Silhouette of myself. von Papierherz (Sasuke und Sakura.) ================================================================================ Kapitel 4: Nichts nützt. ------------------------ ERINNERUNGSSPLITTER.  Das Blatt hing schlaff in meinen Händen. Um mich herum laute Stimmen, die auf mich einschlugen, mich unter sich begraben, während ich taub und mit diesem Gefühl in mir, das so drückend erschien, als würde eine große Masse auf mir lasten, auf meinem Stuhl saß. Ino lachte. Jemand klopfte auf ihre Schulter. Und hörte auf. Wie mein Herz aufhörte zu klopfen, als ich diese Stimme vernahm. „Na, Sakura, was hast du für eine Note?“ Ich blickte auf. Hass. Abscheu. Schmerz. Hass. Karin stand mir gegenüber. Hände in die Hüften gestemmt. Dieser fiese Ausdruck in den Augen. Ich sollte lügen. Lügen. Aber meine Mutter hatte mir verboten zu lügen. Meine Mutter, die mich für diese Note einsperren würde, wenn nicht so gar schlimmeres anstellen. Dann dieses missbilligende Lachen von Karin, als sie sich wissend umdrehte und davon ging. Ein mitleidiger Blick von Ino. „Ist ja nur eine Note.“ Ja, eine Note. Für mich. Für sie. Für alle. Außer meine Mutter. Zu Hause wartete die Hölle auf mich. Eine Hölle und doch so kalt wie Eis. Vielleicht war es nur die Schule, vielleicht war es nur eine Note, doch für meine Mutter Grund genug, mir zu verdeutlichen, dass sie mich nicht als Tochter wollte. Das ist nicht gut genug war. Dieses Gefühl war immer noch da und fraß sich in mich rein wie ein kleines fieses Insekt. »Das Leben ist viel leichter hinter sich zu bringen, wenn man ab morgens einfach nichts mehr spürt.« Vielleicht sollte ich das versuchen. Einfach nichts mehr spüren. Kalt werden. Mein Herz verschließen. Nie wieder fühlen. Dann hätte ich doch keine Probleme mehr, oder? Er schien so weit weg, auch wenn er neben mir ging und das riss mir mein Herz aus der Brust. Ich spürte dieses drückende Gefühl und spannte mein Kiefer an, als sich die Tränen wieder in meinen Augen sammelten. Meinen Blick richtete ich weg von ihm, weg von dem, was diesen Zustand auslöste, und dabei konnte er doch nichts dafür. Es war einfach diese Tatsache, dass ich so schrecklich war, schrecklich genug, um solche Gefühle zu haben, für jemanden, der absolut tabu für mich war. Das war so moralisch verwerflich, aber ich wollte dieses Verbot brechen. Ich war ein Monster. Wissend, dass, wäre es möglich, gäbe es eine Chance, mir meine Schwester egal wäre. Doch es gab weder die Möglichkeit, noch die Chance. Denn ich war nicht bestimmt dazu, in irgendeiner Weise Glück zu empfinden. Vielleicht für eine kurzen Moment, wenn er mir einen Blick schenkte, wenn mein Herz hüpfte, mir ganz warm wurde – aber diese Moment, so schön und so selten, würden mir nicht mein Leben retten. Ich fuhr mir durch die Haare und seufzte leise. Ich machte mir zu viele Gedanken, wenn dem nicht so wäre, würde mir vielleicht einiges viel leichter fallen. Aber ich ließ mich doch schon genug von meinen Gefühlen leiten, ich konnte sie nicht die komplette Kontrolle übernehmen lassen. Ich hatte Angst, was passieren würde. Dieses schreckliche Gefühl der Unwissenheit. Das Leben war ungerecht. Wieso musste mir das alles wiederfahren? Wieso durfte ich miterleben, wie andere glücklich waren, wenn ich selber daran zerbrach? Einen kurzen Moment dachte ich daran, Sasuke in ein Gespräch zu verwickeln, doch den Gedanken verwarf ich sofort wieder. Ich war ihm schon nah genug, auch wenn ich mich danach sehnte, ihm noch näher zu sein, noch mehr über ihn zu wissen, aber es war einfach unmöglich. Ich wollte und doch sträubte ich mich dagegen. Nichts wird jemals nah genug sein. Früher gab es noch diese Momente, an denen ich dachte, ich könnte glücklich sein, für genau diesen Augenblick, doch nun blieben sie weg. Sie war verschwunden. Oder verrottet? „Was machst du heute Nacht?“ Seine Stimme brannte sich in meinen Kopf und mir wurde beinahe schwindelig. Wie zum Teufel machte er das? „Ich denke mal, schlafen.“ Er gab einen Ton von sich, der leicht nach einem Lachen klang, doch nur ein kleines Grinsen schlich sich auf sein wunderbares Gesicht, als ich ihn kurz anblickte. Ich bereute es, denn es war so schwer, wieder davon wegzukommen. „Interessant.“ Ich atmete tief ein und aus. Mir wurde ganz warm und tausend Fragen schwirrten in meinem Kopf umher. War ich etwa so langweilig? Ich war sicherlich total uninteressant für ihn. Komplett das Gegenteil von Anzu. Ein sinnloser Zeitvertreib. „Lust mitzukommen?“, fragte er plötzlich und riss mich aus meinen Gedanken. „Wohin?“ Nachts wo hingehen, hatte ich noch nie gewagt. Gar niemals. Ich hatte dies nie in Erwägung gezogen. Vielleicht wäre es mal Abwechslung zu meinem öden Leben. Und Schule schwänzen… war ja vielleicht sogar mal gesund. „Wissen wir noch nicht.“ Sasuke gab immer kurz Antworten, sodass ich mich unwohl fühlte und dennoch immer mehr wissen wollte. Es war so unglaublich, was er mit mir anstellte. Hatte er denn keine Ahnung, welche Auswirkung er auf mich hatte? „Wer ist wir?“, fragte ich, um seine Stimme ein weiteres Mal zu hören. Ich beobachtete, wie er sich eine weitere Zigarette anzündete. Zu gerne würde ich wissen, wie sich meine Hand in seiner anfühlte, und meine Lippen an seinen, aber das war unmöglich. Schmerzlich und unmöglich. „Anzu, ich und ein paar andere.“ Ich nickte nur. Ich würde dir alles geben. Tut mir nur Leid, dass es nicht so viel ist. Irgendwie tat es wieder weh und ich konnte es nicht beschreiben. Unbeschreibliche Schmerzen waren immer noch die Schlimmsten, denn es gab keinen Ausweg, keine Lösung, damit man sie nicht mehr fühlte. Oh, wie gern wäre ich einfach taub für sowas, kalt und taub, keine Schmerzen mehr. Aber es war so schwer. Ein Blick genügte und mein Herz schlug schneller, lauter, unheilvoller – und doch schmerzhafter. Immer mehr darüber nachdenken, machte es nicht besser, ich wusste es. Es machte es schlimmer, das wusste ich, ich war mir völlig im Klaren darüber, was ich mir selber antat, aber ich konnte es nicht verdrängen, verstecken und wenn ich es tat, grub es sich immer wieder an die Oberfläche. Dieses Gefühl war wie ein Parasit. Hässlich, schmerzhaft, unumgänglich, einfach da. „Und?“ Und? Und wahrscheinlich könnte mich keiner davor retten, dass ich mich verlor, dass ich bald nicht mehr weiter wüsste, dass ich mich selber zu Grunde richtete. Nicht einmal du. „Du wirst es heute Abend schon sehen.“, murmelte ich und rieb mir mit dem Handballen mein rechtes Auge. Nicht weinen, keine Tränen vergießen, niemand war es wert, nichts war es wert. Nur du und diese ganze Sache hier. Es bedarf keine langen Worte, um mich zu in irgendeiner Weise zu beschreiben. Ich war ein Fehler, ein Problem, eine unerschütterliche Tatsache, das beste Beispiel dafür, was schief gehen konnte. Was hatte ich schon? Gute Noten? Nein, nein. Die gehörten der Vergangenheit an, ich war nicht mehr dazu im Stande, mein Leben im Griff zu halten, alles glitt aus meinen Händen. Meine Familie, meine Freunde, mein Leben. Was übrig blieb war… pures Nichts. Nichtssein, Nichtskönnen, ein einziger Nichtsnutz. Man hat mich aus einem Albtraum gerissen und die Realität gesetzt. Sie war nicht besser. Die Haustür stand offen, kleine Tüten zierten den Aufgang zum Haus. Ich blieb vor ihnen stehen, hoffte, so einfach könnte man mir den Weg versperren, mich selber in meine persönliche Hölle zu begeben. Mir fiel es wieder schwer zu atmen, es war einfach ein großer Stein, hart, matt und schwer, in meinem Brustkorb. „Oh Schatz, du bist da.“ Ich blickte auf und meine Mutter strahlte mich an und plötzlich drückte sie mich an sich und ich tat nichts. Meine Arme hingen schlaff hinunter. Sie drückte mich weg und schaute mich verwirrt an. „Hast du was?“ Ja… so vieles. Doch nein, nein keine Worte würden das ausdrückten, kein Mensch würde es verstehen. Ein Lächeln, so falsch, eine kleine Schauspielerei, die ich mir erlaubte. „Nein, nichts.“ Und dann war sie glücklich und ich zerbrach. „Ich hab eingekauft…“ Ein Redeschwall ergoss sich über mir aber stieß auf taube Ohren. So taub wie meine Hände, die plötzlich kalt waren und zitterten, so taub wie mein Herz, dass schlug und doch stockte und stolperte. Stille. Erdrückend. Schmerz. Schmerz. Stille. Ich stand wiederrum alleine im Garten, denn meine Mutter war ohne ein weiteres Wort, oder während ihres Wortschwalles – ich wusste es nicht – verschwunden im Haus und ließ mich einfach stehen. Ist ja nicht so, als wäre es etwas Neues für mich, stehen gelassen zu werden. Ein Schauer überzog meinen Körper, die Gedanken überschlugen sich, ich konnte sie nicht mehr fassen, meine Augen wurden feucht und ich rannte in mein Zimmer. Der einzige Ort, an dem ich endlich ich selbst sein konnte, wo meine Gefühle nicht übersehen, zertrampelt oder verhöhnt worden. Dabei wünschte ich auch, ich könnte mich in deinen Armen so fühlen. Nichts nützt. Nichts nützt, jemanden zu zerstören. Eine Priese Nichts, machte dein Leben zu einer Hölle, zu etwas, dass niemand braucht, machte dich zu jemandem, den niemand braucht. Und du kannst nicht dagegen ankämpfen. Es frisst sich in dich hinein, es frisst dich auf und es wird nicht aufhören, bis du aufgibst, bist du versagst. Mein Kämpfen hat so wenig Sinn, keinen Sinn. Sinnlos. Alles. Wirklich alles. Was musste ich noch tun, damit nicht nur ich es begriff, sondern auch verstand? Ich hörte das leise Tappen von Füßen im unteren Stockwerk, das leise Murmeln meiner Schwester im Nebenraum, während mein Blick aus dem Fenster gerichtet war, auf den langsam dunkler werdenden Himmel. Leicht konnte man schon die Sterne vernehmen, die in dem bunten, leicht von Wolken verschleierten Himmel, leuchtend hangen. Ein so schöner Anblick, fast zu schön, um war zu sein. So wie er es war. Es war so absurd. Ich wusste nichts von ihm, ich kannte ihn nicht wirklich und dennoch war dieser Drang da, einfach bei ihm zu sein – und mehr wissen zu wollen. Und in dem Moment beschloss ich ebenfalls, dass ich heute Nacht nicht in meinem Bett verbringen würde, nicht in diesem Haus, nicht alleine und doch mit dem Gedanken nicht alleine, sondern bei ihm. Ich würde heute Nacht nicht nur in Gedanken bei ihm sein, nicht nur in Gedanken frei sein, sondern auch in der Realität. „Sakura, Abendbrot ist fertig.“ Mir drehte sich wortwörtlich der Magen um und der Gedanke an Essen trieb Schwindel und Übelkeit hoch und ich schüttelte den Kopf, wohlwissend, dass meine Mutter es nicht sah, aber für mich selber. „Ich hab keinen Hunger.“ Sie riss die Tür mit solch einem Ruck auf, dass mir das Herz stehen blieb und Schweiß in die Poren trat. Erschrocken starrte ich sie an. „Stell dich nicht so an.“, sagte sie kalt, als sie meine Reaktion sah. Wo war die liebevolle, umsorgende Mutter von vorhin verschwunden? Dieser ständige wechselt brachte mich selber um den Verstand. Ich habe aufgehört, mir deine Liebe zu denken. Nachdem ich ihr verdeutlich habe unter wilden Gesten und lauter Stimme, dass ich nicht essen wollte, und im Kopf auch ich mir selber verdeutlichte, dass ich nicht mehr so sein wollte, wie sie es sich wünschte, dass ich endgültig, mit ihr und all ihren Taten, Plänen fertig war, verließ sie mit einem Blick das Zimmer, welcher mir verdeutlichte, dass für sie dieses Thema nicht abgeschlossen war und mich noch etwas erwartete. Ich lag wieder wach in meinem Bett, starrte an die Decke und meine Gedanken führten Spaziergänge, fern von hier, fern von mir selber. Wie stark doch dieser Wunsch war, endlich fern von hier zu sein; es schien als schreie alles in mir nach einem fremden Ort, einem Ort, wo ich all dies vergessen konnte, was mich so sehr plagte. Aber das würde mir verwehrt bleiben, das wusste ich. Es war unmöglich so einfach diesem Teufelskreis zu entkommen – der einzige Weg war einfach, dass ich endlich tat, was ich wollte, was ich mir wünschte. Heute würde ich damit anfangen. Endgültig. Ich hörte, wie die Tür leise und langsam aufschwang, ein letzter Blick aus dem Fenster verriet mir, dass es inzwischen langsam dunkel geworden ist und leichter Schein der Straßenlaterne erleuchtete mein Zimmer. „Sakura?“, sprach Anzu und trat leise ein. Ich richtete mich auf, aufgestützt auf meinen Ellbogen und schaute sie an. Sie hatte ein Lächeln auf den Lippen, ihre Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden und sie trug wie immer ihre lässige Jeans mit Sneakers und einem Kapuzenpullover; ich wusste, dass sie sich so am wohlsten fühlte. Wie fühlte ich mich eigentlich am wohlsten? Ich wusste es nicht, denn ich habe nicht probiert, was mir gefiel. „Ich hab gehört, du willst mitkommen.“ Sie hielt ihr Handy in die Luft, bevor sie es einsteckte. Dann schloss sie sachte die Tür und schloss hinter sich ab. Mit federnden Schritten näherte sie sich dem Fenster, lehnte sich weit heraus. Ich schaute sie verwundert an, ohne eine Ahnung, was dies zu bedeuten hatte. „Okay, die Luft ist rein.“, sprach sie plötzlich. Verwirr kräuselte ich die Stirn, bis sie plötzlich einen Fuß aus dem Fenster hängen ließ. Ich sprang auf. „Anzu!“, flüsterte ich in einem strengen Ton. Sie lachte leise und führte ihren Finger zu ihren Lippen, um mir zu verdeutlichen, dass ich zu laut war. Ich blickte zu meiner Tür, wandte mich aber wieder schnell zu ihr, bevor sie weiteren Blödsinn anstellte. „Was hast du vor, Fräulein?“, fragte ich sie und stellte mich direkt neben sie. Ihr Gesicht nahm kurz eine ernste Miene an, als sie sagte: „Du sprichst ja wie Mama.“ Und damit schaffte sie es auch, mich leise zu stellen. Eigentlich wollte ich dies für mich tun. Aber irgendwie tat ich doch alles für dich. „Und jetzt komm einfach hinter mir her. Ich weiß, was ich tue.“ Plötzlich war sie weg und mein Herz setzte aus. Mit einer Bewegung hing mein Oberkörper aus dem Fenster, damit ich erkennen konnte, was Anzu angestellt hatte. Sie stand allerdings nur knapp zwei Meter unter meinem Fenster, denn dort befand sich das kleine Dach, das unseren Hauseingang überdeckte. Mit einem Mal wurde mir klar, welch Vorteile ich mir hatte entgehen lassen, all die Jahre, die ich mich nicht getraut hatte, auch nur etwas zu wagen, was nicht den Regeln entsprach. Wieso hatte es so lange gedauert, mir die Augen zu öffnen? Und wieso öffnet sie so banale Dinge plötzlich, dass ich beinahe darunter zu ersticken drohte? In mir schlich diese Aufregung hoch, die den gesamten Körper anspannte, meinen Verstand aussetzte und mich dazu trieb, mir all die Dinge auszumalen, die ich nun tun könnte, wollte, musste. Dieser Drang war plötzlich zu stark, dass ich mich kaum noch bändigen konnte. Mit unvorhergesehenem Elan folgte ich Anzu. Nur einige Sprünge und beinahe halsbrecherische Aktionen später, liefen wir lachend nebeneinander her. Es gab keinen Moment, der so unbeschreiblich schön war, wie dieser, den ich nun erlebte, keinen Augenblick, der vergleichbar war, mit diesem hier, der mich beflügelte und mir zeigte, dass ich doch imstande war, diese prickelnden Glücksgefühle zu spüren. Ich fühlte mich frei. Fühlte sich Freiheit wirklich so an? Anzu hielt mir plötzlich etwas hin, was ich in der Dunkelheit nicht sofort erkennen konnte, doch der leicht beißende Geruch und ein Blick zu ihr verriet mir, dass es eine Zigarette war. Ich nahm sie ihr ab und drehte sie leicht zwischen den Fingern. Unschlüssig. Doch ich war selber überrascht von mir, denn dass Anzu rauchte, machte mir nichts aus, und dass ich im nächsten Augenblick an der Zigarette in meiner Hand zog, fühlte sie nicht falsch an. Wie in einem dieser Filmmomente schauten meine Schwester und ich uns an, ein langer Blick, ihrer wie immer mit solch einem Glück funkelnd und meiner zum ersten Mal lodernd, denn dieses Gefühl machte sie plötzlich breit in mir und beflügelte mich, als ich das nächste Mal einen kräftigen Zug nahm und unweigerlich zurückdachte an Sasuke. Ja, so fühlte sich Freiheit an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)