Lady Oscar von Lilly-san (Wenn alles anders läuft...) ================================================================================ 2 - Völlig durcheinander lief Oscar die Marmortreppe hinunter. Sie wusste nicht, ob sie schreien, weinen oder lachen sollte. Wie konnte ihr Vater nur so vorgehen? Sie brauchte nun jemanden mit dem sie reden konnte. André. Ihr treuer Freund André. Dieser begrüßte Oscar gut gelaunt im Stall. Er war gerade dabei ihren Schimmel zu striegeln, als sie durch die Tür kam. »Da bist du ja wieder. Hast du schon mit deinem Vater sprechen können?«, fragte er fröhlich. Das Pferd wieherte zur Begrüßung. Oscar nickte einfach nur und ließ sich auf einen Heuballen fallen. »Alles in Ordnung? Gab es schlechte Neuigkeiten?« Er lachte. »Er hat dir noch mehr Arbeit aufgebrummt, richtig?« Sie schüttelte den Kopf. Sie traute es sich gar nicht aus zusprechen, da sie ihre Gefühle kaum unter Kontrolle hatte. Und eine Blöße wollte sie sich sicher nicht geben. Dazu war sie zu streng erzogen worden. André beendete das Striegeln und setzte sich zu ihr auf den Ballen. Ein erneuter Blick in ihre blauen Diamanten verriet ihm, dass es etwas sehr Ernstes gewesen sein musste, worüber ihr Vater mit ihr sprechen wollte. »Was ist passiert?«, wollte er nun wissen, da sie von sich aus dem Anschein nach nicht reden würde. »Ich soll heiraten, André.« Sie hatte es herausgebracht. Wie bittere Medizin schmeckten diese Worte in ihrem Mund. »Das ist ein Scherz«, lachte André. »Du und eine Ehefrau?« Er kugelte sich fast auf dem Ballen. Doch Oscar´s Augen blickten irgendwie traurig, was ungewöhnlich für sie war. »Kein Scherz?«, fragte er nach. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Er hat es zwar nicht so gesagt, aber er will, dass ich ihn heirate.« In André brach ein Vulkan aus Gefühlen aus. Jemand sollte seine über alles geliebte Oscar zur Frau nehmen? Sie ihm wegnehmen? Mit ihr Kinder bekommen? Mit ihr glücklich werden? Das alles weit entfernt von ihm? »Wer soll es denn, laut deinem Vater, sein?«, fragte André und bemühte sich, seine Stimme normal klingen zu lassen. »Graf Girodel.« Oscar sah ihn an. »Ich will doch gar nicht heiraten, André. Ich will keinen Ehemann, der mir vorschreibt, was ich zu tun und zu lassen habe. Für den ich nur ein hübsch anzusehendes Wesen bin. Und der sich nicht wirklich für mich interessiert«, motzte Oscar und strich sich über die Stirn. »Hat es dein Vater in die Wege geleitet?«, fragte André nun interessiert. »Nein. Es ging vom Grafen aus. Er hat meinen Vater um meine Hand gebeten.« Also war Graf Girodel ebenfalls in Oscar verliebt, schoss es André durch den Kopf. Verständlich. Man musste Oscar einfach lieben. »Was soll ich tun, André?« Oscar´s blauen Augen sahen hilfesuchend in die seinen. Wie selten dieser Blick an ihr war… Sonst war sie eine Frau, welche ihre Gefühle stets perfekt kontrollierte. Aber gerade in diesen Sekunden war sie einfach nur Frau. André wollte ihr so gerne sagen, dass sie den Grafen nicht heiraten sollte. Das sie lieber mit ihm davon laufen und ihm ihre Liebe schenken sollte. Aber er konnte es nicht. Und er durfte es nicht. Sie kamen einfach aus unterschiedlichen Ständen. Er. Der Stallbursche und Diener. Und auf der anderen Seite Oscar. Die adlige Tochter aus sehr gutem Hause. Es war einfach eine unerfüllte Liebe. »Ich…«, begann André. Änderte aber dann die Richtung. »Wann soll eine Entscheidung getroffen werden?« »Er meinte, ich hätte ein paar Tage Zeit, um es mir zu überlegen.« »Dann hast du doch ein paar Tage zeit, um dir eine plausible Erklärung zu überlegen ihn nicht zu heiraten.« André fing sich einen bösen Blick ein. »Mein Vater würde ausflippen, wenn ich das tue. Er hat doch schon seine Zustimmung zur Hochzeit gegeben… Was bleibt mir denn für eine Wahl?« Sie seufzte und lehnte sich mit dem Kopf an die Wand des Stalls. »Wir finden bestimmt eine Lösung«, sagte André zuversichtig. Doch innerlich war er noch immer aufgewühlt und aufgebracht. Wie gerne würde er sie jetzt in den Arm nehmen und ihr sagen, das alles gut werden würde. Ihr einen Kuss auf den Scheitel drücken und dann tief in ihren Augen versinken, ehe er ihre geschwungenen Lippen küssen würde. Wie lange hielt er nun schon seine Liebe zu ihr geheim? 2 Jahre? 5 Jahre? Es war eine Ewigkeit… Großmutter Sophie war hoch erfreut, als die von dem Antrag des Grafen erfuhr. Endlich würde Oscar Kleider tragen. Das hatte sie sich schon von ihrer Geburt an gewünscht. Denn als verheiratete Frau würde Oscar wohl kaum noch in Uniform herumlaufen. Sie würde nun so bezaubernd wie ihre Mutter aussehen. Endlich. Sie konnte es kaum erwarten, dass die Hochzeit vollzogen wurde. Oscar dagegen sträubte sich noch immer dagegen. Alles in ihr verweigerte diese Heirat. Nicht, das sie den Grafen nicht mochte. Er war ein sehr angenehmer Mensch. Freundlich, loyal und ehrlich. Doch er war nicht das, was sich Oscar für die Zukunft wünschte. Sie wollte Kommandant der königlichen Garde werden. Wollte in der Nähe der jungen Dauphine sein und sie vor Unheil bewahren. Sie war doch so naiv, leichtgläubig und überaus lenkbar von anderen, wenn diese es geschickt anstellten. Aber vor allem wollte sie mit André zusammen sein. So wie ihr ganzes Leben bis jetzt. Sie waren doch wie Geschwister. Ihr einziger Bruder den sie hatte. Nun wusste sie zumindest, warum André nicht mehr mit nach Versailles reiten sollte. Damit der Graf in ihm nicht einen Rivalen sehen würde… Was für ein Schwachsinn, dachte Oscar. André war doch ihr bester Freund… Doch André war in den letzten Tagen irgendwie komisch geworden. Sie hatte das Gefühl, das er ihr aus dem Weg ging. Aber warum? Was hatte er für einen Grund?… Einige Abende später saß Oscar alleine in ihrem Zimmer. Vergebens versuchte sie in einem Buch zu lesen. Doch es gelang ihr nicht. Seufzend klappte sie das Buch zu und stand auf. Oscar ging zu dem Portrait, welches über dem Kamin hing und ihre Mutter zeigte kurz nach ihrer Hochzeit mit dem General. Sie hatte ebenso blondes, gewelltes langes Haar. Blaue, strahlende Augen. Sophie sagte ihr einmal, dass sie das genaue Ebenbild ihrer Mutter war. Nur das Temperament hatte sie von ihrem Vater. Auch diese Ehe war arrangiert gewesen und beide waren glücklich bis zu ihrem Tod, bei Oscar´s Geburt. Ihr Vater hatte nie wieder geheiratet. Waren arrangierte Ehen wirklich nicht so schlecht, wie sie fand? Gab es doch einen Funken Hoffnung, dass sie mit dem Grafen glücklich werden würde? Nein. Sie wollte einfach keine Ehefrau sein. Mit einem Krachen donnerte ihre Faust auf dem Kaminsims. Warum musste alles nur so kompliziert sein? Sie brauchte Ablenkung. Sie schnappte sich ihren Degen und ging strammen Schrittes in die Richtung von Andrés Zimmer. Kaum hatte sie angeklopft ertönte auch schon von drinnen seine Stimme. »Oscar? Was ist los? Hab ich was ausgefressen?«, fragte André verwundert, als er Oscar in dem Türrahmen stehen sah. Ihren Degen in der Hand. »Nein«, lächelte Oscar. »Ich brauch nur gerade etwas Ablenkung und dachte, ich frage dich, ob du Lust hast etwas zu üben.« Sie hielt den Degen hoch. André schaute auf die Uhr. »Jetzt?« »Warum nicht jetzt?«, patzte Oscar. »Es ist schon fast dunkel draußen«, erwiderte André und zeigte zum Fenster, in dem man die Dämmerung sah. Oscar zuckte die Schultern. »Ist doch egal. Nun komm schon.« Sie machte eine kurze Pause. »Bitte.« André seufzte, nickte und stand auf. Auch wenn sie gerade ihre fünf Minuten zu haben schien. Er konnte ihr einfach keine Bitte abschlagen. Nachdem er seinen Degen genommen hatte gingen beide nach draußen in den Hof. Eine ganze Weile droschen sie gegenseitig auf einander ein. Drängten sich gegenseitig zur Seite. Mal hatte Oscar mehr die Oberhand. Mal André. Es war ein gesundes Gleichgewicht zwischen ihnen Beiden. »Das hat gut getan«, keuchte Oscar, als sie die Degen für heute ruhen ließen. Gemeinsam saßen sie auf dem Brunnenrand, um wieder Luft zu bekommen. »Du hast es mir aber heute wirklich gezeigt«, atmete André schwer und versuchte seinen Puls wieder ruhig zu bekommen. »Du hast dich wacker geschlagen, André. Vielleicht wirst du ja eines Tages besser als ich«, flachste sie und sah ihn keck an. Andrés Herz machte wieder einen Sprung. Ob Oscar wusste, was ihm ihre Blicke bedeuteten? Wohl kaum. Es schmerzte ihn zu wissen, dass Oscar wohl schon bald eine verheiratete Frau sein würde. Der liebliche Scherz der Liebe… Wie sehr es ihn verzerrte. Was würde er nicht dafür geben einmal ihre Lippen zu schmecken. Einmal ihr langes, gewelltes Haar zu berühren. Den Duft ihres Körper tief einatmen und dessen wärme spüren zu können… »André?« »Was?« Er schreckte aus seinen Gedanken auf. »Was ist? Du verteidigst dich ja gar nicht. Hast es wohl aufgegeben, mich je schlagen zu können«, lachte sie auf. »Dich werde ich noch besiegen. Verlass dich drauf«, entgegnete André und lächelte schief. »Selbst wenn ich alt und klapprig bin, wirst du es nicht schaffen. Wetten?«, forderte sie ihn nun heraus. »Du wirst übermütig. Was machst du, wenn ich die Wette annehme?« Oscar zuckte mit den Schultern. »Ich bleibe gelassen. Was sonst?« André lachte herzhaft. »Du bist unverbesserlich.« »Danke André.« »Für was?« »Dafür, das du mich ein wenig abgelenkt hast.« André winkte ab. »Das mache ich doch gerne, Oscar.« Oscar sah in darauf etwas verwirrt an. Lächelte dann aber und stand auf. »Ich bin nun müde. Ich werde mich jetzt hinlegen.« »Mach das. Gute Nacht.« »Gute Nacht André.« »Nein, nein nein! Niemals!« Oscar hörte die Stimme von Marie Antoinette schon weit vor deren Gemächern. Was war nun schon wieder los? Konnte es nicht einen Tag ruhe geben? Nur einen einzigen. Was war daran zu viel verlangt? »Bitte Hoheit. So nehmt doch Vernunft an«, hörte Oscar nun die Stimme des Grafen Mercy. »Niemals!«, antwortete die Dauphine trotzig. Oscar trat an die Tür heran, an deren Wachen postiert waren und klopfte an. »Nicht jetzt!«, blaffte Marie Antoinette, doch Oscar überhörte es und öffnete die Tür einfach. »Lady Oscar! Oh bitte erlöst mich von diesem Mann. Ich ertrage seine Worte einfach nicht mehr«, stöhnte die junge Frau und lief Oscar entgegen. »Was geht denn hier vor, Hoheit? Man hört Euch über den ganzen Flur.« Oscar verschaffte sich einen kurzen Überblick. Graf de Mercy stand am anderen Ende des Raumes und sah nahe der Verzweiflung aus. Er schüttelte nur den Kopf. Die Dauphine dagegen war aufgebracht und recht wütend. Ansonsten waren nur ein paar Zofen im Raum, welche unbehaglich drein schauten. »Vielleicht bringt Ihr sie zu Vernunft«, hörte Graf de Mercy auf, seinen Kopf zu schütteln und verließ den Raum. Marie Antoinette gab ihren Zofen mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie ebenfalls das Zimmer verlassen sollten. »Was ist denn nun los?«, erkundigte sich Oscar erneut, als sie beide alleine waren. »Oh es ist so schrecklich«, seufzte die Dauphine, ging zu dem weichen Sofa und ließ sich darauf nieder. »Was ist so schrecklich?« »Diese Dubarry. Der König verlangt von mir, dass ich mich mit ihr unterhalten soll. Denn meine Abneigung ihr gegenüber, wäre auch eine Abneigung ihm gegenüber. Oh Lady Oscar. Es ist so schrecklich. Ich möchte nicht mit dieser Person reden. Sie wird sich dadurch nur noch mehr aufplustern.« Traurige und zugleich stolze Augen sahen hilfesuchend zu Oscar. »Hoheit«, begann Oscar vorsichtig und trat an die Dauphine heran. »Ich sagte Euch schon einmal. Es wird wohl kein Weg drum herum führen.« Sie setzte sich, ohne Aufforderung, neben Marie Antoinette. »Es reicht ein Satz. Damit habt Ihr mit ihr gesprochen.« »Das kann ich nicht.« »Wenn Ihr den König dermaßen erzürnt, kann er Eure Ehe annullieren lassen. Er wird und kann Euch zurück nach Österreich schicken.« Marie Antoinette schaute erschrocken. »Meint Ihr, dass er das tun würde?« Oscar nickte. »Es wäre Majestätsbeleidigung.« Die Dauphine überlegte angestrengt. »Würdet Ihr mir zur Seite stehen, Lady Oscar. Mit Euch an meiner Seite, wäre ich wohl im Stande, diesen Schritt gehen zu können.« »Wenn Ihr das wünscht, werde ich bei Euch sein«, nickte Oscar. »Ja. Das wünsche ich mir. Danke.« Marie Antoinette umarmte Oscar überschwänglich. Dann sah sie Oscar wieder an. »Wisst Ihr. Wenn Ihr dazu noch ein Kleid tragen würdet, ginge es bestimmt noch besser«, lächelte die Dauphine. »Niemals!«, rief Oscar lachend. -Fortsetzung folgt- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)