Die Jäger von -Elenya- (für Yuri, Chitsuna und Shayo) ================================================================================ Kapitel 2: Liviel ----------------- Liviel Sie war groß gewachsen und hatte kurze, dunkelblonde Haare die ihr in Strähnen über das hübsche Gesicht fielen. Einen Augenblick bewunderte ich ihre Schönheit, dann schreckte ich hoch, als mir klar wurde, dass es nicht Dalya war, die an meinem Bett saß, sondern eine junge Frau in meinen Alter. Sie lächelte verschmitzt und reichte mir eine Tasse, während ich die Decke bis zum Kinn zog. „Habe ich dich erschrocken?“, fragte sie, ihre Stimme klang kräftig und klar. „Tut mir Leid, das wollte ich nicht. Hast du gut geschlafen?“ Ich nickte nur und nahm die Tasse, die sie mir immer noch entgegenhielt. „Ich bin Liviel, Dalyas Tochter und ich komme aus Fulya, wo ich als Kriegerin in der Akademie der Kampfkünste ausgebildet werde. Und wer bist du?“ „Nao.“, sagte ich und bewunderte sie, dass sie als Frau eine Kriegerin werden wollte. Ich selbst hatte noch nie eine Waffe in der Hand gehalten, allein daran gedacht es zu tun, hatte ich noch nie. „Ich komme aus Luona und… nun ja… ich habe vor kurzem eine Ausbildung zum Goldschmied angefangen.“ Ich wollte ihr auch sagen, dass ich etwas tat und nicht, dass ich ein einfacher Bauerntölpel war, der den ganzen Tag Beeren und Pilze sammelte. Liviel nickte, erhob sich und schritt zu einer Kommode, die schräg gegenüber an der Wand stand. Ein wenig verträumt musterte ich sie von hinten. Sie trug ein langärmliges rotes Oberteil und eine kurze Hose, sie ihr nicht einmal über die Knie ging. An ihren Armen waren metallische Schützer befestigt und ihre Füße steckten in abgetragenen schwarzen Stulpenstiefeln. Was mich jedoch am meisten beeindruckte war der lange Bogen aus dunklem Holz, der über ihrer Schulter hing. Sie wirkte auf mich wie eine unbesiegbare Kriegerin. Schön und stolz – und stark. „Ich werde heute noch hier bleiben, dann muss ich für eine Woche noch einmal nach Fulya.“, hörte ich sie sagen, während ich sie weiter betrachtete. „Solange wirst du dich wohl noch ausruhen müssen. Wenn ich wieder da bin, wird es dir sicher besser gehen.“ Sie drehte sich um und kam wieder auf mich zu. Ich nickte versonnen und nun fiel mir auf, dass sie Schmuck trug. Seltsam. Dabei war sie doch ohne Schmuck schon so schön. Kleine Grüne Ohrringe steckten in ihren Ohrläppchen. Sie blinkten und blitzten, wenn sie ihren Kopf ins Licht der Sonne drehte. Ich konnte sie sehen, weil sie eine ihrer blonden Strähnen mit einer leichten, fast unauffälligen Bewegung hinter ihr Ohr geschoben hatte. Die Strähne blieb hängen, obwohl ihr Haar doch so seidig wirkte. Ich bemerkte erst, dass sie mir etwas in den Mund geschoben hatte, als ich einen widerlichen Geschmack auf meiner Zunge spürte. Hustend versuchte ich es auszuspucken, doch sie hielt mir lachend den Mund zu. „Das ist eine Medizin aus Fulya, Nao!“, erklärte sie immer noch lachend, „Du musst sie runterschlucken, damit du gesund wirst! Na los, hab dich nicht so.“ Ich schluckte sofort, denn ich wollte mich vor ihr nicht zum Narren machen. Das kleine runde Ding wanderte meinen Hals hinunter und verschwand Augenblicke später aus meinem Bewusstsein. Irgendwie verschwand Augenblicke später alles aus meinem Bewusstsein. Liviel die vor mir saß. Die Decke, die auf meinem Bauch lag. Die Wand. Das Fenster. Leise und von weit her vernahm ich eine Stimme, die beruhigende Worte sprach. „Schlaf weiter, Nao. Schlaf weiter.“ Ein paar Tage später konnte ich wieder aufstehen. Neugierig erkundigte ich Dalyas kleines Haus. Ich hatte im Wohnzimmer geschlafen, war also die ganze Zeit bei allem dabei gewesen. Beim Kochen hatte Dalya mir ein wenig von sich erzählt. Wie sie das Haus gebaut hatte, wie lange sie hier schon lebte und wie lange Liviel schon in Fulya ihre Ausbildung machte. Gespannt hatte ich ihr von meinem Bett aus gelauscht. Nicht selten war ich dabei auch einfach einmal eingeschlafen, was ich ziemlich unhöflich von mir fand. Doch was sollte ich tun? Nachdem Liviel mir diese seltsame Medizin gegeben hatte, war ich noch müder gewesen und hatte meine Augen kaum offen halten können, nachdem ich einen Tag später wieder aufgewacht war. Dalya hatte immer an meinem Bett gesessen und eine Schüssel Suppe für mich bereit gemacht. Ich war ihr wirklich sehr dankbar. Das einzige was mich störte war, dass Dalya mir verbot, nach draußen zu gehen. Sie meinte, es sei einfach zu gefährlich. Die Jäger könnten noch nach mir suchen. Doch wann immer ich sie dann fragte, was diese Jäger nun eigentlich von mir wollten, stellte sie sich taub. Eines Abends, als ich wieder im Bett lag, an das ich mich schon gewöhnt hatte war ich allein. Dalya war fort gegangen, ich wusste nicht wohin. Zu Mittag hatte ich mich hingelegt und war eingeschlafen. Vier Tage nachdem Liviel mir die Medizin gegeben hatte, wirkte sie immer noch. Als ich wieder aufgewacht war, fand ich Dalya im Haus nicht. Ich wagte nicht, gegen ihr Verbot zu verstoßen und nach draußen zu gehen, also legte ich mich wieder hin. Die ganze Zeit trug ich dieses weiße lange Leinenhemd mit einer dreiviertel langen, weißen Hose darunter. Dalya hatte meine anderen Sachen waschen wollen, also musste ich etwas von ihr anziehen. Es war mir natürlich etwas zu groß. Gelangweilt nestelte ich an dem Hemd herum, als ich plötzlich ein Geräusch vernahm. Ich erstarrte. Es klang als würde jemand an der Haustür kratzen. Es konnten nicht Dalya und Liviel sein, die hatten beiden einen Schlüssel. Langsam ließ ich mich vom Bett hinunter auf den Fußboden gleiten. Dann rutschte ich unter das Bett. Ich passte gerade so hindurch und das weiße Laken versperrte die Sicht zur Tür. Vorsichtig hob ich es ein kleines Stück an und spähte auf den Flur, den ich von meinem Bett sehen konnte. Im Rahmen der Tür stand ein großer Schatten. Langsam kam er ins Zimmer und bewegte sich erst in die Küche, dann kam er, zu meinem Entsetzten gemächlich auf mein Bett zu. Voller Angst hielt ich den Atem an. Direkt vor meiner Nasenspitze konnte ich die Spitzen abgetragener Lederschuhe erkennen. Die Person wühlte im Bett herum und stieß laut klimpernd die Tonschale mit der Suppe vom Nachtschrank. Klirrend prallte sie irgendwo über meinem Kopf auf den Boden. Ich schloss die Augen. Was ein Fehler war, denn sofort spürte ich, wie mich die Müdigkeit übermannte. Entschlossen riss ich die Augen wieder auf und kniff mich in den Arm, um nicht einzuschlafen. Die Person über mir trat ein paar Schritte vom Bett weg und schien sich umzusehen. Erleichtert glaubte ich schon, sie habe aufgegeben, als sich die Schuhe wieder näherten und eine behandschuhte Hand unter das Bett griff und mein Fußgelenk zu fassen bekam. Erschrocken wehrte ich mich und wollte nach der Hand treten, was unter dem Bett sehr schwierig war. Mit einem dumpfen Geräusch knallte mein Kopf gegen das Holz über mir. Ich zischte und versuchte wild meinen Fuß zurück zu ziehen. Doch die Person bekam nach einigen Tritten auch mein anderes Gelenk zu fassen und zog mich unter dem Bett hervor. Im Licht der Dämmerung konnte ich erkennen, dass es einer von ihnen war. Der Bärtige mit den Handschuhen und dem langen Dolch. Ja, ich hatte ihn noch gut in Erinnerung. Verzweifelt trat und strampelte ich und zerrte an seinen Händen, um freizukommen. Ich kratzte, biss und spuckte ihm ins Gesicht, doch sein eiserner Griff hielt mich fest. Er versuchte irgendwie meine beiden Füße in eine Hand zu bekommen um an eine dünne Kordel zu kommen, die an seinem Gürtel befestigt war. Das war meine Chance. Ich zog den Fuß, den er nicht so sicher hielt nach hinten, während ich mit dem anderen nach vorne trat, genau in seinen Bauch. Der Bärtige stöhnte und ging kurz in die Knie, worauf ich mich aufrichtete und versuchte zu fliehen. Doch so schnell, wie er zusammen gesunken war, so schnell erhob sich mein Gegner auch wieder und sprang mir hinterher. Ich war in die Küche geflüchtet und hatte nach dem langen Messer gegriffen, welches Dalya benutzt hatte um die Möhren zu schneiden. Drohend hielt ich es vor mich und fixierte den Mann im immer schwächer werdenden Licht. Dieser zog ebenfalls seinen Dolch und kam zwei weitere Schritte auf mich zu. Ich hatte keine Ahnung vom Kämpfen und wartete keuchend auf seinen Angriff. Und er kam. Blitzschnell hatte er an meinem Messer vorbei in meine Schulter gestochen. Ich reagierte zu spät und warf das Messer voller Wucht auf meinen Angreifer. Es ritzte ihm nur ein wenig seine Lederweste auf, dann viel es nutzlos zu Boden. Ich wich keuchend an die Küchenwand zurück und glaubte schon, nun sei alles vorbei, als ein greller Lichtblitz durch die Küche stob und der Mann getroffen zu Boden ging. Im nächsten Moment erschien Dalya mit ernster Miene hinter dem Zusammengesunkenen. Sie murmelte rasch und schnell Wörter die ich nicht verstand, dann sah ich, wie der Mann sich um sich selbst drehte und plötzlich verschwand. Was blieb war das Messer, welches ich nach ihm geworfen hatte. Dalya und ich sahen uns lange an. Irgendwann wandte sie sich ab und ließ mich in der Küche stehen. Das Blut befleckte mein weißes Hemd und ließ mich wahrscheinlich wie ein Gespenst aussehen. Kurze Zeit später war Dalya wieder da. Sie nahm meine Hand und führte mich zum Bett. Dann half sie mir, das Hemd auszuziehen und verband meine Wunde. Erleichtert und völlig erschöpft ließ ich mich aufs Bett sinken. Dalya verschwand wieder kurz und kam dann mit einem neuen Hemd zurück. Während ich es anzog, hob sie die Tonschüssel vom Boden auf und brachte sie in die Küche. Als sie wiederkam, saß ich aufrecht im Bett und sah sie wieder lange an. Langsam ließ sie sich auf den Stuhl neben mir nieder und holte tief und lange Luft. „Ich denke, du hast ein Recht zu erfahren, was dieser Mann von dir wollte.“, seufzte sie und ich wartete geduldig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)