer Blutlache. Ihm war in den Kopf geschossen worden. Sofort tot. So viel Glück hatten seine Mutter und seine Schwester nicht. Beide lagen mit ihren Röcken und ihrer zerrissenen Unterwäsche in seltamen Posen auf den jeweils beiden Sofas. Ihr Schmuck war weg, auf den Gesichtern regloses Entsetzen. Raubmord. Vergewaltigung. Schweigend, nicht verstehend, betrachtete der Junge das Gesicht seiner Mutter, hörte noch ihre letzten Worte... Sie hat ihn verlassen. Sie hatte ihn geliebt, aber hat ihn trotzdem verlassen. __________ __________ Er lag in seinen Armen, weiße Hände strichen durch hellbraunes Haar. Er konnte wieder lächeln. Dank dem Besitzer dieses weichen, hellbraunen Haars, dessen Kopf sich gerade leicht nach unten beugte, um ihm die Worte ins Ohr zu flüstern. "Ich liebe dich." Und da wusste Lawliet - auch er würde ihn verlassen. Er liebte ihn, aber er würde ihn auch verlassen. Et il croyait - non, il savait - qu'il va le tuer. A/N DISCLAIMER: "Comptine d'un autre été" ist natürlich von Yann Tiersen und Death Note gehört auch nicht von mir (Andernfalls würde Lawliet mit Nachnamen Yagami heißen. Ähem.). http://www.youtube.com/watch?v=qK_JfNlNSTk Diese Melodie kann mich zu Tränen rühren. FFs fallen mir an den seltsamsten Orten ein. Auf der Autobahn, dieses Mal in der Badewanne, und ich habe eigentlich an was ganz anderes gedacht... Nun ja. Der Name Lawliet... Ich schwanke immer zwischen den Aussprachen "Law-light" und "Lawliét". Für mich sieht's französisch aus. Deswegen hier auch Französisch. Obwohl ich diese Sprache nicht mag. Ich hoffe, es gefällt. Mir gefällt vieles. Zum Beispiel Kommentare. :) "C'est tout pour aujourd'hui, ma petite! Das ist alles für heute, meine Kleine. "Oui, maman" Ja, Mama. "Je t'aime." Ich liebe dich. Et il croyait - non, il savait - qu'il va le tuer. Und er glaubte - nein, er wusste - dass er ihn töten würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)