Verliebt in Ratte von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: What a wonderful day ------------------------------- Ich weiß noch das ich krank war als wir umzogen. Ich hatte eine Erkältung, und mir ging es so mieß das ich am liebsten aus dem Auto gesprungen und auf die Autobahn gerannt wäre, in der Hoffnung ein Schwertransporter würde sich meiner erbarmen und mich totfahren. Tat er aber nicht, und ich wäre eh zu schwach gewesen um mich loszuschnallen und die Autotür aufzureißen. Ich lehnte meinen heißen Kopf gegen die Scheibe, draußen war schon tiefschwarze Nacht, und ich schloss jedesmal die Augen wenn uns auf der Gegenseite ein Fahrzeug entgegenkam. Das tat auf den Netzhäuten weh. Doch schlafen konnte ich auch nicht. Ich musste ständig nach einem Tachentuch greifen, meine Hosentaschen waren schon voll, und meine Tasche auch. Ich hatte echt Angst in Taschentuchnot zu geraten. Und Hustenbonbons hatte ich auch keine mehr. Das war echt zum Verzweifeln. Mein Stiefbruder saß neben mir, vorsorglich weit weg, er hatte anscheinend Angst sich anzustecken. Oder er mochte mich einfach nicht. Ich hatte mich noch nicht wirklich mit ihm unterhalten, es gab einfach nie eine Gelegenheit dazu, und ehrlich gesagt brannte ich da auch nicht wirklich drauf. Jase war ein Arschloch, das merkte man selbst wenn man nichts mit ihm zu tun hatte. Ich hatte seine Koffer schleppen müssen, weil er noch bei seiner scheiß Freundin gewesen war, als ob ich nicht gern bye bye zu meinen Leuten gesagt hätte! Aber ich war schon drei Tage früher von der Schule entschuldigt gewesen, meine Erkältung machte mir zu schaffen. Und ich war noch lange nicht wieder gesund! Mein Kopf schlug gegen die Fensterscheibe, und ich lehnte mich wieder zurück. Ich hatte unser neues zu Hause noch nicht einmal gesehen, meine Mutter hatte mir nur Fotos gezeigt, ich würde es nicht mal erkennen wenn wir dran vorbei führen. Das fing schon mal gut an. Ich kramte in meiner Jackentasche noch einem neuen Taschentuch, aber es gab keins mehr. Heul. "Hast du ein Taschentuch?" Ich starrte meinen Bruder durch die nächtliche Dunkelheit an, aber er reagierte erst auf einen Stoß gegen die Schulter. Anscheinend ging ihm meine verschnupfte Stimme auf die Nerven, denn er sah wenig begeistert über meine Einmischung in sein kostbares Leben aus. "Nein, hast schon alle verbraucht." Er drehte sich wieder von mir weg, eingemummelt in eine dunkelblaue Winterjacke, die ihn aussehen ließ wie eine gerippte Raupe. Er war so ein Idiot. Ich schniefte einmal demonstrativ, dann rollte ich mich auch wieder zusammen. Meine Haare erschienen mir fast durchsichtig in der Straßenbeleuchtung, einzelne Strähnen waren fast weiß. Schöner Anblick. Ich pustete dagegen, und bereute es sofort wieder, denn das löste den unvermeidlichen Husten aus. Ich keuchte, und meine Mutter warf mir einen besorgten Blick im Rückspiegel zu. Ich wandte das Gesicht ab. Jetzt brauchte ich auch kein Mitleid, viel zu spät. Alles in mir sehnte sich nach einem Bett und endlosen Packungen Tempotaschentüchern, aber das war alles sehr weit weg, beides im Möbelwagen um genau zu sein. Und der würde hoffentlich vor uns da sein, ich hatte keine Lust auf dem Fußboden zu nächtigen, und schon gar nicht im Schlafsack! Etwas stieß mich gegen die Schulter, und ich drehte missmutig den Kopf in Richtung Wageninneres. Mein Stiefbruder hielt mir ein gefaltetes weißes Taschentuch hin. "Hab doch noch eins gefunden." Er verzog das Gesicht zu soetwas wie einem Grinsen, und ich erwiederte es ebenso strahlend. Mein rettender Engel in der Not. Ich nahm es ihm aus der Hand und war Jase zum ersten mal in unserem kurzen gemeinsamen Leben dankbar. Draußen sah es noch immer kalt und ungemütlich aus, ich verfolgte ein kleines Licht am Horitont, wahrscheinlich ein Flugzeug auf dem Weg in den Urlaub. Ich hasste Urlaub. Nichts gab es schlimmeres als in einem fremden Land zu sein, in einem fremden Zimmer und umgeben von fremden Leuten die einen nach zwei Sekunden wieder vergaßen und möglicherweise schlecht von einem dachten weil sie nur Zeit für den ersten Eindruck gehabt hatten. Und ich glaube so ging es mir auch mit Jase und seinem Vater. Ich hatte noch keine Zeit gehabt sie richtig kennenzulernen, und sie mich auch nicht. Jase vater arbeitete als Krankenpfleger, er erzählte viel von anderen Menschen, aber kaum über sich selbst, ich kannte noch nicht mal die Musik die er gern hörte. Aber anscheinend waren es Nachrichten, denn die liefen schon die ganze Autofahrt. Jase war offener, aber auf eine unangenehme Art. Ich wusste oft nicht was ich mit ihm reden sollte, und er behandelte mich wie einen entfernten Verwandten, aber nicht mal das war ich. Er hasste mich, weil ich noch ein kleines Kind war, in seinen Augen, und ein anstrengendes dazu. Ich war nun schon seit zwei Wochen krank, hatte kaum beim Umzug helfen können, und wenn dann hatte ich nur was zu meckern gehabt. Ich wollte nicht umziehen, und nur weil er ein menschliches Chameleon war und sich sicher an der neuen Schule perfekt einfügen würde hieß das noch noch lange nicht das ich das auch konnte. Und ich würde es nicht können, das wusste ich jetzt schon. Mein Stiefvater ging plötzlich vom Gas, dann fuhr er die nächste Ausfahrt hinunter und bog auf eine kleinere Landtraße ein. Gar nicht weit entfernt leuchtete die Skyline einer kleinen Stadt, aber wir fuhren in genau gegengesetzte Richtung, klar, meine Mutter hatte irgendetwas von einem netten Dorf erzählt, weit weg von jeglichem Verkehrslärm...und jeglicher Art von Leben! Ich seufzte, und meine Mutter drehte sich im Sitz zu mir herum. "Wir sind gleich da, es dauert nicht mehr lange." Sie sah selbst schon ziemlich abgespannt aus, vielleicht hatte ich sie ja angesteckt. Oder es war einfach nur der Stress. Ich seufzte nocheinmal, diesmal leiser, und starrte weiter gebannt aus dem Fenster. Jetzt endlich kam die Müdigkeit, bloß leider viel zu spät. Ich versuchte die Augen offen zu halten, und endlich fuhren wir in die neue Auffahrt. Ich hätte es fast verpasst, aber meine Mutter richtete sich plötzlich in ihrem Sitz auf, und das Auto wurde spürbar langsamer, bis wir endlich standen. Von draußen prasselte der Regen gegen die Fensterscheiben, er erschien mir viel heftiger als noch vor kurzem auf der Autobahn. Das Licht im Auto ging an, und ich sammelte schnell das Zeug ein das ich ihm Laufe der Fahrt auf der Rückbank verteilt hatte. Das meiste waren gebrauchte Taschentücher. Auch mein Bruder erwachte langsam aus seiner Totenstarre, er sah mich einen Moment verwirrt an, anscheinend hatte er geträumt und war überrascht das ich immernoch neben ihm saß. Ein wahrgewordener Alptraum. Meine Mutter war inzwischen aus dem Auto gestiegen, sie sprintete zur Haustür, die immernoch im Dunkel lag, und schloss uns auf. Warmes gelbes Licht fiehl aus der geöffneten Tür, und ich sah den feinen Regen glitzern der uns schon die ganze Fahrt über begleitet hatte. Ich packte meine Tasche und die restlichen Taschentücher und setzte ebenfalls zum Sprint an, erst als ich im Flur stand merkte ich das ich vergessen hatte zu atmen. Mein Kopf tat weh, und ich fühlte mich echt elend. Und ich hatte immernoch keine neuen Taschentücher, was mir schmerzlich bewusst machte das es der Umzugswagen wohl doch nicht vor uns hierher geschafft hatte. Mir stand eine kalte Nacht im Schlafsack auf dem nackten Fußboden bevor. Freude. "Geh doch schonmal in die Küche und mach uns allen einen Kaffee. Ich hab die Sachen in meiner Tasche." Meine Mutter deutete in ein inzwischen hell erleuchtetes Zimmer, eine Hand an ihrem nassen Haar. Sie sah richtig müde aus, und ich merkte das ich schon wieder allen im Weg stand. Also trollte ich mich schniefend in die Küche, das Auto meines Stiefvaters im Ohr, anscheinend fuhr er es wirklich noch in die Garage. Die Küche bestand aus alten grau-gelben Einbaumöbeln, einem Tisch mit Metallbeinen und vier dazupassenden Stühlen, zwei Papierkörben und einem Kühlschrank. Sehr heimelig. Ich schlurfte einmal quer durch den ganzen Raum und zog die schweren, rot-weißkarierten Gardinen vom Fenster zurück. Das Nachbarhaus war nur zu erahnen hinter all dem Regen und der Dunkelheit. Ich seufzte, zum dritten Mal an diesem Abend, dann räumte ich die Tasche meiner Mutter aus und setzte Kaffee auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)