Lady Oscar von Lilly-san (Wenn alles anders läuft...) ================================================================================ Prolog: -------- Dies ist meine erste Geschichte, welche auf dem Manga und Anime von Lady Oscar basiert. Jedoch Stimmen Geschehnisse und Daten teilweise nicht überein, da es keine Kopie werden soll, sondern eine eigene Geschichte... --------------------------------------------------------------------------------- Prolog Frankreich, Juli 1755 In der Nähe des Schlosses Versailles. General de Jarjayes stand vor seinem Haus und schaute zum Brunnen, welcher in der Mitte des Gartens stand. Seine junge Frau saß auf dem Rand des Brunnens und schaute in das klare Wasser. Als sie ihren Mann sah lächelte sie und stand auf. Der General lächelte zurück. Jetzt sah man ihren stark gewölbten Bauch. Bald würde der ersehnte Nachfolger geboren werden. Er war sich sicher, dass es ein Junge sein würde. Einige Tage später war es dann soweit. Die Niederkunft begann. Man benachrichtigte den General, der in Versailles seiner Arbeit als königlicher Offizier nachging. Sofort brach er zu seiner Frau auf. Und seinen Sohn. Es wurde eine enorm schwere Geburt. Es kostete der werdenden Mutter sehr viel Kraft. Nervös lief der General vor dem Zimmer hin und her. Sophie, die Haushälterin, versuchte alles um Ruhe in ihn zu bekommen. Jedoch ohne wirklichen Erfolg. Dann. Ein markerschütternder Schrei und darauf folgende Stille. Gerade als der General in das Zimmer stürzen wollte, kam der Arzt heraus. Er war blutverschmiert. »Was ist mit meiner Frau?« »Es tut mir leid General. Eure Frau hat zuviel Blut verloren und war zu geschwächt. Sie hat es leider nicht überlebt.« »Und was ist mit meinem Sohn?« »Dem Kind geht es sehr gut. Es schläft.« Der Arzt wurde bezahlt und verschwand. Der General nahm Abschied von seiner Frau und nahm das Kind entgegen. Freudig schaute er nach dem Geschlecht. Er wollte es mit eigenen Augen sehen. Endlich der ersehnte Nachfolger. Doch als er sah, dass es ein Mädchen war, glaubte er zu träumen. Laut fing er an zu fluchen und zu schimpfen. Sophie nahm sich des Mädchens an, bevor der General es in seiner Wut fallen ließ. »Ein Mädchen. Ein Mädchen! Wir sind eine Offiziersfamilie. Wir brauchen Söhne für die Armee des Königs! Und keine heulenden, schwachen Mädchen…« Er wollte gehen, doch da kam ihm eine Idee. Der General nahm Sophie das Baby wieder ab, welches ihn aus großen, blauen Augen anlächelte. »Ich habe einen Sohn. Du wirst Oscar heißen und mein Nachfolger werden. So wie es sein soll.« Er verließ mit Oscar das Zimmer. Sophie versuchte zu widersprechen. Aber es war sinnlos. So wurde das Baby auf den Namen Oscar Francois de Jarjayes getauft. Das Mädchen, das das Leben eines Mannes führen sollte. -Fortsetzung folgt-... 1 - 1772 General de Jarjayes stand auf dem Balkon seines Hauses, welches schon seit vielen Generationen im Besitz seiner Familie war, und schaute zu dem Haupttor hinunter, welches hinter dem großflächig angelegten Garten lag. Sein Sohn Oscar preschte gerade auf seinem weißen Schimmel im vollen Galopp hindurch. Geradewegs zum Stall hinüber. Mit einem lächeln drehte der General sich um und ging von dem großen Balkon hinein, in sein Arbeitszimmer und setzte sich an seinen überdimensionalen Schreibtisch, welcher aus dunklem, edlen Holz war und widmete sich dem dort angehäuften Papierhaufen. Oscar ritt zum Stall wo, wie jedes Mal wenn er nicht mitkam, André auf sie wartete. André war der Enkel von Sophie ihrer Kinderfrau und langjährigen Haushälterin. Seine Eltern waren gestorben, als er noch ein Kind von sechs Jahren war und Sophie, seine einzigste Verwandte, hatte ihn zu sich genommen. Er bekam eine Anstellung als Stallbursche und Spielkamerad von Oscar. Seit jenem Tag an hatten André und Oscar ihre Zeit immer zusammen verbracht und wurden von ihrem Vater im Fechten unterrichtet. Für Oscar war André wie ein Bruder, den sie sich immer gewünscht hatte. Sie teilten alle Geheimnisse miteinander und heckten so manchen Schabernack aus, wobei André immer allen Ärger kassierte. »Pünktlich wie immer, Oscar«, begrüßte André Oscar, als sie bei ihm ankam und schwungvoll vom Pferd stieg. »Guten Abend André.« Oscar lächelte ihn fröhlich an. André liebte ihre blauen Augen, welche wie Diamanten funkelten, wenn sie fröhlich war. Doch es gab auch Zeiten, in denen diese herrlichen, blauen Diamanten zornig und angriffslustig blicken konnten. Diese Augen zogen einen einfach in seinen Bann. Ob man wollte oder nicht. Es war schwer ihnen widerstehen zu können. Man konnte in ihnen versinken… »Ist mein Vater zu Hause?« Oscar durchbrach seine Gedanken. »Ja«, nickte er und nahm den Schimmel am Halter. »Er müsste in seinem Arbeitszimmer sein.« »Gut, danke.« Sie überreichte ihm die Zügel und drehte sich zum Seiteneingang des Hauses um. »Wir sehen uns beim Abendessen.« Ihr Degen klapperte leise an ihrem Bein, als sie sich auf den Weg in das Anwesen machte und die Stufen zur Tür hinauf schritt. André schaute ihr nach, bis sie hinter der Tür verschwunden war. Dann wandte er sich dem Pferd zu. Freundschaftlich klopfte er dem Schimmel auf den Hals. »Unsere liebe Lady Oscar hat ein wirklich hartes Leben. Es ist sicherlich nicht einfach, das Leben eines Mannes zu führen, wenn man eine Frau ist… Doch auf der anderen Seite hat sie schon so viel von einem Mann angenommen, das ich manchmal vergesse, dass sie eine Frau ist.« André seufzte. »Alles an ihr ist, wie bei einem Mann. Ihre Denkweise. Ihre Haltung. Ihr Auftreten. Ihre Kleidung…« Erneut seufzte er. »Sogar ihre Brüste bindet sie sich ab, damit man sie für einen Mann hält … Ich wünschte, sie wäre ab und an mehr eine Frau.« Damit führte er das Pferd in den Stall. Oscar ging die helle, große Marmortreppe in der Eingangshalle nach oben zu ihrem Vater. Er wartete sicher schon auf sie. »Guten Abend Vater«, grüßte sie beim eintreten in das Arbeitszimmer ihres Vaters. »Guten Abend Oscar«, erwiderte der General und deutete Oscar an, sich zu ihm zu setzten. Oscar liebte das Arbeitszimmer ihres Vaters. Das dunkle Holz des Tisches. Der Duft von Tusche, welcher in der Luft lag. So wie der Geruch von Wachs und Pfeife. Sie unterhielten sich eine Weile über die Arbeit am Hofe und ihr Vater gab ihr Ratschläge, wie sie sich besser verhalten konnte und sollte. Da Oscar seine Nachfolge angetreten hatte, hatte er sich von Versailles zurückgezogen und hielt nur noch im Hintergrund die Fäden in der Hand. So weit es ging aus der Distanz. Der General schaute auf die große Wanduhr. »Es ist bald Zeit für das Abendessen.« Oscar erhob sich. »Dann werde ich mich umziehen gehen.« Sie war schon fast an der Tür angekommen, als ihr Vater sie aufhielt. »Oscar?« »Ja?« Sie drehte sich nochmals zu ihm um. »Sag. War Graf Girodel in den letzten Tagen bei Hofe?« Oscar schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe ihn seit einer Woche nicht mehr gesehen.« »Mhm…«, machte Oscar´s Vater nachdenklich, ehe er wieder ernst und Aufmerksam weiter sprach. »In Ordnung. Nun gut… Wir sehen uns später beim essen.« »Bis später.« Oscar verließ das Arbeitszimmer ihres Vaters und ging einen Stock höher in ihr eigenes Zimmer. Durch die schweren Samtvorhänge fielen die letzten warmen Sonnenstrahlen in das Zimmer, als Oscar die Tür öffnete und eintrat. Auf dem verzierten Holztisch neben dem Fenster, stand eine Vase mit frisch gepflückten Blumen, welche einen süßlichen Duft verströmten. Im angrenzenden Zimmer, lag schon frische Kleidung auf dem großen Himmelbett für sie bereit, welche Sophie heraus gelegt hatte. Oscar entledigte sich ihrer weißen Gardeuniform, erfrischte sich an der Waschschüssel aus Porzellan und schlüpfte dann in die frischen Kleider. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr, gönnte sie sich noch einige Minuten und setzte sich in den braunroten Samtsessel, welcher vor dem Kamin stand. Obwohl sie abschalten wollte, kreisten ihre Gedanken immer wieder um ihre Arbeit bei Hof. Dort zu arbeiten war sehr anstrengend. Das wurde ihr von Tag zu Tag klarer. Was hatte sie in den nun drei Jahren an Hof nicht alles erlebt. Die Intrigen nahmen immer mehr zu. Selbst vor Mord schreckte man nicht zurück. Und wer musste sich um alles kümmern. Sie. Hauptmann der königlichen Leibgarde/Garderegiments. Mit ihren Männern kam sie gut aus, nach anfänglichen Schwierigkeiten. Klar. Nicht jeder Mann war damit einverstanden gewesen von einer Frau herumkommandiert zu werden. Oscar´s Art war jedoch nicht die einer Frau und das merken die Männer schnell. Doch das Leben am Hof, war das, was sie am meisten verabscheute. Hass, Intrigen, Affären, Mord, Klatsch und Tratsch. Dazu kam die Rivalität zwischen der Mätresse des Königs; Madame de Dubarry und der Dauphine von Frankreich; Marie Antoinette. Und da sie als Leibgarde sehr vertraut mit der Prinzessin war, versuchten viele Oscar´s Gunst zu erlangen, in dem sie ihr Geschenke und Versprechungen gaben. Manche versuchten es sogar mit Erpressung. Doch Oscar war der Dauphine treu ergeben und manövrierte sich und die Personen geschickt aus der Schusslinie. Oscar´s Bauch knurrte und sie sah erneut auf die Uhr. Gleich war es Zeit nach unten zu gehen. Erschöpft stand sie auf, als es an der Tür klopfte. »Herein!« Oscar sah zur Tür, welche sich öffnete. André erschien in der Öffnung. »Dachte ich schau, ob du noch hier bist. Dann können wir zusammen nach unten gehen.« Oscar lachte. »André. Du kommst immer jeden Abend und sagst das Gleiche.« »Erwischt«, grinste André und kratzte sich am Kopf. »Ich würde es nie wagen, ohne dich nach unten zu gehen«, lachte Oscar noch immer, als sie nach draußen ging. Gemeinsam gingen sie die Treppe nach unten zum gemeinsamen Abendessen. Nach dem Abendessen saßen Oscar und André noch bei einem Glas Rotwein beisammen. Silbernes Licht des aufgehenden Mondes drang von draußen durchs Fenster und erhellt zusätzlich zu den Kerzen den Raum. »Wie ist es in Versailles?«, wollte André wissen, während er erneut etwas Wein in Oscar´s Glas goss. Oscar zuckte mit den Schultern. »Wie immer. Es hat sich nichts geändert.« »Wie geht es zwischen Marie Antoinette und Madame de Dubarry?« »Hör bloß damit auf«, stöhnte Oscar. »Diese Rivalität geht mir echt auf die Nerven.« Sie trank einen Schluck Wein. »Das dauert nun schon eine halbe Ewigkeit«, überlegte André. »Ob der König da noch lange mitmacht?« Oscar seufzte. »Ich denke nicht… Marie Antoinette wird wohl bald mit Madame de Dubarry reden müssen. Ob sie will oder nicht.« »Das wird ihr gar nicht gefallen«, grinste André und trank nun ebenfalls etwas aus seinem Glas. »Wie wahr.« Sie streckte sich. »Sag André. Wann kommst du eigentlich wieder mit nach Versailles?« »Das musst du deinen Vater fragen. Ich weiß auch nicht, warum ich auf einmal nicht mehr mitkommen soll.« Diesmal zuckte André mit den Schultern. »Mhm…«, machte Oscar. »Ich frag mich, warum.« »Nicht nur du«, lächelte André. »Aber irgendwann können wir wieder zusammen nach Versailles reiten.« »Das wäre schön.« Ein kurzer Moment entstand, in dem jeder seinen Gedanken nachging. »Hat die Dauphine eigentlich noch mal diesen Graf von Fersen getroffen?«, wollte André nach einer geraumer Zeit wissen. Oscar nickte. »Ja. Auch wenn es immer nur rein zufällig gewesen war.« »Es scheint sie wohl wirklich erwischt zu haben«, grinste André erneut und erntete prompt einen bösen Blick von Oscar. Sein Herz hüpfte vor Freude. Diese Augen… »André! Wie kannst du nur?!« entfuhr es Oscar. »Sie ist die künftige Königin von Frankreich!« »Und dazu ist sie auch nur eine Frau, welche eigene Gefühle hat«, entgegnete André ruhig. »Das ist doch bei Adligen normal, dass man sich eine Geliebte oder einen Geliebten sucht, wenn der Partner nicht seiner Vorstellung entspricht.« »André!« Mehr bekam Oscar nicht heraus. Sie war empört. »Das ist doch alles politischer Natur. Eine Zweckehe.« Oscar wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Natürlich war es eine Zweckehe, damit Österreich und Frankreich endlich Frieden schließen konnten. Aber auch in einer Zweckehe gab es einige Dinge, welche man beachten sollte. Ob nun Liebe oder nicht. »Schau. Das ist das Gleiche, als wenn dein Vater sich entschließt, dich zu verheirat-« »Das würde er nie tun!«, fiel Oscar ihm scharf ins Wort. »Nein?« Er zog eine Augenbraue nach oben. »Du bist noch immer eine Frau, Oscar.« »Das würde er nie tun«, wiederholte Oscar patzig. »Immerhin hat er mich als Junge erzogen, damit ich seine Nachfolge antreten konnte.« Oscar verschränkte die Arme vor der Brust und blickte trotzig. Da war es wieder. Ihr trotziges und hitziges Temperament. »Da hast du Recht. Aber wenn es der Familie dienlich ist…« Er verstummte. »Ich werde niemals heiraten André«, beendete Oscar diese Unterhaltung. »Lady Oscar! Endlich seid Ihr hier«, wurde Oscar am nächsten Morgen von Marie Antoinette in deren Gemächern begrüßt. »Was ist passiert?« Oscar sah in das liebliche Gesicht der Dauphine, welche sie mit ihren blauen Augen freudig anstrahlte. »Es ist gar nichts passiert, Lady Oscar. Ich freu mich nur, dass Ihr hier seid.« Marie Antoinette setzte sich auf das hellblaue Sofa und klopfte neben sich, damit sich Oscar zu ihr setzte. Doch Oscar blieb stehen. »Ihr wollt Euch nicht zu mir setzten?« »Das steht mir nicht zu Hoheit. Ich bin Eure Leibwache.« »Könnt Ihr nicht dazu auch meine Freundin sein, Lady Oscar? Wir kennen uns doch nun schon eine lange Zeit.« Oscar sah Marie Antoinette an. »Hoheit, ich-« »Bitte Lady Oscar. Erfüllt mir diesen Wunsch.« Marie Antoinette setzte ihren liebsten Blick ein. Oscar seufzte. Tat aber dann doch, worum Marie Antoinette sie gebeten hatte und setzte sich zu ihr auf das Sofa. Marie Antoinette sah zu ihrer Zofe. »Lass uns bitte alleine.« Die Zofe knickste und verschwand hinter einer Tür. »Sagt Lady Oscar…«, begann die Dauphine vorsichtig. »Ja?« »Nun… Also…«, druckste Marie Antoinette auf einmal rum. Oscar lächelte. »Was wollt Ihr wissen Hoheit?« »Also, was ich wissen möchte… Ich meine, Ihr seid doch unter Eurer Uniform auch eine Frau… Und da dachte ich, dass Ihr mir vielleicht eine Frage beantworten könnt. Euch vertraue ich hier als Einziger.« »Hoheit. Ihr braucht Euch nicht mir gegenüber zu rechtfertigen. Sag einfach frei heraus, was Euch bedrückt«, sagte Oscar sanft. »Gut…« Marie Antoinette sah nun Oscar direkt an. »Wie merke ich, dass ich verliebt bin? Ich meine, wie unterscheide ich die Gefühle voneinander? Ob es nur Zuneigung ist oder echte Liebe?« Oscar war sprachlos. Ausgerechnet sie wurde das gefragt und das auch noch von der Dauphine von Frankreich. »Nun…«, begann Oscar zögernd. Was sollte sie darauf antworten? »Habe ich Euch beleidigt, Lady Oscar? Das wollte ich nicht. Ich dachte nur, da Ihr auch eine Frau seid…« »Ihr habt mich nicht beleidigt Hoheit«, lächelte Oscar. »Ich kann Euch nur leider nicht auf diese Frage antworten.« »Was?!« Überrascht sahen die blauen Augen der Dauphine in die von Oscar. »Aber Ihr seid doch eine Frau!« »Das ist schon richtig, Hoheit.« »Ihr ward noch nie verliebt, Lady Oscar?!« Marie Antoinette war bestürzt. »Aber… Das ist ja grauenvoll.« Sie hielt kurz inne. »Ich weiß woher das kommt«, sagte sie dann bestimmt und zeigt auf Oscar. »Ihr tragt nur diese Männerkleidung. Ein schönes Kleid würde Euch bestimmt sehr gut stehen.« »Das hat doch damit nicht zu tun«, verteidigte Oscar sich. »Natürlich. Jeder glaubt, vor sich einen Mann zu haben, wenn er Euch begegnet. Mir ging es doch genauso, Lady Oscar. Ich dachte am Anfang, Ihr seid ein Mann.« Dann schwieg sie wieder einen Moment in Gedanken versunken. »Ihr bekommt das Schönste gar nicht mit, was das Leben einem schenken kann«, seufzte Marie Antoinette dann traurig. »Es ist ein wunderschönes Gefühl, wenn jemand einem ein ehrliches Lächeln schenkt. Zärtliche Worte zu einem gesagt werden und die Berührung des Anderen einem Schmetterlinge in den Bauch zaubert«, schwärmte sie. »Ich wünschte, Ihr würdet das spüren können, Lady Oscar. Ich bin überzeugt, es würde Euch gefallen.« »Ich glaube nicht, Hoheit, dass das jemals passieren wird.« »Das wäre schade.« Marie Antoinette seufzte. »Glaubt Ihr, dass es Liebe ist?«, fragte sie dann erneut. »Ich glaube nicht, dass Graf von Fersen der Richtige ist. Ihr werdet die künftige Königin von Frankreich sein«, entgegnete Oscar und verfiel wieder in ihren gewohnten Offizierston. Marie Antoinette schaute bekümmert. »Ich weiß… Aber ich kann nichts dagegen machen… Ich habe mir nicht ausgesucht, wen ich heiraten soll. Das war das Werk meiner geliebten Mutter. Für das Land Österreichs und dessen Wohl. Konnte ich wissen, dass mein zukünftiger Gemahl mehr Interesse an Türschlössern, Jagen und Essen hat? Ich bin trotz allem doch auch nur eine Frau, Lady Oscar. Ich möchte auch geliebt und bewundert werden.« Oscar sah Marie Antoinette erstaunt an. Trotz der jungen Jahre der Dauphine, sprach sie die ernsten Worte einer Frau. Und vor allem das Gleiche, was ihr André am Abend zuvor gesagt hatte. »Ihr solltet den Grafen nicht mehr so oft sehen, Hoheit«, sprach Oscar und war über sich selbst überrascht. Warum hatte sie ihr nicht gesagt, dass sie jeden Kontakt zu dem Grafen abbrechen und sich mehr um ihren Prinzgemahl kümmern sollte? »Das sagt Ihr so leicht…« »Man redet über Euch und den Grafen. Was glaubt Ihr, wird der König davon halten? Er wird darüber nicht sehr erfreut sein. Zumal Ihr bei ihm im Moment sowieso nicht gerade in einem guten Stern steht wegen Madame de Dubarry.« Marie Antoinette stand auf. »Diese Dirne! Ich will kein Wort über diese Person hören. Das ist sie nicht wert.« »Ihr werdet mit ihr sprechen müssen, Hoheit. Es wird kein Weg drum herum führen. Und wenn es nur ein einziges Mal ist.« Oscar stand ebenfalls auf. »Aber wie kann ich das, was diese Person macht, gutheißen? Sie ist doch nur auf Geld und Macht aus.« Marie Antoinette sah zu dem kleinen Bild, welches ihre Mutter, Maria Theresia, zeigte. »Meine geliebte Mutter hat mir immer zu verstehen gegeben, das diese Art von Personen unwürdig sind. Das diese Art schlecht ist. Diese Dubarry soll ihren Gemahl umgebracht haben, um dessen Geld zu bekommen…« »Seid eine wahre Königin und steht über all dem. Diese Person ist nur solange an der Macht, bis Euer Stern aufgeht.« Marie Antoinette drehte sich zu Oscar um. »Das sind wahre Worte, die Ihr da sprecht.« Sie schien zu überlegen. »Ich werde mir Eure Worte zu Herzen nehmen.« Oscar nickte. »Und ich werde versuchen, den Grafen nicht mehr all zu oft treffen.« »Habt Dank, Hoheit.« Oscar verbeugte sich und signalisierte damit, dass sie zurück zu ihrer Truppe wollte. »Lady Oscar?«, hielt die Dauphine Oscar auf. »Ich bin froh, dass ich mit Euch sprechen konnte. Ich fühle mich nun besser«, lächelte sie verlegen. »Ich hoffe, ich kann auf Euch zukommen, wenn ich Eure Hilfe brauche.« »Natürlich, Hoheit. Jederzeit«, verbeugte sich Oscar erneut und verließ dann die Gemächer der künftigen Königin und begab sich zu ihren Truppen. Oscar schwirrten immer wieder die Worte von der Dauphine und André im Kopf herum. ´Ich bin auch nur eine Frau, welche eigene Gefühle hat und geliebt und bewundert werden möchte.` Wie das Gefühl wohl war, überlegte sie sich. Ob es wirklich so war, als hätte man Schmetterlinge in den Bauch gezaubert? Sie würde es wohl nie erfahren. Und das war das Beste. So konnte sie sich wenigstens ordentlich auf ihre Arbeit am Hofe konzentrieren. Und diese brauchte wirklich ihre volle Aufmerksamkeit. Einige Tage später ritt Oscar wie gewohnt nach ihrem Dienst am Hofe zurück nach Haue. Sie war müde und genervt. Heute wollte aber auch gar nichts klappen. Oscar freute sich auf ein leckeres Abendessen und dann auf ihr Bett. Eventuelle noch ein paar Seiten eines gutes Buch und ein Glas Wein. Doch als sie durch das Haupttor ritt und beim Stall ankam, war André nirgends zu sehen. Verwundert stieg sie vom Pferd. Das war ungewöhnlich. Als sie ihren Schimmel am Halfter packte, kam André die Treppen herunter geeilt. »Entschuldige Oscar. Aber Großmutter wollte, dass ich ihr helfe«, entschuldigte sich André und übernahm das Pferd. »Guten Abend André. Ich hätte mein Pferd auch alleine in den Stall gebracht«, lächelte sie. »Großmutter Sophie sollte man nicht warten lassen.« André wurde ernst. »Dein Vater wartet schon auf dich in seinem Arbeitszimmer.« »Er wartet?«, meinte Oscar etwas überrascht. André nickte. »Ja. Ich soll dir ausrichten, dass du bitte sofort zu ihm kommen sollst, wenn du zu Hause bist.« Oscar´s Körper spannte sich in ihrer Uniform. »Ich bekomme ein komisches Gefühl, André. Da stimmt doch was nicht.« Sie sah zu dem Fenster, hinter welchem das Arbeitszimmer ihres Vaters lag, bevor sie wieder André ansah. »Hat mein Vater irgendetwas zu dir gesagt worum es geht?« »Nein. Kein Wort. Nur, das du direkt zu ihm kommen sollst.« »Nun«, machte Oscar dann. »Ich gehe zu ihm.« Damit drehte sie sich um und ging ins Haus. Vor dem Arbeitszimmer des Generals verharrte Oscar einen Augenblick, ehe sie anklopfte. Als sie das Zimmer betrat, spürte sie, dass etwas anders war. Ihr Vater saß nicht wie gewöhnlich an seinem dunklen Schreibtisch, sondern stand mit dem Rücken zur Tür am Fenster und schaute hinaus. Erst als Oscar am Tisch ankam, drehte er sich um. »Guten Abend Vater«, begrüßte sie ihn. »Ihr wolltet mich sprechen?« »Setzt dich mein Kind.« Seine Stimme war ernst und sachlich. Was war nur los? Oscar machte sich Sorgen. So ernst kannte sie ihren Vater nicht. Er war zwar keine Frohnatur. Doch so förmlich… Er nannte sie doch sonst nie mein Kind… »Was habt Ihr, Vater?«, fragte sie nach, da er schwieg. »Nun…«, begann er langsam und ging zu seinem Schreibtisch. Mit einem Seufzer setzte er sich. »Ich habe gehofft, dass ich das nie sagen würde…«, begann er, ehe der General wieder verstummte. Es schien ihn wirklich Überwindung zu kosten. Oscar saß, innerlich ungeduldig, auf ihrem Stuhl und betete, dass ihr Vater endlich mit der Sprache heraus rückte. »Jetzt ist es also soweit.« Der General straffte die Schultern und sah Oscar direkt an. »Ich hatte dich nach dem Grafen Girodel gefragt«, meinte er dann, worauf Oscar zustimmend nickte. »Nun«, machte er wieder. »Es hatte einen Grund, warum ich dich nach ihm gefragt hatte. Denn der Graf Girodel hat mich vor einigen Tagen hier besucht.« Oscar war überrascht. Warum war der Graf hier zu Ihr nach Hause gekommen und wollte mit ihrem Vater sprechen? Hatte sie etwas Falsches gesagt oder getan? »Der Graf hat bei mir um deine Hand angehalten. Er möchte dich zur Frau.« Es war raus. Man merkte förmlich, wie eine Last von den Schultern des Generals fiel. »Zur… Frau?… Mich!?« Oscar fand kaum Worte für das, was sie gerade gehört hatte oder glaubte gehört zu haben. Aufgebracht stand sie auf. Oscar´s Vater nickte. »Ja. Er meinte, das du ihm seit eurem ersten Treffen nicht mehr aus dem Kopf gehst und faste sich nun ein Herz mir einen Besuch abzustatten.« Oscar wusste noch immer nicht, was sie darauf sagen sollte. Wollte ihr Vater etwa den Antrag annehmen? Wollte er sie verheiraten? Machte sie ihre Arbeit am Hofe nicht gut genug? Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf, während sie auf und ab tigerte. »Es ist nicht so, dass du deine Arbeit am Hof nicht gut genug machst«, redete der General weiter. »Doch ich habe manchmal Zweifel, ob es richtig war, dich wie einen Sohn zu erziehen. Du bist unser einziges Kind…« »Aber Vater«, begann Oscar und stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab. »Wollt Ihr mir damit zu verstehen geben, dass ich den Grafen heiraten soll?!« »Ich bin mir nicht sicher, mein Kind.« Er seufzte. Es störte ihn noch nicht einmal, dass Oscar aufgestanden war und sich nun auf dem Tisch abstützte. »Auf der einen Seite bin ich stolz auf deine Arbeit. Auf der anderen Seite können deine Söhne die Nachfolge antreten.« »Ihr habt schon zugestimmt?!« Oscar hatte das Gefühl, als hüpfte ihr Herz ihr in die Knie. »Nein. Ich habe noch nicht zugestimmt. Ich habe ihm jedoch meine wohl wonnende Zustimmung gegeben.« Oscar war bestürzt. Hatte sie nicht noch vor ein paar Tagen gesagt, sie würde niemals heiraten? Und nun sagte ihr Vater, er hätte zugestimmt zu der Vermählung. »Eine Vermählung mit dem Grafen wäre eine gute Partie. Er ist loyal. Weiß seine Arbeit zu schätzen und hat gute Kontakte.« »Ihr habt ihn schon überprüft?!« Oscar warf die Hände in die Luft. »Gott!… Vater. Ich bin doch erst 16 Jahre.« »Natürlich habe ich das. Er stammt aus einer sehr alten Adelsfamilie. Und du bist im richtigen Alter.« Oscar schüttelte nur den Kopf. Sie kam sich vor wie in einem schlecht geschriebenen Buch. »Graf Girodel möchte dich nicht zur Ehe zwingen. Er möchte, dass du dich frei entscheidest, was ich sehr edel von ihm finde.« Oscar´s Vater seufzte erneut. »Ich soll mich entscheiden?« Sie kreuzte die Arme vor der Brust. »Ja«, nickte der General. »Bedenke dabei die Vorzüge dieser Verbindung. Aber bedenke auch die Nachteile.« Er stand nun auch auf und deutet Oscar so an, dass ihre Unterhaltung hier erst einmal zu Ende war. Oscar war darüber froh. Sehr froh. Mit dem Gefühl, als wären ihre Beine aus Gummi, ging sie auf die dunkle Holztür zu. »Du hast einige Tage Zeit, um eine weise Entscheidung zu treffen und ich hoffe du bist dir im Klaren, welche Ehre es ist, selbst entscheiden zu dürfen.« Oscar nickte. »Ja. Dessen bin ich mir voll bewusst.« »Dann geh mein Kind und treffe die richtige Wahl.« Damit entließ der General seine Tochter. -Fortsetzung folgt-... 2 - Völlig durcheinander lief Oscar die Marmortreppe hinunter. Sie wusste nicht, ob sie schreien, weinen oder lachen sollte. Wie konnte ihr Vater nur so vorgehen? Sie brauchte nun jemanden mit dem sie reden konnte. André. Ihr treuer Freund André. Dieser begrüßte Oscar gut gelaunt im Stall. Er war gerade dabei ihren Schimmel zu striegeln, als sie durch die Tür kam. »Da bist du ja wieder. Hast du schon mit deinem Vater sprechen können?«, fragte er fröhlich. Das Pferd wieherte zur Begrüßung. Oscar nickte einfach nur und ließ sich auf einen Heuballen fallen. »Alles in Ordnung? Gab es schlechte Neuigkeiten?« Er lachte. »Er hat dir noch mehr Arbeit aufgebrummt, richtig?« Sie schüttelte den Kopf. Sie traute es sich gar nicht aus zusprechen, da sie ihre Gefühle kaum unter Kontrolle hatte. Und eine Blöße wollte sie sich sicher nicht geben. Dazu war sie zu streng erzogen worden. André beendete das Striegeln und setzte sich zu ihr auf den Ballen. Ein erneuter Blick in ihre blauen Diamanten verriet ihm, dass es etwas sehr Ernstes gewesen sein musste, worüber ihr Vater mit ihr sprechen wollte. »Was ist passiert?«, wollte er nun wissen, da sie von sich aus dem Anschein nach nicht reden würde. »Ich soll heiraten, André.« Sie hatte es herausgebracht. Wie bittere Medizin schmeckten diese Worte in ihrem Mund. »Das ist ein Scherz«, lachte André. »Du und eine Ehefrau?« Er kugelte sich fast auf dem Ballen. Doch Oscar´s Augen blickten irgendwie traurig, was ungewöhnlich für sie war. »Kein Scherz?«, fragte er nach. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Er hat es zwar nicht so gesagt, aber er will, dass ich ihn heirate.« In André brach ein Vulkan aus Gefühlen aus. Jemand sollte seine über alles geliebte Oscar zur Frau nehmen? Sie ihm wegnehmen? Mit ihr Kinder bekommen? Mit ihr glücklich werden? Das alles weit entfernt von ihm? »Wer soll es denn, laut deinem Vater, sein?«, fragte André und bemühte sich, seine Stimme normal klingen zu lassen. »Graf Girodel.« Oscar sah ihn an. »Ich will doch gar nicht heiraten, André. Ich will keinen Ehemann, der mir vorschreibt, was ich zu tun und zu lassen habe. Für den ich nur ein hübsch anzusehendes Wesen bin. Und der sich nicht wirklich für mich interessiert«, motzte Oscar und strich sich über die Stirn. »Hat es dein Vater in die Wege geleitet?«, fragte André nun interessiert. »Nein. Es ging vom Grafen aus. Er hat meinen Vater um meine Hand gebeten.« Also war Graf Girodel ebenfalls in Oscar verliebt, schoss es André durch den Kopf. Verständlich. Man musste Oscar einfach lieben. »Was soll ich tun, André?« Oscar´s blauen Augen sahen hilfesuchend in die seinen. Wie selten dieser Blick an ihr war… Sonst war sie eine Frau, welche ihre Gefühle stets perfekt kontrollierte. Aber gerade in diesen Sekunden war sie einfach nur Frau. André wollte ihr so gerne sagen, dass sie den Grafen nicht heiraten sollte. Das sie lieber mit ihm davon laufen und ihm ihre Liebe schenken sollte. Aber er konnte es nicht. Und er durfte es nicht. Sie kamen einfach aus unterschiedlichen Ständen. Er. Der Stallbursche und Diener. Und auf der anderen Seite Oscar. Die adlige Tochter aus sehr gutem Hause. Es war einfach eine unerfüllte Liebe. »Ich…«, begann André. Änderte aber dann die Richtung. »Wann soll eine Entscheidung getroffen werden?« »Er meinte, ich hätte ein paar Tage Zeit, um es mir zu überlegen.« »Dann hast du doch ein paar Tage zeit, um dir eine plausible Erklärung zu überlegen ihn nicht zu heiraten.« André fing sich einen bösen Blick ein. »Mein Vater würde ausflippen, wenn ich das tue. Er hat doch schon seine Zustimmung zur Hochzeit gegeben… Was bleibt mir denn für eine Wahl?« Sie seufzte und lehnte sich mit dem Kopf an die Wand des Stalls. »Wir finden bestimmt eine Lösung«, sagte André zuversichtig. Doch innerlich war er noch immer aufgewühlt und aufgebracht. Wie gerne würde er sie jetzt in den Arm nehmen und ihr sagen, das alles gut werden würde. Ihr einen Kuss auf den Scheitel drücken und dann tief in ihren Augen versinken, ehe er ihre geschwungenen Lippen küssen würde. Wie lange hielt er nun schon seine Liebe zu ihr geheim? 2 Jahre? 5 Jahre? Es war eine Ewigkeit… Großmutter Sophie war hoch erfreut, als die von dem Antrag des Grafen erfuhr. Endlich würde Oscar Kleider tragen. Das hatte sie sich schon von ihrer Geburt an gewünscht. Denn als verheiratete Frau würde Oscar wohl kaum noch in Uniform herumlaufen. Sie würde nun so bezaubernd wie ihre Mutter aussehen. Endlich. Sie konnte es kaum erwarten, dass die Hochzeit vollzogen wurde. Oscar dagegen sträubte sich noch immer dagegen. Alles in ihr verweigerte diese Heirat. Nicht, das sie den Grafen nicht mochte. Er war ein sehr angenehmer Mensch. Freundlich, loyal und ehrlich. Doch er war nicht das, was sich Oscar für die Zukunft wünschte. Sie wollte Kommandant der königlichen Garde werden. Wollte in der Nähe der jungen Dauphine sein und sie vor Unheil bewahren. Sie war doch so naiv, leichtgläubig und überaus lenkbar von anderen, wenn diese es geschickt anstellten. Aber vor allem wollte sie mit André zusammen sein. So wie ihr ganzes Leben bis jetzt. Sie waren doch wie Geschwister. Ihr einziger Bruder den sie hatte. Nun wusste sie zumindest, warum André nicht mehr mit nach Versailles reiten sollte. Damit der Graf in ihm nicht einen Rivalen sehen würde… Was für ein Schwachsinn, dachte Oscar. André war doch ihr bester Freund… Doch André war in den letzten Tagen irgendwie komisch geworden. Sie hatte das Gefühl, das er ihr aus dem Weg ging. Aber warum? Was hatte er für einen Grund?… Einige Abende später saß Oscar alleine in ihrem Zimmer. Vergebens versuchte sie in einem Buch zu lesen. Doch es gelang ihr nicht. Seufzend klappte sie das Buch zu und stand auf. Oscar ging zu dem Portrait, welches über dem Kamin hing und ihre Mutter zeigte kurz nach ihrer Hochzeit mit dem General. Sie hatte ebenso blondes, gewelltes langes Haar. Blaue, strahlende Augen. Sophie sagte ihr einmal, dass sie das genaue Ebenbild ihrer Mutter war. Nur das Temperament hatte sie von ihrem Vater. Auch diese Ehe war arrangiert gewesen und beide waren glücklich bis zu ihrem Tod, bei Oscar´s Geburt. Ihr Vater hatte nie wieder geheiratet. Waren arrangierte Ehen wirklich nicht so schlecht, wie sie fand? Gab es doch einen Funken Hoffnung, dass sie mit dem Grafen glücklich werden würde? Nein. Sie wollte einfach keine Ehefrau sein. Mit einem Krachen donnerte ihre Faust auf dem Kaminsims. Warum musste alles nur so kompliziert sein? Sie brauchte Ablenkung. Sie schnappte sich ihren Degen und ging strammen Schrittes in die Richtung von Andrés Zimmer. Kaum hatte sie angeklopft ertönte auch schon von drinnen seine Stimme. »Oscar? Was ist los? Hab ich was ausgefressen?«, fragte André verwundert, als er Oscar in dem Türrahmen stehen sah. Ihren Degen in der Hand. »Nein«, lächelte Oscar. »Ich brauch nur gerade etwas Ablenkung und dachte, ich frage dich, ob du Lust hast etwas zu üben.« Sie hielt den Degen hoch. André schaute auf die Uhr. »Jetzt?« »Warum nicht jetzt?«, patzte Oscar. »Es ist schon fast dunkel draußen«, erwiderte André und zeigte zum Fenster, in dem man die Dämmerung sah. Oscar zuckte die Schultern. »Ist doch egal. Nun komm schon.« Sie machte eine kurze Pause. »Bitte.« André seufzte, nickte und stand auf. Auch wenn sie gerade ihre fünf Minuten zu haben schien. Er konnte ihr einfach keine Bitte abschlagen. Nachdem er seinen Degen genommen hatte gingen beide nach draußen in den Hof. Eine ganze Weile droschen sie gegenseitig auf einander ein. Drängten sich gegenseitig zur Seite. Mal hatte Oscar mehr die Oberhand. Mal André. Es war ein gesundes Gleichgewicht zwischen ihnen Beiden. »Das hat gut getan«, keuchte Oscar, als sie die Degen für heute ruhen ließen. Gemeinsam saßen sie auf dem Brunnenrand, um wieder Luft zu bekommen. »Du hast es mir aber heute wirklich gezeigt«, atmete André schwer und versuchte seinen Puls wieder ruhig zu bekommen. »Du hast dich wacker geschlagen, André. Vielleicht wirst du ja eines Tages besser als ich«, flachste sie und sah ihn keck an. Andrés Herz machte wieder einen Sprung. Ob Oscar wusste, was ihm ihre Blicke bedeuteten? Wohl kaum. Es schmerzte ihn zu wissen, dass Oscar wohl schon bald eine verheiratete Frau sein würde. Der liebliche Scherz der Liebe… Wie sehr es ihn verzerrte. Was würde er nicht dafür geben einmal ihre Lippen zu schmecken. Einmal ihr langes, gewelltes Haar zu berühren. Den Duft ihres Körper tief einatmen und dessen wärme spüren zu können… »André?« »Was?« Er schreckte aus seinen Gedanken auf. »Was ist? Du verteidigst dich ja gar nicht. Hast es wohl aufgegeben, mich je schlagen zu können«, lachte sie auf. »Dich werde ich noch besiegen. Verlass dich drauf«, entgegnete André und lächelte schief. »Selbst wenn ich alt und klapprig bin, wirst du es nicht schaffen. Wetten?«, forderte sie ihn nun heraus. »Du wirst übermütig. Was machst du, wenn ich die Wette annehme?« Oscar zuckte mit den Schultern. »Ich bleibe gelassen. Was sonst?« André lachte herzhaft. »Du bist unverbesserlich.« »Danke André.« »Für was?« »Dafür, das du mich ein wenig abgelenkt hast.« André winkte ab. »Das mache ich doch gerne, Oscar.« Oscar sah in darauf etwas verwirrt an. Lächelte dann aber und stand auf. »Ich bin nun müde. Ich werde mich jetzt hinlegen.« »Mach das. Gute Nacht.« »Gute Nacht André.« »Nein, nein nein! Niemals!« Oscar hörte die Stimme von Marie Antoinette schon weit vor deren Gemächern. Was war nun schon wieder los? Konnte es nicht einen Tag ruhe geben? Nur einen einzigen. Was war daran zu viel verlangt? »Bitte Hoheit. So nehmt doch Vernunft an«, hörte Oscar nun die Stimme des Grafen Mercy. »Niemals!«, antwortete die Dauphine trotzig. Oscar trat an die Tür heran, an deren Wachen postiert waren und klopfte an. »Nicht jetzt!«, blaffte Marie Antoinette, doch Oscar überhörte es und öffnete die Tür einfach. »Lady Oscar! Oh bitte erlöst mich von diesem Mann. Ich ertrage seine Worte einfach nicht mehr«, stöhnte die junge Frau und lief Oscar entgegen. »Was geht denn hier vor, Hoheit? Man hört Euch über den ganzen Flur.« Oscar verschaffte sich einen kurzen Überblick. Graf de Mercy stand am anderen Ende des Raumes und sah nahe der Verzweiflung aus. Er schüttelte nur den Kopf. Die Dauphine dagegen war aufgebracht und recht wütend. Ansonsten waren nur ein paar Zofen im Raum, welche unbehaglich drein schauten. »Vielleicht bringt Ihr sie zu Vernunft«, hörte Graf de Mercy auf, seinen Kopf zu schütteln und verließ den Raum. Marie Antoinette gab ihren Zofen mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie ebenfalls das Zimmer verlassen sollten. »Was ist denn nun los?«, erkundigte sich Oscar erneut, als sie beide alleine waren. »Oh es ist so schrecklich«, seufzte die Dauphine, ging zu dem weichen Sofa und ließ sich darauf nieder. »Was ist so schrecklich?« »Diese Dubarry. Der König verlangt von mir, dass ich mich mit ihr unterhalten soll. Denn meine Abneigung ihr gegenüber, wäre auch eine Abneigung ihm gegenüber. Oh Lady Oscar. Es ist so schrecklich. Ich möchte nicht mit dieser Person reden. Sie wird sich dadurch nur noch mehr aufplustern.« Traurige und zugleich stolze Augen sahen hilfesuchend zu Oscar. »Hoheit«, begann Oscar vorsichtig und trat an die Dauphine heran. »Ich sagte Euch schon einmal. Es wird wohl kein Weg drum herum führen.« Sie setzte sich, ohne Aufforderung, neben Marie Antoinette. »Es reicht ein Satz. Damit habt Ihr mit ihr gesprochen.« »Das kann ich nicht.« »Wenn Ihr den König dermaßen erzürnt, kann er Eure Ehe annullieren lassen. Er wird und kann Euch zurück nach Österreich schicken.« Marie Antoinette schaute erschrocken. »Meint Ihr, dass er das tun würde?« Oscar nickte. »Es wäre Majestätsbeleidigung.« Die Dauphine überlegte angestrengt. »Würdet Ihr mir zur Seite stehen, Lady Oscar. Mit Euch an meiner Seite, wäre ich wohl im Stande, diesen Schritt gehen zu können.« »Wenn Ihr das wünscht, werde ich bei Euch sein«, nickte Oscar. »Ja. Das wünsche ich mir. Danke.« Marie Antoinette umarmte Oscar überschwänglich. Dann sah sie Oscar wieder an. »Wisst Ihr. Wenn Ihr dazu noch ein Kleid tragen würdet, ginge es bestimmt noch besser«, lächelte die Dauphine. »Niemals!«, rief Oscar lachend. -Fortsetzung folgt- 3 - Das wichtige Treffen zwischen der Dauphine und Madame de Dubarry sollte im Garten von Versailles stattfinden. So war es geplant worden. Marie Antoinette flanierte mit Oscar, welche ihre Uniform verteidigt hatte, und ein paar wichtigen Persönlichkeiten durch den weitläufigen Garten. Man unterhielt sich über alles Mögliche. Dann bog man um eine große Hecke auf einen Weg, den die Dubarry, ebenfalls mit wichtigen Persönlichkeiten, zufällig nahm. Je Näher sich beide Parteien kamen, umso näher rückte Marie Antoinette zu Oscar. »Keine Sorge. Sie kann Euch nichts tun. Lächelt einfach«, flüsterte Oscar zur Dauphine, welche kaum merklich darauf nickte. Marie Antoinette erkannte eine Hofdame von ihr in den Reihen der Dubarry. Jetzt verstand sie, was man bezweckte. »Einen guten Morgen, Madame Charone«, begrüßte Marie Antoinette ihre Hofdame, als diese bei ihrem Zusammentreffen gemeinsam mit Madame Dubarry zu Seite trat und in einen Hofknicks sank. Es herrschte absolute Stille um sie herum. Jeder wagte kaum zu atmen. War dies nun der Moment, in dem die Dubarry siegen sollte? »Guten Morgen, Hoheit«, antwortete die Hofdame pflichtbewusst. Die Damen erhoben sich und Madame de Dubarry sah die Dauphine direkt an. Auch Marie Antoinette sah fest in die Augen ihrer Feindin. Doch ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen. Sie ließ sich nicht lösen. Wie gerne wäre sie jetzt davon gelaufen… Doch sie spürte den Arm von Lady Oscar, welcher ihren, dem Anschein nach, unbewußt berührte. Das gab ihr Kraft. Sie straffte die Schultern und sagte dann mit einer ruhigen Stimme. »Es ist ein wunderschöner Tag heute, um spazieren zu gehen, nicht wahr?« Es war geschafft. Sie hatte ihr Wort an diese Dirne gerichtet. Als sich die kleine Gruppe der Dauphine wieder in Bewegung setzte um den Spaziergang fortzuführen, knicksten die Damen wieder, während Madame de Dubarry anfing zu lachen. Als Zeichen ihres Sieges. Wut stieg in die junge Dauphine. Doch Oscar flüsterte leise zu ihr. »Lasst sie lachen. Es wird Eure Zeit kommen, in dem Ihr sie auslachen könnt. Sie wird Euch niemals das Wasser reichen können.« »Habt Dank, Lady Oscar. Ohne Euren Beistand hätte ich das niemals durchgestanden«, seufzte Marie Antoinette, als sie wieder ihn deren Gemächern waren. »Der Frieden ist bewahrt«, seufzte Graf de Mercy und tupfte sich mit seinem Taschentuch die Stirn. »Eure Mutter wird sicher darüber erfreut sein, dass der Disput zwischen Euch und der Mätresse vorbei ist. Ich werde sofort einen Brief aufsetzten.« »Macht das, Graf«, stöhnte die Dauphine genervt, setzte sich auf ihr Lieblingssofa und sah Graf de Mercy nach, bis dieser die Gemächer verlassen hatte. »Ich hätte Euch gerne in einem Kleid gesehen, Lady Oscar«, wand sie sich dann an Oscar, welche in der Mitte des Raumes stand. Oscar verdrehte die Augen, worauf die Dauphine anfing zu lachen. »Sagt. Stimmt es, das um Eure Hand angehalten wurde?« »Was? Wie…?!« Oscar glaubte sich verhört zu haben. Wie war das denn bis hierher vorgedrungen? »Es stimmt also«, schloss Marie Antoinette aus Oscars Reaktion. »Oh wie wunderbar«, freute sie sich. »Dann sehe ich Euch wohl doch noch in einem Kleid demnächst.« »Ich…«, begann Oscar. Wusste jedoch nicht, was sie genau sagen sollte. Wenn der Heiratsantrag schon bis nach Versailles vorgedrungen war, wie konnte sie ihn denn nun noch ablehnen, ohne den Grafen Girodel zu blamieren? »Ihr seht aber nicht gerade glücklich aus«, stellte die Dauphine fest, nachdem sie Oscar eine Weile beobachtet hatte. »Ich…«, versuchte es Oscar erneut. Aber was genau sollte sie denn nun sagen? Dass sie ihr bisheriges Leben nicht aufgeben wollte wegen eines Mannes? »Welcher Mann hat sich getraut, um Eure Hand anzuhalten?«, riss Marie Antoinette Oscar aus ihren Gedanken. Überrascht sah Oscar zur Dauphine. Man wusste nur, dass es einen Antrag gab? Nicht den Namen des Mannes?… Vielleicht hatte sie doch noch eine Chance aus dieser Verbindung zu kommen. »Man munkelt, es sei Graf Girodel. Stimmt das?« Geheimnisvoll sah sie in das Gesicht von Oscar, welches seine Farbe verloren hatte. Blass stand sie nun in der Mitte des großen Raumes und starrte sie erschrocken an. »Ihr seid ganz blass. Bitte setzt Euch.« Marie Antoinette war aufgestanden und an Oscar herangetreten. »Soll ich jemanden kommen lassen?« Oscar riss sich zusammen. Wo war nur ihre Haltung? »Nein. Es geht schon wieder. Habt Dank«, lächelte Oscar, obwohl ihr eher zum heulen war. Marie Antoinette betrachtete Oscar nachdenklich. »Wirklich alles in Ordnung?« Sie legte ihrer Leibgardistin eine ihre Hände auf deren Arm. »Ihr wisst, dass Ihr jeder Zeit mit mir reden könnt. So wie ich bei Euch. Ihr seid meine Freundin. Eure Sorgen sind auch meine Sorgen.« Oscar lächelte matt. Das war doch lächerlich. Wie konnte sie die künftige Königin von Frankreich um Rat bitten oder ihr von ihren Sorgen berichten? Die Dauphine war selbst nicht besonders glücklich in ihrer arrangierten Ehe und hatte selbst Probleme. »Bitte Lady Oscar. Ihr habt mir zur Seite gestanden und mir zugehört. Jetzt lass es mich für Euch tun. Ich kann genauso Geheimnisse bewahren, wie Ihr.« Sie nahm ihre Hand von Oscars Schultern und zeigte zum Sofa. »Auch wenn ich Euch vielleicht nur sehr wenig helfen kann. Aber manchmal reicht es auch schon darüber mit einer Freundin zu sprechen. Man fühlt sich danach etwas besser.« Sie lächelte bezaubernd. »So ging es mir bei Euch.« Sie setzten sich. »Lasst mich raten. Ihr wollt gar nicht heiraten, Lady Oscar.« Marie Antoinette sah ihrer Freundin in die Augen. »Ihr habt Angst davor, richtig?« Ohne eine Antwort abzuwarten sprach sie weiter. »Ich hatte auch angst davor… Es ist ein sehr großer Schritt. Man lässt das eine Leben hinter sich und begibt sich in ein neues voller Abenteuer und Ungewissheit. Was würde alles passieren?« »Ich müsste die Garde sicherlich verlassen«, ließ Oscar beiläufig fallen. »Dann mache ich Euch zu einer meiner Hofdamen«, kam spontan von der Dauphine. »Zu meiner ersten Hofdame.« Oscar schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Die anderen Damen würden sich übergangen fühlen und es gäbe Rivalitäten.« »Die gibt es auch schon heute«, winkte Marie Antoinette ab. »Und außerdem ist es meine Entscheidung, wen ich zu was mache. Also macht Euch darüber keine Gedanken.« Es klopfte an der Tür. Widerwillig bat die Dauphine die Person herein. Es war eine ihrer Zofen. Es war Zeit sich für das Essen umzuziehen. »Wir werden unser Gespräch später weiterführen«, versprach Marie Antoinette, denn das Essen durfte sie schließlich nicht verpassen. Auch für Oscar war es Zeit zu gehen. Die Sonne war schon fast hinter dem Horizont verschwunden, als sie hinaus zu den Ställen ging. Langsam trottete sie in Gedanken versunken auf dem Rücken ihres Pferdes nach Hause. »Guten Abend Oscar«, begrüßte sie André wie immer gut gelaunt. »Abend«, brachte sie knapp heraus und stieg ab. »Das Abendessen hast du verpasst», meinte er und griff nach den Zügeln. »Das weiß ich selbst«, blaffte Oscar unbeherrscht. Im gleichen Augenblick tat es ihr schon leid. »Schlechter Tag, was?«, lächelte er versöhnlich. Sie hatte es im Moment wirklich nicht leicht. »Von schlecht ist wohl kaum mehr die Rede.« Sie seufzte. »In Versailles weiß man von dem Antrag.« »Was!?« André war bestürzt. »Es tut mir leid, André. Aber ich möchte jetzt nur meine Ruhe haben.« Damit ließ sie ihn einfach stehen und ging ins Haus hinein. André sah ihr wie immer nach. Wenn man in Versailles davon wusste, gab es für sie im Grunde keine Möglichkeit mehr, den Antrag abzulehnen, ohne einen größeren Skandal auszulösen… André wurde es schwer ums Herz, als er den Schimmel in den Stall brachte und ihn versorgte. Er dachte an ihre gemeinsame Kindheit zurück. Er erinnerte sich noch sehr gut, wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Er war außer sich, als er erfuhr, dass sie ein Mädchen war und wollte padu nicht ihr Spielgefährte sein. Bis sie ihm eine ordentliche Lektion erteilte. Das war der Anfang ihrer Freundschaft. Elf Jahre war das nun her… Elf lange Jahre… André schloss die Stalltür und ging ebenfalls ins Haus in die Küche. Was hatten sie nicht alles in diesen Jahren erlebt? Es war so vieles passiert und sie beiden hatten geglaubt immer zusammen zu bleiben. Doch jetzt? Was würde nun werden? Wenn Oscar zu dem Grafen zog… Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Wo würde er hinkommen? Würde er hier bleiben, bei seiner Großmutter und dem General? Oder würde dieser ihn dann wegschicken? André griff nach einer Karaffe Wein und einem Glas und begab sich in sein Zimmer. Wie lange würden Oscar und er noch unter einem Dach wohnen? Würden sie sich wieder sehen? In seinem Zimmer angekommen setzte er sich in seinen Sessel, stellte die Karaffe und das Glas auf den kleinen Tisch daneben und schloss einen Augenblick die Augen. Sofort stellte sich ein Bild von Oscar vor seine Augen, welche ihn anlächelte. Seine geliebte Oscar… Er öffnete die Augen wieder und schenkte sich einen guten Schluck Wein ein, den er in einem Zug trank. Warum war das Leben nur so kompliziert? Warum war die Liebe nur so kompliziert? Warum war alles so kompliziert? Der Innhalt eines erneut gefüllten Glases fand den Weg in seinen Magen. Warum musste er sich auch ausgerechnet in eine Adlige verlieben? Warum konnte es nicht ein schönes Bauernmädchen sein? Er führte ein erneutes Glas an seine Lippen. Er hasste diesen Grafen Girodel. Dafür dass er ihm das kostbarste nehmen würde, was er besaß. Seine Freundin. Seine Kameradin. Seine Liebe… Plötzlich lachte er auf. Noch vor wenigen Tagen hatte Oscar noch zu ihm gesagt, dass sie nie heiraten würde. Und nun?… Es klopfte an der Tür. »Herein?«, bat André überrascht. Wer wollte so spät noch was von ihm? »André?« Sophie steckte ihren Kopf durch den Türspalt. »Kannst du bitte Lady Oscar eine Tasse heiße Schokolade bringen? Ich schaff es nicht. Der General braucht mich gerade noch einmal. Die Tasse steht in der Küche. Aber beeil dich. Nicht das sie kalt wird.« Und schon war sie wieder verschwunden. Hatte noch nicht mal seine Antwort abgewartet. Den General ließ man halt nicht warten. Er mochte es nicht, wenn er auf jemanden warten musste… So dann… André stand auf, streckte sich und begab sich in die Küche, wo er die Tasse Schokolade vorfand. Klappernd trug er sie die Stufen nach oben. Obwohl er viel Alkohol vertrug, stieg im heute der Wein irgendwie in den Kopf und in den Körper. Er spürte ihn. So schnell es ginge wollte er in sein Bett. Er brauchte ruhe. Damit er sich und vor allem sein Kopf etwas erholen konnte. »Ja?«, erklang von drinnen die Stimme von Oscar, als André anklopfte. Er öffnete die Tür und trat ein. »Deine heiße Schokolade«, meinte André und ging zu ihr. Sie saß, wie er bis vor kurzen, in ihrem Sessel vor dem brennenden Kamin. »Danke. Hatte es schon total vergessen.« Vergessen? Seid wann vergaß sie etwas? Sie hatte doch sonst ein Gedächtnis wie ein Notizblock, wunderte sich André, während er die Tasse abstellte. »Brauchst du sonst noch etwas?«, fragte er. »Es tut mir leid, dass ich vorhin so barsch zu dir war«, entschuldigte Oscar sich bei André. »Mach dir nichts draus.« Oscar zeigte auf den Sessel neben ihr. »Möchtest du dich nicht ein paar Minuten zu mir setzten?« »Ich möchte dich nicht stören Oscar.« »Ich bin froh, dass du hier bist«, lächelte sie sanft und André wurde es warm ums Herz. Konnte sie ihn nicht so jede Sekunde, jede Minute und jeden Tag ansehen? Er setzte sich, obwohl er eigentlich nur noch in sein Bett wollte. Doch andererseits kam es auf die paar Minuten nun wirklich nicht an. Und wenn es ihr gut tat… Oscar griff nach der Tasse Schokolade und trank einen Schluck. André beobachtete jede Bewegung genau. Sah wie ihre zarten Finger sich und den Griff der Tasse schlossen und somit ihre Knöchel hervor traten. Folgte ihrem Arm, welcher die Tasse an ihre Lippen führte. Sah wie sie die Augen genüsslich schloss, als das warme Getränk in ihrem Mund lief und sah, wie sie diese dann hinunter schluckte. Ob ihre Lippen noch lieblicher schmeckten, wenn sie mit Schokolade benetzt waren, fragte er sich gedankenverloren. »Was beobachtest du mich denn so genau?«, wollte Oscar wissen und André schreckte aus seinen Gedanken auf. »Ich. Dich beobachten?«, versuchte er sich heraus zu reden. »Ja.« Sie stellte die Tasse wieder auf den Tisch neben sich. »Mach ich doch gar nicht.« Oscar lachte leise. »Schon gut.« »Hast du noch etwas gegessen?«, fragte André um abzulenken. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Habe einfach keinen Hunger.« Sie schwiegen einen Moment, bis Oscar seufzend ihren Kopf nach hinten an die Sessellehne lehnte und die Augen schloss. »Alles in Ordnung mit dir?« André betrachtete seine langjährige Freundin. »Natürlich ist alles in Ordnung, André«, antwortete sie sarkastisch. »In nicht allzu ferner Zukunft werde ich heiraten und das Regiment verlassen müssen. Und damit das nicht schon genug ist, werde ich von hier fort gehen müssen. Dazu bekomme ich die Beförderung zur ersten Hofdame der Dauphine! Natürlich ist alles in bester Ordnung!«, schrie Oscar plötzlich schon beinahe hysterisch, stand aufgebracht auf und tigerte im Raum hin und her. »Hofdame? Du?«, wiederholte André überrascht. »Ja. Ich«, fuhr sie zu ihm herum und funkelte ihn böse an. »Warum? Kannst du dir das nicht vorstellen?« »Nein… Doch… Ich…«, stotterte André. Himmel war Oscar aufgebracht. So hatte er sie noch nie erlebt. Sie kochte zwar des Öfteren. Das war halt ihr Temperament, was ab und zu mit ihr durchging. Aber so wie jetzt?… Das Haus war mittlerweile völlig ruhig. Es schienen schon alle zu Bett gegangen zu sein. Und sie brüllte hier herum. »Jetzt bleibt doch mal stehen und beruhig dich ein wenig.« »Ich soll mich beruhigen?«, fauchte sie. »Ja. Du weckst noch alle.« Er deutete auf ihren Sessel. »Jetzt setzt dich wieder.« Mürrisch schüttelte Oscar ihren Kopf und blieb stehen. »Dann bleib halt stehen. Aber versuch dich etwas zu beruhigen. Bitte. Sonst steht in wenigen Minuten dein Vater hier im Raum und hält dir eine Predigt.« »Du willst es nicht verstehen, oder? Nur weil jemand in Versailles von dem Heiratsantrag erzählt hat, kann ich mich damit abfinden bald eine Ehefrau zu sein!« »Das weiß ich doch«, meinte André versöhnlich. »Wenn ich denjenigen erwische, der geredet hat, bringe ich ihn um«, kochte Oscar noch immer. »Für was habe ich all die Jahre meine Ausbildung erhalten? Um am Ende eine feine Dame der Gesellschaft zu werden? Das ist nicht das was ich will!« Sie tigerte wieder im Raum umher. André spürte ihren Schmerz und ihren Zorn. Wie sie, litt auch er. Doch er konnte, im Gegensatz zu ihr, nicht offen darüber reden. Er musste seine Gefühle verheimlichen. Sie verschweigen und verleugnen… Wieder überkam ihn das Verlangen Oscar einfach in den Arm zu nehmen. Trotz ihrer Widerstände; sie war eine Frau und würde das ihr leben lang bleiben. Egal in welche Uniform sie schlüpfte. Egal welchen Ton sie anschlug. »Trotz aller Ausbildung, bleibst du eine Frau«, entgegnete André noch halb in Gedanken. Oscar fuhr wieder zu ihm herum. »Was?!« Ihre blauen Augen verdunkelten sich. »Du kannst versuchen was du willst. Eine Rose wird immer eine Rose bleiben und wird nie etwas anderes sein.« »Ich will aber keine Frau sein!« »Du kannst es verleugnen. Aber nie ändern.« André stand nun ebenfalls auf. Er wollte sich zu Bett begeben. Es war spät und diese Unterhaltung würde ins Nichts führen. »Halt deinen Mund!« Ohne Vorwarnung kam Oscar auf ihn zu, holte aus und verpasste André eine Ohrfeige. Sie wusste, dass er im Grunde Recht hatte. Wollte es aber nicht hören. André sah Oscar an. Wütend stand sie vor nun ihm. Spürte ihren warmen Atem auf seiner Brust. Ihre Augen sprühten förmlich vor Funken. Sie war ihm so nah… Ohne weiter Nachzudenken griff André nach Oscars Arm und zog sie an sich. Oscar stolperte fast, so unerwartet wie dieser Ruck kam und landete an Andrés Brust. »Was soll das André?«, verlangte sie zu erfahren. »Lass mich sofort los!« Doch anstelle zu antworten, beugte sich André hinunter zu ihrem Gesicht und küsste sie. Er wusste es war ein Fehler. Er wusste, dass es Konsequenzen mit sich ziehen würde. Aber er konnte nicht anders. Es war ihm plötzlich egal. Ihre Wege würden sich trennen. Doch einen Triumph hatte er errungen. Er war der erste, der ihre zarten Lippen berührt hatte. Und nicht Graf Grodel. »Bist du verrückt geworden?«, zischte Oscar, als André ihre Lippen wieder freigab und löste sich mit einem Ruck aus seinem Griff. »Es… tut mir leid, Oscar«, flüsterte er und fuhr sich durchs Haar. »Aber du bist und bleibst eine Frau.« Damit ging er an ihr vorbei und verließ das Zimmer und hinterließ eine völlig verwirrte Oscar, welche ihm hinterher sah. -Fortsetzung folgt-... 4 - Oscar starrte noch immer an ihre Zimmertür. André war schon seit einigen Minuten aus ihrem Zimmer verschwunden. Und trotzdem hatte sie das Gefühl, seine Anwesenheit zu spüren. Seine Hände zu spüren. Seine Haare, die ihr Gesicht streift hatten. Seine Lippen… Wie konnte er sich wagen, sie zu küssen? Warum hatte er sie geküsst? Warum klopfte ihr Herz so heftig?… Sollte sie ihm nachgehen und zur Rede stellen? Sie ging zwei Schritte nach vorne. Blieb dann aber wieder stehen. Sollte sie ihm wirklich hinterher laufen?… Oscar fuhr sich durch das Haar. Warum hatte er das nur getan? Wollte er sie ärgern? Hatte er sich einen Scherz erlaubt? Seine Lippen hatten nach Wein geschmeckt. Hatte er vielleicht einfach zu viel getrunken?… Oscars Gedanken wurden wirr und sie entschloss sich, am nächsten Morgen mit ihm zu reden. Jetzt musste sie erst einmal einen klaren Kopf bekommen. Sie war einfach zu verwirrt. Zu durcheinander. André war in seinem Zimmer angekommen. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, lehnte er sich einen Moment mit dem Rücken dagegen. Sein Herz raste und ihm war schwindlig. Was war nur in ihn gefahren? Was hatte ihn geritten, sie zu küssen? Er schüttelte den Kopf. Vor wenigen Minuten war es ihm noch egal gewesen, was er tat. Aber nun?… André schloss kurz die Augen, seufzte und lauschte dem heftigen Schlagen seines Herzens. Das konnte böse Folgen haben… Er öffnete die Augen wieder, ging zu seinem Bett und zog sich um. Er brauchte schlaf. Ganz dringend. Doch kaum lag er und schloss die Augen, tauchte wieder ein Bild von Oscar vor seinem geistigen Auge auf. Er spürte wieder ihre Lippen auf seinen. Schmeckte deren süße. Fühlte die Wärme ihres Körpers an seinem. Das Kitzeln ihres Atems auf seiner Brust… Was hatte er nur getan? Aber es hatte sich so verdammt gut angefühlt. Er hatte sich in diesem Moment so verdammt lebendig gefühlt. Sein Körper schrie nach mehr davon. Doch sein Kopf sagte ihn, dass es nur dieses eine mal gewesen war. Er warf sich auf die andere Seite und seufzte mal wieder. Schlaf. Er brauchte schlaf. Sein Kopf hämmerte und sein Herz pochte noch immer wie wild. Doch er konnte sich nicht beruhigen. Alles sehnte sich nach ihr. Jede Pore seines Körpers verlangte nach ihr. Warum hatte er sich dazu hinreizen lassen, seinem Verlangen nach zu geben? Wie konnte er ihr jetzt noch unter die Augen treten? Würde sie ihn nun verstoßen? Musste er nun das Haus verlassen?… Er seufzte erneut und warf sich wieder herum. Warum war die Liebe nur so kompliziert? Eine einzelne Träne lief ihm die Wange hinunter. Warum?… Oscar wachte am nächsten Morgen unausgeschlafen und völlig übermüdet auf. Sie hatte die Nacht sehr unruhig und sehr wenig geschlafen. Jedes Mal, wenn sie die Augen geschlossen hatte, trat das Bild von André vor ihre Augen. Sie fühlte förmlich die Nähe seines Körpers. Den sanften Druck seiner Lippen, welche es gewagt hatten, die ihren zu küssen. Spürte das fremdartige Gefühl in ihrem Bauch, was sie nicht einordnen konnte. Vorsichtig berührte Oscar mit ihrem Fingern ihre Lippen und strich darüber. Ihr erster Kuss… Oscar fuhr sich über das Gesicht. Warum hatte er das nur getan?… Träge stand sie auf. Es hatte keinen Sinn mehr liegen zu bleiben. Schlaf würde sie eh nicht wirklich finden. Oscar wusch sich und zog sich an. Glücklicherweise hatte sie heute ihren freien Tag. Oder sollte sie lieber leider sagen. So würde sie André schneller sehen, als es ihr recht war. Noch immer wusste sie nicht, wie sie auf den Kuss reagieren sollte. Wie sie auf André reagieren sollte. Sie ging an ihr Fenster. Draußen im Hof war keiner zu sehen. Alles lag ruhig und verschlafen da. Oscar seufzte tief und machte sich auf den Weg in die Küche. »Guten Morgen, Lady Oscar«, grüßte Sophie, wie immer gutgelaunt, als Oscar in die Küche trat. »Morgen.« Sie setzte sich an den großen Holztisch und Sophie brachte ihr sofort etwas zu trinken und essen. »Ihr ward gestern Abend gar nicht beim essen. Ging es Euch nicht gut?«, fragte Sophie und sah Oscar an. »Nicht das Ihr krank werdet.« »Ich war müde Sophie«, entgegnete Oscar. »War gestern ein sehr anstrengender Tag.« »Dann solltet Ihr Euch heute etwas ausruhen.« Oscar lächelte. »Das werde ich. Ganz bestimmt.« »Habt Ihr André schon gesehen?«, wollte Sophie nun wissen. »Nein«, sagte Oscar und dachte zum Glück. »Warum?« »Ach der Junge. Er ist nicht zu finden. Auch in seinem Zimmer ist er nicht. Ich weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat einfach so zu verschwinden. Ich brauch ihn hier im Haus«, jammerte Sophie, während sie in der Küche hantierte. »Ach lass ihn doch. Er braucht auch mal ein paar Stunden für sich.« Nach dem Frühstück überlegte Oscar, was sie nun machen sollte. Sich wieder in ihr Zimmer begeben und etwas lesen? Oder vielleicht ausreiten? Ja. Sie würde den ganzen Tag ausreiten. Oscar holte sich eine Jacke und lief zum Stall. Schnell sattelte sie ihre Stute und machte sich auf den Weg. Hinaus in die freie Natur. Sie ritt eine geraume Zeit im Galopp über die Wiesen, ehe Oscar in einen leichten Trapp fiel. Aber anstelle sich zu entspannen und die freie Zeit zu genießen, schweiften ihre Gedanken immer wieder zu André ab. Das war doch zum schreien. Warum drängte er sich so in ihre Gedanken? An einer Anhöhe hielt sie ihr Pferd an und stieg ab. Wie lang war es her, das sie einfach nur für sich durch die Gegend geritten war, ohne Pflichten? Eine halbe Ewigkeit. Oscar ließ ihr Pferd frei laufen und legte sich in das grüne Gras. Für eine Weile beobachtete sie die weißen Wolken am Himmel, ehe sie sich von Boden erhob, langsam zu ihrem Pferd ging, welches weiter abseits graste und wieder aufstieg. Ohne ein genaues Ziel ritt sie weiter umher. Genoss den Wind, der ihr ins Gesicht blies und durch die Haare fuhr und mit vereinzelten Strähnen spielte. Den Geruch von Erde und Wald. Sie kam an eine Lichtung an und erkannte diese. Hier hatte sie früher oft mit André geübt, wenn sie dem strengen Unterricht ihres Vaters entkommen wollten. Viele gemeinsame Stunden, in denen ihre Degen immer und immer wieder gegeneinander geprallt waren. Sie stieg erneut vom Pferd. Ja… Hier hatten sie wirklich viele Stunden gemeinsam verbracht. Schöne Stunden. Oscar brummte verstimmt. Jetzt dachte sie ja schon wieder an André. Dabei wollte sie doch genau das Gegenteil. Plötzlich hörte sie das Getrappel von Pferdehufen. Jemand kam hier her. Sie drehte sich in die Richtung, aus der die Geräusche kamen und sah den Reiter, welcher auf die Lichtung kam. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Es war niemand anderes als André. Am liebsten wäre sie sofort auf ihre weiße Stute gestiegen und davon geritten. Aber vielleicht war das nun der Moment, in dem sie reden würden… Mussten… André sah Oscar schon von weitem. Obwohl er ihr lieber aus dem Weg gegangen wäre, lenkte er seinen Hengst auf die Lichtung. Es zog in einfach in ihre Nähe. In einiger Entfernung von Oscar blieb André stehen und stieg vom Pferd. Schweigend standen sie nun beide voreinander, bis André das Schweigen brach. »Du hast heute frei?«, fragte er überflüssigerweise. Natürlich wusste er, dass sie frei hatte. Er konnte nur diese Stille, welche gerade zwischen ihnen herrschte, nicht ertragen. Dann sollte sie ihn lieber anschreien. Oscar nickte knapp. »Ja.« »Schön.« Es breitete sich wieder Schweigen aus. André spürte, dass es ihr in seiner Nähe ebenfalls unangenehm war. André konnte es in ihren Augen sehen. An ihrer versteiften Haltung. Auch wenn er lieber weg geschaut hätte. Er konnte seinen Blick nicht von Oscar lassen. Er musste sie ansehen. Ihre wunderschönen blauen Augen zogen ihn magisch an. Sein Blick fiel immer wieder auf ihre Lippen und die Erinnerung an den Kuss drängte sich in seinen Kopf. Sofort begann sein Herz wieder wild gegen seine Brust zu schlagen. Auch Oscar sah André unentwegt an. Sie spürte wie ihr Herz raste und spürte, wie ihr Bauch, ihr Körper kribbelte. Was war nur los mit ihr? »Ich werd dann mal weiter reiten.« André machte anstallten, aufzusteigen. Die Nähe zu ihr, schnürte ihm die Luft ab. Es war wohl doch keine so gute Idee gewesen, hierher zu reiten. »André?«, hielt Oscar ihn jedoch auf. »Warum hast du das gemacht?«, sprach sie diese Worte aus, ohne es wirklich zu wollen. Ohne das Gefühl zu haben, das es ihre Worte waren. Aber sie hatte es getan. André stand starr an seinem Pferd. Sie hatte ihm diese so gefürchtete Frage gestellt. Jetzt verlangte sie eine Antwort. Und weiß Gott. Sie würde solange bohren, bis sie diese erhalten hatte. Er kannte sie nur zu gut. »Was meinst du?«, fragte er, um Zeit zu schinden. »Du weißt ganz genau was ich meine, André.« Oscar trat auf ihn zu. »Warum hast du mich geküsst?« Es war raus. Sie hatte diese quälende Frage endlich gestellt. Jetzt würde sie vielleicht eine plausible Erklärung erhalten und alles wäre wieder wie früher. »Ich…«, begann André vorsichtig. Blieb aber immer noch seinem Pferd zugewandt. Sollte er ihr nun wirklich alles sagen? Seine Gefühle offenbaren? Es würde alles zwischen ihnen ändern. Es wäre nie mehr so wie vorher. Aber konnte es überhaupt wie früher werden? »Ich warte André. Und ich werde solange warten, bis ich eine verdammt gute Antwort bekomme.« »Du möchtest es wirklich hören?« Er drehte sich langsam und etwas widerwillig zu ihr um. »Ja. Natürlich will ich es wirklich wissen«, entgegnete sie, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie es wirklich hören wollte. André sah Oscar an. Sie betrachtete ihn aufmerksam. Verfolgte jede seiner Bewegungen. »Ich… habe es getan, weil… Ich dich liebe.« Es war gesagt. André fiel ein Stein vom Herzen. Endlich waren diese Worte des Schmerzes ausgesprochen. Diese drei Worte, welche ihn schon so lange gequält hatten. »Was?!«, flüsterte Oscar und sah ihn ungläubig an. »Aber…« »Du wolltest es hören, Oscar« Traurig blickten seine grünen Augen zu ihren. Sahen das Entsetzen, der in ihnen wohnte. »Wie kannst du nur«, wisperte Oscar und schüttelte den Kopf. »Es ist verboten.« »Ich habe es mir nicht ausgesucht. Es ist einfach passiert.« André zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich kann es nicht ändern.« Oscar stand noch immer wie eine Salzsäule da. Sie hatte verstanden, was André gerade gesagt hatte. Konnte es aber nicht glauben. Es war doch verboten. Es war verrückt. »Für dich bin und werde ich immer nur der treue Weggefährte sein. Der Mann, der im Stall und im Haus arbeitet und dazu der nette Fechtkamerad ist«, redete André weiter. Endlich mal alles von der Seele reden. Das tat gut. Es war befreiend. »Doch du bist für mich mehr, Oscar. So viel mehr. Schon so lange…« Er drehte sich von ihr weg. »Aber es wird sich eh alles ändern. Du wirst heiraten und von hier fort gehen. Und ich werde hier bleiben und einsam vor mich hin leben. Werde jede Sekunde an dich denken müssen, jeden Tag deine Nähe schmerzlich vermissen. Während du mich vergessen wirst.« André drehte sich wieder zu Oscar um. Noch immer stand sie wie erstarrt vor ihm. Die Augen noch immer weit geöffnet. »Ich hasse den Grafen so sehr, wie keinen anderen Menschen. Er nimmt mir das Kostbarste, was ich besitze. Deine Nähe.« André schüttelte den Kopf, als wollte er eine lästige Fliege abwehren. »Es tut mir leid, Oscar. Ich hätte all das nicht sagen dürfen. Ich hätte es für mich behalten sollen.« Er trat an sie heran. Sah wie ihre Augen ihn fixierten. Ihm folgten. Eine Handbreit von ihr entfernt blieb er stehen und streckte die Hand aus, um ihr weiches Haar zu berühren. »Vergiss bitte, was ich eben gesagt habe. Ich werde es auch vergessen. Alles.« André hielt es nicht mehr aus. Nur noch eine Sekunde länger mit ihr hier auf der Lichtung und er würde sie wieder küssen. Abrupt drehte er sich um, ging zu seinem braunen Hengst, stieg auf und ritt im Galopp davon. Oscar sah ihm nach. Völlig verdattert stand sie nun hier auf der Lichtung. Unfähig sich zu rühren. Unfähig ein Wort zu sagen. Unfähig richtig zu Atmen. Ihr Herz fand keinen ruhigen Rhythmus. Wild und unregelmäßig schlug es in ihrer Brust. Sogar ihre Beine wollten ihr nicht so richtig gehorchen. Warum brachte er sie nur so aus der Fassung? Mit wackligen Beinen lief sie zu ihrer Stute und klammerte sich an ihren Sattel. ´Ich liebe dich…` Diese drei Worte wiederholten sich immerfort in ihrem Gedächtnis. Drehten sich im Kreise. Warum reagierte sie so darauf? Das war kaum auszuhalten. Jetzt reiß dich zusammen, ermahnte Oscar sich. Tief atmete sie durch. Immer und immer wieder, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte. Dann stieg sie auf ihr Pferd und ritt los. Ziellos durch die Gegend, bis lange die Sonne untergegangen war. Dann erst fand sie den Weg nach Hause. Die ersten hellen Sonnenstrahlen fielen durch Oscars Fenster und erhellten den Raum. Oscar selbst saß in ihrem Sessel vor dem Kamin. Die Beine angezogen und umschlugen von ihren Armen. Ihr Kinn ruhte ruhig auf ihren Knien, während sie die letzten Flammen im Kamin beobachtete. Wild zuckten sie hin und her und die Schatten wirkten irgendwie beruhigend. Oscar konnte die Nacht nicht schlafen. Egal was sie versucht hatte. Nichts hatte geholfen. Der Schlaf wollte nicht über sie kommen. Da hatte sie sich kurzerhand in ihren Sessel geworfen und den Flammen zugesehen. Wie lange hatte sie noch Zeit, ehe ihr Vater sie zu sich rufen würde und eine Entscheidung von ihr verlangte?… Was hieß eigentlich eine Entscheidung verlangen? Es gab gar keine Entscheidung. Es war doch alles schon entschieden. Ihr Vater hatte doch, wie immer, für sie entschieden. Sie würde Graf Girodel heiraten. Zu ihm ziehen. Kinder bekommen und wie ihr Vater beschlossen hatte würden diese in die Fußstapfen der Familie Jarjayes treten… Oscar schloss für einen Augenblick die Augen und lauschte dem Knistern und Knacken des Holzes. André würde sie ebenfalls nicht mehr sehen. Oder nur ganz selten, wenn sie mal zu Besuch kam. André… Wie schon so oft in dieser Nacht kreisten ihre Gedanken um ihren langjährigen Freund und sein Geständnis. Was war nur zwischen ihnen passiert? Warum wurde alles so kompliziert? Hatte ihre Freundschaft noch eine Chance? Oscar sah zu dem Portrait ihrer Mutter. Wäre sie doch nur da… Jetzt hätte sie mehr als zuvor ihren Rat gebraucht… Die Sonnenstrahlen wanderten unaufhaltsam weiter ins Zimmer und das Licht flutete langsam den ganzen Raum. Bald würde das Haus wach werden. Widerwillig stand Oscar auf und zog sich an. Bald würde es Frühstück geben. Vielleicht konnte sie vor allen anderen etwas zu sich nehmen. Auch wenn sie keinerlei Appetit verspürte. Alles lag ruhig vor ihr, während sie in die Küche ging. Selbst Sophie war noch nicht auf den Beinen. Schnell verdrückte Oscar ein Stück trockenes Brot und ein Glas Wasser. Dann verschwand sie nach draußen in den Hof. Doch sie mied den Stall bewusst. André würde als erstes dorthin gehen und sich um die Tiere kümmern. Und ihm wollte sie nicht begegnen. Zuerst musste sie Ordnung in ihrem Kopf schaffen. Oscar schlenderte durch den Garten hinter dem Haus und dachte wie so oft in den letzten Stunden nach. ´Ich liebe dich…` Warum konnte sie diese Worte nicht vergessen? »Oscar!«, riss sie die dröhnende Stimme ihres Vaters sie aus ihren wirren Gedanken. »Oscar! Wo steckst du?« »Ich bin hier«, entgegnete Oscar und trat um die Ecke. »Was gibt es?« »Heute Abend wird Graf Girodel kommen.« Es traf Oscar wie ein Faustschlag in der Magengrube. Heute… »Ich will, dass du pünktlich zu Hause bist. Man wird es am Hof verstehen«, redete er weiter. »Schau, ob du eventuell heute Mittag schon heim kannst. Ich möchte nicht, dass Graf Girodel auf dich warten muss.« Oscar nickte mechanisch, obwohl sie eher den Kopf schütteln wollte. Ohne ihren Vater auch nur eines Blickes mehr zu würdigen, drehte sie sich um und ging zum Stall. Sie musste hier weg. Und das ganz schnell, bevor sie etwas Dummes und Unüberlegtes tat. In diesem Moment war es ihr egal, ob André im Stall war oder nicht. In Windeseile war ihr Pferd gesattelt und im vollen Galopp ging es nach Versailles. Dort angekommen erbat sie, wie von ihrem Vater verlangt, früher heim zu dürfen, was ihr auch gewährt wurde. So musste sie sich nur um ihre Männer kümmern. Oscar führte etliche Übungen mit ihnen durch. Scheuchte sie quer über den Hof. Brüllte sich ihre Wut aus der Seele. Versuchte so ihren Zorn zu besänftigen. Doch es funktionierte nicht wirklich. Das einzige Ergebnis war, das ihre Stimme in Mitleidenschaft gezogen wurde, was sie erneut ärgerte. Gegen Mittag erlöste Oscar ihre Männer, die sich dankbar zurück zogen und machte sich schweren Herzens auf den Weg zu ihrem Pferd. Ganz langsam würde sie es satteln. Ja… Sie würde es heute hier selbst satteln. Egal was die Stallburschen sagen würde. Egal wie oft sie ihr die Arbeit abnehmen wollten. Doch kaum war sie um die Ecke zur Stalltür gebogen, blieb sie wie angewurzelt stehen. André stand vor der Tür und hatte sein und ihr Pferd am Halfter. Beide Pferde waren gesattelt und aufbruchsbereit. Nach einem tiefen Atemzug ging Oscar weiter. Doch mit jedem Schritt wurde das komische Gefühl in ihrem Bauch größer. Was war das nur? »Da bist du ja, Oscar«, begrüßte André sie wie immer. »Habe dein Pferd schon gesattelt.« »Das sehe ich«, entgegnete sie beklommen. »Was machst du hier?« Andrés Blick wurde traurig. »Dein Vater schickt mich dich abzuholen.« »Mhpf«, machte Oscar. »Als ob er angst hätte, das ich nicht nach Hause komme.« André musste nun lächeln. Sie kannte ihren Vater wirklich gut. Denn genau das waren seine Bedenken gewesen. »André«, war der General auf ihn zugekommen. »Bitte reite nach Versailles und achte darauf, dass Oscar auch wirklich nach Hause kommt. Ich habe ein merkwürdiges Gefühl heute. Etwas liegt in der Luft.« Oscar und André stiegen in ihre Sättel und ritten los. Beide Pferde liefen gemütlich nebeneinander her, während André und Oscar sich anschwiegen. Nur die Hufe auf der Strasse waren zu hören, sowie das Knarren der Sättel und das Gelegentliche schnauben der Pferde. Erst als sie am Anwesen ankamen, brach das Schweigen. André hielt sein Pferd an. »Ich werde noch eine Weile ausreiten.« Er wendete sein Pferd. »Ist gut«, nickte Oscar und ihre Blicke trafen sich. Sofort überkam sie wieder dieses sonderbare Gefühl und ihr Herz hüpfte abermals auf und ab. »Bis dann.« André gab seinem Pferd ein Zeichen und es ritt davon. Oscar trieb ihre weise Stute ebenfalls an, welche gemütlich weiter trottete. Sie wusste warum André nicht mitkam. Graf Girodel. Es musste ihm wirklich sehr ernst sein mit seinen Gefühlen, schoss es ihr durch den Kopf. Bevor sie jedoch diesen Gedanken fortführen konnte, kam sie am Stall an. Und kaum das ihre Füße den Boden berührten, hörte sie vom Haus aus, wie ihr Name gerufen wurde. Ein Diener trat an ihre Seite und nahm die Zügel entgegen. »Lady Oscar! Wo steckt Ihr?«, rief die Stimme von Sophie immer wieder und Oscar konnte es sich nicht verkneifen, mit den Augen zu rollen, ehe sie aus dem Stall trat und ins Haus ging. Sophie suchte schon hier nach ihr. Unten an der großen Marmortreppe trafen sie sich. »Lady Oscar. Da seid Ihr ja. Wo habt Ihr nur gesteckt? Wollt Ihr, dass ich arme, alte Frau noch einen Herzkrampf erleide?« Sophie war ganz aufgebracht. »Ich habe genauso lange gebraucht, wie sonst auch«, entgegnete Oscar ruhig. Auch wenn es nicht ganz stimmte. »Bitte beruhigt Euch wieder.« »Ich mich beruhigen? Mein liebes Kind. Das ich das noch erleben darf…«, seufzte sie dann und ihr Blick wirkte auf einmal verträumt. »Was meint-« »Oscar!« General Jarjayes tauchte am oberen Treppenansatz auf und unterbrach sie. Als Oscar nach oben sah, erkannte sie, das ihr Vater etwas über dem Arm liegen hatte. Stoff. Jede Menge Stoff. »Wird auch Zeit, dass du kommst. Es gibt noch viel zu tun.« Sophie und Oscar stiegen die Treppen zu ihm hinauf. Kaum angekommen drückte ihr Vater ihr diese Menge Stoff in die Arme. Ein Kleid!? Jetzt erkannte sie es. Aber was sollte sie damit? Er verlangte doch nicht etwa, das sie diesen Fetzten trug? »Was ist das?«, fragte Oscar, obwohl sie die Antwort schon wusste. »Ein Kleid. Das siehst du doch«, brummte der General und sah Oscar an. »Was soll ich damit?« »Sei nicht so naiv, Oscar. Anziehen natürlich.« Man hörte förmlich das Beben in seiner Stimme, als er versuchte ruhig zu antworten. »Niemals!« Oscar hielt Sophie das Kleid hin, welche jedoch zögerte es anzunehmen. »Du wirst es anziehen«, wiederholte ihr Vater nun mit lauter Stimme. Er war es nicht gewohnt, dass Oscar ihm widersprach. »Nein! Werde ich nicht!«, spie Oscar eben so laut ihrem Vater entgegen. Er konnte doch nicht allen Ernstes daran gedacht haben? Sie in einem Kleid?! Niemals! =Bamm= Der General hatte ausgeholt und Oscar eine heftige Ohrfeige verpasst, auf die sie nicht vorbereitet war. Die Wucht, welche dahinter lag haute sie um. Mit ihr zusammen fiel das Kleid zu Boden. »Keine Widerrede! Du wirst dieses Kleid tragen! Und damit basta!« Sein Gebrüll war im ganzen Haus zu hören. Irgendwo ließ jemand vor Schreck etwas fallen. Wahrscheinlich in der Küche, denn es hatte sich nach Porzellan angehört. Der General ließ seine Tochter auf dem Boden liegen und verschwand hinter einer Tür. »Das schöne Kleid«, stöhnte Sophie und hob dieses vorsichtig auf, während Oscar langsam vom Boden aufstand und sich die Wange rieb. »Jetzt kommt. Ihr müsst noch ein Bad nehmen. Ihr riecht nach Arbeit und Pferd.« Sophie schritt in Richtung Bad, wo schon für Oscar heißes Wasser vorbereitet wurde und Oscar trottete ihr widerwillig hinterher. -Fortsetzung folgt-... 5 - Obwohl Oscar keine Lust verspürte jetzt ein Bad zu nehmen, schlüpfte sie aus ihrer Uniform und stieg in die fertig gefüllte Wanne. Wohlige Wärme umschloss sie sofort und Oscar seufzte genüsslich. »Ich bereite in Euerem Zimmer das Kleid schon mal vor«, entfernte sich Sophie aus dem Bad. »Tu, was du nicht lassen kannst«, winkte Oscar und schloss genervt die Augen. Was wohl André gerade macht, fragte sie sich. Ob er noch immer durch die Wälder streifte?… Wie gerne wäre sie jetzt bei ihm. Fern ab von hier und all dem Theater… »Lady Oscar«, hörte sie die Stimme von Sophie. »Bitte steigt bald aus dem Wasser. Sonst fängt Eure Haut an zu schrumpeln.« Oscar erhob sich kurzer Zeit lustlos und stieg aus der Wanne. Trocknete sich ab und schlüpfte in ein weites, langes Unterhemd, welches Sophie ihr vorhin hatte hingelegt. »Sophie?« Oscar kam mit kraus gezogener Stirn in ihr Zimmer. »Ja?« »Da stimmt was nicht«, zuppelte Oscar an dem Hemd herum. »Da fehlt ja die Hälfte. Wo ist denn der Stoff?« Sie sah an sich herab und deutete auf ihr preisgegebenes Dekolleté. Sophie lachte. »Da fehlt nichts. Das ist so.« »Bitte?« Geschockt hob Oscar den Kopf. »Ich bin fast nackt!« »Paperlapap«, winkte Sophie ab. »Wir haben noch reichlich anzuziehen.« Damit deutete sie auf die im Zimmer verteilten Utensilien. »Das soll alles an meinen Körper?!« »Genau. Und nun kommt. Es wird eine Weile dauern, bis wir fertig sind, da Ihr darin keine Übung habt.« Mit diesen Worten begann Sophie Oscar einzukleiden. »Au!… Sophie! Was zum Henker ist das?«, fluchte Oscar, als Sophie ihr das Korsette anlegte und begann zu schnüren. »Ich bekomm kaum Luft!« »Das ist ein Korsette, Lady Oscar. Jede Frau in der Gesellschaft trägt so etwas.« Sie schnürte es fester. »Aua! Das sticht!… Hey!… Nicht zu fest schnüren! Ich falle sonst um. Aua!«, meckerte Oscar, ohne Luft zu holen. »Wenn Ihr stillhalten und aufhören würdet zu reden, würde es viel schneller gehen«, erwiderte Sophie. Je mehr Sophie die Korsage schnürte, je mehr bemerkte Oscar, wie ihre Brüste ihr entgegen kamen. Sie quollen förmlich hervor. Gaben sich preis. »Großer Gott! Sophie! So kann ich mich nicht zeigen«, meinte Oscar entsetzt und versuchte das Unterhemd vorne hoch zu ziehen. Das alte Kindermädchen klopfte Oscar zart aber bestimmt auf die Finger. »Nicht! Nehmt Eure Finger dort fort. Es hat alles seine Richtigkeit.« »Aber Sophie… Man sieht… meine… Brüste«, presste sie leise hervor. »Die Männer mögen das«, grinste Sophie darauf und zusselte an Oscar weiter herum. »Außerdem. Ihr seid eine hübsche Frau. Zeigt es.« Die Männer mögen das… Oscar verzog das Gesicht. »Fertig. Wir haben es endlich geschafft. Das Kleid sitzt«, freute sich Sophie und hatte plötzlich Tränen in den Augen. »Ihr seht wundervoll aus. Einfach bezaubernd.« Sie seufzte. »Wenn Eure Mutter Euch so sehen könnte… Ihr seht aus wie sie… Schaut selbst.« Sophie deutete zu dem großen Spiegel in der Ecke des Raumes. Oscar verzog nur wieder das Gesicht. Setzte sich aber dann in Bewegung. Beim ersten Schritt hatte sie das Gefühl, nicht vom Platz zu kommen. Die Menge an Stoff war irgendwie ungewohnt. Aber vor allem hinderlich. Langsam und recht zögerlich trat sie an den Spiegel heran und erschrak. Das war nicht ihr Spiegelbild. Das war nicht sie! Die kräftige, blaue Farbe der Seide schmiegte sich eng an ihren wohlgeformten Oberkörper. Betonte ihre helle Haut und das blonde Haar. Auch das Weiß des Unterhemdes, welches keck an den Ärmeln und am Dekolleté hervorblitzte, bildete einen wundervollen Kontrast zur blauen Farbe. »Das bin nicht ich«, flüsterte Oscar und starrte ihr Spiegelbild an. Wer war diese Frau im Spiegel? »Das seid Ihr, Lady Oscar. Eine wahre Dame…« Erneut traten Sophie Tränen in die Augen. »Dann wollen wir uns nun den Haaren zuwenden.« »Was?!«, fuhr Oscar zu ihr herum. »Noch mehr?« »Ja. Setzt Euch bitte.« »Bitte Sophie. Nicht die Haare. Lasst sie so wie sie sind. Sonst erkenne ich mich selbst überhaupt nicht mehr… Bitte.« Sophie überlegte einen Augenblick, ehe sie zustimmend nickte. »Wie Ihr wünscht, Lady Oscar.« Oscar war erleichtert. »Danke.« »Nun«, machte Sophie. »Dann werde ich Euch kurz alleine lassen. Ihr versprecht mir aber, dass Ihr das Kleid nicht wieder ausziehen werdet.« Oscar sah an sich herab, bevor sie Sophie wieder ansah. »Ich brauche Euch das nicht zu versprechen. Ich habe nämlich keine Ahnung, wie ich hier wieder herauskomme. Also. Keine Sorge«, lächelte Oscar und Sophie bekam erneut diesen verträumten Blick. »Gut«, nickte sie und ging zur Tür. Dort drehte sie sich aber nochmals um. »Ihr seht Eurer Mutter wirklich sehr ähnlich.« Dann verschwand sie hinter der Tür. Oscar ging zu dem Portrait ihrer Mutter und betrachtete es eine Zeitlang. Die einzige Ähnlichkeit, die sie fand, bestand nur in den langen, blonden Haaren und den blauen Augen. Mehr Ähnlichkeit erkannte sie beim besten Willen nicht. Ihre Mutter war so anders als sie gewesen. Sie strahlte auf diesem Bild eine innerliche Ruhe, sowie totale Zufriedenheit aus… Oscar seufzte und ging zu ihrem Sessel. Ohne nachzudenken ließ sie sich darin nieder. Doch gleich darauf richtete sie sich fluchend wieder auf. Wie konnte man denn bitte in diesen Kleidern sitzen, ohne das einem die Kleiderfalten um die Ohren schlugen und die Korsage dazu einem zusätzlich die Luft abschnürte? Oscar ging zu ihrem Bett und versuchte dort ihr Glück. Es klappte. Glücklich streckte sie ihre Beine von sich. Diese Beinfreiheit war ihr völlig fremd. Sie vermisste die engen Hosen und die festen Stiefel. Nach einigen Minuten begann die Korsage zu stechen und Oscar stand genervt wieder auf. Wie konnten die Frauen nur so etwas tragen? Das war die reinste Qual. Mit langsamen Schritten lief sie zu ihrem großen Fenster und sah hinaus. Die Sonne war schon am untergehen. Wie lange hatten sie denn nur gebraucht? Es war ihr gar nicht so lange vorgekommen… Ob André schon wieder zurück war? Was er wohl sagen würde, wenn er sie so sähe? Er würde bestimmt lachen… Sie fühlte sich jedenfalls lächerlich in diesem Kleid. Oscar schüttelte den Kopf. Was war denn nur los mit ihr? Sie verstand es einfach nicht. Andauernd schweiften ihre Gedanken zu ihm ab. Ob sie es wollte oder nicht. Es war einfach verhext… Oscar bemerkte, dass sie seine Anwesenheit vermisste. Fühlte sich ohne ihn an ihrer Seite irgendwie einsam. Alleine. Er war doch schon so etwas wie ihr Schatten. Ihre zweite Hälfte. Immer treu an ihrer Seite… Sie konnte immer auf ihn zählen. Und nun?… Ihr Herz begann wieder zu rasen. Oscar erinnerte sich an den Kuss, welchen André ihr geraubt hatte und berührte gedankenverloren ihre Lippen. Weich und sanft hatte er sie geküsst. Zärtlich und zugleich fordernd. Sie bekam wieder dieses seltsame Gefühl in der Bauchgegend. Dieses sonderbare Kribbeln. Sie versuchte eine passende Beschreibung für dieses Kribbeln zu finden. Es war… Als würden tausend Schmetterlinge sich dort ausbreiten. Oscar traf es wie ein Schlag ins Gesicht. Die Erinnerung an das Gespräch mit der Dauphine tauchte wie ein Blitz in ihren Erinnerungen auf. ´…Wenn die Berührung des Anderen einem Schmetterlinge in den Bauch zaubert…` –Verliebt-… War sie etwa verliebt?!… Nein! Sicher nicht. Sie schüttelte heftig den Kopf, um diesen verrückten Gedanken loszuwerden. Das konnte unmöglich sein. Es war verrückt und vor allem war es verboten. Es würde sie alles kosten, wenn sie sich in André verlieben oder eine Liaison mit ihm eingehen würde. Ihren Stand. Ihren Titel. Einfach alles… Oscar wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Sie konnte sich doch nicht in ihren besten Freund verliebt haben? Ihren Freund seit Kindstagen an… Das war einfach absurd, dieser Gedanke. Doch dieses Gefühl der tausend Schmetterlinge blieb. Egal, was sie versuchte sich einzureden. Aufgewühlt fuhr Oscar sich erst übers Gesicht und dann durch ihr Haar, als eine Kutsche durch das Tor fuhr. Er war da. Wenige Minuten später kam Sophie in das Zimmer. »Graf Girodel ist soeben mit Eurem Vater in den Salon gegangen«, berichtete sie und sah Oscar an, welche nur nickte. »Lasst sie nicht zulange warten.« »Nein. Nur einen Moment noch…« Oscar wand ihren Blick von Sophie ab und blickte wieder aus dem Fenster. Ihr war jetzt wirklich nicht danach, dem Grafen zu begegnen. »Lasst uns gehen«, meinte Sophie nach wenigen Minuten und Oscar kam seufzend zur Tür, damit sie gemeinsam nach unten gehen konnten. Doch an der großen Treppe war Schluss. »Wie soll ich bitte damit die Treppe herunter kommen?«, fragte Oscar und zeigte auf das Kleid. »Hebt es etwas vorne an. Geht langsam und es klappt.« Oscar brummte etwas Unverständliches vor sich hin, hob das Kleid vorne an und begann langsam die Treppe hinab zu laufen. Vor dem Salon blieb Oscar erneut stehen. Doch ihre Hand wollte sich patu nicht heben, um anzuklopfen. »Jetzt macht schon«, flüsterte Sophie. »Ich sehe lächerlich aus. Der Graf wird lachen«, flüsterte Oscar zurück. »Paperlapap. Er wird hingerissen sein von Euch und Stolz, Euch zur Frau zu bekommen.« Oscar rollte die Augen. Klopfte jedoch nicht. Bevor sie reagieren konnte, hob Sophie den Arm und es ertönte ein kurzes Klopfen. Böse funkelte Oscar sie an. »Es ist nur zu Eurem Besten«, flüsterte diese, ehe von drinnen die Stimme ihres Vaters erklang und herein bat. Leise schloss Oscar die Tür hinter sich und blickte dann in den Raum. Ihr Vater und Graf Girodel hatten es sich an dem kleinen Tisch mit seinen bequemen Sesseln gemütlich gemacht und tranken ein Glas Wein. Doch kaum hatte sie sich richtig in deren Richtung umgedreht, stand Graf Girodel auf. Ihr Vater und er sahen sie an. Was hätte sie nur dafür gegeben, jetzt ihre Uniform anzuhaben… Sie fühlte sich so nackt. So lächerlich. Der General betrachtete seine Tochter eingehend. Welch fremdlicher Anblick, dachte er und fand, das sie ihrer Mutter sehr ähnlich sah. Das war ihm vorher gar nicht aufgefallen durch die Uniform. Sie war wirklich eine junge, hübsche Frau geworden. Ihn überkamen Zweifel, ob es richtig gewesen war, Oscar als Mann groß zu ziehen. Graf Girodel war hingerissen von Oscar. Er war davon ausgegangen, das sie in ihre Uniform oder ähnlichem hier herein kommen würde. Aber das Oscar ein Kleid tragen würde… Einfach bezaubernd. Er konnte seinen Blick gar nicht von ihr nehmen. Ihr Antlitz fesselte ihn. Raubte ihm den Atem. Hieß das, da sie dieses Kleid trug, das sie seinen Antrag annahm? Sie seine Frau werden würde? Sie zu ihm gehören würde? »Guten Abend, Graf«, begrüßte Oscar ihn freundlich. »Guten Abend, Lady Oscar. Erlaubt mir diese Bemerkung, aber Ihr seht bezaubernd aus.« Oscar konnte darauf nur matt lächeln. Sie hatte das Gefühl, als klebte ihre Zunge am Gaumen. »Setzten wir uns doch wieder«, bemerkte der General und sie setzten sich. Oscar hoffte nur, dass sie in diesen Sessel hineinkam und es nicht so endete, wie in ihrem Zimmer eben. Langsam ließ sie sich darin nieder und es funktionierte. So einigermaßen zumindest. Sie versuchte dem nun wieder aufgenommenen Gespräch zwischen ihrem Vater und dem Grafen zu folgen, doch ohne großen Erfolg. Mit ihren Gedanken war sie ganz wo anders. Bei André und der Frage, ob sie sich wirklich verliebt hatte. Wie konnte sie sagen, dass sie verliebt war, wenn sie dieses Gefühl doch gar nicht kannte? Wie konnte sie sich sicher sein? Wie konnte sie eine Antwort finden? Als ihr Vater aufstand und sich entschuldigte, kehrte Oscar in die Realität zurück. »Das ist sehr freundlich von Eurem Vater, sich zurück zu ziehen.« Wieder lächelte Oscar nur und nickte. »Euer Vater hat Euch sicherlich in Kenntnis gesetzt über den Grund meines Kommens.« »Ja Graf. Das hat er.« »Nun…«, begann er. »Ihr müsst wissen, dass Ihr mir seit unserem ersten Treffen nicht mehr aus dem Kopf geht. Ihr fasziniert mich. Verzaubert mich.« Er machte eine kurze Pause. »Ich möchte Euch nicht zur Ehe zwingen, Lady Oscar. Deshalb überlasse ich es Euch, ob es zwischen unseren Familien zu einer Verbindung kommt… Natürlich gäbe es ein paar Veränderungen in Eurem Leben, wenn Ihr zustimmt.« »Ihr sprecht die Garde an.« Oscar sah ihn an. »Richtig. Ihr versteht, dass es Euch damit nicht mehr möglich ist, Hauptmann der Garde zu sein.« »Weil ich dann Eure Frau wäre und Ihr den Posten übernehmt«, meinte Oscar spitz. Graf Girodel lächelte. »Wenn Ihr es wünscht Lady Oscar, werde ich den Posten nicht annehmen. Was vielleicht nicht ganz der Vorstellung Eures Vaters entspricht. Aber das wäre zweitrangig.« Oscar erhob sich aus ihrem Sessel und ging ein paar Schritte. »Habt Ihr in Versailles diese Angelegenheit verbreitet?«, verlangte sie zu erfahren. Jetzt war ihre Stimme wieder die eines Hauptmanns. »Nein. Ich schwöre es Euch bei meinem Leben. Ich habe keinem etwas erzählt. Selbst meiner eigenen Familie nicht.« Oscar wusste nicht warum, aber sie glaubte ihm. Er war einfach nicht der Typ Mann, der mit Intrigen versuchte, an sein Ziel zu kommen. »Ich war schon eine Weile nicht mehr in Versailles. Was wird am Hof genau erzählt?«, wollte er wissen. »Nun. Das ich heirate.« Oscar drehte sich zu ihm um. »Und man munkelt, dass Ihr derjenige seid, den ich heiraten werde.« Girodel sah überrascht aus. »Ich habe wirklich mit niemanden darüber gesprochen. Das müsst Ihr mir glauben.« »Ich glaube Euch, Graf«, nickte Oscar. Eine kleine Pause entstand. »Sagt, Lady Oscar. Habt Ihr eine Entscheidung getroffen? Wollt Ihr meine Frau werden?« Er kam auf sie zu. »Graf. Ich…« Ja… Was sollte sie nun sagen? Würde sie seine Frau werden? Wollte sie seine Frau werden? Hatte sie sich überhaupt schon entschieden? Gab es für sie überhaupt die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen? War es nicht schon eine beschlossene Tatsache?… Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Graf Girodel ihre Hand in die Seine nahm. »Bitte Lady Oscar. Egal wie Eure Antwort aussieht. Sagt sie einfach frei heraus.« Oscar sah nach unten zu seiner Hand, welche ihre warm umschlossen hielt. Nichts… Da war rein gar nichts… Seine Berührung löste kein Kribbeln in ihr aus. Keine Schmetterlinge. Kein Herzrasen. Nichts. Hatte sie ihre Antwort gefunden?… »Ich habe mich entschieden, Graf Girodel.« Oscar löste vorsichtig ihre Hand aus seiner und hoffte, dass sie das Richtige tat. »Es tut mir leid, Graf. Aber… Ich kann nicht Eure Frau werden.« Sie entfernte sich abermals zwei Schritte von ihm und drehte sich dann erneut zu ihm um. Sie konnte kaum glauben, was sie gerade tat. Sie widersetzte sich ihrem Vater. Und dieses Mal war es keine Banalität. »Versteht mich. Ich könnte Euch niemals die Frau sein, die Ihr verdient… Ich würde mein Herz betrügen.« »Ihr liebt einen Anderen. Richtig?« Graf Girodel trug es mit Fassung. Es schien fast so, als hätte er ihre Antwort schon erahnt. »Ich… Es tut mir wirklich leid.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und rannte, ungeachtet des Kleides, hinaus. Vor der Tür stieß sie fast mit ihrem Vater zusammen, der gerade im Begriff war, wieder in den Salon zu kommen. »Oscar! Wo willst du hin?«, brüllte er ihr nach. »Du kannst doch nicht Graf Girodel hier alleine stehen lassen.« Er trat in den Salon, in dem Girodel alleine stand und auf seine Hand sah. »Graf. Was ist passiert?« »General. Es scheint, als ob sich Oscar entschieden hat.« Er sah ihn lächelnd an. »Sie hat zugestimmt?« Stirnrunzelnd sah er zur Tür. »Aber warum-« »Nein, General. Sie hat abgelehnt.« »WAS!?« Er fuhr zu ihm zurück. »Wie kann sie es wagen!« »Bitte General. Ich bin ihr nicht wirklich böse deswegen«, entgegnete Girodel ruhig. »Ich muss gestehen, dass ich mit dieser Antwort irgendwie gerechnet habe. Das sie jedoch einen anderen Mann liebt… Das hätte ich nicht vermutet.« »WAS?!« General Jarjayes sah Graf Girodel fassungslos an. Er konnte nicht glauben, was er da gerade hörte. Graf Girodel lächelte. »Ein entflammtes Herz kann man eben nicht erobern? Es war ein Wunschtraum von mir, dass Lady Oscar meine Frau werden würde… Bitte seid nicht zu streng mit ihr.« Er verneigte sich zum Gruß und ließ den fast vor Wut überschäumenden General alleine im Salon stehen. -Fortsetzung folgt-... 6 - Oscar war zum Hinterausgang des Hauses gerannt, was mit diesem Kleid wirklich ein Akt war. Schwer atmend lehnte sie sich draußen an die Hausfassade und versuchte Luft zu bekommen. War es wirklich richtig gewesen, was sie gerade getan hatte?… Doch bevor sie sich weiter darüber Gedanken machen konnte, hörte sie von drinnen zwei Stimmen, welche zur Dienerschaft gehörten. Es wurde der Befehl weitergeleitet, die Kutsche des Grafen vorfahren zu lassen. Oscar löste sich von der Fassade und lief eilig hinüber zum Stall, bevor sie jemand sehen konnte. Erstmal wollte sie sich dort verstecken, bis der Graf fort war. Dann wollte sie nur noch weg von hier. Ihr Vater war sicherlich sehr wütend auf sie. Und bevor er etwas unüberlegtes tat, ging sie ihm erst einmal aus dem Weg. Um eine Bestrafung würde sie eh nicht herum kommen. Das war ihr klar. Doch es war besser, wenn ihr Vater sich erstmal etwas beruhigte. Wenn er das überhaupt tat. Kaum das Oscar sich im Stall hinter den aufgetürmten Heuballen versteckt hatte, hörte sie, wie der Diener in den Stall trat, das Pferd aus der Box herausholte und nach draußen führte. Sie hörte das Geschirr klirren, als er es dem Pferd überzog. Kurz darauf holperte die Kutsche in Begleitung der Pferdehufe in Richtung Haupteingang. Wenige Augenblicke nachdem die Kutsche mit dem Grafen das Anwesen verlassen hatte, hörte Oscar die erzürnte Stimme ihres Vaters, welcher immer wieder lauthals ihren Namen rief. Er suchte sie. Und er war mehr als wütend. Seine vor Wut bebende Stimme kam immer näher an den Stall heran, bis die Stalltür aufgerissen wurde und der General in ihr stand. Erneut ertönte seine donnernde Stimme, die ihren Namen rief. Doch Oscar blieb im Verborgenen. In diesem Zustand brachte es wirklich nichts, ihm gegenüber zu treten. Er würde sie nicht zu Wort kommen lassen. Ihr Vater rief noch zweimal nach seiner Tochter, ehe er sich umdrehte, die Stalltür zuknallte und mit einem erneut Rufen ihres Namens zurück ins Haus stürmte. Oscar atmete langsam aus. Weg. Sie musste hier weg. Hier schnürte ihr alles die Luft ab. Nach einem Moment zog sie, vorsichtig und immer mit einem Ohr auf der Hut, ihrem Schimmel das Halfter über den Kopf. Dann sattelte sie die Stute in Windeseile. Leise öffnete Oscar die Stalltür, welche sich mit einem lauten Knarren nach außen auf schwang und sah sich um. Alles lag ruhig vor ihr. Sie ging zurück in den Stall, stieg durch das Kleid mehr als ungeschickt auf das Pferd und begann zu fluchen. Die Korsage stach ihr unangenehm in den Oberkörper und hinderte sie ordentlich atmen zu können. Oscar versuchte etwas an dem Korsette zu zerren, doch es half nichts. Das Stechen und die Atemnot blieb. Sie verdrehte die Augen und brummte widerwillig leise vor sich hin. Dann musste es eben so gehen. Sie nahm die Zügel in die Hände und trieb dem Pferd die Fersen in die Seite. Mit einem erschreckten Schnauben sprang der Schimmel davon. Die Bäume rauschten an ihr vorbei, ohne dass Oscar diese wirklich wahrnahm. Stur trieb sie ihre Stute an, immer schneller zu laufen, um möglichst schnell eine große Distanz zwischen sie und das Anwesen ihrer Familie zu bringen. Erst als das geschehen war, verlangsamte sie und ließ das Pferd im Schritt gehen. Erneut kreisten ihre Gedanken um ihre Entscheidung. Was hatte der Graf zu ihrem Vater gesagt? Was hatten beide noch gesprochen? Hatte er ihm gesagt, dass er glaubt, dass sie einen anderen liebte?… Oscar seufzte. Wieder kam ihr die Frage in den Sinn, wie sie sagen konnte, dass sie verliebt war, wenn sie dieses Gefühl doch nicht kannte? Was war das für ein Gefühl, welches sie für André empfand. Es war tiefe Zuneigung. Das konnte sie mit Sicherheit sagen. Doch was war mit dem Schmetterlingsgefühl? Das Kribbeln? Das Herzrasen? Und warum kamen erst jetzt diese Gefühle zum Vorschein? War nur dieser eine Kuss schuld daran, dass sie sich nun in den Vordergrund drängten? Oder waren diese Gefühle einfach nur Einbildung? Was würde passieren, würde es einen zweiten Kuss geben?… Oscar seufzte. Wenn sie den Worten der Dauphine glauben konnte, war es Liebe… Die Stute schnaubte und schüttelte den Kopf. Oscar schreckte aus ihren Gedanken und ihr Blick wanderte umher. Wo war sie nur hin geritten? Die Lichtung… Ohne Nachzudenken hatte sie ihre weiße Stute hierher gelenkt. Und. Sie war nicht alleine hier. André saß seit einer Ewigkeit hier auf der Lichtung im Gras. Die Sonne war schon weit nach unten gesunken und schien durch die hohen Bäume hindurch. Doch er konnte nicht nach Hause… Was hieß eigentlich zu Hause? War es denn noch ein zu Hause für ihn? Wollte er dort noch wohnen?… Nun. Zumindest musste er erst einmal zurück. Alles Weitere würde er dann sehen… Ob Oscar dem Grafen schon ihre Zustimmung gegeben hatte? Würde sie mit ihrem Vater und seinem Rivalen jetzt zusammen sitzen und gemütlich etwas trinken. Auf die Verbindung der zwei Häuser anstoßen und womöglich noch etwas dazu essen? André schüttelte traurig den Kopf. Er musste Oscar aus seinem Gedächtnis streichen. Müde stand er auf. Sein Pferd brauchte Futter. Den ganzen Tag war es nun mit ihm unterwegs ohne eine Belohnung. André griff nach den lose hängenden Zügeln und klopfte ihm freundschaftlich auf den Hals. »Komm mein Guter. Wir reiten nach Hause.« Das Tier schnaubte zustimmend und spitzte dann die Ohren. Es hörte, wie sich jemand näherte. Auch er hörte es. André drehte sich in die Richtung, aus der die Geräusche kamen und blieb wie festgenagelt stehen. Oscar kam auf die Lichtung geritten. Wenige Meter entfernt von ihm hielt sie die Stute an und versuchte irgendwie vom Pferd zu kommen. Er musste lächeln. Sie schien wohl ein klein wenig Probleme zu haben mit dem Kleid… Kleid?! Erst jetzt wurde ihm klar, was sie anhatte. Aber warum hatte sie ein Kleid an? Aber vor allem. Warum war sie hier? »Verdammt noch mal«, fluchte Oscar, als sie stolpernd den Boden erreichte. »Dieser blöde Fetzen.« »Was machst du hier?«, fragte André verwirrt. »Warum bist du nicht bei deinem Vater?« Mit Absicht nannte er nicht den Namen des Grafen. André betrachtete Oscar, wie sie nun vor ihm stand und war von neuem entflammt. Das blaue Kleid, welches sie irritierender Weise trug, betonte ihren schlanken Körper. Ihre blonden, langen Haare. Einfach alles an ihr. Und es ließ Einblicke zu, welche ihn fast um den Verstand brachten. »Ich muss erst mal wieder zu Luft kommen«, stöhnte sie und zog an der Korsage herum. »Dieses Ding bringt mich um.« »Warum hast du dieses Kleid an?« »Das war eine Idee meines Vaters«, verdrehte Oscar die Augen. »Um zu gefallen.« »Ja… Das tut es in der Tat.« André konnte sich diesen Kommentar einfach nicht verkneifen und lächelte. »Sehr sogar.« »Bitte… Deswegen bin ich nicht hier.« »Bist du hier, um Abschied zu nehmen? Fährst du gleich mit ihm nach Hause?« Eifersucht war nun deutlich in seiner Stimme zu hören und das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. »Nein«, lächelte Oscar nun liebevoll und André zog verwundert die Augenbrauen hoch. »Mir ist in den letzten Stunden etwas klar geworden.« Sie ging auf ihn zu und André hatte das Gefühl, als schlug ihm das Herz bis in den Hals. Wenn sie noch etwas näher kam, konnte er für nichts garantieren. »Was ist dir klar geworden?«, hakte André nach. Irgendwie war Oscar komisch. »Etwas, das mir schon längst hätte klar werden müssen. Doch ich war zu sehr mit mir und der Dauphine beschäftigt. Habe zu sehr für andere gelebt.« André verstand gar nichts von dem, was sie gerade sagte. Was wollte sie ihm nur vermitteln? Oscar trat noch etwas näher an ihn heran. Jetzt konnte er ihren Duft von Rosenblüten riechen, welcher ihm so vertraut war. Als sie dann eine Hand hob und sie ihm auf die Brust legte, wurde es ihm zu viel. André drehte sich abrupt um und ging ein paar Schritte. Er brauchte Abstand. Seine Gefühle spielten verrückt. Waren im Begriff ihn zu übermannen. »Warte!… Bitte«, bat Oscar. André blieb stehen. Drehte sich aber nicht wieder um. Seine Brust brannte heiß an der Stelle, wo ihre Hand ihn eben berührt hatte. Wie konnte er je daran gedacht haben, sie zu vergessen? Sie aus seinen Erinnerungen zu verbannen? Sie hatte sich doch förmlich in sein Herz gebrannt. War tief verankert. Oscar überwand die kleine Distanz zwischen ihnen. »Als Graf Girodel meine Antwort hören wollte, ist mir klar geworden, dass ich ihn nicht heiraten kann. Egal, was mein Vater davon hält. Egal, welche Strafe auf mich wartet.« Sie machte eine kleine Pause, ehe sie flüsternd weiter sprach.»Denn… Ich… Liebe dich, André«, flüsterte sie leise. André stand da, wie vom Blitz getroffen. Unfähig sich zu rühren. Unfähig etwas zu sagen. Hatte er Tagträume? Spielte eine Fantasie ihm einen bösen Streich?… Nein! Er spürte wie Oscar ihm von hinten ihre Arme um den Oberkörper legte. Spürte, wie sie ihren Kopf an seinen Rücken lehnte. Nein! Er träumte nicht. Es war real! »Du sagst gar nichts«, meinte Oscar dann nachdenklich. »Ich kann mir gut vorstellen, dass es für dich jetzt bestimmt mehr als überraschend kommt… Aber bitte glaube mir. Mir geht es nicht anders. Ich muss mich erst an diese Gefühle gewöhnen. Muss erst meine Gedanken ordnen und über meine Ängste springen. Es ist ein schwerer Schritt. Doch es ist mir ernst André. Egal aus welchen Ständen wir kommen. Egal, welche Konsequenzen auf mich zukommen mögen. Ich habe meinen eigenen Weg erkannt und gewählt und möchte ihn gehen. Mit dir. Wenn du noch möchtest.« »Ich… bin sprachlos.« André löste die Umarmung und drehte sich zu ihr um. Blaue Diamanten strahlten ihn an. Sahen zu ihm auf. Noch während er überlegte, was er als nächstes sagen sollte, küsste Oscar ihn. Instinktiv schlang er seine Arme um ihren in Seide gehüllten Körper und zog Oscar an sich heran. In diesem Moment war er der glücklichste Mann auf Erden. Die Sonne war schon zur Hälfte hinter den Wäldern untergegangen, während General de Jarjayes an seinem Fenster im Arbeitszimmer stand und seine Pfeife rauchte. Er konnte es noch immer nicht fassen, was Oscar getan hatte. Was war nur in sie gefahren? Er kochte innerlich vor Wut. Graf Girodel war wirklich eine sehr gute Partie gewesen. Warum sonst hatte er in Versailles das Gerücht von dieser Verbindung verbreiten lassen? Damit Oscar ihn heiratet. Und was machte sie? Verweigerte es. Dieses Kind! Konnte sie nicht das tun, was man von ihr verlangte? Er hatte ihr zwar gesagt, das man ihr die Entscheidung überlies. Doch das mit dem Kleid hätte sie verstehen müssen… Er holte ein paar Mal tief Luft, um nicht gleich wieder in Rage zu geraten. Wie konnte sie ihm das nur antun?… Diese Schande… Er überlegte einen Moment. Was hatte der Graf gesagt? Ein entflammtes Herz kann man nicht erobern? Was sollte das heißen? Das Oscar verliebt war? In wen? Angestrengt dachte der General nach, wer in Frage kommen konnte, doch kein Name fiel ihm ein. Bis auf einen; André. Nein, schüttelte er heftig den Kopf. So tief würde Oscar niemals sinken. Niemals würde sie ihre Familie, sowie ihren Stand verraten. Niemals würde Oscar eine Liaison mit einem Stallburschen eingehen… Oder etwa doch? Nein, schüttelte er wiederholt den Kopf. Dafür war sie zu streng erzogen worden. Sie kannte die Strafe dafür, wenn so eine Liaison ans Tageslicht kommen würde… Der General wollte sich an seinen Schreibtisch begeben, als er in einiger Entfernung zwei Reiter sah. Sie kam nach Hause. Er klopfte den Tabak aus seiner Pfeife und legte diese dann auf seinem Schreibtisch. Jetzt konnte Oscar etwas erleben… Er ging strammen Schrittes zur Zimmertür, trat hinaus in den Flur und stürmte fast die große Treppe hinunter zum Nebeneingang. Die Dienerschaft, welche er unterwegs fast umrannte interessierte ihn nicht. Auch ihre irritierten Blicke. Einzig der Gedanke, schnell zum Stall zu kommen, beherrschte ihn. Der General kam in dem Moment am Stall an, als André an Oscars Pferd trat und ihr beim absteigen half. »Oscar!«, donnerte der General, kaum das seine Tochter die Erde mit ihren Füßen berührt hatte. »Wie kannst du es wagen?!« »Was?!« Erschrocken drehten sich Oscar und André zu ihrem überschäumenden Vater um, welcher auf sie zu gestürmt kam. Reflexartig ließen sie sich los und traten einen Schritt auseinander. =Bamm= Kaum bei Oscar angekommen, holte der General aus und Oscar erhielt ihre zweite Ohrfeige an diesem Tag. »Ich kann es nicht glauben, was du getan hast!«, schrie er. »Wie kannst du es nur wagen? Was ist nur in dich gefahren?« »Ich…«, begann Oscar. Wurde aber von ihrem Vater unterbrochen. »Diese Schande! Warum hast du diesen Antrag abgelehnt? War ich nicht deutlich genug? Hätte ich es dir aufschreiben müssen?« Der General hatte mittlerweile einen hochroten Kopf vom brüllen. »Warum musstest du zu einer Lüge greifen, um den Antrag des Grafen abzulehnen?« »Bitte Vater. Ich-«, setzte Oscar neu an. Wurde jedoch wiederholt unterbrochen. »Ich will nichts mehr hören von dir! Es ist eine Schande, dich als Tochter zu haben.« Er machte eine kurze Pause. Starrte erst Oscar an. Dann traf sein Blick André. »Hast du nichts zu tun, André?«, bellte er ihn an. »Oder warum stehen die Pferde noch hier im Hof? Mach, wofür du bezahlt wirst!« André zuckte erschrocken zusammen und nickte. Schnell griff er nach den Zügeln und ging mit den Pferden in den Stall. »Vater, bitte. Lasst-«, versuchte es Oscar erneut. Doch ihr Vater schnitt ihr wieder ins Wort. »Du hast Hausarrest die nächsten drei Wochen. Und solltest du nicht genug ausgelastet sein, dann verbessere deine Fechtkünste, anstelle dir Lügen auszudenken und deiner Familie Schande zu bereiten.« Er seufzte. »Geh mir aus den Augen. Ich will dich heute nicht mehr sehen.« Der General drehte sich um, um ins Haus zurück zu gehen. »Bitte Vater. Lasst es mich doch erklären.« Doch ihr Vater beachtete sie nicht mehr. Er setzte sich, ohne sie angehört zu haben in Gang und lief zurück ins Haus. -Fortsetzung folgt- 7 - Erstmal ein dickes SORRY, das es soooo lange gedauert hat, bis ein neues Kapitel online geht. Ist ne lange Geschichte.... Nun aber ist es soweit. Es geht endlich weiter! Muss leider gestehen, dass ich das Kapitel nicht besonders mag. (Liegt vielleicht daran, das ich so lange dafür gebraucht habe ^^) Hoffe es gefällt Euch ein wenig. Lieben Dank für all die Favos und die lieben Kommis!^^ Jetzt aber genug von mir^^ Viel Spaß beim lesen! ---------------------------------------------------------------------------- Oscar sah ihren Vater hinterher. Sie hatte gehofft, dass ihr Vater sich etwas beruhigen würde. Doch dem war wohl nicht so. Seine Worte schmerzten sie. War sie nicht trotz allem seine Tochter? Sein Fleisch und Blut. Konnte er sie nicht verstehen? Oder wollte er sie nicht verstehen? Oscar sah einen Moment über die Schulter zum Stall hinüber, ehe sie sich in das Haus begab. Es wäre jetzt nicht sinnvoll gewesen, zu André in den Stall zu gehen. In der Küche war Sophie am hantieren. Eifrig rührte sie in den Töpfen, als Oscar den Raum betrat. »Da seid Ihr ja wieder«, begrüßte das alte Kindermädchen die junge Frau. »Ja. Da bin ich wieder«, wiederholte Oscar leise. Sophie drehte sich zu ihr um. «Sagt Kind. Was habt ihr Euch nur dabei gedacht? Euer Vater war außer sich. Wie konntet Ihr ihn nur so vor den Kopf stoßen? Ihn so demütigen?« »Bitte!?« Oscar sah Sophie überrascht an, während sie sich an den Holztisch setzte. »Euer Vater möchte doch nur das Beste für Euch. Der Graf wäre ein wundervoller Ehemann für Euch gewesen. Er liebt Euch von Herzen. Er-« »Ich ihn aber nicht«, fiel Oscar Sophie ins Wort. »Was hat es denn damit zutun? Liebe ist nie im Spiel. Das wisst Ihr doch, Lady Oscar. Es geht um wichtigeres.« Oscar lachte kurz auf. »Aber natürlich. Wie konnte ich es vergessen. Einfluss und Wohlstand. Das ist das Wichtigste«, sagte sie dann bitter und stand wieder auf. »Wollt Ihr es denn nicht verstehen? Euer Vater hat lange mit sich gerungen, ob er Euch überhaupt verheiratet. Ihr seid doch sein einzigstes Kind. Er möchte doch nur, dass es Euch gut geht, wenn er einmal nicht mehr da ist. Das Ihr sicher seid.« Oscar schüttelte den Kopf. Sie wollte das alles nicht hören. Es ging immer nur um ihren Vater. Was er wollte und was er für das Beste hielt. Aber was war denn mit ihr? Sie war doch auch ein Mensch. Sie hatte doch auch eigene Vorstellungen. Und es war doch ihr Leben. »Manchmal seid Ihr wirklich undankbar«, meinte Sophie traurig. »Euer Vater hat sich so viel Mühe gegeben. Und ihr dankt es ihm, in dem ihr ihn vor den Kopf stoßt und davon lauft.« »Ich bin weder weggelaufen, noch bin ich undankbar«, presste Oscar hervor. »Ich brauchte lediglich etwas Ruhe… Und obendrein ist es mein Leben, Sophie!« Damit drehte sich Oscar um und verließ wütend die Küche. Sie hatte schon fast vergessen, dass sie dieses Kleid trug, bis sie sich der Treppe näherte und begann sie eilig hinauf zu schreiten. Nach zwei Stufen kam sie ins straucheln und fiel hin. Fluchend stand Oscar wieder auf, raffte nicht ganz elegant die Röcke und marschierte dann die Stufen weiter nach oben in ihr Zimmer. Kaum war die große, hölzerne Tür hinter ihr ins Schloss gefallen, zerrte Oscar an dem Kleid herum, um es auszuziehen. Doch es löste sich nicht. Nicht einen Millimeter. Alles blieb eisern an seinem Platz. Nach etlichen erfolglosen Minuten gab sie es mit einem genervten Aufschrei auf. Das konnte doch nicht wahr sein. Wütend warf sie sich auf ihr Bett und starrte an die Decke ihres Himmelbettes. »Undankbar… Pah!«, wiederholte sie und kreuzte die Arme vor der Brust. Warum sollte es undankbar sein, wenn man für sich selbst bestimmte? Einige Zeit später klopfte es leise an ihre Zimmertür. »Ich will meine Ruhe haben!«, rief Oscar genervt vom Bett aus. »Lasst mich allein!« »Oscar?« Andrés Stimme drang in den Raum. »Darf ich herein kommen?« »Natürlich. Ich bin im Schlafzimmer«, entgegnete sie nun freundlich und richtete sich auf. »Ich möchte dich nicht stören.« André trat in den Raum. »Nein. Ist schon gut… Ich bin froh, dass du hier bist.« Sie deutete auf das Bett. »Setz dich.« »Großmutter Sophie ist in der Küche am meckern«, lächelte André und setzte sich zu ihr auf das Bett. »Irgendwelches unverständliches Zeug. Dachte, ich zieh mich da lieber zurück.« »Von mir aus kann sie den ganzen Abend vor sich hin meckern«, brummte Oscar und starrte finster zu Boden. »Hat dir dein Vater noch eine lange Predigt gehalten?«, wollte André wissen. »Nein.« Oscar hob ihren Blick und sah ihn an. »Er hat noch ein wenig geschimpft. Hat mir Sondertraining im Fechten angeordnet. Dann ist er ins Haus zurück.« »Er war wirklich wütend. So habe ich ihn noch nie erlebt.« »Das er dich so angefahren hat, tut mir leid.« André winkte ab. »Vergiss es. Nicht so wild. Mir tut es eher leid, dass ich dich dort habe allein stehen lassen. Ich dachte nur, es wäre besser gewesen ihn nicht noch mehr zu reizen.« Sie schwiegen einen Moment und Oscar lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Es tat gut, sich einfach mal anzulehnen. Sein typischer Geruch nach Pferden und Heu drang ihr in die Nase und sie seufzte. »Was meinst du, wird dein Vater noch unternehmen?«, fragte André nach einer Weile. »Ich weiß es nicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass er nun ein besonderes Auge auf mich haben wird… Wir müssen aufpassen.« »Das werden wir.« André küsste Oscars Scheitel und legte ihr einen Arm um den Oberkörper. Oscar kuschelte sich an ihn und genoss einfach dieses neue, wunderbare Gefühl. Sophie war, ohne das es einer der Beiden mitbekommen hatte, in das Zimmer von Oscar gekommen. Sie hatte eine Tasse heiße Schokolade in der Hand, welche sie eigentlich Lady Oscar bringen wollte. Doch Sophie war ungewollt in das vertraute Gespräch ihrer zwei Schützlinge geraten. Obwohl sie nicht lauschen wollte, konnte sie das Zimmer nicht verlassen. Sie sah die Schatten der Zwei auf dem dunklen Boden im Licht der Kerzen flackern. Sah die Umarmung der Zwei. Das alte Kindermädchen spürte wie sich Freude in ihr ausbreitete. Sie hatte schon lange den Verdacht, dass ihr Enkel sich in Oscar verliebt hatte. Hatte seine Blicke bemerkt, welche er Oscar zuwarf, wenn er dachte, er wäre unbeobachtet. Doch sie hatte nie zu hoffen gewagt, dass sein tiefster Wunsch in Erfüllung gehen würde. Und nun… Nach all den sehnsuchtsvollen Jahren wurden seine Träume wahr. Jedoch befürchtete Sophie großes Unheil. So schön es auch war. Es konnte nicht gut enden… Oder vielleicht doch?… Sophie trat leise zurück an die Zimmertür und klopfte dieses Mal lauter an. »Lady Oscar. Seid Ihr hier? Ich habe Euch eine heiße Schokolade gemacht!«, rief sie dann und ging diesmal mit festen Schritten weiter in das Zimmer hinein. »Bin im Schlafzimmer«, antwortete Oscar etwas genervt. Sophie trat in das Schlafgemach. Oscar saß nun auf der Bettkante, während André am Bettenden stand. »André. Was machst du in Lady Oscars Schlafgemach?«, zeterte Sophie. »Das geht doch nicht. Raus mit dir!«, scheuchte sie ihren Enkel aus dem Raum, trat an das Bett heran und stellte die Tasse Schokolade auf den kleinen Tisch daneben. »Danke Sophie«, meinte Oscar dann etwas freundlicher. »Das wäre nicht nötig gewesen, das Ihr mir etwas zu trinken bringt.« »Sie wird Euch gut tun. Wenn Ihr schon nicht zum essen gekommen seid«, bemerkte Sophie dann etwas spitz. »Hatte einfach keinen Hunger.« »Heute hat hier im Haus keiner Hunger«, seufzte Sophie. »Alles um sonst zubereitet.« »Es tut mir leid, Sophie.« »Schon gut… Trinkt wenigstens die Schokolade. Damit ich diese nicht auch noch um sonst gemacht habe.« »Das werde ich«, nickte Oscar darauf und ihr tat Sophie plötzlich leid. Sie machte sich immer so viel Mühe mit dem Essen. »Ich bin jedoch nicht nur wegen dem Getränk hier herauf gekommen.« Das alte Kindermädchen zeigte auf Oscar. »Ich wollte Euch auch aus dem Kleid helfen.« Oscar nickte erneut. »Das wäre wunderbar. Ich bekomme es nämlich alleine nicht aus.« Die alte Frau lächelte liebevoll. »Das dachte ich mir schon.« Oscar griff nach der Tasse und trank einen Schluck, während Sophie an den großen Kleiderschrank trat und nach passender Kleidung suchte. Oscars Gedanken kreisten um sie und André. Ob Sophie etwas mitbekommen hatte? Sie sah zu ihrem alten Kindermädchen, die, wie so oft, den Kleiderschrank durchforstete. Wohl kaum? André war des öffteren in ihrem Zimmer. Auch zu später Stunde. Das war ganz normal. Sophie gab einen leisen Laut von sich. Sie hatte endlich das gefunden, was sie gesucht hatte und kam zurück ans Bett. »Wollt Ihr gleich das Kleid ausziehen? Oder soll ich später wiederkommen?« »Jetzt.« Oscar stellte die mittlerweile fast leere Tasse auf den kleinen Tisch zurück und stand auf. Der Morgen kam viel zu früh. Oscar verspürte keine Lust aus dem Bett zu steigen. Dazu verspürte sie keinerlei Lust ihren Dienst heute anzutreten. Aber es half alles nichts. So warf Oscar ihre Bettdecke zur Seite und ließ ihre Füße zu Boden gleiten. Müde streckte sie sich und erhob sich. Nachdem sie sich gewaschen und ihre Gardeuniform angezogen hatte, betrachtete Oscar sich in dem großen Spiegel. Sie sah nun wieder aus wie immer. Die enge Uniform schmiegte sich an ihren Körper und verschluckte ihre weiblichen Rundungen. Oscar musste sich eingestehen, dass das Kleid gestern gar nicht so übel ausgesehen hatte an ihr. Auch wenn es mehr zeigte, als es ihr Recht war. Es stimmte schon, was Sophie gesagt hatte. Im dem Kleid erkannte man die Frau in ihr. Obwohl Oscar fand, das ihr Gesicht mehr als weiblich war. Schon allein daran musste man doch erkennen, dass sie eine Frau war… Die junge Frau schüttelte den Kopf. Warum machte sie sich darüber Gedanken? Mit einem erneuten schütteln des Kopfes machte sie sich auf den Weg nach unten in die Küche. Ihrem Vater wollte sie lieber noch aus dem Weg gehen. Sophie war ausnahmsweise mal nicht am hantieren. Sie saß gemeinsam mit André am Tisch und genehmigte sich das Frühstück. »Guten Morgen, Lady Oscar«, begrüßte Sophie sie gleich. »Wollt Ihr frühstücken?« »Guten Morgen«, erwiderte Oscar und setzte sich. »Gerne.« Sophie stand sofort auf und holte einen weiteren Teller, den sie Oscar hinstellte. Sowie ein Glas Wasser. »Gut geschlafen, Oscar?«, wand sich André nach einer Weile an seine Geliebte. »Es geht«, antwortete sie darauf. »Kommst du heute wieder mit nach Versailles?« »Dein Vater hat mir darüber noch keine weiteren Anweisungen gegeben. Daher denke ich, es ist besser, wenn ich darauf warte.« »Ganz richtig«, meldete sich Sophie zu Wort. »Wir wollen die Nerven des Generals nicht noch mehr strapazieren. Das gestern hat erstmal gereicht.« Oscar verdrehte die Augen, wie so oft. Nickte aber. »In Ordnung. Dann werde ich mich nun auf den Weg machen.« Nachdem Oscar auf dem Weg nach Versailles war, machte sich André daran den Stall auszumisten. Wenige Zeit später kam ein Diener und überbrachte André die Mitteilung, dass General de Jarjayes ihn in seinem Arbeitszimmer erwartete. Verwundert legte André die Heugabel zur Seite und ging in das Haus zurück. Er klopfte an die Tür und trat, nach der Aufforderung des Generals, in das geräumige Zimmer. Oscars Vater saß, wie so oft, hinter seinem überdimensionalen, dunklen Schreibtisch. Er hob seinen Kopf, als André die Tür wieder schloss. »Ihr wolltet mich sprechen, General?«, fragte André und war gespannt, was nun kam. »Ja, André.« Er deutete André an, näher zu treten. »Ich wollte dich etwas fragen. Du bist doch immer in Oscars Nähe, richtig?…«, begann er ohne umschweife und wartete, das der Stallbursche eine Reaktion zeigte. »Ja, das ist richtig«, nickte André. »Sie vertraut sich dir an. Ihr redet über alles miteinander.« Wieder wartete er auf Zustimmung, ehe er fortfuhr. »Dann wirst du sicher wissen, was Oscar dazu bewogen hat, zu einer Lüge zu greifen? Warum hat Oscar gelogen?… Oder weißt du etwas?… Wenn du etwas weißt, dann sag es mir. Kennst du den Namen des Mannes? Wer ist es?« Die Fragen schossen nur so aus dem Mund des Generals. André sah ihn erschrocken an. Was sollte er jetzt darauf antworten? Er konnte dem General schlecht sagen, dass er derjenige war, den Oscar meinte… »Ich… weiß nichts darüber, General. Oscar hat sich mir darüber nicht geäußert. Sie wollte darüber nicht mit mir sprechen«, log er stattdessen und hoffte, dass es glaubhaft klang. »Ihr seid gestern zusammen nach Hause gekommen.« »Das stimmt. Ich habe Oscar unterwegs getroffen. Doch wie schon erwähnt, wollte sie nicht mit mir darüber reden, was passiert war.« Der General lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete André eingehend. »Gut«, sagte er, als er sich entschlossen hatte, André zu glauben. »Ich habe eine neue Aufgabe für dich. Ich will, dass du Oscar im Auge behältst. Du wirst mir jede Person nennen, mit der sich meine Tochter trifft und sich unterhält. Beobachte jede Kleinigkeit. Ich will über alles bescheid wissen.« »In Ordnung.« André nickte. Doch in Ordnung fand er es nicht. Er sollte Oscar hinterher spionieren. Sie aushorchen… Wenn er das Oscar erzählte… Nein. Es war wohl besser, wenn er das für sich behielt. Sie mit ihrem Temperament… Der General entließ André, der wieder in den Stall zurück ging und weiter den Stall säuberte. Tief in Gedanken vergraben. Was sollte er dem General sagen, wenn er nach Informationen fragte? -Forsetzung folgt…- Hoffe Euch hat es gefallen^^ Würde mich über ein hinterlassenes Kommi freuen!^^ 8 - Hallo! Da bin ich wieder^^ Ein neues Kapitel geht online^^ Hoffe Euch gefällt es ein wenig Wünsche viel Spaß beim lesen^^ Die Zeit verstrich. Aus Tagen wurden Wochen. Aus Wochen wurden Monate. Und mit jeder verstreichenden Stunde, wuchs das zart geknüpfte Band zwischen Oscar und André. André betrachtete Oscar, die neben ihm im Gras lag. Es war für ihn noch immer wie in einem Traum… Und doch mischte sich in all sein Glück ein schlechtes Gewissen. Er hatte Oscar nichts davon erzählt, das ihr Vater ihn jeden Abend zu sich bestellte, um ihn auszufragen. Mit wem Oscar gesprochen, mit wem gelacht und mit wem gestritten hatte. Jede einzelne Person musste er aufzählen. Und war sie noch so unbedeutend… André konnte es Oscar nicht sagen. Das würde sie ihrem Vater nie verzeihen. Mit einem lauten Seufzer ließ er sich ebenfalls ins Gras fallen. »Was hast du?« Oscar öffnete die Augen, drehte den Kopf zur Seite und sah ihn fragend an. »Was soll sein, Oscar?« »Das klang gerade sehr frustriert.« Sie rückte ein Stück näher und bettete ihren Kopf auf seiner Brust. André lächelte. »Es sollte eigentlich entspannt klingen.« Er streichelte ihr über das blonde Haar. »Ich habe nachgedacht…« Ihr Blick wurde ernst. »Ja?« »Ich spiele mit dem Gedanken, die Garde zu verlassen.« »Was?!« André richtete sich ruckartig auf und veranlasste Oscar, es ihm gleich zu tun. »Ich überlege, aus der Garde auszutreten«, wiederholte Oscar ruhig. »Aber warum? Das ist es doch, was du immer wolltest.« Oscar lächelte matt. »Es ist das, was mein Vater immer wollte. Er wollte einen Sohn… Doch ich bin eine Frau. Und mit jedem Tag der vergeht merke ich es mehr und mehr… Ich will das Leben als Frau führen…« Sie sah ihn lächelnd an. »Als deine Frau.« André war von Oscars Worten gerührt. Ihre Worte berührten sein Herz. Vor seinem inneren Auge tauchten plötzlich wieder Bilder auf, die zeigten, wie Oscar mit Kindern in einem großen Garten spielte. Ihren Kindern. Wie sie gemeinsam mit den Kleinen das Abendessen einnahmen in ihrem eigenen Haus… Doch die Realität sah anders aus. »Dein Vater würde niemals zulassen, dass du die Garde verlässt.« »Dann gehen wir von hier fort.« André lachte. Da war er wieder. Der kleine Hitzkopf. Erst handeln und dann nachdenken. »Wir würden nicht weit kommen. Dein Vater würde uns die gesamte Garde und alle zusätzlichen Truppen hinterher jagen.« Er fuhr sich durch das braune Haar, während Oscar seufzte. »Ich weiß. Aber ich bin es langsam leid, alles zu verheimlichen. Ich bin glücklich. Mit dir.« André zog Oscar in seine Arme. Er wusste, dass sie jedes gesagte Wort ernst meinte. Sie würde mit ihm fortgehen. Weglaufen. Weit entfernt von hier ein neues Leben anfangen. Doch was wäre das für ein Leben? Sie wären ständig auf der Flucht. Dann war dieses Leben, was sie nun hatten weitaus besser. Ein paar Wochen nach dem Gespräch über die Garde, hatte Oscar einen Entschluss gefasst. In Versailles angekommen, bat sie um eine private Audienz beim König, welche ihr am Mittag gewährt wurde. Ludwig XV glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Um was hatte ihn gerade Lady Oscar gebeten? »Ich habe mich wohl gerade verhört, Lady Oscar.« Die blonde Frau schüttelte den Kopf. »Nein Euer Majestät. Das habt Ihr nicht. Ich möchte die Garde verlassen.« »Seid Ihr nicht ausgelastet? Möchtet Ihr mehr Geld? Ist die Prinzessin zu aufmüpfig?« »Nein.« »Was ist es dann?«, verlangte der König zu erfahren. »Ihr habt bewiesen, dass Ihr die Beste für diesen Posten seid.« Oscar nickte. »Ich weiß, Majestät… Aber ich kann diesen Posten nicht weiter ausführen.« Sie senkte den Blick zu Boden. »Ich bin eine Frau und möchte auch als solche leben.« Ludwig XV nickte verständlich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Weiß Euer Vater, der General, von Eurem Entschluss?« »Nein…«, schüttelte Oscar den Kopf. »Noch nicht.« »Er wird nicht sonderlich erfreut darüber sein.« Oscar nickte zustimmend. Er würde überhaupt nicht erfreut darüber sein. Aber es war das Beste. »Nun…«, machte der König nach einer Weile. »Habt Ihr einen Vorschlag, wer Euren Platz als Hauptmann einnehmen soll?« »Ich schlage Graf Girodel vor.« »Mhm…« Ludwig XV strich mit einer Hand über sein Kinn und überlegte einen Augenblick. »Nun, Lady Oscar. Wenn Ihr das wirklich wollt, werde ich Eurem Gesuch zustimmen. Euer Dienst im Garderegiment endet zum neuen Monat hin.« »Habt Dank, Majestät.« Als die Dauphine von Oscars Entschluss erfuhr, war diese ganz aufgelöst. »Warum, Lady Oscar?«, weinte sie. »Ihr seid mir in den letzten zwei Jahren eine gute Freundin geworden. Wenn ich auf ein Wort gehört habe, dann auf das Eure… Warum verlasst ihr mich?« »Bitte Hoheit… Versteht mich. Ich möchte ich selbst sein«, versuchte Oscar zu erklären. Marie Antoinette wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ein Mann.« »Bitte?« Überrascht sah Oscar die Prinzessin an. »Ihr habt euch wirklich verliebt, nicht wahr?« Die Österreicherin lächelte. »Jetzt könnt Ihr mich verstehen. Wenn eine Frau liebt, ist alles andere egal.« Oscar nickte. Ja. Sie verstand es nun nur zu gut. »Versprecht mir, dass Ihr mich nicht vergessen werdet.« »Das verspreche ich, Hoheit.« »Ihr könnt jeder Zeit zu mir kommen, wenn Ihr Hilfe braucht«, sagte die Dauphine dann und kicherte. »Ich freue mich jetzt schon, Euch in einem Kleid zu sehen.« Oscar lächelte. Die Dauphine war wirklich noch ein junges Blatt, das noch wachsen musste. Nur leider ohne ihre Hilfe. »Versprecht Ihr mir auch etwas, Hoheit?«, fragte Oscar daher. »Natürlich, Lady Oscar.« »Denkt bei all Eueren Entscheidungen an Euer Volk. Es ist das Herz Frankreichs.« »Versprochen«, stimmte Marie Antoinette zu. »Das werde ich machen.« Die Dauphine umarmte ihre Freundin. André war geschockt, als er von Oscar erfuhr, was sie getan hatte. »Bist du dir sicher? Dein Vater wird sicherlich rasend vor Wut, wenn er davon erfährt.« Er zog die Stirn kraus. »Wann willst du ihm davon erzählen? Du solltest nicht allzu lange mehr warten. Der Monat ist fast um.« »Ich weiß, André«, seufzte Oscar und starrte auf die Lichtung. »Es fällt mir nur sehr schwer mit ihm darüber zu reden. Er wird es nicht akzeptieren.« »Er wird es aber müssen. Der König hat eingewilligt.« Oscar nickte. »Er will sicher meine Beweggründe erfahren.« »Was willst du ihm dann sagen?« »Das weiß ich nicht…« Sie sah ihn unschlüssig an. Mit zitternder Hand las der General den Brief des Königs zum dritten Mal durch. Doch er konnte noch immer nicht glauben, was er da las. Oscar hatte ihren Dienst in der Garde quittiert? Auf eigenen Wunsch, da sie das Leben einer Frau führen wollte?… Was war nur in sein Kind gefahren?… Sie muss verrückt gewesen sein, als sie dieses Gesuch dem König vorgetragen hatte… Gut. Sie verhielt sich seit einiger Zeit recht sonderbar. Sie betrachtete sich öfters im Spiegel, als er es gewohnt war. Sie trug plötzlich mehr Parfüm auf, als gewöhnlich… Er schüttelte den Kopf. Alles sehr merkwürdig. Alles Anzeichen dafür, dass seine Tochter wirklich verliebt war und es nicht nur eine Lüge war. André beteuerte ihm zwar jeden Abend, dass es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass seine Tochter sich verliebt hatte. Doch glauben konnte er das nun nicht mehr. Seine Faust donnerte auf den Fensterrahmen. Waren sie nicht eine Offiziersfamilie? Der General lehnte seinen Kopf an seine Faust, während sein Blick über den Vorhof des Anwesens schweifte. War das das Ende der Tradition ihrer Familie? Er schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. Als der General sie wieder öffnete, sah er Oscar und André, welche von einem Ausflug zurück kamen. Er stieß sich von der Wand ab. Mit dem Brief des Königs in der Hand machte der General sich auf den Weg zum Stall. Beide würden ihm nun Rede und Antwort stehen. »Du solltest wirklich mit deinem Vater reden.« André band die Pferde im Stall fest. »Ja…« Oscar stieß die Luft aus und lehnte sich an die Wand einer Pferdebox. »Er kann dir nicht den Kopf abreißen.« André trat lächelnd zu seiner Geliebten und legte ihr die Hände auf die Schulter. »Das wird schon wieder.« Oscar lächelte und lehnte sich nach vorne, um an seiner Brust wieder Halt zu suchen. Einen Moment standen sie eng umschlungen im Stall, ehe Oscar die Umarmung lockerte, ihren Kopf hob und André einen Kuss auf die Lippen hauchte. André strich Oscar durchs Haar. »Ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt.« »Dann sind wir schon zu zweit.« Der General kam an den Stall an. Jetzt konnte Oscar etwas erleben. Wütend trat er in den Stall hinein und blieb wie vom Donner gerührt stehen. Das konnte nicht wahr sein, was seine Augen da sahen. Oder etwa doch? Oscar und André lagen sich in den Armen und küssten sich. Immer wieder fanden ihre Lippen zueinander. Der General fühlte sich hintergangen. Betrogen und belogen. Und das von seiner eigenen Tochter. Er konnte den Anblick nicht länger ertragen. »Oscar!!« Seine Stimme bebte vor Zorn. Abrupt fuhren die jungen Leute auseinander. Verwirrt und geschockt sahen sie zu ihm herüber. »General?…« »Vater?…« Zeitgleich mit André richtete sie das Wort an ihren Vater. »Was hat das zu bedeuten?… Was hast du getan?…« Seine Stimme war nur noch ein leises Flüstern. »Was hast du getan, Oscar?…« Ihr Vater hielt den Brief des Königs in die Luft. »Nicht nur, das du die Garde verlassen willst. Du hast auch noch Deine Familie verraten… Deinen Stand.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Es ist ein Glück, das deine Mutter nicht mehr am Leben ist…« »Vater… Bitte…« Oscar hatte sich ein wenig gefangen und trat an den General heran. »Es-« =Bamm= General de Jarjayes hatte ausgeholt und Oscar eine schallende Ohrfeige verpasst und zog dann seinen Degen, den er noch immer umgeschnallt hatte. »Verschwinde sofort von meinem Anwesen, André.« Die Spitze des Degens richtete er gegen seinen Stallburschen, der neben Oscar getreten war. »Und komme nie wieder in die Nähe meiner Tochter.« Seine Augen fixierten den jungen Mann, während er ihn mit der Degenspitze Richtung Ausgang dirigierte. »Es würde dich dein Leben kosten.« »Vater, nicht«, versuchte Oscar einzulenken. Wurde aber von dem General zurück gestoßen. »Nur deiner Großmutter zuliebe, lasse ich dich jetzt am Leben. Und jetzt verschwinde aus meinem Stall. Von meinem Anwesen und aus meiner Familie.« Oscar sah entsetzt zwischen ihrem Vater und André hin und her. Vor wenigen Minuten war alles noch in Ordnung. Und nun… Innerhalb weniger Sekunden hatten sich ihre ganzen Träume in Luft aufgelöst. Waren ihre Hoffnungen gestorben, wahr zu werden. Sie wollte einen Schritt auf André zumachen, doch ihr Vater hielt sie am Arm fest und hinderte sie so daran. André schaute zu seiner Geliebten. Er sollte sie alleine lassen? Und nie wiedersehen? Sein Blick traf den des Generals. Dieser wirkte entschlossen und sehr wütend. André wusste, dass er gehen musste. Zumindest fürs Erste und das schnürte ihm fast die Luft ab. Es würde nichts bringen, sich mit dem General zu duellieren. Er war stärker als er. »Verschwinde endlich. Sonst überlege ich es mir noch«, zischte Oscars Vater und die Degenspitze kam Andrés Hals gefährlich nahe. »Ich werde warten.« André lächelte Oscar zu und machte zwei Schritte rückwärts, ehe er sich umdrehte und den Stall verließ. Seine eiligen Schritte verstummten schnell. »André!« Oscars Ruf bleib unbeantwortet. Sie wollte hinterher rennen. Doch der Griff des Generals war unerbittlich fest. Ihr Vater führte sie am Arm ins Haus zurück. Er tobte und fluchte noch den ganzen Abend, während Sophie in der Küche leise vor sich hin weinte. Ihr einziger Enkel war verstoßen worden. Sie hatte geahnt, dass diese Verbindung nicht gut enden würde. In dem Moment, als sie beide in Oscars Schlafzimmer ertappt hatte. Obwohl sie sich so sehr ein gutes Ende gewünscht hatte. General de Jarjayes saß spät am Abend noch immer an seinem Schreibtisch. In seiner Hand hielt er seine Pfeife. Nachdem er daran gezogen hatte, stieß er den Rauch geräuschvoll aus. Er war enttäuscht von seiner Tochter. Sehr enttäuscht. Er hatte sich sehr viel Mühe mit ihrer Erziehung gegeben. War überzeugt davon gewesen, dass sie wusste, wo ihr Platz war. Aber das schlug dem Fass den Boden aus… Eine Liaison mit dem Stallburschen… Davon durfte keiner erfahren. Wieder zog er an seiner Pfeife. Auch von André war er enttäuscht… Der General klopfte den restlichen Tabak aus seiner Pfeife und legte sie beiseite. Er holte den Brief des Königs hervor und las ihn erneut durch, ehe er diesen auch zur Seite schob. An dessen Stelle zog er ein Blatt Papier, Tinte und seine Feder heran. Oscar wollte das Leben einer Frau führen? Das konnte sie haben. -Fortsetzung folgt- Hoffe Euch hat das Kapitel ein wenig gefallen^^ Ich bin fast wahnsinnig dabei geworden. Der reinste Horror. 9 - HalliHallo^^ Ein neues Kapitel ist da. Bin im Moment gerade so richtig produktiv ^_~ Hoffe Euch gefällt es ein wenig Wünsche viel Spaß beim lesen^^ *********************************************************************** Lustlos schob Oscar ihr Brot auf dem Porzellanteller hin und her. Sie hatte einfach keinen Appetit. Die junge Frau legte das Besteck zur Seite und hob die Kaffeetasse an ihre Lippen. »Heute Mittag wird Besuch kommen«, richtete der General das Wort an seine Tochter. Seit dem Vorkommnis im Stall waren die Gespräche zwischen ihnen sehr selten geworden. »Ich erwarte, das Du dich heute so benimmst, wie es sich für Deinen Stand gehört.« Oscar nickte wortlos und stellte die Tasse Kaffee zurück auf den Tisch. »Gut.« Ihr Vater beendete das Frühstück, stand auf und verließ den Raum. Zurück blieb Oscar, die wenig später müde die Treppen nach oben in ihr Zimmer lief. Dort angekommen ließ sie sich in einen der beiden Sessel fallen und starrte in das schwach brennende Feuer im Kamin. Drei Wochen waren nun schon vergangen. Drei endlos lange quälende Wochen in denen sie nicht wusste, wie es André ging. Wo er war und was er machte… Warum war alles nur so schief gelaufen?… Warum war sie nicht mit André fortgegangen?… Wenn sie jetzt die Möglichkeit hätte, sie würde sofort mit ihm weg gehen. Egal, was André sagen würde. Oscar schloss die Augen, lehnte ihren Kopf an die Polster und seufzte laut. Ihren Abschied aus der Garde hatte sie ebenfalls nicht zelebrieren können, da ihr Vater ihr Hausarrest erteilt und in Versailles erklärt hatte, dass sie erkrankt sei. Selbst Graf Girodel wurde nicht zu ihr vorgelassen, als dieser für einen Krankenbesuch gekommen war… Es klopfte leise an der Tür und wenige Augenblicke später trat Sophie herein. »Hier, Lady Oscar. Die wird Euch ein wenig gut tun.« Die ältere Dame stellte Oscar eine Tasse heiße Schokolade auf den kleinen Tisch. »Wie könnt Ihr nur so freundlich zu mir sein, wo ich Euch doch das Liebste genommen habe«, seufzte Oscar erneut und sah zu ihrem alten Kindermädchen. »Papperlapapp«, winkte Sophie ab. »Ihr habt mir nichts genommen, Kind. Im Gegenteil. Ihr habt mir ein Geschenk gemacht.« »Ich Euch ein Geschenk?« Oscar zog verwundert die Augenbrauen hoch. »Ja«, nickte Sophie. »Ihr habt André Euer Herz geschenkt.« Oscar lächelte matt. Ja, das hatte sie. Und es würde sonst keinem mehr gehören… »Trinkt von Eurer Schokolade. Sonst wird sie kalt. Und dann werde ich Euch beim Ankleiden helfen.« Oscar stöhnte auf. Dass Sophie ihr helfen wollte konnte nur bedeuten, dass ihr Vater wieder von ihr verlangte, ein Kleid zu tragen. »Ich habe während des Frühstücks alles vorbereitet.« Die blonde Frau nickte resigniert, trank ein paar Schlucke des heißen Getränks und stand dann auf, um mit Sophie in das Schlafzimmer zu gehen. »Wen hat mein Vater eingeladen?«, fragte Oscar nach einer Weile. »Wen genau, weiß ich nicht«, schüttelte Sophie darauf den Kopf und zog das Mieder enger. »Ich habe nur mitbekommen, das es ein Herzog sein soll.« »Herzog?!« Oscar war erstaunt und drehte sich zu Sophie herum. »Ja. Ein Herzog. Jetzt dreht Euch um, damit ich das Mieder schließen kann.« Oscar drehte sich wieder herum und ließ das Kindermädchen ihre Arbeit machen, während ihr Kopf arbeitete. Warum hatte ihr Vater diesen Mann eingeladen? Nachdem Sophie fertig war, saß Oscar alleine in ihren Räumen und starrte, wie so oft in den letzten Wochen, in die abklingenden Flammen. Trotz der Wärme, die das sachte Feuer und die Luft, die durch das offene Fenster herein kam, fröstelte Oscar und konnte dieses nicht abschütteln. Sie musste raus aus diesen Mauern. Nur für ein paar Stunden. Oscar stand auf. Obwohl ihr Vater den Hausarrest noch nicht aufgehoben hatte, entschloss sie sich, ihn zu fragen, ob sie ausreiten durfte. Hier fiel ihr einfach die Decke auf den Kopf. Leise klopfte sie an die Tür des Arbeitszimmer. »Ja?«, kam es leicht genervt von innen. Überrascht hob der General eine Augenbraue, als er sah, dass seine Tochter mit ihm sprechen wollte. Er betrachtete sie einen Moment, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder dem Stapel Papiere auf seinem Schreibtisch widmete. »Was gibt es? Ich habe zu tun«, fragte er, ohne wieder aufzusehen und recht distanziert. »Ich wollte Euch um die Erlaubnis bitten, ausreiten zu dürfen.« Erneut überrascht sah der General wieder auf. Sie bat ihn um Erlaubnis? Da stimmte doch etwas nicht… »Du hast Hausarrest.« Oscar nickte. »Ich weiß.« »Warum fragst Du dann und beraubst mich meiner Zeit?«, knurrte er. »Bitte.« Sie trat zwei Schritte in den Raum hinein. »Mir fällt die Decke auf den Kopf.« »Dann verbessere deine Fechtkünste im Hof.« Oscars Stimme wurde traurig. »Alleine ist das sehr schwer.« Ihr Vater hob kurz den Blick. »Daran bist Du selbst Schuld.« Er schluckte die Wut, welche drohte wieder auszubrechen, hinunter. »Außerdem bist Du schon eingekleidet.« Der General senkte seinen Blick wieder den Papieren zu. »Das Kleid ist nicht hinderlich.« Sie trat noch ein Stück näher. »Es wäre auch nicht für lange, Vater. Eins, zwei Stunden.« »Du willst dich mit ihm treffen, richtig?« Er klang verächtlich. Oscar schüttelte den Kopf und ihr Herz zog sich schmerzend zusammen. »Ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört.« »Nun…«, machte der General und überlegte einen Moment, ehe er eine Entscheidung traf. »In Ordnung. Du kannst ausreiten. Aber Du bist rechtzeitig für den Besuch zurück.« Seine Augen bohrten sich in die seiner Tochter. »Solltest Du auch nur daran denken, fortzulaufen… Ich werde dich finden. Verlass dich darauf.« Er hielt den Blickkontakt noch einen Augenblick, dann senkte er ihn wieder. »Jetzt lass mich weiterarbeiten.« »Danke.« Oscar verließ das Arbeitszimmer und ging zum Stall. Dort ließ sie sich ihr Pferd satteln und brach dann auf. Als sie durch den Hof ritt, erkannte sie die Silhouetten ihres Vaters hinter dem Fenster des Arbeitszimmers. Er traute ihr wohl nicht wirklich. Die junge Frau ritt gedankenverloren umher. Sie bemerkte die warmen Temperaturen nicht. Merkte den Geruch des bald kommenden Sommers nicht. Selbst den Specht, der in der Nähe munter gegen einen Baum klopfte, beachtete Oscar nicht. Sie starrte auf die Mähne ihrer weißen Stute und ließ die Zügel Stück für Stück lockerer, ohne es wirklich zu bemerken. Erst als das Pferd stehen blieb, hob Oscar ihren Blick und erkannte, wohin die Stute sie geführt hatte; die Lichtung. Warum war es nur hierher gelaufen, seufzte Oscar innerlich? Sie verfluchte sich, nicht aufgepasst zu haben, wohin das Tier lief. Dieser Ort war der Letzte, wohin sie hätte gehen wollen. Zu viele Erinnerungen wurden hier geweckt. Zu viele schöne Erinnerungen, die nun Schmerz und Trauer in ihr weckten. Oscar starrte auf die grüne Lichtung. Es waren wundervolle Stunden, die sie hier verbracht hatten… Sie lächelte verträumt vor sich hin und trieb die Stute dann wieder an, weiterzulaufen. Sie hatte die Lichtung fast durchquert, als… »Oscar!« Die Stimme fuhr ihr durch Mark und Bein. Augenblicklich hielt sie die Stute an, drehte sich im Sattel herum und erschrak. Die Person, welche zwischen den Bäumen versteckt stand, war unverkennbar. »André…«, flüsterte Oscar ungläubig und glücklich zugleich, glitt vom Pferd und eilte auf ihn zu. »Wie…?« »Ich habe gesagt, dass ich warten werde«, entgegnete André und schloss seine Geliebte in die Arme. »Ja«, nickte Oscar darauf. »Das hast Du gesagt.« Sie löste die Umarmung nach einem Moment und küsste ihn. Wie sehr sie sich danach gesehnt hatte… Sie war der Meinung gewesen, dieses wundervolle Gefühl nie mehr spüren zu können… »Ich bin so froh, Dich zu sehen. Wie geht es Dir? Wo bist Du untergekommen?« Die Fragen sprudelten nur so aus Oscar heraus, nachdem sie den Kuss beendet hatte. »Mir geht es gut. Ich wohne bei Freunden in Paris.« Er sah sie ernst an. »Wie geht es Dir?« Oscar lächelte. »Jetzt geht es mir gut.« Sie liefen zu der Stute und Oscar nahm die Zügel in die Hand. Dann spazierten sie durch den Wald. »Was hat Dein Vater noch getan, nachdem ich weg war?«, wollte André nach einer Weile, in der sie Hand in Hand durch den Wald gelaufen waren, wissen. »Er hat getobt. Mir eine Strafpredigt nach der anderen erteilt und zu guter Letzt Hausarrest gegeben.« »Ich wollte Dich nicht alleine lassen… Nicht in dieser Situation. Doch es erschien mir besser, ihm erstmal aus dem Blickfeld zu gehen«, entschuldigte sich André. Oscar lächelte und schüttelte den Kopf. »Es brauch Dir nicht Leid tun. Es war besser zu gehen, als das er Dir doch noch etwas angetan hätte.« Sie blieben stehen und Oscar lehnte sich an einen Baum. »Es hätte nicht so enden dürfen.« »Das hätte es nicht…« Sie sah ihn lange schweigend an. »André, ich werde mit Dir kommen. Nicht heute«, warf sie ein, als André etwas darauf erwidern wollte. »oder morgen. Doch ich werde an Deiner Seite sein. Gib uns ein wenig Zeit, in der wir alles planen können. Ich werde alles hinter mir lassen. Ich möchte endlich mein Leben leben.« »Du würdest alles verlieren, Oscar. Und Dein Vater-« »Ich habe Dich gewonnen.« Sie streichelte ihm zärtlich über die Wange. »Und mein Vater wird uns nicht finden. Wir müssen nur richtig vorgehen.« »Du meinst es also wirklich ernst.« Oscar nickte. »André, ich habe noch nie etwas ernster gemeint, als das. Ich hatte lange Zeit, um über alles nachzudenken. Nur so hätten wir eine gemeinsame Zukunft. Und die will ich.« André betrachtete seine Geliebte. Er erkannte, dass sie es todernst meinte und seine Liebe zu ihr wuchs noch ein Stück an. »In Ordnung. Lass uns planen und alles vorbereiten.« Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie sanft. Die Gardine des Kutschfensters wurde zur Seite geschoben und kalte, durchdringende Augen spähten hinaus. Wald. Seit ewigen Zeiten nur Wald zu sehen. So langsam konnte er nicht mehr sitzen. Er fragte sich sowieso, warum er diese Einladung angenommen hatte. Bis jetzt war jede viel versprechende Einladung ein Reinfall gewesen. Er wollte den Vorhang genervt wieder schließen, als er in der Ferne ein Paar erkannte. Sie schienen die Kutsche nicht bemerkt zu haben. Leidenschaftlich lagen sie sich in den Armen. Ihre langen, blonden Haare und die Farbe des hellblauen Kleides gaben einen starken Kontrast zu dem dunklen Holz des Baumes ab, an dem sie standen. Seufzend schloss er den Vorhang und lehnte sich wieder zurück. Hoffentlich war diese Tochter genauso mit Leidenschaft gesegnet, wie diese Frau dort draußen. Ihm würde es auch schon reichen, wenn sie nur halb so viel davon hätte. Nun… er würde es ja bald erfahren, ob diese Reise erfolgversprechend war. »Sag Oscar. Warum trägst du eigentlich dieses Kleid? Nicht das es mich stören würde, aber-« »Oh mein Gott!«, entfuhr es Oscar und sie stieß André leicht von sich. »Was ist denn?« »Ich muss nach Hause. Ich habe total vergessen, das der Besuch kommt.« Sie lief zu ihrem Pferd. »Wenn ich zu spät komme, wird mich mein Vater sicher wieder mit Hausarrest bestrafen. Und das können wir uns nicht erlauben.« Sie drehte sich zu André herum, der ihr gefolgt war und küsste ihn. »Lass uns in einer Woche auf der Lichtung wieder zusammen treffen. Bis dahin müssten wir einiges für die Planung zusammen haben.« »In Ordnung«, stimmte André schweren Herzens zu. Er war gar nicht gewillt, sie gehen zu lassen. Doch ihr Argument war überzeugend. Er zog sie in seine Arme, ehe er diese wieder löste und ihr auf das Pferd half. »Ich werde warten. Auf der Lichtung.« »Ich werde die Stunden zählen.« Sie beugte sich im Sattel nach vorne und hauchte ihm einen letzten Kuss auf die Lippen. »Bis in einer Woche.« Dann trieb sie die Stute an und ritt zurück. André sah ihr mit einem flauen Gefühl nach. Es kam Besuch für den Oscar ein Kleid tragen musste? Was hatte ihr Vater vor? Eilig stürmte Oscar aus dem Stall. Am Seiteneingang erwartete Sophie schon ungeduldig. »Gott, Kind. Wo ward ihr denn?«, begann sie gleich darauf los zu plappern. »Der Herzog ist schon eine Weile hier.« Sie zupfte am Oscars Kleid herum. »Euer Vater war nicht sonderlich erfreut, dass Ihr noch nicht wieder da ward bei seiner Ankunft. Er ist im Salon mit ihm.« Oscar nickte und trat an die Tür des Salons. Auch wenn sie keine Lust verspürte diesem Mann zu begegnen, hob sie die Hand, klopfte kurz an und trat nach einem Ruf von drinnen in den Raum. Der Herzog wand, wie der General den Kopf der Tür zu und musste ein Keuchen unterdrücken, als er diese erkannte. Die Frau aus dem Wald! Sie war die Tochter des Generals?!… Das würde interessant werden… Er musste sich eingestehen, dass sie wirklich eine schöne, junge Frau war. Amüsiert nahm er ihren Blick war, der ihn abweisend streifte, ehe sie zu ihrem Vater sah. Eins konnte der Herzog mit Sicherheit sagen. Seine Suche hatte ein Ende gefunden. »Verzeiht, Vater. Ich hatte völlig die Zeit vergessen«, entschuldigte sich Oscar. Sie merkte, dass er innerlich vor Wut kochte. Ihr Vater schien sich darauf etwas zu beruhigen. »Nun… Ich möchte Dir gerne Herzog de Merode vorstellen.« »Herzog.« Oscar knickste leicht, während der Herzog auf sie zu kam, ihre rechte Hand in die seine nahm und deren Handrücken mit seinen Lippen berührte. »Lady Oscar. Es ist mir eine Ehre, Euch kennen zu lernen.« Oscar lächelte matt und kaum das er ihre Hand losließ, entfernte sie sich ein Stück von ihm. Sie setzte sich in den Sessel ihm gegenüber und betrachtete den Mann, der das unterbrochene Gespräch mit ihrem Vater wieder aufnahm. Er war sehr fein gekleidet und trug die neueste Mode. Seine schwarzen Haare hatte er, wie André, zu einem Zopf gebunden, welcher ihm bis zwischen die Schulterblätter reichte. Oscar betrachtete das ihr halb abgewandte Gesicht des Mannes… Sein Alter schätze sie auf Mitte Zwanzig. Wie seine Augen sie gemustert hatten, als sie in den Raum getreten war, dachte Oscar und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sein Blick war trotz Lächeln kalt und unberechenbar. Sie saßen eine ganze Weile beisammen, bis plötzlich der Herzog aufstand. »Ich würde mir gerne ein wenig die Füße vertreten. Die lange Fahrt liegt mir noch ein wenig in den Knochen.« »Natürlich.« Der General erhob sich ebenfalls. »Was haltet Ihr von der Idee, wenn meine Tochter Euch begleitet?« »Das ist eine fabelhafte Idee«, stimmte Herzog de Merode zu, trat neben Oscar, die noch immer saß und reichte ihr seinen Arm. Oscar stand widerwillig auf, nahm den dargebotenen Arm an und trat mit dem Herzog nach draußen. Zurück blieb der General, der sich lächelnd wieder in den Sessel setzte. Das schien sehr viel versprechend zu laufen. Er ahnte nicht, welches schwere Schicksal auf Oscar zu kam. -Fortsetzung folgt…- Hoffe Euch gefällt das Kapitel^^ Freue mich wie immer auf eure Meinung^^ Lg 10 -- Hallo! ^^ Ein neues Kapitel ist online. Hoffe Euch gefällt es Vielen Dank nochmals für die Kommis^^ Wünsche nun viel Spaß beim lesen^^ ************************************************************************************************** Schweigend liefen sie im Garten umher, während Oscars Arm noch immer auf dem des Herzogs lag. »Ihr seid sehr schweigsam, Lady Oscar«, meinte de Merode und durchbrach die drückende Stille, welche zwischen ihnen herrschte. »Ich rede nur, wenn es etwas Wichtiges zu reden gibt.« Oscar sah stur gerade aus. Sie hatte absolut keine Lust, sich mit dem Herzog zu unterhalten. »Verstehe«, nickte der Herzog. »Wie mir Euer Vater erzählte, habt Ihr bis vor kurzem in der königlichen Garde gedient.« Oscar nickte knapp. »Ja.« »Sicher sehr interessant gewesen.« Oscar nickte erneut knapp. »Ja.« Eine erneute Pause trat ein, ehe der Herzog das Gespräch versuchte voran zu treiben. »Wie ist die Dauphine? Man hört, sie sei sehr anmutig und schön.« »Richtig.« De Merode musste innerlich lächeln. Sie bemühte sich nicht einmal ihre Abneigung ihm gegenüber zu verheimlichen. Das war eine willkommene Abwechslung zu den sonstigen Damen, die bemüht waren ihm Honig ums Maul zu schmieren. »Euer Stall?«, fragte der Herzog, als sie an das Nachbargebäude kamen. »Ja«, antwortete Oscar etwas freundlicher. »Würde ich gerne sehen.« Oscar nickte und entzog sich seinem Arm. Trat auf die Stalltür zu und öffnete diese. Nachdem der Herzog eingetreten war, folgte sie ihm in etwas Abstand. »Sehr schön… Sehr schön«, wiederholte de Merode und lief im Stall umher, ehe er wieder Oscar ansteuerte, die sich an einen Balken gelehnt hatte. »Doch nicht so schön wie Ihr, Lady Oscar.« Oscar sah ihm ruhig entgegen. Sagte jedoch nichts darauf. »Ihr seid wirklich sehr distanziert.« Er blieb vor ihr stehen. »Was haltet Ihr von der Idee, mich auf mein Anwesen zu begleiten?« »Ich wüsste nicht, warum ich das machen sollte«, entgegnete Oscar abweisend. Ihr Verhalten war zwar sicherlich nicht nach dem Wunsch ihres Vaters. Doch Oscar konnte keine netten Worte finden. »Nun… Wir könnten uns ein wenig besser kennen lernen.« »Ich sehe keine Veranlassung dazu.« Der Herzog stützte sich lässig links und rechts neben ihrem Kopf mit seinen Händen am Balken ab. »Ihr würdet ein paar Tage Eurem Liebhaber entkommen.« Oscar traute ihren Ohren nicht. »Liebhaber? Herzog, ich glaube nicht, das mein Privatleben Euch etwas angeht.« Sie funkelte ihn wütend an. »Außerdem… Wie könnt Ihr mir unterstellen eine Liebschaft zu haben?« Oscar drehte sich zur Seite und wollte seine Hand weg stoßen. Doch der Herzog hatte es vorher gesehen, packte Oscar an den Armen und drückte sie gegen den Balken. »Warum ich es Euch unterstelle? Weil ich Euch gesehen habe. Vorhin im Wald.« Oscar schüttelte den Kopf. »Ihr müsst Euch irren. Lasst mich los.« »Ihr ward so sehr miteinander beschäftigt, das Ihr mich gar nicht bemerkt habt.« »Ihr müsst Euch täuschen. Das war ich nicht«, meinte Oscar wütend und versuchte seine Hände abzuschütteln. »Nein?« Eine Augenbraue schoss in die Höhe. Dann lachte er kurz auf. »Hört auf mit diesem Theater. Ich weiß genau, was ich gesehen habe.« Oscar hörte auf, sich gegen die Hände, die sie noch immer festhielten, zu wehren. »Was wollt Ihr?« »Was ich will?… Vieles Lady Oscar. Doch im Moment möchte ich Euch auf meinem Anwesen willkommen heißen.« »Darauf könnt Ihr lange warten, Herzog«, zischte Oscar. »Jetzt lasst mich endlich los.« Der Herzog schnalzte darauf ein paar Mal mit der Zunge. »Was würde Euer Vater nur dazu sagen, wenn ich ihm von dem, was ich gesehen habe, berichte?« Er schüttelte den Kopf. »Welch eine Deklassierung für ihn… Welch eine Schande…« »Ihr versucht mich zu erpressen?!« Ungläubig sah sie ihn an. Er schüttelte wieder den Kopf. »Ich versuche es nicht, Lady Oscar. Ich tue es.« Der Herzog löste eine Hand von ihrem Arm, hob diese und führte sie an ihrem Mund. Vorsichtig berührte er mit dem Daumen Oscars Lippen und fuhr diese nach. »Fasst mich nicht an.« Sie schlug seine Hand weg. »Wie sieht Eure Antwort aus?« Der Herzog ließ Oscar los und trat einen Schritt zurück. »Werdet Ihr mit mir kommen?« »Niemals«, zischte Oscar. Sie entfernte sich von ihm und lief zur Stalltür. »Wir sollten langsam zurück.« Die junge Frau schlug ihre Zimmertür fester als nötig zu. Wie konnte er es nur wagen sie zu erpressen? Versuchen zu erpressen? Sie stieß laut die Luft aus und ließ sich in den Sessel nieder. Sie konnte ihn nicht ausstehen. Nein. Sie hasste ihn… Oscar versuchte ihre Wut auf den Herzog hinunter zu schlucken. Niemals würde sie mit ihm gehen. Da konnte er ihr drohen wie er wollte… Ihre Gedanken schweiften zu André ab und ihr Herz machte einen Luftsprung. In nicht allzu ferner Zukunft würden sie zusammenleben. Ihr war es egal, was sie alles dadurch verlor. Und doch auf der anderen Seite tat ihr ihr Vater leid. Warum auch immer. Die Schande, welche dann auf ihrer Familie liegen würde, wog schwer. Doch was sollte sie machen? Sie liebte André aus tiefstem Herzen und ihr Vater wollte sie von ihrem Glück fernhalten… Es gab nur diesen einen Weg. Oscar stand auf und setzte sich an ihren Schreibtisch. Dort nahm sie ein Blatt Papier und ihre Feder zur Hand und begann kurze Notizen aufzuschreiben. Erst als die Uhr im Zimmer laut schlug, schreckte Oscar aus ihren Gedanken auf. Mit einem Seitenblick sah sie auf das vergoldete Zifferblatt und sprang von Stuhl auf. Sie hatte doch tatsächlich die Zeit vergessen. Ihr Vater und der Herzog würden sicherlich im Speisezimmer sitzen und auf sie warten. Schnell schloss sie das Blatt Papier in eine kleine Truhe ein und eilte dann nach draußen in den Flur. Auf der Treppe kam ihr Sophie entgegen. »Euer Vater schickt mich gerade, um nach Euch zu sehen. Er wartet mit dem Herzog im Speisezimmer auf Euch.« »Ich habe die Zeit total vergessen«, entschuldigte sich Oscar. »Ihr vergesst heute so einiges, Kind.« Oscar konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Es hat seinen Grund.« Bevor Sophie Fragen stellen konnte, ging Oscar an ihrem alten Kindermädchen vorbei und trat in das Speisezimmer. »Verzeiht Vater. Ich habe die Zeit beim Lesen nicht beachtet«, entschuldigte sich Oscar und setzte sich an den gedeckten Tisch. Doch nicht ihr Vater antwortete. »Wir haben uns schon gefragt, ob ihr Euch zur Ruhe begeben habt. Ich wäre untröstlich gewesen, wäre dies der Fall gewesen.« Der Herzog lächelte. Doch Oscar erkannte, dass es nicht seine Augen berührte. Diese sahen sie fest und kalt an. »Ich muss gestehen, das ich Eure Anwesenheit genieße.« Oscar schenkte ihm ein freundliches Lächeln und schluckte die bissige Bemerkung hinunter, die ihr auf der Zunge lag. Es wäre nicht klug, diese im Beisein ihres Vaters ihm an den Kopf zu knallen. »Dann lasst uns nun anfangen«, ergriff der General das Wort und sie begannen zu essen. Sie aßen eine ganze Weile schweigend, bis der Herzog wieder das Wort ergriff. »Ihr mögt Bücher, Lady Oscar?«, fragte er und sah sie über den Tisch hinweg an. »Ja«, nickte die blonde Frau. »Ich lese sehr gerne.« De Merode trank einen Schluck des roten Weins, bevor er weiter sprach. »Ich habe mir die Bibliothek Eures Vaters angesehen. Wirklich sehr schöne Werke.« Er betrachtete das Glas einen Moment. Dann stellte er es zurück auf den Tisch. »Ich dürfte einige weitere interessante Werke auf meinem Anwesen für Euch haben.« Seine Augen trafen auf Oscars. »Auf Eurem Anwesen?« Oscar zog eine Augenbraue nach oben, griff nach ihrem Glas Wein und trank selbst einen Schluck. »Herzog de Merode und ich haben beschlossen, dass Du ihn für ein paar Tage begleiten wirst«, sagte der General gelassen, als würden sie über das Wetter sprechen und legte sein Besteck bei Seite. Oscar verschluckte sich an ihrem Wein. Hustend und nach Luft schnappend stellte sie das Weinglas auf den Tisch und griff nach der Serviette. »Was?!… Wann?«, brachte sie mühsam hervor, nachdem der Husten sich ein wenig beruhigt hatte. »Du wirst morgen mit dem Herzog fahren.« »Für wie lange?« »Habt Ihr etwas geplant, Lady Oscar?« Oscar wand ihren Kopf zu de Merode. Hinter dem erneut zum Mund geführten Glas erkannte sie ein Lächeln. »Nein, Herzog. Ich habe nichts geplant.« »Wundervoll«, strahlte der Herzog und genehmigte sich einen Schluck aus seinem Glas. »Dann wäre das ja nun geklärt«, sagte der General und nahm sein Besteck wieder in die Hände. Geklärt? Oscar tupfte sich mit der Serviertenspitze die Mundwinkel ab. Gar nichts war geklärt. Sie starrte auf ihren Porzellanteller. Ihr Vater hatte mal wieder über ihren Kopf hinweg für sie entschieden. Wie sie ihn dafür hasste… Wie gerne wäre sie jetzt aufgestanden und in ihr Zimmer gegangen. Doch das ging leider nicht. So starrte Oscar auf ihren Teller und hoffte, dass das Abendessen schnell zu Ende ging. »Habt Ihr davon gewusst?«, wollte Oscar von Sophie wissen, als diese in ihr Zimmer kam, um ihr beim Entkleiden zu helfen. »Nein. Ich habe es eben erfahren.« Sophie öffnete die kleinen Häkchen am Rücken. »Es ist schrecklich«, stöhnte Oscar. »Er ist schrecklich.« »Lady Oscar… Es ist doch nur für eine Woche.« »Eine Woche?!« Oscar drehte sich zu der alten Dame um. »Ich soll eine Woche bei diesem aufgeblasenem Widerling bleiben?!« Sophie nickte. »Ja… Jetzt schaut doch nicht so entsetzt… Wo ist Euer Lächeln geblieben?« Sie schob Oscar wieder herum, damit sie das Kleid weiter öffnen konnte. »Eine Woche«, wiederholte Oscar. »Ich kann keine Woche bei ihm bleiben.« »Warum denn nicht?« »Ich…« Oscar drehte sich wieder zu Sophie herum. »Ich kann daher nicht mit zu dem Herzog, da ich mich heute in einer Woche mit André treffe.« Sophie hielt in der Bewegung inne. »Was?!« »Sophie. Ich habe André heute getroffen. Deshalb bin ich zu spät gekommen.« Das alte Kindermädchen setzte sich auf das Bett. »Was sagt Ihr? Ihr habt André getroffen?« »Ja«, nickte Oscar und kniete sich vor Sophie auf den Boden. »Es geht ihm gut.« »Wirklich?« »Ja.« Sie streichelte über die nun zitternden Hände der alten Dame. Sophie hatte Tränen in den Augen. »Das ist schön zu hören, das es ihm gut geht.« Sie betrachtete das Gesicht von Oscar einen Augenblick. All die Wut und Empörung über die bevor stehende Reise waren verschwunden. Stattdessen lächelte Oscar nun liebevoll. »Deshalb ward Ihr so heiter, nach eurem Ausritt.« Oscar nickte darauf. Sophie seufzte lange. »Es ist nicht gerecht, dass Ihr nicht glücklich werden könnt… Ihr beide habt genauso ein Recht darauf, wie jeder andere auch.« »Sophie…«, begann Oscar vorsichtig. Sie wusste nicht, ob sie ihr Vorhaben Sophie anvertrauen sollte. Entschied sich aber dann dafür. »Wir werden fortgehen.« »Was?!« Das Kindermädchen schaute verwirrt. »André und ich werden weggehen«, wiederholte Oscar. »Kind… Ihr… Das… ist gefährlich«, stammelte Sophie perplex. Oscar nickte. »Uns ist durchaus bewusst, dass unser Vorhaben sehr riskant ist. Doch können wir nur so zusammen sein.« »Euer Vater… Er wird Euch suchen… Er wird alles in Bewegung setzen, um Euch zu finden.« »Das wird er sicherlich.« Oscar seufzte. »Deshalb planen wir ja auch unsere Flucht.« Flucht… Wie das klang… »Ihr wisst, dass Ihr mit dem Herzog fahren müsst. Euer Vater wird nichts anderes akzeptieren.« Sie streichelte Oscar liebevoll über das blonde Haar. »Aber was ist ein Tag, wenn Ihr das ganze Leben vor Euch habt?« »Nichts. Ich weiß. Doch je schneller wir weg können, umso besser.« Sophie lächelte. »Ihr wollt also Euer altes Kindermädchen alleine lassen.« »Ich-« »Nein. Es ist schon gut. Ich werde das alles hier schon überstehen.« Sie küsste Oscar auf die Stirn. »Die Hauptsache ist, Ihr werdet endlich glücklich.« »Das werden wir. Mit Sicherheit.« -Fortsetzung folgt…- Hoffe Euch gefällt das Kapitel^^ Lg 11 -- Winke^^ Ein neues Kapitel ist da. Hoffe Euch gefällt es ein wenig Wünsche viel Spaß beim lesen^^ ******************************************************************************* Oscar verspürte keine große Lust am nächsten Morgen auf zu stehen. Alles in ihr sträubte sich, mit dem Herzog zu fahren. Doch Sophie hatte Recht. Was war schon diese eine Woche, wenn sie zum Schluss mit André zusammen sein konnte. Diese Woche würde sie schon überstehen. Das alte Kindermädchen hatte am Abend schon angefangen vereinzelte Kleider heraus zu suchen, was gar nicht so einfach war, da der Bestand an Kleidern für Oscar sehr beschränkt war. So murrte sie leise vor sich her, während Oscar sie dabei schmunzelnd beobachtete. Sie brauchte kein Kleid. Hosen und Blusen würden völlig reichen. Doch Sophie hatte sofort lautstark protestiert, worauf die junge Frau nur die Achseln gezuckt und ihr viel Erfolg bei der Suche gewünscht hatte. Zu Oscars Leidwesen fand Sophie genug passende Kleider. Somit stand der Reise nun nichts mehr im Weg. Am Mittag traten Oscar und der Herzog die Reise an. Schweigend saßen sie sich in der Kutsche gegenüber und während Oscar stur aus dem Fenster schaute, fragte sie sich, warum sie nicht in einer eigenen Kutsche zu seinem Anwesen fuhr. Folgte ihnen eine Kutsche?… Nein… Sie hatte keine bemerkt, als sie eingestiegen waren. Oder würde ihr Vater eine Kutsche schicken, um sie abzuholen?… »Ihr mögt mich nicht sonderlich«, riss der Herzog Oscar aus ihren Gedanken. »Ihr habt mir keinen Anlass gegeben, das zu tun.« Sie wand den Kopf von dem Fenster und sah ihn an. »Ihr seid mir böse«, lächelte er und lachte dann laut. »Ihr hattet doch etwas vor… Wusste ich es doch.« Oscar antwortete nicht darauf. »Ich nehme Euer Schweigen als Bestätigung.« Oscar wand ihren Blick vom Herzog ab und sah wieder aus dem Fenster. Sollte er doch denken, was er wollte. Es war ihr gleich. Sie fragte sich, wie sie es eine Woche mit diesem Mann aushalten sollte. De Merode versuchte noch ein paar Mal ein Gespräch anzufangen, doch Oscar ignorierte ihn einfach. So verlief die weitere Fahrt über schweigend. Erst als die Kutsche ihr Ziel am Abend erreicht hatte, richtete der Herzog das Wort wieder an Oscar. »Wir sind da.«, sagte er, als die Kutsche stehen blieb. Die Tür wurde von außen geöffnet und er stieg aus. Von außen reichte er seinem Gast seinen Arm zur Hilfe, welchen Oscar annahm. Nach dem Aussteigen betrachtete Oscar das Anwesen des Herzogs. Sie musste sich eingestehen, dass ihr der erste Eindruck gefiel. Seine helle Fassade wirke freundlich und einladend. Das viele Grün, welches um das große Gebäude gepflanzt war, verstärkte den Eindruck noch mehr. Die breiten Säulen, welche den Eingangsbereich umrandeten, wirkten gigantisch. »Gehen wir hinein«, meinte der Herzog und Oscar stimmte zu. Sie war gespannt, wie es drinnen aus sah. Gemeinsam gingen sie die weißen Stufen des Palais nach oben und traten in die weitläufige Eingangshalle. Hell und freundlich begrüßte sie einen. Dem Eingangsportal gegenüber gab es eine breite Treppe, deren Stufen mit dickem Teppich verkleidet waren. An den Wänden hingen Porträts vergangener Ahnen. Sie registrierte den überdimensionalen Kronleuchter, welcher von der Decke hing. So geschmackvoll hatte sie sich sein Palais nicht vorgestellt. Das musste Oscar im Stillen zugeben. Nach einigen kurzen Anweisungen an das wartende Personal, wand sich der Herzog Oscar zu. »Ihr wollt Euch sicherlich etwas ausruhen, nach der längeren Reise«, meinte er, worauf Oscar nickte. Auch wenn sie sich keineswegs müde und erschöpft fühlte. Aber das musste sie ihm ja nicht sagen. »Ich werde Euch zu Eurem Zimmer geleiten.« Der Herzog reichte seinem Gast seinen Arm und führte die junge Frau nach oben in den ersten Stock. »Wenn Ihr möchtet, werde ich Euch das Abendessen nach oben bringen lassen.« Er öffnete die dunkle, hölzerne Tür, vor der er stehen geblieben war. Oscar nickte wieder. »Danke.« Sie nahm die Möglichkeit war, nicht in seiner Nähe sein zu müssen. »Wenn Euch etwas fehlen sollte, sagt es der Dienerschaft. Sie werden es Euch dann bringen.« »Ich denke, das wird sicher nicht von Nöten sein.« »Gut.« Er lächelte. »Dann wünsche ich Euch eine angenehme Nachtruhe, Lady Oscar.« De Merode deutete eine kleine Verbeugung an. »Das wünsche ich Euch auch, Herzog.« Die junge Frau sah dem Herzog einen kurzen Augenblick nach, nachdem er sich verabschiedet hatte und den Flur entlang zur Treppe ging. Dann trat sie durch die geöffnete Tür in das Gästezimmer. Sekunden nach ihr kamen drei Diener mit ihrem Reisegepäck durch die Tür. Vorsichtig trugen sie die Reisetruhe und die Koffer in das angrenzende Zimmer. Mit einer angedeuteten Verbeugung verließen sie das Zimmer wieder. Nun war Oscar endlich alleine. Seufzend ließ sie sich auf den Stuhl nieder, der an einem wunderschön, verzierten, dunklem Schreibtisch stand und betrachtete ihr Zimmer. Vor dem Kamin stand ein Sessel zudem ein kleiner Tisch gehörte. An der Wand war ein Regal angebracht, auf dem Bücher standen und eine Vase mit Blumen. Neben der Tür hatte ein großer Spiegel seinen Platz gefunden. Ein flauschiger Teppich machte das ganze sehr gemütlich. Oscar stand wieder auf und betrat den angrenzenden Raum. Hier hatte das große Himmelbett seinen Platz, sowie ein kleiner Frisiertisch, eine aus edelstem Porzellan entworfene Waschschüssel mit passendem Krug und der überdimensionale Kleiderschrank. Oscar gefiel der seidene Vorhang des Bettes, dessen lila Farbe durch die herein scheinende Sonne den Raum angenehm färbte. Hier würde sie also wohnen. Eine Woche zumindest… Sie ging zurück in das Wohnzimmer und betrachtete die Porträts, welche an den Wänden hingen, als es leise an der Tür klopfte. Ein Diener trat ein. Er brachte das Abendessen. Flink trat er in den Raum hinein, stellte das Tablett auf den Tisch und war nach einem »Guten Appetit« auch schon wieder verschwunden. Oscar begab sich zu dem Tisch und ließ sich auf den Stuhl nieder. Das Essen sah wirklich appetitlich aus und duftete sehr gut. Sie schenkte sich etwas Wein in das Kristallglas und begann zu essen. Es schmeckte köstlich und Oscar fühlte sich an Sophies Kochkünste erinnert. Das Tablett wurde einige Zeit später wieder von dem Mann abgeholt. Dieses Mal brachte er eine ältere Dame, namens Nathalie mit. Sie sollte Oscar beim Umziehen helfen. Dankend nahm sie die Hilfe an. Denn alleine wäre sie einfach aufgeschmissen gewesen. So gingen die beiden Frauen in das angrenzende Schlafzimmer und Oscar konnte endlich das Kleid ausziehen. In ihrer gemütlichen Hose setzte sich die blonde Frau in den Sessel vor dem Kamin. Noch immer war sie nicht müde und so hatte sie sich eins der Bücher von Regal genommen und blätterte nun darin herum. Doch wirklich lesen tat sie nicht. Immer wieder stellte sich ihr die Frage, warum ihr Vater den Herzog eingeladen hatte. Was bezweckte er damit? Hoffte er, dass sie sich in den Herzog verlieben würde? Das sie André vergessen würde? Oscar schüttelte den Kopf und schlug das Buch wieder zu. Wie könnte sie André vergessen? Jede Faser ihres Körpers sehnte sich nach ihm. Allein der Gedanke an ihn, ließ das Gefühl von tausend Schmetterlingen in ihrem Bauch aufkommen. Oscar stand auf, ging an das große Fenster und sah hinaus in den großen Garten, welcher in das rötliche Licht des Sonnenuntergangs getaucht war. Eine ganze Weile sah sie in den Garten hinaus, bevor die junge Frau sich entschloss, ins Bett zu gehen. Am nächsten Morgen weckten Oscar die hellen Sonnenstrahlen, welche sich durch den seidenen Vorhang stahlen und ihre Augen kitzelten. Sie seufzte und streckte sich, ehe sie aufstand. Nach der Morgentoilette zog Oscar ihre Hose und Bluse an, da Nathalie nicht da war. Kaum das sie in den Wohnbereich ihres Zimmers getreten war, klopfte es an die Tür. Nathalie kam nach Oscars Aufforderung in den Raum. Sie grüßte freundlich, während sie Oscar kritisch beäugte und marschierte dann schnurstracks in das Schlafzimmer. Oscar lächelte. Ihr war der Blick der Frau sehr wohl aufgefallen. Nicht, das sie versucht hätte, es zu verbergen. Der Frau gefiel Oscars derzeitige Kleidung nicht. Sie setzte sich auf den hölzernen Stuhl und wartete geduldig bis die ältere Frau mit dem Vorbereiten fertig war und sie zu sich rief. Herzog de Merode saß bereits an dem langen, dunklen Tisch, als Oscar den Raum betrat. Ganz der Gentleman stand er auf und ging zu ihr. »Guten Morgen, Lady Oscar. Hattet Ihr eine angenehme Nachtruhe?« Er küsste ihren Handrücken, ehe er sie an den Tisch geleitete und den Stuhl vom Tisch zog, damit sie sich setzten konnte. »Danke, Herzog. Das hatte ich.« Sie ließ sich auf dem Stuhl nieder. »Das freut mich zu hören.« Er ging wieder an seinen Platz. Ein Diener trat an Oscar heran und reichte ihr einen geflochtenen Korb in dem verschiedenes Backwerk lag. Sie fischte sich wahllos eins heraus und legte es auf den Porzellanteller. Während sie nach dem Messer griff, schenkte der Mann ihr heißen Kaffee ein. »Wenn Ihr möchtet, kann ich Euch nach dem Frühstück ein wenig herum führen.« Er sah sie über Tisch hinweg an. Oscar lächelte freundlich. »Gerne.« Sie ließ sich viel Zeit mit dem Frühstück. Sie hatte es wirklich nicht eilig, mit dem Herzog durch das Palais zu streifen. Doch auch irgendwann ging das beste und längste Frühstück zu Ende. Und so fand sie sich wenig später am Arm mit dem Herzog durch das Palais laufen. Das oberste Stockwerk ließ er außen vor, woran Oscar ausmachte, dass es seine privaten Räumlichkeiten waren. Und die zu sehen, darauf konnte Oscar verzichten. Auf ihrer Etage gab es noch weitere Gästezimmer. Jedes anders eingerichtet. Doch alle waren unbewohnt zur Zeit. Sie gingen in das Erdgeschoss. Auch hier waren etliche Türen zu sehen. Eine führte wie schon erfahren, in das Speisezimmer. Dann gab es noch eine Bibliothek, die zum Bersten gefüllt war mit allerlei Büchern und Schriftstücken, den Salon, ein Musikzimmer und einen weiteren Raum, den de Merode ab und an als Arbeitszimmer nutze. Das eigentliche Arbeitszimmer lag auf seiner Etage. Die Küche und der Waschraum lagen ganz versteckt im Erdgeschoss. Der Herzog führte Oscar einen schmalen Gang entlang, welcher aus der Eingangshalle hinaus in den Hof führte. Er deutete auf das Nebengebäude, an dem sie vorbei liefen. »Hier wohnen die Angestellten.« Ihr Weg führte sie durch den weitläufigen Garten mit seinen vielen Rosensträuchern, welche herrlich dufteten und kamen schließlich an einem anderen Nebengebäude an. »Hier ist der Stall. Möchtet Ihr hinein?« »Ja, gerne«, stimmte Oscar zu. Sie war gespannt, welch prachtvolle Tiere hier untergestellt waren. Direkt am Eingang stand die Kutsche, mit der sie gestern hierher gefahren waren. Dahinter waren die Boxen. Großflächig angelegt. Doch nicht alle waren belegt. Oscar trat an eine Box und betrachtete das Pferd darin. Ein wunderschöner, schwarzer Hengst blickte sie interessiert an. »Wenn Ihr möchtet, können wir morgen einen Ausritt unternehmen.« »Das wäre wundervoll«, lächelte Oscar und dieses Mal war es nicht erzwungen. »Es sind wundervolle Tiere«, sagte sie, nachdem Oscar sich weitere Pferde angeschaut hatte. Der Herzog nickte zustimmend. Er betrachtete Oscars Gesicht von der Seite. Ihre Augen funkelten freudig. Die Erinnerung, wie er sie in dem Wald gesehen hatte, tauchte erneut vor seinem geistigen Auge auf und er spürte, wie er diese Frau begehrte. Lautlos näherte er sich ihr. Oscar war beeindruckt von der Qualität der Pferde. Es waren wirklich exzellente Tiere. Die mussten ein enormes Geld gekostet haben. Tief zog sie die Luft ein und bereute es gleich darauf. Der Geruch nach Stall… Den Geruch hatte sie bis eben gekonnt ausgeblendet. Diesen Geruch, den André immer an sich hatte… Ihre Stimmung änderte sich. Es war besser, wenn sie den Stall verließ. Als sie sich umdrehen wollte, spürte sie einen Körper genau hinter sich. Seinen Körper. Wenige Sekunden später fühlte sie seine Hände, die ihre Schultern berührten. Sofort spannte sich jeder Muskel in ihrem Körper. Seine Hände fuhren ihre Schultern hinauf und schoben das dichte Haare zur Seite. Sein heißer Atmen streifte ihre freie Haut am Hals, ehe seine Lippen sie dort berührten… -Fortsetzung folgt-… Hoffe Euch hat das Kapitel gefallen ^ ^ Freue mich wie immer auf eure Kommentare^^ Lg Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)