Everything/Nur mit dir von __Sleepwalker (PxD) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 01 [The new guy] ----------------------------------- Da war der betrunkene Autofahrer. Er fuhr wie ein bekloppter. Klar, ich war ja auch betrunken. Er raste wie ein Geistesgestörter und hätte fast ein Auto gerammt. Ein anderes Auto versuchte auszuweichen. Schaffte es nicht ganz. Der Betrunkene fuhr ihm in die Seite. Drängte ihn voll von der Straße. Und da war dieser Junge. Er war nicht viel älter als ich. Vielleicht sogar jünger. Ich schätze ihn auf 12 oder 13. Er lief auf dem Gehweg. Er stand genau parallel zu mir, als das erste Auto ihn erwischte. Er blickte erst geschockt, als er das Auto auf sich zukommen sah, dann lag er unter diesem. Alle blieben wie erstarrt stehen. Jedes Auto stoppte. Eine Frau schrie auf. Sie war mindestens genauso geschockt wie ich. Nur ich bekam kein Wort heraus. Keinen einzigen Ton. Mir schossen nur plötzlich tausende Gedanken durch den Kopf. Ich wollte rüber rennen. Wollte nach dem Jungen sehen. Aber ich stolperte und fiel. * Erschrocken saß ich auf dem Boden. Ich blickte mich schnell um, als ich merkte, dass ich in meinem Zimmer war. Tag für Tag dieser Traum. Dieses Ereignis von vor drei Jahren. Es war schon so lange her, aber ich konnte es einfach nicht vergessen. Es war so grauenhaft. Ich habe nie erfahren was mit dem Jungen passiert war. Ob er noch lebte. Ob es ihm gut ging. Oder ob er vielleicht an diesem Tag gestorben war. Die Medien berichteten damals zwar viel von dem Unfall, aber sie erwähnten immer nur den betrunkenen Fahrer. Wer er war und was er für eine Strafe bekam. Aber nie wurde dieser Junge erwähnt. Als wäre er gar nicht da gewesen. Aber das war er. Da bin ich mir sicher. Ich erinnere mich an sein schwarzes Haar. Sein Pony war viel zu lang. Er hing ihm ins Gesicht. Er sah zierlich aus. Zerbrechlich. Er war klein. Aber ich wusste ja auch nicht wie alt er war. Oder wie er hieß. Hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Seufzend strich ich mir durch mein braunes zerwuseltes Haar, bevor ich mich am Bett hochzog. Es war fünf Uhr morgens. Okay, da konnte ich ja auch gleich wach bleiben. Die Schule fing ja eh bald an. Also schlürfte ich durch mein Zimmer und betätigte den Lichtschalter neben der Tür, bevor ich diese öffnete und über den Flur ging. Ich konnte meine Mum unten in der Küche schon handwerkeln hören. Wie konnte man nur schon so früh so munter sein? Ich würde die Erwachsenen wohl nie verstehen, bis ich nicht vielleicht mal selbst einer sein würde. Aber das sollte ja noch lange dauern. Immerhin war ich gerade mal 16. Da hat man noch Spaß im Leben und denkt nicht an Verpflichtungen und den ganzen Müll. Müde und gähnend ging ich ins Bad und stellte mich vor den Spiegel. „Man siehst du heute wieder scheiße aus, Pierre!“, sagte ich zu meinem Spiegelbild. „Schlecht geschlafen, was?!“, musste ich etwas grinsen, bevor ich mich meiner Boxershorts entledigte und unter die Dusche stieg. Da ich dieses Mal ausnahmsweise mal etwas mehr Zeit zum Duschen hatte, nutzte ich das natürlich aus. Wer würde das nicht tun? Eine schöne Dusche am Morgen und der Tag würde gut werden. Oder zumindest machte er dann erstmal den Anschein dazu. Genüsslich ließ ich das warme Wasser über meinen Körper laufen. Das tat noch immer ziemlich gut, nach der Prügelei vor zwei Tagen. Ein paar Jungs hatten ein Mädchen belästigt. Alle liefen vorbei. Wie konnte man so was zu lassen? Das würde ich nie verstehen. Also schnappte ich mir prompt ein paar Kumpels und zusammen machten wir die anderen fertig. Ich hasste Menschen, die sich an Mädchen oder an jüngeren und schwächeren Leuten vergriffen. Im Grund hasste ich Gewalt im Allgemeinen, außer wenn es darum ging, andere zu verteidigen. Da wurde ich quasi zum Tier. Wenn sie schon wen verprügeln wollen, dann wenigstens jemanden, der in etwa genauso stark ist, wie sie selbst. * Gelangweilt saß ich auf meinem Suhl und unterhielt mich mit einem Kumpel. Die Lehrerin kam mal wieder zu spät. War bei ihr ja eigentlich nichts neues, aber dieses Mal waren es schon zehn Minuten. Sehr untypisch für so. Sonst waren es maximal fünf. Den meisten war das egal. Sie freuten sich, wenn sie keinen Unterricht machen mussten. Wie kann einem Schulbildung so egal sein? Die waren alle nur hier, weil sie mussten. Zumindest die meisten. Weitere fünf Minuten später ging dann endlich die Tür auf und Mrs. Jackson kam herein, einen Jungen im Schlepptau. Ich hätte nicht kippeln dürfen, denn als ich den Jungen sah, kippte ich nach hinten um und stöhnt leicht auf vor Schmerz. Alle anderen lachten. Wie typisch. Hätte ich ja auch nicht anders erwartet. „So erfreut mich zu sehen, Mr. Bouvier?“, fragte mich die Lehrerin, als ich aufstand, den Stuhl wieder hinstellte und mich setzte. „Natürlich Mrs. Jackson, das wissen sie doch!“, versuchte ich cool zu antworten, konnte dabei aber nur den anderen Jungen ansehen, der meine Blicke erwiderte. Er musste sich nun auch denken ‚Was’n das für’n Idiot?!’ „Wie dem auch sei. Entschuldigt meine Verspätung, aber ich hatte noch etwas Wichtiges zu klären. Wie ihr sicherlich bemerkt habt, bin ich heute nicht alleine gekommen.“, begann sie zu reden und alle versuchten ihr interessiert zuzuhören. „Das hier ist David Des-ro-siers…“, versuchte sie abgehackt den Namen des Jungen auszusprechen, woraufhin natürlich alle lachten. Nur David stand da und sah durch den Raum. Ihn schien das nicht zu jucken, dass sie es kaum schaffte. „Nachdem er es erfolgreich geschafft hat, zwei Schuljahre in einem nachzuholen und einen ausgezeichneten Wissensstand aufgewiesen hat, wurde er ein Jahr vorgestuft, das ist der Grund, warum er hier ist.“ Eine Schülerin meldete sich. Nachdem Mrs. Jackson ihr erlaubte ihre Frage zu stellen, wand sie sich an David. „Wieso musstest du zwei Schuljahre nachholen?“ David sah sie an. Die ganze Zeit wirkte sein Blick so leer, aber plötzlich wirkte er traurig. „Ich war vor drei Jahren in einen Autounfall verwickelt, woraufhin ich ein ganzes Jahr lang im Koma lag und ein Jahr musste ich einer Reha opfern. Also habe ich eigentlich drei Schuljahre in einem Jahr absolviert.“, antwortete er dann Stacy, mit einer so sanften Stimme, wie ich sie bei einem Jungen noch nie gehört hatte. „Und wie alt warst du da?“, fragte ihn ein anderer. „Ich war erst elf…“ Ich hatte mich also nicht verguckt. Er war wohl wirklich der Junge von damals. Den nie jemand erwähnt hatte. Er sah aus wie vor drei Jahren, aber irgendwie doch total anders. Ich erkannte ihn eigentlich sofort an seinem Gesicht. Es hatte irgendwie etwas, woran man sich erinnern musste. Aber nun hatte er ein kleines Piercing in der Nase und sein Haar war blond und kurz. Das schwarze stand ihm besser. „Also okay, ihr könnt euch später mit ihm unterhalten. Aber ich möchte, dass ihr ihn in die Klasse integriert.“ Mrs. Jackson stoppte kurz und sah zu David. Dann sah sie durch den Raum und dann wieder zu David. „Setz dich doch da auf den freien Platz hinter Pierre!“, und er tat sofort wie ihm befohlen. Er ging lässig den schmalen Gang zwischen den Bänken entlang, schenkte mir kurz einen Blick und ließ sich dann auf den Stuhl hinter mir sinken. Ich wusste nicht was das alles sollte. War das nur ein dummer Zufall? Oder hatte Gott meine „Gebete“ erhört und mir endlich mein lang ersehntes Zeichen, ob der Junge von damals nun noch lebte oder nicht, geschickt? Ich wusste es nicht. Aber in mir kam diese Erleichterung auf. Diese Erleichterung, dass es ihm gut ging. Kapitel 2: Kapitel 02 [The fight] --------------------------------- Die nächsten paar Tage vergingen relativ schnell und friedlich. Ich hatte nicht viel mit David geredet. Eigentlich gar nicht. Ich hatte ihn viel beobachtet. Versucht ihn zu studieren und ihn durch sein Verhalten kennen zulernen, aber er war meistens in irgendein Buch oder ähnliches vertieft. Im Unterricht schien er sich zu langweilen. Irgendwie war er schon ein bemerkenswerter Mensch. Ich wusste nur noch nicht genau wie ich zu diesem Schluss gekommen war. Es war Hofpause und ich unterhielt mich mit ein paar Kumpels, als ich plötzlich ein Mädchen schreien hörte. Ich drehte mich natürlich sofort tausend Mal im Kreis und versuchte zu erkennen woher der Schrei kam. Auf jeden Fall war es Ashleys Schrei. Ich lief dann einfach eiligen Schrittes zu dem Ort, an dem ich sie vermutete, ein paar meiner Kumpels im Schlepptau. Als wir bei Ashley ankamen, sah ich sie mit Händen vor dem Gesicht, wie sie durch ihre Finger das Szenario einige Meter entfernt beobachtete. Ich folgte ihren Blicken und sah wie sich David mit ein paar Junge prügelte. Eigentlich verprügelten die Jungs, die Ashley schon das letzte Mal bedroht hatten, David. Ich zögerte natürlich nicht und griff sofort ein. „Brendon!!! Lass ihn in Ruhe!“, schrie ich und zog Brendon von David weg. Dieser versuchte sich zu wehren und wollte gerade ausschlagen, als er merkte, wen er vor sich hatte. Mit mir legte er sich nicht gerne an. Nicht seit ich ihn vor etwa einem Jahr fast krankenhausreif geschlagen hatte. Das war eigentlich nicht meine Art, aber er hatte sich an Schwächeren vergriffen und das mochte ich gar nicht. Ich dachte er hätte daraus gelernt, aber anscheinend nicht. „Der kleine Wichser hat doch angefangen!“, knurrte Brendon mich an, wurde aber sofort still. Brendons Freunde hörten sofort auf, David zu treten und zu schlagen und gingen ein paar Schritte zurück. „Schon klar! Du fängst doch immer an! Und jetzt verpiss dich lieber, bevor ich mich vergesse.“, blieb ich ruhig und stieß ihn von mir weg. Er setzte auch sofort seine Beine in Bewegung und verschwand. Ich sah ihm hinterher und wandte mich dann zu David, der schon von Ashley in Anspruch genommen war. Sie fragte ihn Löcher in den Bauch. Wie’s ihm ging, warum er das getan hatte. Alles Mögliche halt. „Ist schon gut, Ash. Ich kümmer’ mich um ihn.“, versicherte ich ihr und sie nickte. Sie stand auf, bedankte sich noch mal bei David und ging dann eiligen Schrittes zu ihren besten Freundinnen. Ich half David auf und sah ihn an. „Alles okay?“ David nickte kurz und sah mich an. „Ja, denke schon…“, aber kaum waren die Worte ausgesprochen kniff er die Augen zusammen und hielt sich die Seite. „Na, das sieht aber nicht so aus. Zeig mal her…“, forderte ich ihn lieb auf und schob sein Shirt etwas nach oben. Es war nichts weiter zu sehen, aber in ein paar Tagen würde das wohl anders aussehen. „Du solltest vielleicht lieber zum Arzt.“ Als ich kurz sanft über die Stelle fuhr, zuckte er zurück und sah mich an. Seine Augen wirkten schmerzerfüllt und ängstlich. „Das geht schon.“ „Wie kam es eigentlich zu der Schlägerei?“, fragte ich ihn, als ich auf eine Bank ein paar Meter entfernt deutete und mit ihm dort hinging. „Ach. Die Typen hatten sich an dem Mädchen vergriffen und da hab ich halt gemeint die sollen das sein lassen und haben dann auf mich eingeschlagen…“ Seufzend sah er auf den Boden und spielte mit seiner Jacke. „Typisch Brendon. Solange er jemanden hat, an dem er sich vergreifen kann, da fühlt er sich cool. Ich dachte eigentlich er hätte seine Lektion gelernt, aber da braucht er wohl noch ewig für.“ „Ja, kann schon sein. Ich find’s nur scheiße, dass er sich an ’nem Mädchen vergriffen hat. Soll er sich doch ’nen gleichstarken suchen.“ „Dafür hat er zu viel Schiss, sonst hätte er sich gerade auch mit mir angelegt, aber das wird er wohl nie wieder tun.“ „Darf ich dich was fragen?“, kam es leise von seinen Lippen, als er den Kopf wieder hob und mich ansah. Ich nickte kurz und ließ ein „Ja klar!“ von mir hören. „Vor 3 Jahren. Du hast den Unfall gesehen, oder?“ Ich legte meine Augen auf ihn. Er sah mich plötzlich traurig an. Als würde er gleich weinen. Ich nickte kurz. „Ja. Und ich konnte seit dem kaum noch richtig schlafen…“ Er nickte. „Ich hab’ dich gesehen. Und vor ein paar Tagen, da hab ich dich irgendwie sofort wieder erkannt. Ich weiß nur nicht genau woran.“ „Kann ich nur zurückgeben. Aber ich muss sagen, dass mir die schwarzen Haare besser gefallen haben, auch wenn ich’s nur kurz gesehen hatte.“ David lachte. „Ja, das haben mir viele gesagt. Aber ich brauchte einfach eine Veränderung.“ „Ja, ich kenn das. Manchmal ist das einfach überlebenswichtig.“, und kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, läutete auch schon die nervige Schuluhr und wir standen auf. „Danke, dass du mir geholfen hast. Also gerade eben. Die hätten mich bestimmt fertig gemacht.“ „Ist doch gar kein Problem. Das ist mein Job.“, grinste ich ihn an und ging mit ihm rein. Kapitel 3: Kapitel 03 [Truth or Dare] ------------------------------------- Am nächsten Tag saß ich mit meinen Freunden unter der großen Eiche und unterhielt mich mit ihnen, aber ab und an hörte ich nicht wirklich zu, weil meine Blicke immer wieder auf David fielen, der auf einer Bank saß und mal wieder in eines seiner Bücher vertieft war. Kurzerhand entschloss ich mich dann einfach mal zu ihm zu gehen. Also stand ich auf und ohne eine Wort zu meinen Freunden zu sagen, ging ich einfach in seine Richtung. „Hey!“, ließ ich von mir hören, als ich mich neben ihm auf die Bank sinken ließ. Er blickte von seinem Buch auf und sah mich an. „Selber hey.“, sah er mich mit so einem süßen Lächeln an, wie ich es noch nie gesehen hatte. Irgendwie erwärmte es richtig mein Herz. „Du sitzt hier so alleine. Willst du vielleicht mit zu uns kommen?“, fragte ich ihn, während ich auf die kleine Gruppe unter der Eiche zeigte. Davids Augen huschten in die Richtung, in die ich zeigte und schien nachzudenken. Zumindest spiegelte sich dieser Ausdruck in seinen nussbraunen Augen wider. Irgendwie konnte er mit seinen Augen viel mehr sagen als mir 1000 Worten. Nach einer scheinbaren Ewigkeit schlug er dann sein Buch zu und nickte. „Okay.“ Freudestrahlend stand ich auf und zog David von der Bank hoch. Etwa eine halbe Minute später kamen wir bei der Menschengruppe an und David grüßte kurz alle mit einem leichten Wink. „Also…“, begann ich. „…das sind Andy, Ashley, Seb, Mischa, Chuck, Jeff, Pat, Kaitlin und Tamara.“, zählte ich alle auf und zeigte dabei auf jeden einzelnen von ihnen. „Leute, das ist David. Wie einige von euch ja schon wissen.“, grinste ich etwas und ließ mich dann neben Pat in das Gras sinken. David lächelte alle an und setzte sich dann neben mich. Wir versanken alle sofort wieder in ein ausgiebiges Gespräch und nach einer Weile erhob Kai plötzlich ihre hohe Stimme nur noch höher. „Lasst uns wieder ein Spiel spielen.“, begann sie sofort begeistert. „Wie wär’s mit ‚Wahrheit oder Pflicht’?“ Wir spielten dauernd irgendwelche Spiele. Wir hatten dabei einfach Spaß und lernten jedes Mal aufs Neue etwas über die anderen. Es gab so viel, was man über jemanden erfahren konnte und wir waren jedes Mal erstaunt, dass wir den anderen vielleicht doch gar nicht so gut kannten, wie wir das immer dachten. Ich weiß gar nicht mehr wann oder warum wir das eigentlich eingeführt hatten, aber nun gehörte es einfach dazu und es war nicht mehr wegzudenken. Also stimmten wir natürlich alle zu, wobei David zuerst nicht wollte, aber mit unser aller Überredungskünste und dem Argument, dass das zu uns einfach dazugehörte und er auch zu uns gehört, stimmte er dann letztendlich doch noch zu. Dann fing Kaitlin an durch die Runde zu sehen und sich ihr erstes „Opfer“ rauszupicken. „Okay, David. Wahrheit oder Pflicht?“, wandte sie sich dann an David. „Wahrheit…“ „Wen aus der Gruppe findest du vom bisherigen Eindruck am besten? Also auf Charakter und Aussehen bezogen.“, wollte sie ihn dann ausquetschen und sah ihn mit funkelnden Augen an. Nun überlegte David wieder. Alle sahen ihn gespannt an und warteten auf seine Antwort was ihn scheinbar etwas nervös machte. Er sah sich einmal kurz in der Runde um und atmete dann tief durch. „Pierre…“, kam es dann sanft von seinen Lippen und alle grinsten, als hätten sie das genau gewusst. „Okay, du bist dran!“, klatsche Kaitlin dann in ihre Hände, immer noch dieses wissende Grinsen auf ihren Lippen. „Wahrheit oder Pflicht, Pierre?“, wandte er sich dann an mich. Woah, er fand mich am besten aus der Gruppe. Er fand, dass ich am besten aussehe. Was sollte ich denn nun bitteschön davon halten? Ich meine, er war auch nicht von schlechten Eltern. Er war süß. Ich hatte mich mittlerweile auch schon an sein blondes Haar gewöhnt. Aber es sah am besten aus, wenn er es nicht hoch gelte. Wenn es einfach nur lässig auf seinem Kopf lag, so wie drei Tage zuvor. Das stand ihm richtig. Es machte ihn richtig heiß. Woah, Moment!! Hatte ich das gerade gedacht? Shit, ja ich hatte es gedacht. Ich wurde sofort aus meinen Gedanken gerissen als ich meinen Namen erneut aus seinem kleinen Mund hörte. „Wahrheit.“, sagte ich einfach schnell, ohne zu wissen ob er mich das überhaupt gefragt hatte, aber ich hatte schon mal keine Lust auf Pflicht, also sagte ich einfach vorher genanntes. „Ok…“, begann er und machte eine kurze, scheinbare, Denkpause, bis er weiter sprach. „Ähm…hast du schon mal einen Jungen geküsst?“, kam es dann leise, aber für alle hörbar aus seinem Mund. Ich sah kurz zu Seb, der scheinbar genau wie ich sofort rot wurde. Ja, das hatte ich. Aber es war eher ein Missgeschick bei einer Weihnachtsfeier von Mischa. Sie hatte so gut wie überall in ihrem Haus Mistelzweige aufgehängt, weil sie unbedingt ihren Schwarm küssen wollte, aber statt ihr und Kyle, standen dann plötzlich Seb und ich unter einem dieser Dinger. Ashley hatte das natürlich gesehen und fing sofort an zu kreischen und rief, das wir uns gefälligst küssen sollten. Seb und ich sahen uns verlegen und nervös an, denn eigentlich wollten wir das gar nicht, aber alle Mädels starrten uns an und warteten nur darauf, dass wir endlich unsere Lippen aufeinander legten. Okay, ein paar Freunde von mir, die schwul waren, waren auch dabei und warteten mit großen Augen. Dann nach einer halben Ewigkeiten küsste wir uns einfach ganz schnell und trennten uns dann. Es dauerte fast eine halbe Stunde bis wir uns wieder in die Augen sehen konnten. Aber ich musste gestehen, dass er schöne weiche Lippen hatte. Sie passten auf jeden Fall zu Seb. „Ja, das habe ich…“, nickte ich dann kurz und spielte mit meinem Shirt. Die anderen fingen an zu kichern, da sie wussten wann und unter welchen Umständen ich welchen Jungen geküsst hatte. Seb und ich sahen nur auf den Boden, weil uns das peinlich war und aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Dave immer zwischen ihm und mir hin und her sah und dann ein verstehendes „Aaaah“ von sich gab. Ich hob meinen Kopf wieder und Pat tätschelte ihn mir. „Das muss dir doch nicht peinlich sein. So was ist doch total normal.“, aber er konnte nicht anders und fing lautstark an zu lachen, was die anderen mitriss und sie auch alle lachten. „Ihr seid so doof, ey. Wenn euch mal so was passiert, dann lach ich auch, bis ich nicht mehr kann“, nickte ich beleidigt, verschränkte die Arme vor der Brust und zog einen Schmollmund. „Wie süß.“, hörte ich dann Dave neben mir kichern. Er hielt sich eine Hand vor den Mund und sah mich mit strahlenden Augen an. „Was ist süß?“ „Die Art wie du beleidigt bist. Das sieht niedlich aus, dafür, dass du ein Kerl bist.“ „Ach halt den Mund. Ich bin nicht süß!“, versuchte ich mich zu wehren. Versuchte dieser Junge mit mir zu flirten? Er sollte das gefälligst sein lassen, sonst würde die Gefahr bestehen, dass ich vielleicht über ihn herfalle. Verdammt, ich sollte aufhören so was zu denken! „Genug gelacht, geflirtet und was auch immer!“, kam es dann von Andy. „Wir müssen langsam mal wieder rein!“ Gesagt, getan. Wir standen alle auf, gingen noch ein paar hundert Meter gemeinsam und trennten uns dann, um in unsere Klassen zu gehen. Kapitel 4: Kapitel 04 [Romeo and Juliet] ---------------------------------------- Nach der letzten Stunde wartete ich dann noch auf David, da ich ihm versprochen hatte, ihn etwas zu begleiten. So konnten wir immerhin noch etwas reden, vor allem unter vier Augen und ich würde wahrscheinlich mehr über ihn erfahren. Ich hatte das Gefühl über ihn nie genug wissen zu können, aber wollte natürlich alles wissen, denn er war wirklich ein bemerkenswerter Mensch. „Heyyy!! Sorry, dass ich etwas später komme. Ich musste noch etwas mit meinem Lehrer klären.“, entschuldigte David sich sofort bei mir, als er aus dem großen Gebäude kam. „Kein Problem. Ich verzeih’ dir mal ausnahmsweise.“, grinste ich ihn an. „Na, dann bin ich erleichtert.“ Die ersten paar Minuten des Heimweges schwiegen wir uns an, als wäre es ein Wettbewerb. Wir suchten wohl scheinbar beide nach einem Thema. Ich dachte dabei eher über unsere Englischstunde nach und darüber, was wir für eine längerfristige Aufgabe bekommen hatten. *Flashback* „Ich möchte von euch, dass ihr mir „Romeo und Julia“ vorspielt.“, begann unsere Lehrerin zu erklären. So gut wie alle freuten sich schon darauf. Das würde bedeuten, wir könnten mehr Zeit mit Leuten verbringen, die wir mochten und auch noch eine perfekte „Ausrede“ dafür haben, wenn es mal länger am Abend dauern würde. Doch diese Freude verschwand sofort wieder, als Mrs. Martin weiter sprach. „Aber nicht ihr entscheidet mit wem ihr es zusammen vortragt. Das habe ich bereits für euch festgelegt.“ Der große Stöhnwettbewerb war eingeläutet. Wer stöhnte am Lautesten und vor allem wer war der am meisten genervte? Das war ein Kopf an Kopf rennen. „Ihr könnt euch dafür später bei mir beschweren oder auch bedanken. Denn ich habe mir dabei natürlich etwas gedacht, aber das werdet ihr dann selber feststellen.“ Dann fing sie an die Paare aufzuzählen. „…Jon und Maria. Zoe und Michael…“, redete sie, bis am Ende nur noch David und ich übrig blieben. Schicksal? Zufall? Keine Ahnung. Ich sah zu David rüber und er sah verlegen auf seine Hände. *Flashback Ende* Ich dachte noch etwas nach und sah dann zu David, als ich merkte, dass er mich regelrecht anstarrte. „Was ist?“, fragte ich ihn mit irritiertem Unterton. „Ich…ähm…“, begann er stockend und sah wieder weg. „Ich hab nut eben…über unsere…Englischaufgabe nachgedacht…“ Oh, er hatte auch darüber nachgedacht?! Ob er über das gleiche nachgedacht hatte wie ich? Darüber, dass wir viel Zeit miteinander verbringen würden!? Dass wir uns sehr nah kommen würden?! Ich meine…wir würden uns küssen müssen. Mein Herz schlug bei dem Gedanken daran irgendwie sofort schneller und ich spürte die Röte in meine Wangen steigen. „Ach, du auch?“, fragte ich ihn dann total belämmert und versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Er nickte nur kurz und versuchte anscheinend mich anzusehen, schaffte es aber nicht ganz. „Ja…das ist irgendwie komisch. Ich meine…wir sind das einzige männliche…Paar für das Vorspielen. Und…die anderen haben vorhin schon alle gelacht.“ Sein Blick wirkte nun schon wieder traurig. Langsam hob er seinen Kopf und schaffte es dann endlich mich anzusehen. Sein Anblick brach mir irgendwie das Herz. „Ach, scheiß doch auf die anderen.“, versuchte ich ihn zu besänftigen. Die anderen suchten immer nach Gründen sich über andere lustig zu machen. Sie waren einfach nur Idioten. „Mrs. Martin will einfach nur…dass wir Spaß an der ganzen Sache habe. Und…dass wir uns alle besser kennen lernen…da können…uns die anderen doch...egal sein…“ Wieso stotterte ich denn jetzt schon wieder? Wegen dem Gedanken David besser kennen zu lernen? Oder weil schon wieder der Gedanke aufkam, ihm so nah zu kommen? Ich wusste es nicht. „Ja…es ist nur so…ungewohnt…keine Ahnung….“ „Ach, wir beide…packen das schon.“, lächelte ich ihn an. Irgendwie musste ich ihn doch aufmuntern. Ihn von der ganzen Sache überzeugen. Ich würde das schon schaffen. Vielleicht auch ohne, dass ich jedes verdammte Mal, an diese Kussszene denken würde, die im Stück vorkommt. Ich würde es schon schaffen ihn davon zu überzeugen, dass wir das packen. „Ja, vielleicht hast du Recht. Ich werd mich schon an den Gedanken gewöhnen. Danke, dass du versuchst mir zu helfen“, lächelte er mich dann an. Es kam mir vor, als würde dieser Junge Gedanken lesen können. Das war natürlich absurd. Zumindest glaubte ich das, denn von einem anderen Planeten kam er bestimmt nicht. Lächerlicher Gedanke, ich weiß. „Ist doch gar kein Problem. Dafür sind Freunde da.“, erwiderte ich sein Lächeln und sah ihm ganz kurz in seine nussbraunen Augen, versuchte dann aber, erfolgreich, woanders hinzusehen. Nun sah er mich verdutzt an. Wegen dem Freunde-Ding? Keine Ahnung. So besonders fand ich das nun gar nicht. Aber er schien sehr überrascht deswegen zu sein. „Freunde?“, fragte er mich dann, mal wieder verlegen lächelnd. Also doch der Freunde-Part. Betrachtete er uns etwa nicht als Freunde? Ich hoffte es war nicht so. Ich mochte ihn. Er war nett und alles. Einfach ein perfekte Freund. „Ja natürlich. Wir sind doch Freunde, oder nicht?“ Sein Lächeln wurde nur noch größer. Es strahlte heller als die Sonne und steckte mich regelrecht an. Auch mein Lächeln wurde größer, aber seines wuchs fast ins unermessliche. Es war einfach nur verdammt süß. Und seine Augen erst. Sie strahlten wie zwei Sterne. „Wieso wirst du denn plötzlich rot?“ Was? Ich wurde rot. Verdammt. Ich schüttelte kurz den Kopf und sah ihn an. „Werd ich doch gar nicht. Außerdem hast du nicht auf meine Frage geantwortet!“ „Immer diese Ausreden.“, grinste er mich frech an und streckte mir dabei die Zunge entgegen. „Natürlich sind wir Freunde.“ Und das war der Satz den ich hören wollte. Der Satz, der ihm wieder dieses Lächeln auf die Lippen zauberte und mir natürlich auch. Aber gerade das verführte mich wieder zu meiner allseits bekannten Philosophie. Was ist eigentlich Freundschaft? Ich glaube, dass viele Menschen das gar nicht wirklich wissen, weil es für sie einfach was ganz selbstverständliches ist, dass da ein Mensch ist, der immer für einen da ist und den man Freund nennt. Wie viele Menschen wissen denn eigentlich, dass hinter dem Begriff, hinter der Tatsache, Freundschaft viel mehr steckt?! Dass dahinter grenzenloses Vertrauen steckt?! Bedingungsloses Füreinander-Dasein?! In einer Freundschaft sollte man den anderen schätzen wie er ist und sollte dabei nicht versuchen die andere Person zu verändern. Man muss einen Menschen nehmen wie er ist, ansonsten ist man ihn nicht wert. Es sollte auch wahre Freundschaft sein und nicht nur eine „Gelegenheitsfreundschaft“. Eine Freundschaft, die einem nur wichtig ist, wenn man etwas vom anderen haben will. Das ist keine Freundschaft. Das ist…keine Ahnung was das ist. Auf jeden Fall keine Freundschaft. Aber genug philosophiert. Ich musste ihm endlich mal antworten. Nur fehlten mir plötzlich die Worte. Verdammt, wie peinlich. „Jetzt sag doch mal was!“, forderte David mich dann plötzlich auf. Ich sah ihn etwas erschrocken an. „Du schweigst mich seit geschlagenen fünf Minuten an. Das find ich nicht okay von dir!“ „Oh…so lange? Tut mir leid…“, versuchte ich mich irgendwie zu entschuldigen. „Ich habe gerade etwas nachgedacht.“, und kaum hatte ich die Worte ausgesprochen lief ich gegen eine Laterne. David lachte auf, als ich total benommen vor der Laterne stand und mich entschuldigte, bis ich merkte, dass es kein Mensch war. Leicht stöhnend vor Schmerz rieb ich mir die Stirn und sah ihn finster an. „Hör auf zu lachen! Das ist keineswegs witzig…“, schmollte ich nun. „’Tschuldigung!“, kam es lächelnd von seinen Lippen und dann leckte er diese sanft auf die gerötete Stelle an meiner Stirn. „Ist auch nur ’ne kleine Beule…“, versicherte er mir und sah mich lächelnd an, wobei ich nur total rot anlief. Hatte er eben wirklich meine Stirn geküsst? Verdammt seine Lippen waren so schön warm und weich. Ich hätte in Ohnmacht fallen können. Aber da kam mir diese Frage auf. Wieso hatte ich solche Gefühle und Gedanken? Kapitel 5: Kapitel 05 [What is love?] ------------------------------------- Am Abend lag ich in meinem Bett, die Hände auf dem Bauch, die Decke anstarrend und nachdenkend. Ich dachte über den ganzen Tag nach. Über unser Spiel, über unsere Englischstunde, über David, aber vor allem über meine Gefühle für ihn. Mein beschleunigter Herzschlag, wenn ich in seiner Nähe bin oder wenn er mich anlächelt. Oder seine nussbraunen Augen, mit diesem leichten Grüntouch, die funkeln wie zwei Sterne. Ich könnte jedes Mal in ihnen ertrinken. Sie ziehen mich richtig in ihren Bann und er kann damit so viel ausdrücken, so viel sagen. Aber wieso fühlte ich denn so? Ich hatte mich doch nicht etwa verliebt? Ich meine, ich kannte ihn doch gerade mal eine Woche. Konnte so was nach einer Woche schon möglich sein? Es war ja nicht mal schlimm, dass er ein Junge war. Ganz im Gegenteil. Ich hatte mich auch schon mal in Seb verliebt. Zumindest fühlte sich das so an. Ich meine, da war ich 13. Das hatte sicher nichts zu bedeuten, aber ich hatte bei ihm auch solche Gefühle, auch wenn nicht so intensiv wie bei Dave. Das verging auch irgendwie schnell wieder, als Seb und ich dachten, wir können es ja mal miteinander versuchen. Es war schön mit ihm. Ich hatte die Zeit genossen, aber irgendwie haben wir dann mitbekommen, dass es doch nichts für uns ist und dass wir das einfach für uns behalten. Also hielt das nicht lange an. Danach hatte ich eigentlich nie wieder irgendwen. Bei Mädchen fühlte ich mich oftmals auch nicht wohl. Abgesehen davon, wenn es um Freundschaft ging. Ich meine auf die Liebe bezogen. Bei Jungs fühlte ich mich immer wohler. Ich fühlte mich regelrecht zu ihnen hingezogen. Irgendwie hatte ich darüber nie wirklich nachgedacht. Ich hatte nie darüber nachgedacht, dass ich mich vielleicht gar nicht für Mädchen interessierte, sondern eher für Jungs. Vielleicht war ich ja schwul, hatte es bis jetzt nur noch nicht wirklich gemerkt?! Ich drehte mich auf die Seite, zog die Knie an meine Brust und schloss die Augen. Mir schossen tausend Fragen durch den Kopf. Unter anderem: Was ist eigentlich Liebe? Gibt es eigentlich eine konkrete Definition für das Wort? Für dieses Gefühl? Jeder empfindet Liebe doch anders. Ist es das Gefühl von Wohlbefinden, wenn man bei einer anderen Person ist, die man glaubt zu lieben? Oder der schnellere Herzschlag? Das Schmetterlingschaos im Bauch? Der leergefegte Kopf? Es kann so vieles sein. Ich glaube schon, dass diese Gefühle zur Liebe dazu gehören, aber da ist eigentlich noch viel mehr. Für mich ist Liebe Vertrauen. Vertrauen und Treue. Zuverlässigkeit, Unterstützung, Wertschätzung. Zuneigung. Einfach so viel. Man kann das wirklich nicht genau sagen. Im Grunde könnte es auch wie Freundschaft sein. Nur viel, viel intensiver. Man kommt einem Menschen dabei so nah. Ich meine, es heißt sicherlich nicht umsonst „Liebe machen“!? Beim Sex kommt man einem Menschen – den man lieben sollte – näher als man jemandem überhaupt kommen kann. Also gehört wohl auch Nähe zur Liebe. Aber wie beziehe ich das nun auf Davey? Oh, warum gebe ich ihm denn jetzt so einen – ja...süßen – Spitzenamen? Hat es mich echt so sehr erwischt? Hm, darüber wollte ich ja gerade nachdenken. Diese Schmetterlinge habe ich auf jeden Fall. Jedes Mal, wenn er mir in die Augen schaut oder mich mit diesem verdammt süßen Lächeln ansieht. Aber die Schmetterlinge sind auch mit dem schnelleren Herzschlag und dem Wohlfühlen verbunden. Ich denke vertrauen tu ich ihm auch, aber ich kenne ihn ja noch nicht lange und jemandem zu vertrauen dauert bei mir eigentlich immer eine ganze Weile. Aber er gibt mir halt ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit. Ich habe das Gefühl ihm alles erzählen zu können. Ich fühle mich auch zu ihm hingezogen, abgesehen davon, dass das bei meinen Freunden auch so ist, aber bei Dave ist das anders. Viel besser, viel stärker. Viel gefühlvoller. „Argh, verdammt, das ist so schwer!!!“, fluchte ich laut vor mich hin und richtete mich auf. „Ich muss irgendwas tun. Aber was?“ Ich raufte mir die Haare und sah mich um. Ich fühlte mich plötzlich so einsam. Ehrlich gesagt, hätte ich Dave nun gerne bei mir, in meinen Armen. Ich vermisse ihn. Kapitel 6: Kapitel 06 [Is it love?] ----------------------------------- Dieses Kapitel ist im Grunde wie das 5., nur aus Davids Sicht, mit seinen Gedanken, beschrieben. __ Wie jeden Abend lief ich durch die dunklen und leeren Gassen meines Viertels und dachte nach. Über alles Mögliche. Gott und die Welt, wenn man es so sagen konnte. Ich war ein wirklich nachdenklicher Mensch. Emotional und zerbrechlich, auch wenn ich das nicht zeigte. Schon in der Grundschule wurde ich von anderen Schülern fertig gemacht, weil ich anders war. Ich hatte mich als Kind schon überwiegend und gerne schwarz gekleidet, war total aufgedreht – dazu muss ich sagen, dass ich ADS habe – und konnte mich kaum auf etwas konzentrieren. Außerdem habe ich auch nie wie andere Kerle von Mädchen geschwärmt. Ich hatte immer nur Jungs im Kopf. Ich wusste schon damals, dass ich schwul war. Ich kam damit zurecht, aber die anderen nicht. Aber durch das Mobbing, den ganzen Hass, den ich deswegen spüren musste, wurde ich ruhiger. Ich habe mich nach und nach in meine eigene kleine Welt zurückgezogen. Wollte mit niemandem etwas zutun haben. Nun stand ich hier an einen Zaun gelehnt und starrte auf den Gehweg. Hier war es passiert. Hier hatte ich Pierre das erste Mal gesehen. Hier wäre ich fast gestorben. Drei Jahre war das her. Drei verdammte Jahre. Ich dachte daran, wie Pierres braunes wuschliges Haare im Wind wehte. Seine tiefbraunen Augen waren aufgerissen. Ich wusste erst gar nicht wieso, aber dann sah ich dieses rote Auto ganz knapp vor mir und verstand seinen entsetzten Blick. Dann wurde alles schwarz. Ein Jahr später bin ich wieder aufgewacht und wusste erst gar nicht was los war. Ich musste so viel wieder erlernen. Das Laufen, Feinmotorik und etwas Sprache. Während dieser ganzen Phase habe ich mich so einsam gefühlt. Ich hatte keine Freunde, die mich in dem Jahr Koma oder in dem Jahr Reha besucht haben. Ich hatte mich immer gefragt, für wen ich das alles eigentlich durchmache. Für wen ich versuche gesund zu werden und stark zu sein. Ich glaube nun weiß ich es. Vielleicht hatte ich das alles durch gestanden, um Pierre wieder zu treffen. Um einen so wunderbaren Menschen kennen zu lernen. Irgendwie gibt er meinem Leben endlich mal einen Sinn. Ich bin gerne in seiner Nähe. Ich fühle mich wohl bei ihm. Er gibt mir das Gefühl jemand zu sein. Jemand der wirklich gebraucht wird und das nicht nur zum Verprügeln. Nicht nur als Spielball der Laune. Ich fühle mich bei ihm – und seinen Freunden – einfach sicher. So wie ich es immer haben wollte und nun ist es endlich da und es kommt mir vor wie ein Traum. Aber falls das ein Traum sein sollte, dann will ich bitte nie aufwachen. Aber ich glaube, dass meine Gefühle für Pierre nicht nur auf Freundschaft beruhen. Ich weiß auch nicht, aber er gibt mir einfach das Gefühl zu etwas gut zu sein. Er gibt mir ein Gefühl der Wärme, Zuneigung und einen riesigen Wohlfühlfaktor. Er ist witzig, nett süß und verdammt gut aussehend. Bei diesem Gedanken machte mein Herz einen riesigen Sprung und fing an schneller zu schlagen. Ich glaube mich hat es echt erwischt. Dieses Gefühl namens Liebe hat nun wohl auch mich erreicht. Aber Liebe ist so etwas Schweres. Wie definiert man sie überhaupt? Liebe – was ist das schon? Manche denken es ist einfach nur ein Wort. Manche sagen „Ich liebe dich“ ohne es wirklich so zu meinen. Viele wissen doch gar nicht was Liebe eigentlich ist. Für mich ist Liebe Vertrauen und Wertschätzung. Zuneigung, Nähe, Unterstützung und Treue. Füreinander da sein und keine Ahnung was alles. So viele Gefühle hängen damit zusammen. Schmetterlinge im Bauch, ein Herzschlag wie sonst was, kein einziger Gedanke im Kopf, wenn man bei der Person ist, die man zu lieben glaubt. So wie es irgendwie bei mir ist, wenn ich bei Pierre bin. Er ist einfach so unglaublich. Er gibt mir all diese Gefühle, diese Dinge. Ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann. Ich weiß, dass er mich akzeptiert wie ich bin. Ich weiß, dass er kein Mensch für falsche Freundschaft ist. Er ist kein Mensch, der Gefühle vortäuscht und eine Lüge nach der anderen erzählt. Deswegen fühle ich mich bei ihm so wohl. Ich habe das Gefühl ihn schon ewig zu kennen, dabei ist das gar nicht so. Aber diese Gefühle und Gedanken gefallen mir. Als ich nachmittags geschlafen hatte, hatte ich einen so merkwürdigen Traum. Ich wusste gar nicht recht weswegen ich das geträumt hatte, aber aus diesem Grund bin ich hier. Um darüber nachzudenken und einen klaren Kopf zu bekommen, wobei das Zweite nicht wirklich klappte. Kommen wir zu dem Traum. Es war eine warme Sommernacht. Ich war in einem Haus, wusste aber nicht wem es gehörte. An den Wänden hingen große Pfeile, die mir zeigten in welche Richtung ich musste. Ich ging ihnen langsam nach und sah mich dabei genau im Haus um. Es war ein schönes Haus. Nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Eigentlich gerade richtig. Es war schön eingerichtet. Schlicht, aber doch modern. Irgendwann kam ich an einer Tür an. An ihr hing ein schön dekoriertes Blatt mit der Aufschrift „Du hast dein Ziel erreicht.“ Zögernd und mit leicht zitternden Händen drückte ich dann die Türklinke nach unten und ging in das Zimmer. Was ich da erblickte raubte mir den Atem. Alles war voll mit Kerzen in den verschiedensten Formen und Farben. Es roch lecker nach Erdbeeren und Vanille. Am Ende des Raumes stand ein großes Bett. Darauf saß niemand anderes als Pierre Charles Bouvier. Er hatte nichts weiter an als Boxershorts. Ich bekam plötzlich total Gänsehaut und als ich einen leicht kühlen Windhauch an meiner Haut spürte, sah ich an mir herunter und merkte, dass ich plötzlich auch nichts weiter als Boxershorts anhatte. Wieder zu Pierre sehend, fing mein Herz an schneller zu schlagen, vor allem als er aufstand und langsam auf mich zukam. „Komm Honey…“, flüsterte er mir sanft zu, als er meine Hände ergriff und mich vorsichtig zum Bett führte. Er ließ sich langsam darauf nieder und zog mich auf seinen Schoß. Seine Arme schlangen sich elegant um meine Taille und ließen mich nicht mehr gehen. Dann spürte ich seine weichen Lippen auf meinen eigenen. Es war so unglaublich. Ich fühlte mich plötzlich so frei und…keine Ahnung. So wunderbar. Vorerst zögernd erwiderte ich den Kuss. Er liebkoste mich einige Minuten lang am ganzen Körper mit seinen Händen und seinem Mund, bis er mich auf das Bett legte und meinen Oberkörper mit sanften und liebevollen Küssen bedeckte. Er zog mir langsam die Boxershorts aus und fing an meinen Penis sanft zu küssen und mit der Zunge zu streicheln. Erregt musste ich aufkeuchen und drückte meinen Unterkörper leicht nach oben. Er wurde immer schneller und intensiver, blieb dabei aber trotzdem sanft und liebevoll. Dann beugte er sich wieder über mich, küsste mich kurz auf den Mund, während er mich vorsichtig mit seinen Fingern vorbereitete. Ich konnte nicht anders und stöhnte leidenschaftlich in seinen Mund. „Bereit?“, fragte er mich liebevoll und nachdem ich nickte, spürte ich, wie er sanft in mich eindrang. Wieder stöhnte ich leidenschaftlich auf und drückte meinen Rücken durch zu einem Hohlkreuz. Pierre versuchte mich mit sanften Küssen und Streicheleinheiten zu beruhigen, damit ich mich entspannen konnte, was natürlich funktionierte. Alles fühlte sich so perfekt an. So verdammt real. Ich wollte nicht, dass das jemals endete. Immer fester und lustvoller stieß er zu, stöhnte meinen Namen, ich seinen. Wir küssten uns leidenschaftlich und liebten uns, wie man es sich gar nicht vorstellen konnte. Doch kurz bevor es zum Höhepunkt kam, kurz bevor er sich von seinem Druck erlösen konnte und ich mich von meinem, da wachte ich auf. Total schweißgebadet saß ich aufrecht in meinem Bett und atmete schnell und heiß. Es fühlte sich an, als wären es in meinem Zimmer mindestens 50 Grad gewesen. Mein Herz raste wie ein ICE und mein Kopf war voll mit Gedanken und mein Körper voll mit Gefühlen. Aber vor allem verspürte ich Lust und die Auswirkungen des Traumes konnte man an meiner Hose durchaus ohne Probleme erkennen. Das war mir furchtbar peinlich. Deswegen bin ich nun hier. Ich stehe hier, starre auf den Fleck an dem eigentlich alles begann und sehnte mich nach Pierres Nähe. Kapitel 7: Kapitel 07 [Tell me something 'bout you] --------------------------------------------------- Die nächsten Tage und Wochen versuchte ich mich David gegenüber so zu verhalten, als wäre alles normal. Als wäre da nichts Besonderes. Als wären wir halt nur Freunde. Ich glaubte, dass mir das auch ganz gut gelang, aber sicher war ich mir da nicht immer. Hier und da bemerkte ich auch, dass Dave sich etwas komisch verhielt. Aber eigentlich nur mir gegenüber. Ich sprach ihn jedoch nicht darauf an. Er würde schon seine Gründe haben. Genau wie ich meine Gründe für vieles hatte. Ich sah kurz von der Straße vor mir zu David hinüber und lächelte ihn an. Er erwiderte es mit diesem strahlenden Lächeln, das die ganze Umgebung erhellte. Dann sah ich lieber wieder auf die Straße und versuchte mich auf diese und den ganzen Verkehr zu konzentrieren, was bei seiner Anwesenheit ganz schön schwer war. Wir waren mit Seb und den anderen im Kino gewesen und da hatte ich David angeboten ihn nach Hause zu bringen. Einfach nur um länger bei ihm sein zu können. So kam es also, dass wir hier nebeneinander in meinem Auto saßen und uns anschwiegen. Ich genoss die Stille, einfach weil er da war. Da war mir alles egal. „Mir ist laaaangweilig.“, hörte ich David nörgeln, während er sanft mit den Fingern den Rhythmus von „All You Need Is Love“ im Radio, auf seinen Beinen klopfte. „Na dann schlag was vor um deiner Langeweile den Kampf anzusagen und sie zu besiegen.“ Dann war er still und sah mich nachdenkend an. Er sah so verdammt niedlich aus, wenn er am Überlegen war. Seine Stirn legte sich ab und zu in kleine Falten, er spielte mit seiner Unterlippe und zog hin und wieder eine Augenbraue hoch. Dabei sah er so verdammt süß aus, dass ich ihn einfach nur hätte abknutschen können. „Lass uns ein Frage-Antwort-Spiel spielen.“, kam es dann irgendwann gut gelaunt und fast quietschend von seinen Lippen. „Okay. Ich bin dabei.“, nickte ich zustimmend und lächelte ihn kurz an. „Okay…hm…was ist dein Lieblingsessen?“ „Sushi“ „Oh cool. Meins auch. Okay, neben Bananen.“, grinste er mich fröhlich an. Er war einfach so bezaubernd, wenn er sich freute. Dann war er wie ein kleines Kind. Total zum Knuddeln. „Deine Lieblingsfarbe?!“, wollte ich dann von ihm wissen und sah ihn an, als ich an einer roten Ampel hielt. „Schwarz.“, kam es sofort aus seinem Mund geschossen, wie eine Kanonenkugel. „Schwarz ist keine Farbe, du Nuss!“, musste ich lachen und er sah mich nur so putzig verdutzt an. „Gut, dann pink…“ „Pink? Wie kann man als Kerl pink lieben?“ Ich sah ihn an und sein Gesicht wurde knallrot. „Na was denn? Was ist denn deine Lieblingsfarbe?“ „Babyblau…“ „Und wie kann man als Kerl babyblau lieben?“, wollte er nun mich ausquetschen und betonte die Farbe dabei extra scharf. „Ist halt eine schöne Farbe…“, versuchte ich nach einigem Nachdenken cool zu erwidern und mich somit zu retten, aber ob das so klappte wie ich das wollte, wusste ich nicht ganz genau. „Und genau das denke ich über pink. Aber am Meisten in der Kombination mit schwarz.“ Nun war ich still. Er war zu gut für mich. Er war so unglaublich. Er hatte immer eine passende Ausrede oder ein passendes Statement parat, während ich stotternd versuchte mich irgendwie aus peinlichen Situationen zu retten. Dabei versuchte er auch immer cool zu bleiben, nur manchmal war ihm sicherlich nicht danach. Manchmal war es ihm peinlich, das sah ich ihm an. Diese Situation war ihm auch peinlich. „Grüüüün!“, riss er mich dann aus meinen Gedanken und ich gab sofort Gas. Das war mir nun peinlich, vor allem, weil er mich dumm angrinste. „Was ist dein größtes Hobby?“, wollte er sich dann bei mir erkundigen und sah mich dabei lieb an. Ich bog überlegend um die Kurve und hielt nach ein paar hundert Metern in seiner Auffahrt. ‚Du…’, schoss es mir zuerst durch den Kopf, aber ich konnte erfolgreich dagegen ankämpfen es laut zu sagen. Zum Glück, denn ich wollte nicht wissen, wie er auf solch ein Statement reagieren würde. „Ich denke singen…“, antwortete ich ihm stattdessen auf seine Frage und lächelte ihn dabei genauso lieb an wie er mich. „Oh cool…“, kam es sanft als Entgegnung von seinen wundervollen Lippen. „Singst du mir vielleicht etwas vor?“, setzte er genauso sanft fort und sah mich dabei mir großen leuchtenden Hundeaugen an. Ich hätte dahin schmelzen können bei seinem Anblick. Er sah einfach so hinreißend aus. „Klar. Wenn du das willst.“, lächelte ich ihn an und sah ihm in die Augen. „Irgendeinen besonderen Wunsch?“ Nun überlegte er wieder. Verdammt, wieso musste er dabei so unglaublich süß aussehen? Konnte er nicht mal anders nachdenken? Das würde mich früher oder später echt noch um den Verstand bringen, da war ich mir mehr als sicher. Mein Herz fing wieder an schneller zu schlagen und über meinen Körper zog sich eine sanfte Gänsehaut. Ich liebte diesen Anblick einfach so sehr. Es war wie Magie. „Ähm…kannst du ‚With Me’ von Sum 41?“, fragte er mich dann schüchtern und sah mich mit einem so atemberaubend scheuen Blick an, dass mir fast das Herz stehen blieb. „Klar kann ich das.“, antworte ich ehrlich und lächelte ihn lieb an. „Aber mit Gitarre kann ich besser singen.“ „Dann komm mit rein!“, erhob er sofort seine Stimme, löste den Sicherheitsgurt und sprang förmlich aus dem Auto. Ich tat es ihm gleich, nur nicht ganz so schnell wie er und nachdem ich das Auto abgeschlossen hatte, zog er mich regelrecht ins Haus. Es schien keiner da zu sein, da uns keine Menschenseele begrüßte und der Fakt, dass sowieso kein Licht im Haus brannte, bis Dave es anmachte, festigte meine Vermutung noch. Ich war das erste Mal bei ihm Zuhause. Bis jetzt kam er immer zu mir, wenn wir etwas vorhatten oder „Romeo und Julia“ lernten mussten. Er nahm mich nie mit zu sich, bis jetzt. Das Haus war klein, sehr klein sogar im Gegensatz zu dem, in dem ich wohnte, aber es wirkte gemütlich. Viel gemütlicher als das meiner Eltern. Sein Zimmer war – ja, wie konnte ich das ausdrücken?! – einzigartig. Eine Wand war total schwarz gestrichen und die anderen alle weinrot. Es hingen viele Poster an den Wänden. Eine riesige Schrankwand bedeckte fast eine der roten Wände komplett. An der schwarzen Wand hingen ausschließlich Bilder, aber Dave gab mir nicht die Zeit sie zu betrachten. Er drückte mich sanft auf sein schwarz-rot bezogenes Bett und reichte mir eine Akustikgitarre. Dann ließ er sich neben mir nieder und sah mich erwartungsvoll an. „Na dann los.“, strahlte er mich an. Ich nickte kurz, überlegte einen kleinen Moment lang und fing dann an zu spielen. „I don't want this moment To ever end Where everything's nothing, without you I wait here forever just to, To see you smile 'Cause it's true I am nothing without you Through it all I've made my mistakes I'll stumble and fall But I mean these words I want you to know With everything, I won't let this go These words are my heart and soul I'll hold on to this moment, you know As I bleed my heart out to show And I won't let go Thoughts read unspoken Forever in vow And pieces of memories Fall to the ground I know what I didn't have so I won't let this go 'Cause it's true I am nothing without you” Mein Herz raste wie ein ICE, als ich diesen Song sang. Ich versuchte so sanft und gefühlvoll zu klingen wie ich nur konnte. Ich hatte die Augen geschlossen um den Moment richtig in mich aufnehmen zu können. Meine Gedanken drehten sich einzig und allein um David. Ich konnte ihn genau vor mir sehen, obwohl ich meine Augen geschlossen hatte. Jedes noch so kleine Detail konnte ich wahrnehmen. Ich konnte sein blondes verwuscheltes Haar wahrnehmen, wie es lässig auf seinem Kopf lag. Ich liebte es, wenn er seine Haare so hatte. Dann sah er richtig niedlich aus. Außerdem sah ich seine perfekten kleinen Lippen, die lächelten. Wie gerne würde ich diese Lippen mal auf meinen eigenen spüren, aber das würde wohl nicht passieren. Dafür stand zu viel auf dem Spiel. Dann waren da auch noch seine nussbraunen Augen, die mich anstrahlten. Sie funkelten wie zwei Sterne. Einfach nur zauberhaft. Aber von seinem Körper wollte ich mal ganz absehen. Seine Figur war schmal, aber durchaus perfekt. Seine Haut war blass, aber ich glaubte, dass sie verdammt weich war. Ich konnte auch sein fröhliches Lachen hören. Seine zarte Stimme. Dieser Junge hatte mir einfach nur den Kopf verdreht. „All these streets, where I walked alone With nowhere to go I've come to an end I want you to know With everything, I won't let this go These words are my heart and soul I'll hold on to this moment, you know As I bleed my heart out to show And I won't let go” Plötzlich hörte ich sanfte Bassklänge und Daves Stimme. Wie lange sang er denn schon mit? Ob er gerade erst angefangen hatte? Aber ich war auch so sehr in meine Gedanken vertieft gewesen, dass ich gar nichts mehr mitbekam. Ich sah zu ihm rüber und über seine Lippen kamen sanft die Worte, die so viel auszusagen schienen und sanft sang ich sie mit ihm zusammen. „In front of you're eyes it falls from the skies When you don't know what you're looking to find In front of you're eyes it falls from the skies When you just never know what you will find What you will find What you will find What you will find What you will find” Seine Stimme war perfekt. Man nahm ihm den Song irgendwie wirklich ab. Er klang so besinnlich und gefühlvoll. Einfach nur unglaublich. David sang immer weiter, hatte die Augen geschlossen und schien nicht zu bemerken, dass ich nicht mehr sang, sondern nur noch Gitarre spielte und ihn beobachtete. „I don’t want this moment to ever end Where everything's nothing, without you I want you to know With everything, I won't let this go These words are my heart and soul...” Plötzlich hörte auch er auf zu singen und zu spielen und ich konnte schwören eine Träne auf seiner Wange gesehen zu haben. „Dave, was ist los?“, wollte ich mich vorsichtig erkundigen, nachdem ich die Gitarre zur Seite gelegt hatte. Ich wollte ihn in meine Arme ziehen doch er wich zurück. „Es ist besser, wenn du jetzt gehst. Bitte…“ Er wischte sich die Tränen weg, die sanft über sein Gesicht liefen und stand auf. Ich nickte nur kurz und sah ihn traurig an. Nachdem ich ebenfalls aufgestanden war, führte er mich nach unten an die Tür und ich machte mich zu Gehen bereit, drehte mich aber nochmals zu ihm um. „Hab….ich irgendwas falsch gemacht?“ Ich wusste nicht was plötzlich los war. Er hatte einfach angefangen zu weinen und er wollte mir nicht sagen warum. Ihm standen keine Tränen so viel war klar. Zumindest nicht solche Tränen. David schluckte und schüttelte den Kopf. „Nein, hast du nicht. Jetzt geh’ bitte. Wir sehen uns morgen.“, kam es leise von seinen Lippen während er mich ganz nach draußen schob. „Okay…bye…“, war das letzte was er an diesem Abend von mir hörte. Ich stieg in mein Auto und fuhr Richtung Heimat. --------- A/N: Song by Sum 41 - With Me Kapitel 8: Kapitel 08 [Everybody knows my name but nobody knows who I am] ------------------------------------------------------------------------- *Dave’s POV* Ich sah Pierre noch hinterher, wie er mit dem Auto die Auffahrt verließ und in der Dunkelheit verschwand. Nun kamen die Tränen richtig. Hastig bahnten sie sich ihren Weg über meine Wangen, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich drehte mich auf meinem Absatz und knallte die Tür förmlich zu. Heulend lief ich ins Wohnzimmer und schmiss mich auf die Couch, wo ich mich zu einer Kugel zusammenrollte und einfach ins Leere starrte. Ich war so ein Idiot. Ich hätte versuchen sollen die Tränen zu unterdrücken, aber sie waren stärker als ich. Ich hatte nicht den Hauch einer Chance. Nun musste Pierre sonst was von mir denken. Oder das Gefühl haben, dass er etwas falsch gemacht hatte. Dem war aber nicht so. Nur ich hatte etwas falsch gemacht. Einzig und alleine ich, weil ich nicht nachdachte bevor ich sprach und handelte. Das war so verdammt dumm von mir. Einige Minuten später hörte ich wie die Haustür aufging und regelrecht zugeknallt wurde. Das war mein Adoptivvater. Er stellte seinen Aktenkoffer mit einem lauten Knall auf den Boden und kam dann ins Wohnzimmer. „Wer war das?“, kam es wütend von ihm, als er sich vor mich stellte und die Hände in die Seiten stemmte. „Niemand…“ Er packte mich am Arm und zog mich von der Couch hoch. Ich sah ihn nicht an. Ich wollte ihn nicht ansehen. „Ich frag nur noch einmal. Wer war das?“ „Ich hab’s dir doch gesagt…niemand…“ Das war wohl ein Fehler. Er packte mich am Kragen meines T-Shirts und zog mich nach oben. Nun hingen meine Füße frei in der Luft und der Druck an meinem Hals schnürte mir den Atem ab. „Du kleiner mieser Bastard!“, knurrte er mich an und legte seine andere Hand um meinen Hals, um die andere von meinem Shirt nehmen zu können. Er drückte zu. Ich kniff meine Augen leicht zusammen, machte sie aber sofort wieder auf. Ich wollte keine Schwäche zeigen. „Es…es war nur ein Freund…“ „Nur ein Freund also. Ich hab dir tausend Mal gesagt, dass du niemanden hierher bringen sollst!“, und mit diesen Worten warf er mich zur Seite. Ich knallte mit voller Wucht auf den Boden und hörte es in meinem linken Arm knacken. Schmerz zog sich durch den Arm, weiter in meinen ganzen Körper. „Okay…“, brachte ich leise hervor und mein Adoptivvvater verließ das Wohnzimmer. Zitternd richtete ich mich auf und schleppte mich in mein Zimmer. Ich schloss die Tür hinter mir, lief zu meinem Bett und verkroch mich dort unter meiner Decke. Ich wollte einfach nur alleine sein. Wollte einfach nur nachdenken. Nachdenken über meine Eltern. Beziehungsweise über meinen Vater, da meine Mum bei meiner Geburt gestorben war. Mein Vater hatte mir alles gegeben um mich glücklich zu sehen. Er wollte immer das Beste für mich. Aber auch er hatte mich zu früh verlassen. Ich hatte keine Chance mich zu verabschieden als er starb. Ich lag ja immerhin im Koma. Als ich aufwachte sagte man mir, dass er bei einer Explosion im Kraftwerk, wo er arbeitete, ums Leben kam. Ich war geschockt. Mehr als geschockt. Nun hatte ich niemanden mehr in meiner Familie. Ich hatte keine Geschwister und meine Eltern waren nun beide nicht mehr da. Das konnte nicht wahr sein. Aber zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass es die Wahrheit war. Zuerst kam ich – nach meiner Reha - ins Heim, aber da war ich nur ein paar Wochen, da mich dann ein junges Ehepaar mit zwei Kindern adoptierte. Ich lebte nun etwa ein Jahr hier bei dieser Familie und ich hasste es. Ich hasste die ganze Familie. Obwohl meine Adoptivmutter unglaublich nett war, aber sie war immer unterwegs. Sie war vielleicht zwei Mal im Monat Zuhause. Deswegen hegte ich oft Hass auf sie, da sie mich mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern alleine ließ. Wieso musste ich ausgerechnet in solch eine Familie geraten? Da wäre ich lieber im Heim geblieben. Da würde es mir sicherlich besser gehen. Aber das schlimmste war, dass ich bei so vielen Songs an meinen Dad denken musste und dann einfach zusammenbrach. Ich wollte ihn wieder haben. Wollte bei ihm sein. Ich würde dafür sogar sterben. Einer dieser Songs war „With Me“. Er war einfach so toll und ich konnte mich dabei immer fallen lassen und an all die Jahre mit meinem Dad denken. Er half mir oft dabei mit meinem Kummer zu Recht zu kommen. Ich vermisste meinen Vater so sehr. Meine Mum genauso, obwohl ich nie die Gelegenheit bekam sie kennen zu lernen. Ich wusste, dass sie eine großartige Frau war. Mein Vater hatte oft von ihr erzählt. Hat mir so viele Bilder von ihr gezeigt. Er meinte, ich hätte ihre braunen Augen geerbt. Und ihre blasse Haut. Ich konnte soviel in der Sonne sein wie ich wollte, ich wurde nie wirklich braun. Vielleicht mal ein wenig, aber nie viel. Mein Dad meinte, dass das bei meiner Mum genauso war. Er fing jedes Mal an zu weinen, wenn er mir von ihr erzählte. Er hatte sie wirklich geliebt. Aber nun war da noch eine andere Person an die ich denken musste, wenn ich den Song hörte – Pierre. Er war so unglaublich. Er war süß, charmant, gut aussehend. Er gab mir immer dieses Gefühl der Sicherheit. Wie konnte man nur so atemberaubend sein?! Ich musste mich sehr oft zusammenreißen ihn nicht einfach zu küssen. Ihm nicht um den Hals zu fallen und ihn nie wieder loszulassen. Und als er diesen Song gesungen hatte - verdammt, er war so perfekt. Seine Stimme war so unglaublich. Ich meine, sie war es auch, wenn er sprach. Vor allem, wenn er glücklich war. Man hörte es richtig aus seiner Stimme heraus. Und dieses Lächeln. Er hatte das schönste Lächeln der Welt. Ich glaube er war mein Weg in ein besseres Leben. Nicht, dass ich ihn nur dafür wollte. Nein, er war weitaus mehr. Er bedeutete mir so viel. Dabei kannte ich ihn gerade mal knappe zwei Monate. Das war mir jedoch egal, denn er verdrehte mir den Kopf. Ich konnte nur noch an ihn denken. Ich wäre jetzt so gerne bei ihm. In seinen Armen. All diese Gedanken kamen auf, als er dieses unglaubliche Lied sang. „Hey du kleine Schwuchtel!“, wurde ich von meinem Adoptivbruder Jimmy aus meinen Gedanken gerissen. Er zog die Decke von mir und packte mich an meinem ohnehin schon schmerzenden Arm und zog mich nach oben. „Hast du mal auf die Uhr gesehen? Du hättest längst in meinem Zimmer sein sollen!“ „Lass mich in Ruhe, Jimmy…“, versuchte ich mich zu wehren, aber er festigte seinen Griff nur noch mehr und zog mich zu sich. „Vergiss es. Ich kann mit dir tun was ich will.“ Gewaltsam stieß er mich zurück auf mein Bett und beugte sich über mich. „Oder hast du schon vergessen, dass du mir gehörst?“ Ich schluckte schwer und sah ihn an. Widerstand war zwecklos, da war ich mir sicher, denn es hatte nie etwas gebracht. Also musste ich es wohl oder übel mal wieder über mich ergehen lassen. Zögernd schüttelte ich den Kopf und schloss die Augen. Das war alles was er wollte. Was er brauchte. Somit dauerte es nicht lange, bis er mir mitleidlos die Klamotten vom Körper riss und ohne eine Vorwarnung in mich eindrang. Hart stieß er zu. Ihm schien das zu gefallen, mir jedoch nicht. Ich biss mir hart auf die Unterlippe um nicht zu schreien oder zu weinen. Schmerz durchzuckte meinen Körper wie tausend kleine Blitze. Ich versuchte Jimmy nicht anzusehen und ihm schien das auch gar nicht aufzufallen. Er wurde immer schneller, immer fester, immer brutaler, bis er irgendwann hart in mir kam. Es dauerte keine halbe Minute, da war er aufgestanden, angezogen und aus dem Zimmer verschwunden. Ohne ein weiteres Wort zu sagen. Er ließ mich einfach dort liegen. Benutzt und zerbrochen. Kaum hatte er das Zimmer verlassen konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Heiß liefen sie mir in Sturzbächen die Wangen hinunter. Laute und heftige Schluchzer entwichen meinem Mund. Mein gequälter Körper fing an wie unter Starkstrom zu zittern. Ich konnte nicht mehr. Ich brach vollkommen zusammen und keiner interessierte sich für mich. *Pierre’s POV* Nachdenkend fuhr ich in die Dunkelheit hinein und merkte dabei gar nicht, dass ich viel zu schnell war. Mal abgesehen davon, dass ich dafür gerade eh keinen Nerv hatte, war es mir egal. Alles was gerade in meinem Kopf war, war Dave. Der Anblick wie er weinte wollte einfach nicht aus meinem Kopf verschwinden. Er sah so zerbrechlich aus. Alles was ich gerade wollte, war zu erfahren, warum er geweint hatte, aber er würde es mir wohl nicht sagen. Außerdem wollte ich ihn einfach nur in meine Arme ziehen und ihm zeigen, dass ich für ihn da war. Dass ich mich dafür interessierte wie es ihm ging. Mich plagten diese Schuldgefühle. Ich hatte sicherlich etwas falsch gemacht, er wollte es mir nur nicht sagen. Das enttäuschte mich, aber ändern konnte ich es auch nicht. Nach etwa zehn Minuten kam ich dann bei mir Zuhause an und parkte mein Auto in der Garage. Langsam ging ich ins Haus, begrüßte kurz meinen Bruder und verschwand dann in mein Zimmer. Ich wollte nun einfach nur alleine sein. Wollte einfach nur nachdenken. Nachdenken über Dave. Nachdenken über meine Gefühle für ihn. Wie schaffte er es nur in so kurzer Zeit mein Herz zu rauben? Ohne mich zu fragen. Er hatte es einfach genommen. Aber das machte mir nichts aus. Ich glaubt, dass es bei ihm sicher war.. Aber es wäre schöner gewesen, ihn nun bei mir zu haben. Einfach nur in meinen Armen. Damit ich ganz nah bei ihm sein konnte. Ihn küssen konnte und ihm sagen wie sehr ich ihn liebte. Das waren nur Träume und Träume sind Schäume. Nichts weiter als das. Also musste ich weiter in diesen schwelgen, bis sie mich von innen heraus auffraßen. Ganz langsam und genüsslich. Daran hätten sie sicherlich ihren Spaß. Immerhin hatten viele daran Spaß mich leide zu sehen. Da wäre zum Beispiel mein Dad. Mein Dad war ein Monster. Er hasste mich – meine ganze Familie - und das bekam vor allem ich oft zu spüren. Er gab mir gerne die Schuld daran, wenn er mal einen schlechten Tag hatte. Dann scheute er sich nicht davor mich zu schlagen bis ich bewusstlos war. Einmal landete ich im Krankenhaus. Ich weiß gar nicht mehr welche Ausrede er vorgebracht hatte, nur um nicht als schlechter Vater dazustehen. Das wäre ja der Weltuntergang. Immerhin war er ein erfolgreicher Bankier, wurde durch den Aktienmarkt reich und ist überall bekannt. Das „Gerücht“ eines schlechten Vaters würde nur seinem Image schaden. Dabei war er ein schlechter Vater. Ein sehr schlechter sogar. Genauso wie er ein miserabler Ehemann war. Jeder in der Familie konnte sehen, dass die Ehe meiner Eltern schon längst kaputt war. Scheidung würde bei denen wohl nie in Frage kommen. Denn auch das könnte das Image meines Vaters ankratzen und das meiner Mutter gleich dazu. Sie war die supertolle, wunderschöne Kinderärztin, die von allen geliebt wurde, die sich vor Terminen kaum retten konnte. Vielleicht war sie wunderschön, aber so supertoll war sie auch nicht. Sie meckerte wegen jeder Kleinigkeit und vor allem war sie dabei in eine schwere Alkoholsucht zu rutschen. Das hing sicherlich mit der gescheiterten Ehe zusammen. Damit, dass ihr ach so toller Ehemann seine Kinder misshandelte und sie nur hilflos zusehen konnte, weil sie zu viel Angst vor ihm hatte. Sie wollte nicht so enden wie wir. Gepeinigt durch unseren eigenen „Mustervater“. Durch den Mann, den alle liebten, alle beneideten. Gequält durch diesen verlogenen Penner der sich Vater schmimpfte. Ich weiß nicht genau wie lange ich dort auf meinem Bett lag und nachdachte, aber plötzlich wurde meine Tür aufgerissen und mein Vater schrie mich an. „Wo warst du so lange?“, kam es wütend über seine Lippen, während er sich mit schweren Schritten auf mich zu bewegte. „Weg.“, antwortete ich ihm cool. Ich wusste eh schon was auf mich zukommen würde, egal was ich ihm erzählte. „Du sollst mir nicht so dumm kommen, du kleiner Mistkerl!“ Keine fünf Sekunden später wurde ich vom Bett hochgezogen und bekam eine heftige Ohrfeige. „Ich komm dir so wie ich das will…“ „Na, das wollen wir ja sehen.“, und da war die nächste Ohrfeige. Ich stieß ihn von mir, aber er gab nicht locker. Natürlich gab er das nicht. Aber ich würde auch nicht locker geben. Mir war klar, dass ich das nicht länger über mich ergehen lassen konnte. Ich musste mich endlich zur Wehr setzen, egal was es mich kosten würde. Nun schlug er mit der Faust zu und sofort platzte meine Lippe auf. Mein Kopf drehte sich zur Seite, doch so verweilte er keine Sekunde. Postwenden kam ein Schlag zurück. Ich schlug ihn mit meiner ganzen Kraft direkt ins Gesicht. Direkt auf die Nase. Ich konnte es knacken hören, aber meinem Vater schien das nichts auszumachen. Sofort schlug er wie wild auf mich ein und schnurstracks beförderte er mich auf den Boden. Kaum lag ich dort, fing er an auf mich einzutreten. Er verteilte heftige Tritte in meine Seite, sodass ich mich krümmte und mir vorsichtshalber die Arme vors Gesicht hielt. Das tat ich genau im richtigen Moment, denn schon fing er an mir in dieses zu treten. Oder eher gegen meine Arme, die ich davor hielt. Er gab nicht locker. Ich versuchte stark zu bleiben. Er trat mich wieder in die Seite. Er lachte böse dabei. Schmiss mir Schimpfworte an den Kopf. Er wollte mich auch seelisch fertig machen, das wusste ich. Aber ich hätte auch wissen müssen, dass ich keine Chance gegen ihn hatte. Er war stärker als ich, das wusste ich, aber daran gedacht hatte ich nicht. Als ich dann so gut wie regungslos am Boden lag, ließ er locker. „Du solltest wissen, dass man sich nicht mit mir anlegt!“ Er spuckte mich an, trat mich noch einmal heftig in den Bauch und verschwand dann. Hustend, Blut spuckend und vor Schmerz stöhnend lag ich nun dort auf den Boden. Jede Faser meines Körpers schmerzte. Ich sah alles verschwommen. Ich war kurz davor bewusstlos zu werden. Alles drehte sich, alles wurde langsam dunkler, fast schwarz. „Oh Gott. Schatz…“, hörte ich die entsetzte Stimme meiner Mutter, die etwa zwei Minuten später in mein Zimmer kam. Ich merkte, wie sie sich neben mich kniete und mich in ihre Arme nahm. „Es tut mir so Leid…“ Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber ich war zu schwach dazu und bevor je etwas meinem Mund entweichen konnte, fielen meine Augen zu und mein Kopf rollte zur Seite. Ich war bewusstlos. Kapitel 9: Kapitel 09 [All I wanna say is „I love you“] ------------------------------------------------------- *Pierre’s POV* Als ich aufwachte wusste ich nicht mehr wirklich was passiert war. Ich konnte mich nur daran erinnern, dass ich bei Dave war. Danach war irgendwie alles weg. Ich wusste noch nicht mal welcher Tag es war. Oder an welchem Tag ich Dave hatte weinen sehen. Alles war weg. Alles außer Davids Gesicht und der Schmerz, der sich plötzlich durch meinen Körper zog. Langsam setzte ich mich auf und sah mich um. Auf jeden Fall war ich schon mal in meinem Zimmer, so viel war klar. Ich versuchte aufzustehen, aber als ich stand, gaben meine Beine sofort nach und ich landete mit einem lauten Poltern auf dem Boden. Alles im Zimmer wackelte dadurch leicht. Sofort hörte ich wie jemand mit schweren Schritten die Treppe hoch und über den Flur rannte. Kurz darauf ging meine Tür auf und meine Mum trat ins Zimmer. „Pierre! Was ist passiert?“, fragte sie mich, als sie sich neben mir auf den Boden setzte und meinen Kopf in ihren Schoss legte. Ich sah sie an und war geschockt. Sie sah furchtbar aus. Ihr Haar war so fettig, dass es bereits glänzte, dicke und dunkle Augenringe waren unter ihren sonst so glänzenden Augen zu sehen. Ihre Augen waren total leer und es schien als würde sie ins Nichts gucken. Sie hatte einen stark befleckten Jogginganzug an und ein strenger Geruch stieg mir in die Nase. Wer war diese Frau und was hatte sie mit meiner Mum gemacht? Das konnte unmöglich meine Mutter sein, denn sie war gepflegter als jeder andere Mensch auf Erden. Als ich sie das letzte Mal sah – wie lange das auch immer her war – da war sie noch wunderschön. Und jetzt?! Jetzt sah sie auf wie eine Schlampe. So hart das auch klingen mag, aber es ist so. „W-was ist…passiert?“ Meine Stimme war schwach und sehr leise. Ich war mir nicht sicher, ob meine Mum gehört hatte, was ich sagte. Ich fühlte mich so furchtbar. „Du…du warst vier Tage…ohnmächtig…“ Was? Hatte ich da gerade richtig gehört? Ich konnte doch nicht vier Tage geschlafen haben – wenn man es so nennen konnte. Das war unmöglich. Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, aber es kam nichts weiter als Luft heraus. Mein Hals schmerzte. Er war trocken und kratzte bei jedem Atemzug. Ich war viel zu schwach zum Reden, aber meine Mutter schien wohl an meinem Blick zu erkennen, was ich wissen wollte. „Dein…Vater…“, schluckte sie und sah mich traurig an. Sanft strich sie mir durch mein braunes zerwuscheltes Haar und seufzte. „Es tut mir so leid, Schatz…“, ergänzte sie dann noch. Schatz. Sie hatte mich lange nicht mehr so genannt. Abgesehen von dem einen Tag vor vier Tagen. Es war bestimmt schon länger als zwei Jahre her. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Lange hatte sie sich nicht mehr so um mich gesorgt. Ich wusste nicht, wo der plötzliche Sinneswandel herkam, aber ich war froh darüber, dass er da war. Heiß liefen mir die Tränen über meine Wangen und ich schloss die Augen. Ich wollte den Moment genießen. Zarte Finger berührten sanft meine Haut und wischten die Tränen weg. „Ich…ich verspreche dir, dass…alles besser wird…“, hörte ich meine Mum schluchzen und kurz darauf fielen mir Tränen ins Gesicht. Langsam öffnete ich meine Augen und sah sie an. Dann versuchte ich mich vorsichtig aufzusetzen, verzog dabei aber das Gesicht. Es schmerzte mehr als ich erwartet hatte. „Bitte weine nicht, Mum…“, presste ich ächzend hervor und sah sie an. Sie sah mir in die Augen und nickend wischte sie sich die Tränen weg. Sie sah so fertig aus. Blass und krank. Ihr ging es nicht gut, da merkte ich, aber ich wusste auch nicht wie ich ihr hätte helfen können. Außerdem hatte ich dazu auch gar keine Power. „Leg dich besser wieder hin…“, forderte sie mich ruhig auf und stellte sich hin. Ich sah zu ihr hoch, überlegte kurz und nickte dann, woraufhin sie mir hoch half. Ich legte mich in auf mein Bett und sah sie an. „Ich liebe dich, Mum…“, entwich es sanft meinen Lippen, als sie sich gerade umgedreht hatte und gehen wollte. Sie blieb blitzartig stehen und bewegte sich nicht mehr. Sie dreht sich nicht um und nichts. Sie stand da einfach nur wie angewachsen. Vielleicht war es der Fakt, dass ich seit drei Jahren das erste Mal zu ihr sagte, dass ich sie liebte. Das wird es wohl gewesen sein. Sie wird es vermisst haben. So wie ich es vermisse, das gleiche von ihr zu hören. Ich möchte wieder das Gefühl haben ihr Sohn zu sein, der ihr was bedeutet und nicht nur irgendein Jugendlicher, der in ihrem Haus wohnt. Langsam drehte sie sich dann doch zu mir um. Das hatte fast fünf Minuten gedauert und ich wäre fast durchgedreht und hätte sie angeschrieen, wenn ich die Kraft dazu gehabt hätte. Sie hatte wieder Tränen in den Augen. Manche liefen ihr bereits über die Wangen. Der Anblick zerbrach mir das Herz. Ich wollte sie nicht traurig sehen. Wollte sie nicht weinen sehen. „Ich liebe dich auch, Schatz…“, kam es dann überwältigt von ihr, als sie auf mich zukam und mich in ihre Arme zog. Ich war ziemlich überrascht. Ich hatte nicht gedacht, dass sie mich umarmt. Dass sie mich auch noch liebt, nach so vielen Schwierigkeiten die wir hatten. Sie wollte mich nicht mehr loslassen, wie es schien. Immer mehr zog sie mich an sich und drückte mich so sehr, dass ich Angst hatte, dass sie mir die Rippen brechen könnte. Sie ließ mich erst los als es an der Tür klingelte. Aber nicht als es das erste Mal geklingelt hatte. Nein, beim schätzungsweise zehnten Mal. Aus diesem Grund vermutete ich, dass niemand weiter da war, außer wir und dass es wohl auch niemand aus meiner Familie war, der an der Tür war. Die hätten ja wohl nicht geklingelt. „Ich geh gucken wer das ist. Dann bring ich dir was zu essen, okay?!“ Sie sah mich erwartungsvoll an. War sie nur so nett zu mir, weil mein Vater nicht da war? Hatte sie Angst, dass er sehen könnte, dass ihr Sohn ihr was bedeutete? Ihr Sohn, der ihm nicht bedeutete. Ich wusste es nicht, aber es gab mir ein gutes Gefühl, dass sie für mich da war. Also nickte ich, da ich mal wieder kaum Energie hatte um etwas zu sagen und dann verließ sie den Raum. Ich hörte Stimmen von unten, aber konnte nicht verstehen was gesagt wurde oder wessen Stimmen es waren, abgesehen von der meiner Mum. Die andere Stimme war aber eine männliche, soviel konnte ich sagen. Ich versuchte mich dann auch nicht weiter darauf zu konzentrieren, sondern lieber darauf, was ich nun tun sollte. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, hatte kaum noch eine Stimme und mein Kopf dröhnte wie die Hölle. Dann drifteten meine Gedanken zu David ab. Wie es ihm wohl gerade ging? Ob er sich Sorgen gemacht hatte, warum ich nicht in der Schule war oder mich gemeldet hatte? Dann wäre er sicherlich vorbeigekommen und meine Mum hätte mir davon erzählt. Ich ließ meinen Kopf auf das Kissen sinken, schloss die Augen und ließ ein seufzendes „Ach David“ meinem Mund entweichen. „Was ist mit mir?“, hörte ich es dann plötzlich sagen und ich dachte erst es wäre in meinem Kopf und machte mir nichts weiter draus. „Ich vermisse dich…“, ließ ich es dann einfach ehrlich raus und öffnete die Augen. Ich starrte die Decke an und seufzte. „Ich hab dich auch vermisst…“, antwortete seine Stimme mir dann und ich wollte gerade etwas sagen, als David sich plötzlich über mich beugte und grinste. Ich erschreckte mich regelrecht zu Tode und sprang leicht auf, wobei ich meinen Kopf gegen seinen knallte. „Autsch…“ Er kniff die Augen zusammen und rieb sich die Stirn. „Na so Furcht einflössend bin ich nun auch wieder nicht.“, lachte er dann. „S-sorry…“, stotterte ich vor mir hin und sah ihn an. „Ich hab dich gar nicht mitbekommen.“ „Na anscheinend schon, aber mehr als Stimme in deinem Kopf, wie’s scheint.“ Ich lief sofort rot an. Wer weiß was ich alles gesagt hätte, wenn er sich nicht plötzlich über mich gebeugt hätte?! Das hätte sehr peinlich für mich werden können. Vielleicht wäre es auch mein Verhängnis gewesen, weil Dave dann gewusste hätte, was ich fühle und er mich dann vielleicht gehasst hätte. Das wäre der Weltuntergang für mich gewesen. Zum Glück kam es nicht soweit. David ließ sich auf der Bettkante nieder und sah mich an. Seine Augen wirkten etwas leer. „Ich hab mir Sorgen gemacht, weil ich solange nichts von dir gehört hatte, da dachte ich, ich komme mal vorbei.“ Wow, er hat sich wirklich um mich gesorgt. Wie süß. Ich sah ihn an und überlegte kurz, als ich dann den Gips an seinem Arm wahrnahm. „Was…was ist denn mit deinem Arm passiert?“, fragte ich ihn verwirrt und sah ihm dabei in die Augen. Er zuckte kurz mit den Schultern und sah weg. „Bin mit meinem Skateboard hingefallen und kam dumm auf. Da habe ich mir dabei den Arm gebrochen.“ Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie wollte ich ihm das nicht ganz glauben. Ich setzte mich langsam auf und sah ihn an. Wenn es die Wahrheit gewesen wäre, dann hätte er mich dabei sicherlich angesehen. Dann würde er gewiss nicht so traurig aussehen. „Und was ist wirklich passiert?“, fragte ich ihn dann mit heiserer Stimme und fuhr ihm durch sein wuschliges blondes Haare. Er zitterte leicht unter meinen Berührungen, sah mich aber weiterhin nicht an. „Das was ich dir gerade erzählt habe.“ Ich merkte schon, dass das scheinbar zu nichts führte, also nickte ich und gab mich mit einem „Okay“ zufrieden. Es schmerzte irgendwie, aber ich konnte es ja auch nicht ändern. Also musste ich es leider hinnehmen. *David’s POV* Nun saß ich hier also auf der Bettkante von Pierres Bett und musste ihn anlügen. Ich wollte es eigentlich gar nicht, aber ich hatte Angst ihm die Wahrheit zu sagen. Ich wollte nicht, dass er wusste wie es mir wirklich ging oder was bei mir zu Hause los war. Ich wollte nicht, dass er sich Sorgen machte, denn anscheinend hatte er ja selber genug Probleme. „Und wie geht’s dir?“, fragte ich ihn dann schließlich und sah ihn wieder an. „Na ja. Ich habe das Gefühl sterben zu müssen vor Schmerz, aber jetzt bist du ja da, jetzt geht’s mir besser.“ Ich lief sofort leicht rot an. Verdammt, das hatte er so süß gesagt. Ich sorgte also dafür, dass es ihm besser ging? Yuppie. Jetzt ging es auch mir besser. Vor allem als er anfing mich anzulächeln. Dieses Lächeln war so toll. Aber ich wollte wissen was passiert war, deswegen musste ich ihm dieses Lächeln wohl wieder nehmen, auch wenn ich das keineswegs wollte. „Was ist eigentlich…passiert?“, kam es dann leise über meine Lippen während ich versuchte ihm in die Augen zu schauen. Er fing an zu überlegen. Ob er sich jetzt genau wie ich eine Ausrede einfallen lassen würde? Ich hoffte es nicht, denn ich wollte so gerne wissen, was vorgefallen war, dass er vier lange Tage nicht in der Schule war und dass er sich vier lange Tage nicht bei mir gemeldet hatte. „Ich hatte etwas Stress mit meinem Dad.“ Er sah mir in die Augen. Sein Blick wirkte traurig, aber ich sah die Ehrlichkeit in ihnen. Er hatte mir wohl echt die Wahrheit gesagt, obwohl ich ihn vorher angelogen hatte, was er ja mitbekommen hatte. Nun fühlte ich mich mies. Aber ich wollte ihm nicht die Wahrheit sagen. Wollte nicht, dass er weiß, was mein „Bruder“ mit mir machte oder mein „Vater“. Ich wollte nicht, dass das jemand erfährt. Ich musste selbst damit zurechtkommen. „Achso. Tut mir Leid…“ „Ach halb so wild. Mir geht’s gut, ich komm damit klar…“ Ich nickte nur. Eine drückende Stille trat ein. Ich wusste nicht genau was ich sagen sollte. Er wohl genauso. Ich sah mich in seinem Zimmer um. Versuchte ihn nicht anzusehen. Da sah ich dieses Bild auf dem Nachtschrank stehen. Ich konnte mich noch ganz gut an diesen Tag erinnern. Pierre hatte mich in den Freizeitpark eingeladen. Wir hatten echt verdammt viel Spaß. Jedoch wurde mir dabei die Achterbahn zum Verhängnis. Nachdem wir mit ihr gefahren waren, war mir total übel. Ich hätte mich übergeben können. Die vielen Nachos und das große Bananen-Eis vorher wollten nicht mehr in meinem Magen bleiben. Ich konnte aber dagegen ankämpfen alles wieder hervorzuwürgen. Dabei war Pierre die ganze Zeit bei mir und hat sich so rührend um mich gekümmert, bis es mir besser ging. Nach fast zwei Stunden war ich dann endlich wieder bereit etwas zu essen oder überhaupt wieder was zu unternehmen. Dann hatte er mir wieder ein Eis spendiert, aber dieses Mal ein Schoko-Eis. Es war einfach so ein toller Tag. Am Abend war dort dann – aus welchen Gründen auch immer – ein Feuerwerk. Ich war ein totaler Feuerwerkfanatiker. Somit hatten wir es uns angesehen und dann wollte Pierre ein Bild von uns schießen – mal wieder – und dabei versuchen das Feuerwerk in den Hintergrund zu bekommen. Also sprang ich ihn förmlich von hinten an, legte meine Arme um seinen Hals und meinen Kopf auf seine Schulter, während ich total verliebt guckte. Pierre hatte das süßeste Lächeln auf den Lippen, das ich je gesehen hatte. Dieses Bild stand nun dort, in einen wunderschönen Rahmen gefasst und daneben ein rotes Teelicht. Es war echt süß. Am liebsten hätte ich ihn nun geküsst, aber das war mir verboten. Immerhin war er mein bester Freund. Mein einziger richtiger Freund und ich wollte ihn wirklich nicht verlieren. Ich sah wieder zu Pierre und merkte, dass er ebenfalls das Bild ansah. Er hatte wohl bemerkt, dass ich es regelrecht anstarrte. Sein Blick war dabei jedoch traurig und leicht gesenkt. „Pierre…?“ Er sah mich erschrocken an und versuchte wieder normal zu gucken, aber das gelang ihm nicht so ganz. Noch immer war sein Blick düster. Leicht trüb und traurig. Ich wollte ihn nicht so sehen. „Ich…l-…“ Moment. David Phillippe Desrosiers, was wolltest du da gerade sagen? Hast du sie noch alle? Du kannst ihm doch nicht sagen, dass du ihn liebst. Er würde dich hassen. „Du…?“ Pierre legte den Kopf etwas schief und sah mich an. Mist, wieso musste er mich denn jetzt ausgerechnet so ansehen? Das war nicht fair, er sollte damit aufhören. „Ich…ich…ach verdammt. Ich kann das nicht. Ich muss gehen. Bye.“, und mit diesen Worten stand ich auf und verließ fluchtartig das Gebäude. Das machte mich so fertig. Ich wollte ihm sagen, wie sehr ich ihn liebte. Ich wollte ihn endlich einmal küssen. Einmal richtig küssen und nicht nur dieses millisekundenlange Lippenberühren, wenn wir dieses dumme Stück „Romeo und Julia“ übten. Ja verdammt, ich wollte seine Julia sein. Ich wollte ihn endlich so lieben, wie ich mir das wünschte, aber ich konnte nicht. Ich konnte es einfach nicht. Somit rannte ich zur nächsten Bushaltestation, stieg in den Bus und fuhr davon. Einfach irgendwohin. Hauptsache weg hier. Ich hielt das nicht mehr aus. Dann wollte ich Pierre lieber gar nicht mehr sehen. Dann würde ich lieber alles aufgeben, was ich mir in den letzten zwei Monaten aufgebaut hatte. Kapitel 10: Kapitel 10 [Run away as far as I can] ------------------------------------------------- *David’s POV* Da war ich also – zwei Stunden Bus fahren und über zehn Städte weiter weg von Pierre. Langsam stieg ich aus dem Bus und lief die tristen Straßen entlang. Ich wusste ganz genau was mein Ziel war. Meine Beine mussten mich nur noch dahin bringen. Ich musste mir überlegen, was ich sagen würde, warum ich da war. Verdammt, daran hatte ich natürlich nicht gedacht. Ich hatte ja auch am Anfang nicht mal dran gedacht, ausgerechnet hierher zu fahren. Schwierige Situation, aber ich würde das schon irgendwie meistern. Mich störte eigentlich nicht mal der Ort zu dem ich wollte, viel mehr die Tatsache, dass ich keine Sachen dabei hatte. Ich hatte absolut nichts, außer ein wenig Geld. Seufzend sah ich mich um und dachte an Pierre. Daran wie traurig er aussah. Er sah krank aus. Furchtbar traf es hier sicherlich noch besser. Seine Stimme war auch nicht mehr so sanft. Sie war kratzig und schwach. Er konnte nicht wirklich lächeln. Zumindest nicht dieses Lächeln, was ich so sehr an ihm liebte. Was hatte sein Vater ihm nur angetan, dass er so war?! Es zerbrach mir das Herz ihn so zu sehen. Vielleicht war das der Grund, warum ich ihm sagen wollte, was ich fühlte. Ich wusste es nicht genau, aber es machte mich fast verrückt. Nach weiteren 15 Minuten zu Fuß kam ich dann endlich an meinem Ziel an – das Heim. Ja genau, das Heim, in das ich gesteckt wurde, nachdem mein Vater verstarb. Das Heim aus dem ich geholt wurde, um in solch eine verdammte Familie zu kommen. Das Heim, von dem ich glaubte, dass es mir nun vielleicht Schutz bieten könnte. Ich hoffte wirklich, dass sie mich aufnehmen würden und nicht meine „Eltern“ informieren würden, wo ich war. Das würde mein Untergang sein. Ich brauchte einfach nur ein paar Tage für mich. „David?“, hörte ich die Stimme einer Frau, als ich unschlüssig vor der großen Tür stand. Ich drehte mich zu der Dame um, die mich gerufen hatte und sah sie an. Es war Jane, die Pflegerin. Sie war in der kurzen Zeit, in der ich damals hier war, immer für mich da und hat mir immer bei meinen Problemen geholfen. „Jane…“, kam es leise über meine Lippen. „Was machst du denn hier? Ich dachte du wärst in einer neuen Familie? Und was ist mit deinem Arm passiert?“ Sie überschüttete mich mit ihren Fragen und irgendwie wurde mir das zuviel – ich brach in Tränen aus. „Oh…tut mir Leid. Hab ich etwas Falsches gesagt?“, sie nahm mich sofort in den Arm und strich mir über den Kopf. Ich konnte diesen nur schütteln und klammerte mich mit meiner gesunden Hand an ihr fest. Endlich hielt mich jemand im Arm, wenn ich weinte. Endlich war da wer, der mich kannte und mich verstand. Nachdem ich mich beruhigt hatte, nahm sie mich mit ins Gebäude, machte mir einen Tee und sah mich lieb an. „Jetzt erzähl mal. Warum bist du hier?“ „Ich…ich weiß nicht…“ „Doch, das weißt du David. Du weißt, dass du es mir sagen kannst.“ Sie hatte ja Recht. Natürlich konnte ich es ihr sagen, immerhin war sie für mich wie die Mutter, die ich nie hatte. „Ich…ich bin von meinem ach so tollen Zuhause und vor meinem besten Freund weggerannt. Ich hasse diese Familie. Sie tun mir nur weh und geben mir die Schuld an allem. Und mein bester Freund. Ja das ist so ’ne Sache. Ich hab mich in ihn verliebt und ich hätte es ihm fast gesagt, aber ich hatte Angst davor, dass er mich dann vielleicht hassen könnte. Deswegen bin ich jetzt hier. Ohne alles. Ich hab das einfach nicht mehr ausgehalten. Und mein Arm. Ja, das war mein Adoptivvater, der hat ja nichts Besseres zutun, als mich zu schlagen.“ Alles sprudelte aus mir heraus und ich war mir sicher, dass sie vielleicht nur die Hälfte verstanden hatte, von dem was ich erzählte. „Wow…warum hast du das nicht dem Jugendamt gemeldet? Die hätten dir geholfen. Und…du hast also einen Freund gefunden. Das freut mich. Beschreibe ihn mir doch mal.“ „Ich habe Angst. Das Jugendamt würde nie etwas tun. Sie versichern sich ja vorher nicht mal, dass die Familie total okay ist und nicht nur spielt, bevor sie ein Kind dahinschicken.“ Ich nahm einen kurzen Schluck von meinem Früchtetee und sah Jane an. Ich sollte ihr also etwas über Pierre erzählen? Wo sollte ich da denn am besten anfangen? Schwere Sache. „Ja, also er heißt Pierre. Ich habe ihn kennen gelernt, als ich wieder in die Schule gehen durfte. Aber im Grunde kenne ich ihn schon seit Jahren, da ich ihn gesehen hatte, wenige Sekunden bevor ich diesen Unfall hatte. Er ist einfach unglaublich. Er hat wunderschöne dunkelbraune Augen. Manchmal wirken die schon richtig schwarz. Sein Haar ist braun und total wuschelig. Es passt perfekt zu seinen Augen und überhaupt zu seinem Gesicht. Er ist etwas größer als ich und total gut gebaut. Er treibt viel Sport. Ach ja und das wichtigste, er kann verdammt gut singen. Und Gitarre spielen. Er ist einfach nur perfekt. Bringt mich immer zum Lachen. Er ist der einzige Grund, warum ich noch Freude am Leben habe.“ Jane schien gerührt zu sein, denn sie legte eine Hand auf ihre Brust und seufzte zufrieden. „Das freut mich aber für dich.“ Mein Statement mit dem Jugendamt schien sie zu ignorieren. Sie wusste wohl ganz genau, dass ich Recht hatte. Das Jugendamt war einfach nur der letzte Dreck. „Ja, mich auch…“, war das einzige, was ich dazu sagte und nahm noch einen großen Schluck aus der Tasse. Ich hatte irgendwie ein schlechtes Gewissen, dass ich einfach so weggerannt war. Pierre würde sich nun bestimmt wieder denken, dass er was falsch gemacht hatte. Dabei war es immer nur ich. Weil ich mit nichts mehr klar kam. Ich musste mein Leben irgendwie auf die Reihe bekommen, aber ich wusste nicht wie. Ich hatte so sehr Angst alles zu verlieren. Ich hatte wirklich Angst Pierre zu verlieren. Er war doch die einzige Person, die mir wirklich helfen konnte. Aber ich Idiot ließ niemanden an mich ran. Vielleicht war ich dafür einfach zu stolz. „Du brauchst jetzt bestimmt etwas Zeit zum Nachdenken, oder? Komm mit, ich bring dich auf ein Zimmer, wo du alleine sein kannst.“ „Danke…“ Ich hatte gerade wirklich keine Lust mehr zu reden. Ich war einfach nur müde und wollte schlafen. Wollte darüber nachdenken, wie das mit Pierre weiter gehen sollte. Also stand ich auf und ging Jane hinterher, die mich in mein altes Zimmer führte. Es sah noch genauso aus wie früher. „Das Zimmer mochtest du ja so. Wegen dem Ausblick auf den See. Also kannst du hier erstmal schlafen.“ „Danke Jane, das ist wirklich nett von dir.“ „Ist doch gar kein Problem. Wenn du was brauchst, du weißt wo du mich findest.“, und mit diesen Worten verließ sie das Zimmer wieder. Ich ließ mich sofort auf das Bett fallen und vergrub mein Gesicht im Kissen. Die Bettwäsche roch ganz anders als damals. Ich wusste noch ganz genau, wie ich mich deswegen bei Jane beschwert hatte und sie mich damit überrascht hatte, dass es nach Bananen roch. Sie wusste ganz genau wie sehr ich Bananen liebte. Immer wenn es zum Essen Äpfel oder so als Obst gab, hatte sie mir Bananen besorgt. Ich liebte alles was mit Bananen hatte. Obwohl ich nun auch Erdbeeren total gerne mochte, da Pierre immer so lecker danach roch. Nach Erdbeeren, aber doch total männlich. Einfach nur himmlisch. Also drehte ich mich auf den Rücken, damit ich diesen widerwärtigen Geruch nicht einatmen musste und starrte die Decke an. Ich war tatsächlich davon gelaufen. Wie ein kleines Kind, das es hasste, wenn seine Eltern sich stritten und ihnen zeigen wollte, wie sehr es darunter litt. Genau so war ich weggerannt. Ich war wie ein kleines verängstigtes Kind. Ich dachte noch viel nach. Über Pierre, meinen Dad, Jane, meine Adoptivfamilie. Eigentlich über alles, bis ich irgendwann vom Schlaf übermannt wurde und einfach so über meine Gedanken einschlief. Ich hatte einen wirklich sehr seltsamen Traum. Alles war dunkel. Schwarz um genau zu sein. Es war nicht zu sehen, außer mir. Ich sah mich verängstigt um. Ich suchte den Boden unter meinen Füßen, aber ich fand ihn nicht. Plötzlich fiel ich in einen tiefen Abgrund. Wo der plötzlich herkam wusste ich nicht genau. Aber irgendwann landete ich auf allen vieren. Ich hörte komische Geräusche. Es klang wie das Knurren und Fauchen von Tieren. Dann erblickte ich sie auch schon. Aber sie hatten die Gesichter meiner Adoptivfamilie. Schnell setzte ich meine Beine in Bewegung und versuchte davon zu kommen. Ich rannte so schnell wie ich konnte. Ich glaubte sie irgendwann abgehängt zu haben, aber da lief ich auch schon in die nächste seltsame Gestalt. Es sah aus wie eine Chimäre. Das waren ja mächtige Tiere. Aber es hatte Pierres Gesicht. Er sah böse aus. „So du liebst mich also?“, hörte ich ihn wütend sagen und dann griff er mich an. Wieder versuchte ich wegzurennen, aber er war immer schneller als ich. Irgendwann ergab ich mich. Ich konnte nicht mehr. Meine Beine waren mittlerweile zu schwach. Gerade als „Pierre“ mich wieder attackieren wollte, zog es mich wieder in einen tiefen Abgrund. Ich fiel immer tiefer und tiefer und es war kein Ende in Aussicht. Ich war verloren. Dann wachte ich schweißgebadet in meinem Bett auf und atmete schwer. Was für ein verdammt mieser Traum. Zum Glück war es nur ein Traum, aber trotzdem liefen mir die Tränen über die Wangen, weil Pierre mich hasste. Er wollte mich umbringen, nur weil ich ihn liebte. Ich wollte das nicht. Er sollte mich nicht hassen. Kapitel 11: Kapitel 11 [Please, come back to me…] ------------------------------------------------- *Pierre’s POV* Zwei Wochen waren vergangen und ich hatte noch immer nichts von David gehört. Langsam machte ich mir wirklich Sorgen um ihn. Die ersten paar Tage ging er nicht an sein Handy, dann war er irgendwann gar nicht mehr erreichbar. Sprich, sein Handy war wohl aus. Ich hielt das nicht mehr aus. Ich wollte wissen wie es ihm ging. Wo er war. Warum er einfach weggerannt war. Ich wollte überhaupt nur ein kleines Lebenszeichen von ihm, aber ich bekam keins und das war es, was mich zum Durchdrehen brachte. Nicht einmal meine Freunde konnten mich aufmuntern oder ablenken. Niemand konnte dafür sorgen, dass es mir besser ging. Einfach keine Menschenseele. Nur Dave konnte das, aber das schien wohl so schnell nicht zu passieren. Ob es überhaupt jemals geschehen würde? Ich wusste es nicht. „Pierre, du musst auch essen und nicht nur darin rumstochern.“ Zoe riss mich sofort aus meinen Gedanken. Ich hatte erst gar nichts mitbekommen, aber sie sah auf meinen Teller. Ich folgte ihrem Blick und sah das Schlachtfeld, dass ich hinterlassen hatte. Ich dachte kurz darüber nach, was ich sagen könnte. Aber mir fiel nichts ein. Sie hatte doch auch gar keine Ahnung. Ich hätte sie gerne mal gesehen, wenn die Person, die sie liebte, einfach wegrennen würde. „Ich hab keinen Hunger…“ „Das sagst du seit über einer Woche jeden Tag. Du musst doch langsam auch mal was essen.“, kam es von Pat, der sich an mich gewandt hatte. Wieso versuchten eigentlich alle mich zum Essen zu zwingen? Meine Eltern taten es und meine Freunde auch. Wenn ich nichts wollte, dann wollte ich halt nichts. Ich schob den Teller weit von mir weg und starrte die Tischplatte an. „Wenn ich nichts will, dann zwingt mich nicht…“ „Er hat Liebeskummer.“ Ich hob sofort den Kopf und sah verwirrt zu Seb rüber. „Hab ich gar nicht!“ „Klar. Leugne doch nicht, dass du dich verliebt hast. Ich seh’ dir das doch an. Das sieht ein Blinder. Es macht dich fertig, dass David nicht hier ist. Seit er weg ist, benimmst du dich wie ein kleines Mädchen, das ihren Schwarm nicht kriegen kann.“ „Ach halt die Klappe, Seb! Du hast doch keine Ahnung.“ Ich sprang von der Bank auf und ging weg. Mir wurde total schwindlig. Alles verschwamm vor meinen Augen. Ich konnte einen Schwächeanfall aber noch lang genug unterdrücken, bis ich um die Ecke verschwunden war. Dort lehnte ich mich an eine Wand und ließ mich an ihr hinunter gleiten. Ich konnte einfach nicht mehr. Ja, ich hatte seit über einer Woche so gut wie nichts gegessen. Ich hatte bestimmt gefühlte zehn Kilo abgenommen. Auf jeden Fall war ich dünner geworden. Schwächer. Aber das war doch auch egal. Ja, Seb hatte recht. Ich hatte Liebeskummer. Ich wollte einfach bei Dave sein. Ich hatte mir die ganze Zeit nichts sehnlicher gewünscht, als ihm endlich die Wahrheit über meine Gefühle zu sagen. Ich wollte ihn einfach nur in meinen Armen halten, aber das konnte ich nicht, so sehr ich das auch wollte. „Tut mir leid…“, hörte ich dann Seb sagen, der sich scheinbar neben mir niedergelassen hatte. Wann wusste nicht, da ich die Stirn auf den Knien hatte und die Augen geschlossen. Ich hatte nichts mitbekommen. Aber ihm musste auch nichts Leid tun. Er hatte nichts verbrochen. Ich war einfach nur zu dickköpfig. Zu verliebt. „Mhm…ist schon okay…“ „Du vermisst ihn wirklich, oder? Du hast Angst, dass ihm etwas passiert ist. Aber ihm wird’s schon gut gehen. Er wird sich schon noch bei dir melden.“ Ich konnte nur nicken. Seb war immer so einfühlsam und er wusste genau was in mir vorging. Deswegen wollte ich ihn nie als besten Freund verlieren. Ich konnte mit ihm einfach über alles reden. Aber was meine Gefühle für Dave anging, da hatte ich bisher nur geschwiegen. Ich hatte einfach irgendwie zu viel Angst, auch wenn ich nicht genau wusste wieso. Sanft liefen mir die Tränen über die Wangen. Leise tanzten sie sich ihren Weg nach unten. Kurz darauf zog mich Seb in seine Arme und ließ mich nicht mehr los. Er wog mich einfach sanft hin und her und versuchte mich zu beruhigen. Er strich durch mein Haar, über meinen Rücken. Er wusste ganz genau was ich brauchte. Er wusste wie es mir ging. Was ich durchmachen musste. Er behielt es alles für sich. Er wusste, dass ich ihm vertraute. Mehr als man jemandem eigentlich vertrauen konnte. „Er taucht wieder auf. Versprochen.“ Wieso war er sich dabei eigentlich so sicher? Wieso verdammt?! Dann hätte Dave sich doch längst gemeldet. Aber das hatte er noch nicht getan und langsam schwand meine Hoffnung dahin. *David’s POV* Zwei Wochen. Zwei verdammt lange Wochen war ich nun schon hier. Ich vermisste Piere wirklich. Ich hatte oft daran gedacht zurückzufahren, hatte aber nie den Mut gehabt um es zu schaffen. Deswegen saß ich nun wieder auf dem bett, einen Block an die Beine gelehnt, den Stift in der Hand und dachte darüber nach, was ich schreiben könnte. „Lieber Pierre…“ Kaum waren die beiden Worte geschrieben, riss ich das Blatt aus dem Block, knüllte es zusammen und warf es auf den großen Haufen neben meinem Bett. Das war bereits mein zweiter Block und der war auch schon fast leer. Ich kam nie weiter als „Lieber Pierre“. Es fiel mir einfach so schwer. Aber irgendwann musste ich es doch schaffen. Also startete ich noch einen Versuch und nahm mir dabei fest vor, es dieses Mal zu schaffen. Ich wollte endlich einen Brief schreiben können. „Lieber Pierre… Ich hoffe dir geht es gut. Mir schon…so mehr oder weniger. Immer noch besser als zu Hause. Es tut mir wirklich leid, dass ich weggelaufen bin. Ich habe es nur nicht mehr ausgehalten. Da gibt es einfach zu viel das ich dir sagen möchte. Da wäre zum Beispiel der Grund, warum ich dich nie mit zu mir genommen habe. Ich wollte nicht, dass du ‚meine Familie’ kennen lernst. Jetzt fragst du dich sicherlich, warum ich das in Anführungszeichen geschrieben habe. Einfach deswegen, weil es nicht meine wahre Familie ist. Sie haben mich nur adoptiert. Ich habe meine Mutter nie kennen gelernt, da sie kurz nach meiner Geburt verstarb. Mein Vater hatte mich elf lange Jahre lang aufgezogen. Er war die einzige Person in meinem Leben, der ich vertraute. Aber er kam bei einem Unfall ums Leben, während ich im Koma lag. Ich vermisse ihn so sehr. Ich konnte ihm alles sagen…einfach alles…“ Ich setzte kurz ab. Ich las noch einmal was ich geschrieben hatte und musste zugeben, dass der Brief mir bisher ganz gut gefiel. Doch selbst wenn er mir nicht gefallen hätte, ich hätte ihn weiter geschrieben. Aber wahrscheinlich auch nur, weil ich es mir fest vorgenommen hatte. „Zum Beispiel konnte ich ohne Probleme mit ihm darüber reden, dass ich Jungs mehr mochte als Mädchen. Mal abgesehen davon, dass ich eh noch sehr jung war, wusste ich schon genau was Sache war. Ja, ich bin schwul. Ich hatte Angst dir das zu sagen. Ich dachte du würdest mich dann vielleicht hassen, so wie es alle anderen tun. Obwohl das ja eigentlich ein dummer Gedanke ist. Immerhin stehst du auch nicht nur auf Mädchen. Das sehe ich dir an. Trotzdem wollte ich es dir nicht sagen. Dann wäre da noch meine Adoptivfamilie. Ich hasse sie wirklich. Mal abgesehen von ‚meiner Mutter’, die ist echt nett. Sie ist nur nie da. Sie ist ständig unterwegs. Wochenlang. Mein Adoptivvater schlägt mich und verbietet mir alles. Er ist der wahre Grund für meinen gebrochenen Arm. Er hatte gesehen, wie du weggefahren bist und das mochte er gar nicht. Da ist er wieder ausgerastet. Meine ‚Brüder’ haben viel Spaß daran mich herumzuschubsen, mich zu schlagen und was weiß ich alles. Obwohl Jimmy der schlimmste ist. Ich hasse ihn wirklich. Ich habe Angst vor ihm, dabei ist er nur zwei Jahre älter als ich. Er tut mir so sehr weh. Er…er…verdammt. Er vergewaltigt mich. Das tut er eigentlich jeden Tag. Ich ertrag das nicht mehr. Das soll endlich alles aufhören. Ich hatte schon oft daran gedacht mich umzubringen. Aber dann habe ich dich kennen gelernt. Aber da ist dann das nächste Problem – meine Gefühle für dich. Ich traue mich einfach nicht darüber zu reden. Manchmal will ich nicht mal daran denken. Es ist so schwer. Ich will dich einfach nicht verlieren, aber es ist so schwer neben einer Person zu sein, die man liebt, aber nicht haben kann. Ich liebe dich Pierre. Du hast mir einfach so sehr den Kopf verdreht. Du bist so perfekt. Du hast mich zurück ins Leben geholt und dafür bin ich dir so dankbar. Aber ich möchte mehr als nur dein Kumpel sein. Ich möchte dich so lieben können, wie ich das will, aber das kann ich nicht. Deswegen bin ich weg. Weil ich es einfach nicht geschafft habe dir zu sagen, dass ich dich liebe. Dabei würde ich das wirklich so gerne. Vielleicht ist es besser, wenn ich hier bleibe, wo ich bin. Das ist besser für uns beide, wenn wir uns nicht mehr sehen. Ich würde nur alles zerstören. Es tut mir so furchtbar leid. Bitte vergiss mich nicht. Dein Dave! “ Mir liefen die ganze Zeit Tränen wie wild über die Wangen und tropften einfach auf das Papier. Wenn Pierre das später noch lesen konnte, dann war er wirklich gut. Ich las mir den Brief nicht noch mal durch. Dann hätte ich ihn sicherlich nur zerrissen. Also steckte ich ihn schnell in einen Umschlag, schrieb auf diesen Pierres Adresse und auf die Rückseite „Von Dave…“. Ich stand schnell auf und rannte zu Jane. „Jane?! Kannst du den bitte so schnell wie möglich wegbringen? Das ist echt wichtig!“, überfiel ich sie sofort, als ich sie auf dem Gang antraf. Sie sah mich zuerst verwirrt an und blickte dann auf den Brief den ich ihr vor die Nase hielt. Sie nahm in aus meiner Hand, sah kurz auf den Empfänger und dann wieder zu mir. „Natürlich kann ich das tun.“, nickte sie und lächelte dabei. „Dankeschön. Du bist echt ein Engel.“ „Ach was, bin ich gar nicht. Aber hast du dich denn vorher schon mal bei Pierre gemeldet?“ Nun sah ich sie starr an. Langsam schüttelte ich den Kopf und senkte meinen Kopf gen Boden. Ich weiß, dass ich mich bei ihm hätte melden sollen, aber ich schaffte es halt einfach nicht. Er hätte mir Löcher in den Bauch gefragt. Hätte mich wohl gezwungen ihm zu sagen wo ich war. Das wollte ich aber nicht. Ich wollte nicht, dass er nach mir suchte. „Nein…“, ließ ich es leise von mir hören, dreht mich dann schnell um und rannte nach draußen. Ich rannte den Weg entlang hinter das Gebäude und ließ mich an dem kleinen See nieder. Ich starrte eine Weile lang das Wasser an. Dachte einfach nur nach. Versuchte meinen Herzschlag zu beruhigen. Meinen Atem zu verlangsamen. Dann zog ich ein etwas mitgenommenes Stück Papier aus meiner hinteren Hosentasche, entfaltete es und sah mir das Bild von Pierre und mir an. Das Bild, das er in seinem Zimmer stehen hatte. Ich trug es immer bei mir. Einfach nur, weil wir beide darauf so glücklich aussahen, obwohl man uns kaum einen Grund dafür gab. Niemand wollte uns glücklich sehen. Also blieb mir nur dieses Bild, das mich immer beruhigte, wenn es mir schlecht ging. Wenn mir einfach mal wieder alles zu viel wurde. Wenn ich Pierre zu sehr vermisste. Kapitel 12: Kapitel 12 [You’re all I want, you’re all I need, you’re EVERYTHING] -------------------------------------------------------------------------------- *Pierre’s POV* Schwere schwarze Wolken zogen über den Himmel, als ich im Gras lag, die Arme hinter meinem Kopf verschränkt und mit halb geöffneten Augen in die düstere Endlosigkeit starrte. Es sah nach Regen aus und es roch auch so. Ich mochte dieses Wetter, da sich meine ganze Stimmung darin widerspiegelte. Es waren weitere zwei Tage vergangen. Gerade mal zwei Tage, aber mir kam es vor wie zwei Wochen. Zwei Jahre. Die Ewigkeit. Eigentlich müsste ich gerade in der Schule sein, aber ich war krank geworden. Krank durch die Sehnsucht. Krank durch den Liebeskummer. Ich hielt das einfach nicht mehr aus. Wegrennen war alles was ich wollte. Einfach weg von allem. Weg zu Dave. Noch nie hatte ich mich so gefühlt. So leer. Zerstört und verlassen. Beraubt von allem was mir etwas bedeutet hatte. Ich hatte vor nichts mehr Angst. Hatte keinen Mut mehr in mir. Eigentlich war ich ein Frack. Ein kleines, verkümmertes, emotionales Frack. Mittlerweile war mir alles egal. Mich interessierte nichts mehr. Ich konnte mich für nichts mehr begeistern. Konnte nichts mehr essen. Nicht mehr schlafen. Alles was mir noch helfen konnte war Dave, aber ob er jemals wiederkommen würde wusste ich nicht. Ich hoffte es natürlich, aber der Glaube daran schwand langsam dahin. Ohne ihn war mir irgendwie nichts mehr geblieben. „Pierre, Schatz?!“, hörte ich meine Mum rufen. „Hier ist ein Brief für dich, der dich bestimmt aufmuntern wird…“ Ich drehte mich sofort um und sah meine Mum an, die gerade den Garten betreten hatte und mir einen Brief entgegenhielt. Meine Augen waren groß, aber leer. Nachdem ich den Brief zögernd und ängstlich aus ihrer Hand genommen hatte, strich sie mir kurz über den Kopf und verschwand dann wieder ins Haus. Ich sah noch ein paar Momente zur Tür und dann auf den Umschlag. Mein Name war sauber auf die Vorderseite geschrieben und darunter meine Adresse. Ich starrte eine Weile auf das weiße Stück Papier vor mir und dachte nach. Irgendwann realisierte ich dann wessen Schrift das auf dem Umschlag war. Sofort drehte ich den Brief um und riss ihn auf. Ich zog das karierte Papier heraus und legte den Umschlag etwas unsanft auf den Boden. Ich entfaltete das Schreibblatt und fing an zu lesen. Was dort, in einer zittrigen Schrift und stellenweise verschwommen, stand zerriss mir das Herz. Ich wollte das gar nicht glauben. Die Sache mit seiner Mum. Mit seinem Dad. Oder seine Adoptivfamilie. Diese ganze Tatsache, was sie ihm antaten, das trieb so viel Wut und Hass in mir hoch. Ich verstand nicht wie man einem Kind so etwas antun konnte. Oder…wie man David so etwas antun konnte. Er war so ein liebevoller Mensch. Lieb, süß, nett, hilfsbereit. Er war witzig, gut aussehend und einfach nur…Dave! Das alles brachte mich zum Rasen. Keiner durfte ihm wehtun. Das hatte er keineswegs verdient. Niemand verdiente so etwas und trotzdem passierte es tag täglich. Tränen liefen mir über die Wangen und ich musste aufpassen, dass sie nicht auf den Brief tropften – so wie Davids es anscheinend taten – und die Schrift noch mehr verschwimmen ließen. Dann ein Lächeln. Nur ein kleines, aber immerhin ein Lächeln. Das erste seit über zwei Wochen. Ein schnellerer Herzschlag. Schmetterlinge im Bauch. Und das alles unter Tränen und wegen nur einem einzigen Satz. Ich war nun glücklich und traurig zur gleichen Zeit. So ging es mir lange nicht mehr. Wenn es mir denn überhaupt schon einmal so ging. Aber…er liebte mich. Verdammt, er liebte mich und ich hatte es die ganze Zeit nicht gewusst. Nicht gemerkt. Er fühlte genauso wie ich, dachte das gleiche darüber wie ich. Eigentlich war alles perfekt. Aber noch perfekter wäre es gewesen, wenn wir davon gewusst hätten. Wenn wir einfach nur gewusst hätten, dass der andere genauso fühlte. Ich legte den Brief zur Seite und nahm mir den Umschlag wieder „zur Brust“. Vielleicht hatte er ja eine Adresse darauf geschrieben, auch wenn das, dem Inhalt des Briefes zufolge, eher unwahrscheinlich war. Trotzdem schaute ich nach, denn die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Zu meinem Erstaunen stand tatsächlich eine Adresse da. Es war aber nicht Daves Handschrift. Er hatte nur „Von Dave…“ geschrieben, aber die Adresse kam von wem anders. Darunter war eine Notiz. „Bitte, mach ihn glücklich…ich ertrage es nicht ihn so zu sehen…“ Ich wusste nicht wer das geschrieben hatte, aber ich war dieser Person mehr als dankbar. Sofort sprang ich auf, steckte den Brief in meine Hosentasche und rannte nach drinnen. „Mum! Du musst mich sofort zu Dave fahren!!!“, schrie ich förmlich durchs Haus - und war erstaunt so viel Kraft dafür zu haben – während ich meine Mum suchte, die bereits an der Haustür stand - angezogen und mir meine Jacke hinhaltend. „Ich hab schon auf dich gewartet.“ Ich nahm ihr hastig die Jacke ab, lächelte sie an und rannte dann auch schon nach draußen. Meine Mum kam mir nur langsam nach, während sie ihren Schlüssel aus der Jacke kramte. Sie sollte sich beeilen. Ich wollte so schnell es ging zu Dave. Wollte ihn endlich wieder festhalten können und ihn glücklich sehen. Ich wollte ihn glücklich machen. Also stieg ich hektisch ins Auto nachdem meine Mum es endlich aufgeschlossen hatte und wartete bis sie endlich los fuhr. „Jetzt mach schon hiiiiiiin.“, drängelte ich und starrte sie schmollend an. „Ist ja gut, ich bin ja schon so schnell wie ich kann“ Dann fuhr sie los. Ich nervte sie die ganze Autofahrt über, sie solle doch schneller fahren oder irgendwelche Wege, die vielleicht kürzer sein könnten, aber sie ließ sich einfach nicht aus der Ruhe bringen. Ich war am Durchdrehen. Ich wusste endlich wo Dave sich aufhielt und wollte so schnell wie möglich dorthin, aber der Weg war zu weit und meine Mum einfach zu langsam. Wenn ich die Kraft und Konzentration gehabt hätte, dann wäre ich gefahren, aber das überließ ich dann doch lieber meiner Mum. Nach etwa eineinhalb Stunden kamen wir dann endlich an. Meine Mum hatte kaum vor dem Heim geparkt, da sprang ich schon heraus und rannte zum Eingang. Ich ignorierte alles und jeden. Wollte einfach nur Dave finden. Ich stürzte wie ein Geistesgestörter in das Gebäude und knallte voll gegen eine junge Frau, die anscheinend gerade nach draußen wollte. Ich fiel rücklings auf den Boden und stöhnte leicht auf. Das war fast wie Mord für meinen verkümmerten Körper. „Oh tut mir Leid…“ Die Frau beugte sich zu mir herunter und strich sich kurz ihr langes braunes Haar aus dem Gesicht, bevor sie mich besorgt ansah. „Hast du dir wehgetan?“ Ich sah sie an und schüttelte den Kopf. Ich setzte mich auf und rieb mir kurz den Rücken. „Geht schon…“ Sie lächelte mich erleichtert an, stand auf und hielt mir ihre Hand hin. Ich sah sie erst an, nahm sie dann aber dankend an und ließ mich nach oben ziehen. „Du scheinst es ja eilig zu haben. Kann ich dir irgendwie helfen?“ Ihre Stimme klang sanft und liebevoll. Sie sprach die ganze Zeit ruhig. Sie brachte mit ihrer Stimme eine richtige Wärme in den Raum, was mich leicht erschaudern ließ. „Ähm ja…vielleicht…ich suche…David Desrosiers…“, stotterte ich leicht vor mir hin und spielte mit dem Bund meiner Jacke. Ihr Blick verwandelte sich von fröhlich in erstaunt. Ich wusste nicht wie ich das deuten sollte. Ich hoffte aber eigentlich auch nur, dass sie mir sagen könnte, wo ich ihn fand. „Ah. Du bist bestimmt Pierre, oder?“ Woher kannte sie denn meinen Namen? Hatte sie was mit Dave zutun? Hatte Dave ihr von mir erzählt? Tausend Fragen schossen nun durch meinen Kopf. Ich machte den Mund auf um etwas zu sagen, aber es kam nichts heraus, deswegen nickte ich einfach nur. „Freut mich dich kennen zu lernen. Ich bin Jane. Eine der Pflegerinnen hier und quasi Davids beste Freundin. Er hat mir viel von dir erzählt. Geschwärmt eher gesagt. Ich hab schon die ganze Zeit auf dich gewartet, in der Hoffnung, dass du ihm helfen kannst. Ich hab die Adresse auf den Brief geschrieben, weil ich Dave helfen wollte und…“ „Moment, Moment. Langsam. Als erstes: Danke, dass sie die Adresse auf den Umschlag geschrieben haben, aber…können sie mir jetzt bitte schnell sagen wo Dave ist? Ich muss ihn ganz dringend sehen…“ Ich sah sie wirklich flehend an und ich sah selten Leute mit solch einem Blick an. Sie lächelte mich wieder an, aber diesmal verständnisvoll. „Natürlich. Komm mit, ich bring dich zu ihm…“ Sie nahm mich an die Hand und ging mit mir wieder aus dem Gebäude. Wir liefen einen kleinen Seitenweg entlang hinter das Gebäude. Dort war ein schöner Garten. Es waren viele Beete da und große Bäume, ein kleiner Spielplatz und weiter hinten an kleiner See. Am Rand dieses Sees saß eine kleine Person mit schwarzen Haaren. „Aber erschreck ihn nicht, ihm geht’s echt nicht so gut. Und falls du dich wunderst wegen den Haaren. Die hat er sich vor knapp einer Woche wieder schwarz gefärbt. Aber ich geh dann mal wieder rein und lass euch beide alleine…“ Ich sah sie an und nickte um ihr zu zeigen, dass ich verstanden hatte. Dann drehte sie sich auf ihrem Absatz um und lief wieder nach vorne. Ich sah ihr kurz nach und drehte mich dann wieder in Daves Richtung. Er hatte sich die Haare wieder gefärbt. Er sah schon von weitem sehr viel besser aus mit dem Schwarz. Das Blond sah an ihm auch süß aus, aber das schwarze Haar gefiel mir einfach besser. Ich blieb noch eine Weile wie angewurzelt stehen und gerade als ich genug Mut und Kraft gesammelt hatte um zu ihm zu gehen, kam ein leichter Windstoß und vor Dave flog ein Stück Papier in die Luft. Er sprang sofort auf und versuchte es zu fangen bevor es im Wasser landete, aber es sah mehr so aus, als würde er bald drin liegen. Also ging ich eiligen Schrittes auf ihn zu, während er das Blatt schnappte und dann ins Wanken geriet. Ich konnte ihn gerade noch festhalten und vom Wasser wegziehen. „Woah, das war knapp….danke…“, sagte er schwach und drehte sich dabei zu mir um. Ich hatte ihn von hinten festgehalten, deswegen hatte er nicht gemerkt, wer ihn da „gerettet“ hatte. Als er dann plötzlich in mein Gesicht sah, erstarrte er, wie auf Befehl. Als wenn er eine Maschine wäre und jemand den Ausschalter betätigt hatte. „Kein Problem…“, entwich es einfach nur leise meinen Lippen und ohne zu zögern zog ich ihn in meine Arme. Endlich konnte ich ihn wieder festhalten. Endlich konnte ich ihn wieder ganz nah bei mir haben. „Bitte renn nie wieder weg, du kleiner Idiot“ Nun musste ich wieder weinen. Ich konnte die Tränen einfach nicht zurückhalten. Ich war einfach nur so glücklich. Glücklich und erleichtert. Doch David erwiderte die Umarmung nicht. Ganz im Gegenteil – er stieß mich von sich weg. „Wie hast du mich gefunden?“, fragte er mich verängstigt und fing an zu zittern. Erst war es nur leicht, aber es wurde immer heftiger. „Durch deinen Brief…Jane…sie hatte die Adresse drauf geschrieben…“ „Aber…du…du solltest mich doch nicht finden. Ich wollte dich doch nicht wieder sehen. Wieso bist du gekommen? Bitte geh wieder. Bitte…“ Heftig rannten ihm die Tränen in Sturzbächen die Wangen hinunter und er wäre zusammengebrochen, wenn ich nicht schnell genug reagiert und ihn festgehalten hätte. „Nein, ich geh nicht wieder. Nicht bevor du weißt, was ich dir sagen will. Also hör bitte auf zu weinen. Oder…hör mir wenigstens zu, okay?“ Er sah mich nur unter Tränen an und schluchzte. Er war viel zu aufgebracht um etwas zu sagen. Deswegen strich ich ihm kurz durchs Haar und holte tief Luft. „Bitte, hör mir einfach nur zu...“, begann ich und machte eine kurze Pause. „Ich weiß wirklich nicht wo ich anfangen soll, aber ich habe dir so viel zu sagen. Als erstes…warum hast du mir das mit deiner Adoptivfamilie nicht gesagt? Ich hätte die vielleicht helfen können. Ich hätte es sogar mehr als gewollt. Denn du bist mir wichtig. Du bist das wichtigste in meinem Leben. Die einzige Person die mich noch am Leben hält. Du weißt gar nicht wie sehr ich in den letzten zwei Wochen gelitten habe. Bitte, tu mir das nie wieder an, denn ohne dich bin ich verloren…“ Ich redete schnell und verhaspelte mich manchmal fast. Aber ich wollte einfach alles, was mir auf dem Herzen lag, loswerden und das ging nun mal nur so. Also nahm ich noch einmal allen Mut zusammen den ich hatte und küsste Dave. Ich legte einfach meine Lippen auf seine und wartete darauf wie er reagieren würde. Meine Augen hatte ich geschlossen, deswegen sah ich Davids Gesichtsausdruck nicht. Ich konnte nicht an seinen Augen sehen was er fühlte oder dachte. Ich konnte einfach nur abwarten. Nach einer geschätzten Ewigkeit erwiderte er den Kuss dann. Ich wusste nicht wie lange es gedauert hatte, bis er sich überwinden konnte, aber ich war froh, dass es endlich geschehen war. Sanft schloss ich ihn fester in meine schwachen Arme und drückte ihn etwas an mich. Eine Hand legte ich auf seinen Hinterkopf und die andere blieb auf seinem Rücken, um ihn einfach nur festzuhalten. Etwas zögernd schlang er seine Arme um meinen Hals und fing an den Kuss etwas zu vertiefen. Ich fand den Kuss wirklich schön. Unser erster richtiger Kuss und er war besser als ich ihn mir immer vorgestellt hatte. Die Realität war manchmal halt doch schöner als die Traumwelt der Menschen. Irgendwann löste ich mich langsam wieder von Dave und ließ den Moment richtig in mir setzen. Wir sagten beide ein paar Minuten lang nichts, öffneten nicht unsere Augen und nichts. Wir schwiegen uns einfach nur an. Waren beide dabei den Augenblick zu genießen. Zumindest war ich das. Ob Dave genauso dachte und fühlte wusste ich nicht, aber ich hoffte es so sehr. „Ich liebe dich einfach so sehr…“, flüsterte ich dann leise in sein gut duftendes schwarzes Haar. „Bitte, lass mich nie wieder alleine. Ich möchte nichts mehr als dich. Niemanden. Du bist alles was ich möchte. Alles was ich brauche. Du bist einfach alles für mich und ich möchte nicht mehr ohne dich sein. Ich kann mir ein Leben ohne dich einfach nicht mehr vorstellen. Ich möchte mein Leben nur mit dir verbringen…“ Ich hörte Dave leicht schluchzen. Er krallte sich in mein Shirt und vergrub das Gesicht tief in meiner Brust bevor er seinen Kopf leicht schüttelte. „Ich geh nicht mehr weg. Versprochen. Aber bitte…bitte lass mich nie alleine…“ Seine Stimme klang so zerbrechlich und eingeschüchtert. Er sprach genau so wie er aussah. Er hatte abgenommen – okay, das hatte ich ja auch. Er war blasser geworden – und es wunderte mich, dass das überhaupt noch ging – und er sah krank aus. Eigentlich war er wie mein Spiegelbild. Zumindest was den körperlichen Zustand anging. Mir ging es nicht anders. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben erfahren, was Liebe mit einem Menschen anstellen konnte und das wollte ich nicht noch einmal durchleben. Ich wollte einfach nur für immer bei Dave bleiben – koste es was es wolle. Nichts und niemand könnte ihn mir jemals wieder wegnehmen. Wer es versuchen würde, müsste damit rechnen, dass ich ihn schlimm zurichten würde. Ich würde nicht mehr zulassen, dass jemand ihn verletzte. Dass jemand ihm etwas Böses wollte. Ich würde ihn beschützen und wenn ich dafür mit meinem Leben bezahlen musste. David war mir das wert. Ich würde für niemanden lieber sterben als für ihn. Ich würde einfach alles für mein Leben tun. David war mein Leben geworden. Ich brauchte ihn einfach wie die Luft zum Atmen. „Nein, ich lass dich nie alleine…“ Kapitel 13: Kapitel 13 [Meet You There] --------------------------------------- *David’s POV* Nach fast einem Monat voller Formalitäten, Diskussionen und einer Gerichtsverhandlung war ich frei. Frei von meiner Adoptivfamilie. Pierres Mum hatte zwar überlegt mich zu adoptieren, aber das wollte ich nicht. Es wäre schon ein komisches Gefühl gewesen, wenn ich mit meinem „Bruder“ zusammen wäre. Deswegen nahmen sie mich einfach so bei sich auf. Ich mochte Pierres Mum. Seinen Vater eher weniger, er war ganz schön streng und alles. Aber im Grunde war die Familie ganz okay. Besser als meine letzte und außerdem konnte ich so jeden Tag bei Pierre sein. Mehr wollte ich ja gar nicht. Ich wohnte nun schon etwa zwei Wochen bei Pierre und es war der Traum. Mein Leben hatte sich echt um 180° gewendet. Ich fühlte mich wohl und geborgen, aber vor allem fühlte ich mich endlich verstanden. In den letzten Jahren hatte ich nicht wirklich jemanden – abgesehen von Jane – der wirklich verstand was in mir vorging. Aber Pierre tat das. Wir hatten vielleicht zwei Mal über die Vergangenheit geredet. Es hatte schon geholfen, aber ich brach jedes Mal in Tränen aus und konnte nicht mehr. Dann hatten wir es einfach sein lassen. Pierre meinte, dass er das verstehen würde und dass ich mich nicht dazu zwingen müsste über all diese Dinge zu reden. Dafür war ich ihm dankbar. Vielleicht brauchte ich einfach noch etwas Zeit. Ich musste alles erst einmal verarbeiten und über alles gründlich nachdenken. Das würde sicher einen großen Zeitraum beanspruchen, aber das war ja egal. Pierre würde immer ein Ohr offen haben, wenn ich bereit war über alles zu reden. Da war ich mir ziemlich sicher. Er tat sowieso alles für mich. Manchmal wollte ich das zwar nicht, aber ich genoss es doch endlich mal in einem positiven Sinne im Vordergrund zu stehen. Es war etwa 19.30 Uhr, als ich total erschöpft im Bett lag. Dabei hatte ich nicht mal irgendwas getan. Ich lag nur im Bett. Den ganzen langen Tag. Dann ging man einmal auf Toilette und hat gleich all sein Pulver verschossen. Wie ich Erkältungen hasste. Dieses Mal war sie noch schlimmer als sonst immer. Mein Abwehrsystem hatte echt gelitten. Ende Oktober und ich fühlte mich so krank, dass ich dachte, ich müsste sterben. Mir war so heiß, aber mein Körper zitterte wie verrückt. Mir war schwindlig und schlecht und dazu war ich auch noch alleine. Pierres Dad war seit einer Woche nicht mehr nach Hause gekommen und Pierre war mit seiner Mum und seinen Brüdern einkaufen gefahren. Tee kaufen und den ganzen Kram für mich. Und noch mal in die Apotheke fahren um mal wieder Medikamente zu besorgen, die mir der Arzt verschrieben hatte. Ich hasste es alleine zu sein. Das Haus war so leer. Die Einsamkeit drückte richtig auf mich ein und drohte mich zu zerquetschen. Und im Bett liegen wollte ich auch nicht mehr. Ich musste sofort irgendwas tun um mich abzulenken. Ich sah mich in Pierres Zimmer vom Bett aus um und überlegte. Dann entdeckte ich unter dem Schreibtisch eine kleine Kiste. Zwei Tage zuvor stand diese da definitiv noch nicht. Sie sah irgendwie geheimnisvoll aus. Mich packte plötzlich die Neugier. Ich wollte wissen was in der Kiste war. Also stand ich auf und ich brauchte geschlagene drei Minuten um am Schreibtisch anzukommen. Unter Keuchen und Schnaufen ließ ich mich dann auf dem Boden vor dem Schreibtisch nieder und rang erstmal hustend nach Luft. Nach einer knappen Minute hatte ich mich dann einigermaßen beruhigt und nahm mir die Kiste. Ich legte sie mir auf den Schoss und starrte sie noch eine Weile lang an. Ich sollte das eigentlich nicht tun. Das ging mich ja nichts an, immerhin war das Pierres Kiste. Aber wenn er Geheimnisse dort drin hätte, dann hätte er sie sicher nicht unter dem Schreibtisch stehen lassen. Vielleicht dachte er aber auch, dass ich eh viel zu schwach war um es mir anzutun mich bis hier her zu schleppen. Aber ich hatte es getan und da ich nun einmal hier war, konnte ich doch auch hineinsehen. Pierre würde es mir sicherlich nicht übel nehmen. Zögernd öffnete ich die kleine Kiste und legte den Deckel neben mir auf den Boden. Der Inhalt bestand lediglich auf vielen Zetteln. Sauber gefaltete und schon einige zerknitterte. Ich nahm mir einen der Zettel und klappte ihn auf. Dort erschien mir ein Songtext. Er war mit „You Don’t Mean Anything“ betitelt. Ich überflog den Text kurz. Er war echt gut. In der unteren Ecke stand „Lyrics by Pierre Bouvier“. Ich schloss daraus, dass Pierre ihn geschrieben hatte. Ich legte den Zettel zur Seite und nahm mir einen, der leicht zerknittert war. „I’m just A Kid“ stand dort in dicker schwarzer Schrift. Wieder von Pierre geschrieben. Er war ebenfalls gut. Ich nahm mir einen Zettel nach dem anderen. „Crazy“, „Addicted“, „God Must Hate Me“, „One Day“. Sie waren alle perfekt. Dann kam ich zu einem Song mit der Überschrift “Meet You There”. Die Worte waren in babyblau geschrieben. Pierres Lieblingsfarbe. Der Titel klang irgendwie viel versprechend. „Now you're gone, I wonder why You left me here, I think about it on, and on, and on, and on, and on, again. I know you're never coming back, I hope that you can hear me, I'm waiting to hear from you.. Until i do, You're gone away, I'm left alone, A part of me is gone, And I'm not moving on, So wait for me, I know the day will come.. I'll meet you there, No matter where life takes me to, I'll meet you there, And even if I need you here, I'll meet you there.” Ich las den Text langsam und er ließ mein Herz erstarren. Es schmerzte so sehr diese Zeilen zu lesen. Jedes einzelne Wort war wie ein Messerstich direkt in mein Herz. Mir schossen so viele Gedanken durch den Kopf. Der Tag als ich sechs Jahre alt war und meinen Dad das erste Mal fragte wo meine Mutter sei. Wie er dabei in Tränen ausbrach und mich fest an sich schloss. Er meinte sie sei an einem wunderbaren Ort, wo es ihr sicher sehr gut ginge. Dann dieser Tag, an dem meine Großmutter verstarb. Sie hatte mir so viel bedeutet und ich war gerade mal acht. Ich konnte das alles gar nicht verstehen. Ein Jahr später fragte ich meinen Dad erneut was mit meiner Mum sei. Ich war mir sicher zu verstehen, was er mir sagen würde. Er war es sich auch. Er hatte mir alles erzählt. Wie sie oft krank wurde, während sie mit mir schwanger war und wie ich zwei Monate zu früh auf die Welt kam. Wie meine Mum kurz nach der Geburt verstorben war. Ich gab mir ewig die Schuld daran, dass sie weg war. Mein Vater versuchte immer und immer wieder mich vom Gegenteil zu überzeugen, doch ich war zu stur in dieser Hinsicht. Dann war da noch mein Unfall. Der Tag, ein Jahr später, an dem man mir gefühlskalt sagte, dass mein Vater verstorben sei. „I wish I could have told you, The things I kept inside, But now I guess its just too late. So many things remind me of you, I hope that you can hear me, I miss you, This is goodbye, One last time.. You're gone away, I'm left alone, A part of me is gone, And I'm not moving on, So wait for me, I know the day will come.. I'll meet you there, No matter where life takes me to, I'll meet you there, And even if I need you here, I'll meet you there, No matter where life takes me to, I'll meet you there, And even if I need you here, I'll meet you there. I'll meet you there.... And where I go you'll be there with me, Forever you'll be right here with me.. I'll meet you there, No matter where life takes me to, I'll meet you there, And even if I need you here, I'll meet you there, No matter where life takes me.. I'll meet you there, And even if I need you.. I'll meet you there... I'll meet you there... I'll meet you there..” Tränen flossen mir in Sturzbächen über meine Wangen und ich konnte nicht mehr. Es wurde einfach alles zu viel. Wieso hatten mich alle verlassen? Wieso musste mein Dad mich verlassen? Das war nicht fair. Ich hatte niemanden mehr in meiner Familie. Ich war so lange auf mich allein gestellt. Wurde nur herumgeschubst und geschlagen und gemobbt. Alle hassten mich. Ich war immer das schwarze Schaf gewesen, zwischen all diesen ach so tollen Menschen. War immer das kleine hässliche Entlein. Ich ließ mich auf die Seite fallen und legte die Arme um mich. Ich weinte laut. Wollte am liebsten schreien, aber dazu fehlte mir die Kraft. Mein Körper bebte und mir war so kalt. In mir stiegen so viele Gefühle auf. Wut, Hass, Trauer, Sehnsucht. Wut auf mich. Hass auf mich. Ich war so wütend auf mich selbst, dass ich geboren wurde. Ich wollte nun am liebsten sterben, denn dann wären mein Dad und meine Mum vielleicht noch zusammen. Würden ein glückliches Leben führen. Mein Dad hätte vielleicht all diese Jahre nicht Nacht für Nacht wach gelegen und geweint. Wäre vielleicht nicht immer zu mir gekommen und hätte mich in den Arm genommen, weil er sich einsam fühlte. Weil ich alles war, was ihm noch geblieben war. Ich hätte alles gegeben um ihn glücklich zu machen. Ich hätte nun alles gegeben und die beiden wieder zum Leben zu erwecken. Aber das ging nicht. Sie waren für immer gegangen und ich bekam nicht einmal die Chance „Auf Wiedersehen“ zu sagen. Konnte nicht „Good Bye“ sagen und einen der beiden in den Arm nehmen und sagen wie sehr ich ihn liebte. Ich konnte nichts. Ich hatte nie die Chance dazu bekommen meinem Dad zu sagen was ich dachte. Wie stolz ich auf ihn war, das er es all die Jahre durchgehalten hatte. Dass er nie angefangen hatte mich zu hassen, obwohl ich seine Frau umgebracht hatte. Ja, ich hatte sie umgebracht. Wäre sie nicht mit mir schwanger gewesen, würde sie noch leben. Sie hätte ein so schönes Leben führen und alt werden können, aber das habe ich ihr vermasselt. Ich wusste nicht genau wie lange ich da gelegen hatte, aber das war mir auch egal. Ich hatte die ganze Zeit nur geheult wie ein Schlosshund und mir Vorwürfe gemacht. Angefangen mich selbst zu hassen, aber Pierre beendete das alles, als er in sein Zimmer trat und mich dort am Boden liegen sah, umgeben von all seinen Songtexten und vor meiner Nase der Zettel mit „Meet You There“. *Pierre’s POV* Wir waren länger unterwegs gewesen als ich geplant hatte. Ich wollte Dave eigentlich gar nicht so lange alleine lassen. Ich wusste wie sehr er das hasste und ich hatte ihm versprochen ihn nie lange alleine zu lassen und dann waren wir drei lange Stunden unterwegs. Dave musste durchgedreht sein. Ich half meiner Mum noch schnell all die Einkäufe zu verstauen, während das Teewasser auf dem Herd stand und ich somit die Zeit überbrückte, bis es fertig ist. Nachdem der Tee fertig war und ich mit meiner Mum noch ein paar Dinge abgeklärt hatte, ging ich nach oben. Als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete kamen mir sofort diese Schluchzgeräusche entgegen. Dann sah ich Dave auch schon in diesem Papiermeer liegen. Meine schwarze Box stand neben ihm. Er hatte meine Songs gelesen. Ob er deswegen weinte? Dies bekam ich nur heraus, wenn ich ihn fragen würde. Also stellte ich schnell die Tasse auf den Schreibtisch und kniete mich dann neben Dave. Ich nahm ihn vorsichtig in die Arme und strich über seinen Kopf. „Hey. Ist gut…“, entwich es leise meinen Lippen und ich schaukelte ihn sanft hin und her wie ein kleines Kind. Ich sah all die Blätter an und dann entdeckte ich „Meet You There“. Das war wohl der Grund seiner Tränen. Seiner wunderschönen Tränen, von denen ich es hasste sie zu sehen. Sie hätten noch so schön sein können, ich wollte nicht, dass David weinte. David sollte glücklich sein. Lachen und Freude haben. Und nun hatte er meine Songs gefunden und ausgerechnet „Meet You There“ gelesen. Ich wollte ihm irgendwann die Songs zeigen, aber erst, wenn ich wusste, dass Dave stark genug dafür war. Stark genug für diesen einen Song. Dave sagte die ganze Zeit nicht ein Wort und ich hielt ihn einfach nur fest an meinen Körper und strich sanft durch sein Haar. Irgendwann hatte das Weinen aufgehört und ich nahm nur noch sein schweres Atmen wahr. Er war eingeschlafen. Sein Griff an meinem Hoodie hatte nachgelassen und sein Kopf lehnte nun sanft an meiner Brust. Ein Blick in sein Gesicht und es bestätigte sich. Vorsichtig nahm ich ihn auf meine Arme, stand auf und brachte ihn ins Bett. Er sah so friedlich aus, aber der Gedanke, dass es ihm keineswegs gut ging, machte mich so traurig. Ich zog sanft die Decke über ihn und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Stirn. Dann zog ich mir den Stuhl heran, nahm Daves Tee und beobachtete ihn, während ich den Tee trank. Er sah so niedlich aus, wenn er schlief. Wie ein kleiner Engel. Aber er war blass und er schien zu schwitzen. Ich fuhr kurz mit der Hand über seine Wange und verbrannte mich dabei fast. Er glühte richtig. Er tat mir so leid. Ich hätte ihm nun gerne alles abgenommen, aber das konnte ich nicht. Ich konnte nur zugucken wie es ihm schlecht ging und versuchen ihn zu pflegen ohne dabei selber bald flach zu liegen. Also stand ich auf und holte einen kalten Waschlappen aus dem Bad. Vorsichtig wischte ich ihm den Schweiß aus dem Gesicht. Er zuckte leicht unter meinen Berührungen zusammen, wachte dabei aber nicht auf. Er schien echt am Ende zu sein. Körperlich und seelisch und was konnte ich tun? Nichts. Ich konnte nur dumm zusehen wie er sich herumquälte. Was für ein toller Freund ich doch war. Echt hervorragend, Bouvier! Ich sollte mich echt mehr ins Zeug legen. Immerhin wollte ich nie mehr, als dass es ihm gut ging und dafür musste ich nun halt sorgen. Ich würde das Kind schon geschaukelt bekommen…irgendwie. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits 23.13Uhr war. Ich saß hier wirklich lange. Wenn ich Dave sah, vergaß ich immer total die Zeit. Das schaffte echt nur er. Ich zog mich bis auf meine Boxershorts aus und krabbelte zu Dave ins Bett. Ich legte mich unter meine eigene Decke, kuschelte mich aber dennoch an Dave. Ich legte meine Decke noch über seine und einen Arm um ihn. Sanft zog ich ihn an mich, gab ihm noch einen Kuss auf seine heiße Wange und nachdem ich das Licht gelöscht hatte, schloss ich meine Augen und versuchte den Schlaf kommen zu lassen. Ich weiß nicht wie lange ich noch wach lag. Bestimmt einige Stunden. Dave hustete mehrmals im Schlaf. Manchmal so stark, dass ich Angst hatte, dass er sterben würde. Aber er wachte dabei nie auf. Er schlief tief und fest. Und irgendwann, ich schätzte so gegen 3 Uhr nachts (das war die letzte Uhrzeit an die ich mich erinnern konnte), schlief ich dann auch endlich ein. Kapitel 14: Kapitel 14 [First Time] ----------------------------------- Ein ganz großes und dickes und fettes SORRYYYYYYY an alle die so lange auf das neue Kapitel gewartet haben. Ich hatte ein paar persönliche Probleme, kaum Zeit und war in nem megatiefen Kreatief! Hier aber endlich das langersehnte 14. Kapitel. Viel Spaß beim Lesen. und ein ganz dickes Danke an für die tollen Kommentare und dass sie mir so treu geblieben ist =D VLG und viel Spaß beim Lesen! Isa aka Rainbow_Eye ------------------------------ *David’s POV* Erschöpft war ich am Vorabend in Pierres Armen eingeschlafen. Es tat richtig gut wie er mich sanft versuchte zu beruhigen. Da konnte ich nicht anders als einzuschlafen. Ich träumte verwirrte Sachen. Ich war bei meinem Vater, aber nicht irgendwo auf der Erde. Nein, im Himmel. Ich hatte Flügel. Alles war weiß und wunderschön. Ich war ein Engel. Wie kindisch, aber es war so. Ich hatte noch nie so etwas geträumt. Ich hatte meinem Dad gesagt, wie sehr ich ihn liebe. Dann hat er mir eine Frau vorgestellt. Sie hatte langes blondes Haar und haselnussbraune Augen. Sie war kleiner als mein Vater und schlank. Ihre Haut sah blass aus. Sie sah perfekt aus. Sie passte wirklich zu meinem Dad wie die Faust aufs Auge. ‚Das ist deine Mutter.’, hatte er mir freudig mitgeteilt und ich wurde stocksteif. Meine Mum. Verdammt. Sie war viel schöner als auf all diesen Bildern. Sie war mit Abstand die schönste Frau im ganzen Universum. ‚Hey David!’ Ihre Stimme haute mich fast aus den Wolken. Sie war so sanft und ebenfalls perfekt. Ihr Lächeln erleuchtete die ganze Umgebung nur noch mehr. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Wie konnte man nur zulassen, dass solch eine Person stirbt? Das war mir mehr als schleierhaft. Sie war so wunderschön. ‚Hey…Mum…’, entwich es ängstlich meinen Lippen. Ich fing leicht an zu zittern. Dann kam sie langsam auf mich zu und legte ihre Arme um mich. ‚Ich liebe dich…’ Das war das letzte was ich von ihr hörte. Was ich sah. Was ich spürte. Erschöpft wachte ich am nächsten Morgen auf. Ich fror, aber mir lief dennoch der Schweiß die Stirn hinunter. Immer wieder blitzten diese drei Worte in meinem Kopf auf. Ich spürte wie sich langsam meine Augen mit Tränen füllten und ich versuchte hart dagegen anzukämpfen, aber mich verließ die Kraft dafür nach und nach. Ich schüttelte kurz meinen Kopf um diesen klar zu bekommen. Kaum war ich wieder im Hier und Jetzt angelangt, spürte ich wie ein starker Arm auf meinem Oberkörper lag. Ich wusste natürlich wem dieser Arm gehörte, also drehte ich meinen Kopf zur Seite und sah Pierre an. Er hatte die Augen nur leicht geöffnet und verzog sein Gesicht als hätte er Schmerzen oder als wenn er gleich heftig niesen müsste. Auf der einen Seite sah das eigentlich ganz witzig aus, aber wenn er Schmerzen hatte, dann war das alles andere als belustigend. „Guten Morgen…“, ließ ich es heißer über meine Lippen kommen und lächelte ihn sanft an. „…“ Pierre öffnete seinen Mund um etwas zu sagen, aber alles was heraus kam war heiße Luft. Kurz darauf begann ein heftiger Hustenanfall und er krümmte sich vor scheinbar großen Schmerzen. Langsam setzte sich mich auf und strich über seinen Kopf. Nachdem er sich wieder einigermaßen gefangen hatte, legte ich sanft meine Lippen auf seine Stirn, um zu testen ob er vielleicht Fieber hätte und das Resultat war nicht gerade angenehm. Er glühte sosehr, dass es in meinen Lippen regelrecht schmerzte. „Ich hol’ deine Mum.“, meinte ich besorgt zu ihm, während ich aufstand. Ich quälte mich leicht keuchend aus dem Bett und ging auf die Tür zu. Mir ging es im Gegensatz zum Vortag schon etwas besser, aber dass ich Pierre anscheinend angesteckt hatte, war nicht so berauschend. Ich lief die Treppe hinunter und roch schon die leckeren Pancakes aus der Küche. Mir lief das Wasser im Mund zusammen und mein Magen fing auch sofort an zu knurren. Ich betrat die große Küche und eine unglaubliche Wärme schlug mich fast nieder, während sich gleichzeitig so ein wohliges Gefühl in meinem gesamten Körper ausbreitete. „Guten Morgen…“, hustete ich in meine Hand, während ich die andere auf meine Brust legte, die leicht schmerzte. „Oh, guten Morgen, David. Geht’s dir besser?“, fragte Pierres Mum mich, als sie sich zu mir umgedreht hatte. Ich nickte nur kurz leicht und ließ mich auf einen der Stühle sinken, um wieder Energie zu tanken. „Ja, etwas schon. Aber Pierre scheint’s jetzt auch erwischt zu haben. Seine Stimme ist weg, er hat Hustenanfälle und ist heiß wie glühende Kohle.“ Meine Stimme versiegte hier und da mal und ich musste Husten oder mich räuspern, damit sie wiederkam. Ich wusste nie wie anstrengend das Reden sein kann. „Klingt ja nicht so gut.“ Sie sah mich besorgt an und strich sich durch die Haare. „Du gehst am besten wieder ins Bett und ich bring euch gleich Tee und etwas Frühstück, okay?!“ Wieder nickte ich, atmete einmal tief durch und erhob mich schweren Herzens vom Stuhl. Ich verließ die Küche so langsam wie ich sie betreten hatte und schleppte mich wieder die nun endlos scheinenden Stufen hinauf. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, bis ich oben angekommen war, aber ich war mehr als froh es geschafft zu haben. Also stapfte ich müde wieder in Pierres Zimmer, wo ich mich auf das Bett sinken ließ und Pierre ansah, welcher schon wieder weit weg im Traumland war. Er sah so verdammt süß aus, wie er sich in seine Decke kuschelte, die er bis zu den Ohren hochgezogen und sich halb zusammengerollt hatte. Ein Lächeln entsprang meinen Lippen und ich strich vorsichtig durch sein Haar. Langsam legte ich mich wieder neben ihn, schnappte mir die zweite Decke und starrte Löcher in die Luft. Mir schossen sofort wieder die Gedanken an meinen Traum durch den Kopf. Meine Eltern sahen so glücklich aus. Sie passten perfekt zueinander und meinetwegen waren sie elf Jahre lang getrennt. Toll gemacht, Desrosiers. Was wäre eigentlich, wenn ich noch mehr Menschen verlieren würde, die mir etwas bedeuten? Meine Freunde?! Meine neue Familie?! Oder gar Pierre?! Wenn ich ihn auch noch verlieren würde, dann hätte mein Leben keinen Sinn mehr. Pierre ist alles für mich. Ich würde es echt nicht ertragen, wenn er weg wäre. Für immer weg. Raus aus meinem Leben. Das wurde mir richtig klar, als ich abgehauen bin. Mein Leben war so leer und alles was ich hatte war dieses eine Bild und die tollen Erinnerungen an ihn. Aber ich möchte nicht mehr nur Bilder und Erinnerungen, ich möchte ihn. Mehr nicht. Aber eigentlich sollte ich nicht daran denken, denn immerhin waren wir noch jung. Zu jung um an den Tod zu denken. Wir waren gerade mal 16. Beziehungsweise ich noch 15. Da sollte man an andere Dinge denken. „Hier ist dein Tee.“, riss mich Pierres Mum dann aus meinen Gedanken, stellte die Tassen auf den kleinen Nachttisch neben dem Bett und lächelte mich sanft an. „Dankeschön…“ „Immer wieder gerne. Kann ich sonst noch was für dich tun?“ „Hm…erstmal nicht…“ Sie nickte, fühlte kurz an Pierres Stirn ohne ihn zu wecken und ging dann wieder Richtung Tür. Ich sah ihr nach und dachte angestrengt nach. „Obwohl, da wäre doch noch etwas…“, entsprang es schnell noch leise meinem Mund, bevor sie das Zimmer verlassen konnte. Sie blieb im Türrahmen stehen, drehte sich zu mir um und lächelte sanft. „Was denn?“ „Ähm…könnten sie mich…“ „Du. Du kannst mich duzen.“, fiel sie mir ins Wort und lächelte. Ich nickte kurz. „Könntest…du…mich nachher vielleicht zum Friedhof fahren?“ Ich sah sie schüchtern an, bevor ich meinen Kopf senkte und auf meine Hände starrte. Ich war nie am Grab meiner Eltern gewesen. Vier Jahre ohne sie zu ‚besuchen’. Ich hatte immer zu viel Angst gehabt einfach komplett zusammenzubrechen und es nicht mehr zu ertragen. Meine Eltern fehlten mir, aber vor allem mein Dad und nach diesem Traum wurde mir klar, dass es Zeit war. Zeit zum Grab zu gehen. Zeit zu sagen was ich denke und fühle. Zeit „Goodbye“ zu sagen. Es war einfach Zeit nach so vielen Jahren. „Natürlich. Wenn du das möchtest.“ „Ja…“ „Okay. Und wann?“ „Hm…so gegen 3?!“ „Gut.“ „Dankeschön…“ „Kein Problem. Trink erstmal deinen Tee und wenn du Hunger hast, sind da auch ein paar Pancakes. Ruh dich schön aus.“ „Das ist echt nett. Dankeschön.“ Ich lächelte sie an und schnappte mir den Tee. Sie erwiderte das Lächeln noch kurz und verschwand dann auch schon wieder. Ich ließ mir zuerst einmal mein Frühstück sanft auf der Zunge zergehen, bevor ich mich wieder in meine Decke kuschelte und sanft einschlummerte. * „Hey, David. Wach auf!“ hörte ich eine sanfte Stimme und spürte wie mich jemand leicht an der Schulter packte. Ich öffnete müde meinen Augen und gähnte kurz, bevor ich Pierres Mum erkannte. „Es ist zehn vor drei. Wenn du heute noch weg willst, dann solltest du jetzt besser aufstehen.“, lächelte sie mich an und stellte sich wieder gerade hin. Ich streckte mich kurz und setzte mich dann auf. „Dankeschön…“ „Kein Problem. Mach dich fertig und dann können wir losfahren.“ „Okay. Aber können wir Pierre hier alleine lassen?“ „Ich habe Jay angerufen, der will in fünf Minuten hier sein, der passt solange auf ihn auf.“ „Ach so okay. Dann…werde ich mich jetzt schnell fertig machen.“ „Okay. Ich warte unten auf dich.“ Ich nickte sie kurz an und dann verließ sie das Zimmer. Ich sah kurz zu Pierre und stand dann auf. Langsam schlenderte ich zum Schrank, öffnete gequält die Türen und schaute mir all die Sachen an, die darin hingen. Haufenweise Klamotten, die mir Pierre gekauft hatte, weil ich fast alle meine alten weggeworfen hatte um von den Erinnerungen nicht geplagt zu werden. Aber ich war zufrieden mit meinen neuen Sachen. Dutzende Band-Shirts, Hoodies, Jeans und andere Hosen die ich so unbedingt haben wollte. Ich war mehr als zufrieden damit. Ich schob die Kleiderbügel hin und her, durchwühlte einen Hosenstapel nach dem anderen und nach etwa fünf Minuten hatte ich mich für mein Letter Kills-Shirt, eine schwarze hautenge Hose und eine Kapuzenjacke entschieden. Ich schnappte die Sachen, verließ das Zimmer und verschwand ins Bad, um mich dort fertig zu machen. Ich machte alles im Schnelldurchgang, ging noch mal zu Pierre, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und dann tapste ich nach unten, wo Jay und seine Mutter im Wohnzimmer auf der Couch saßen und irgendwas beredeten. „Also wenn er aufwacht, dann mach ihm bitte einen Tee. Es steht alles da wo es immer steht. Wenn er fragt wo David ist, ich habe ihn entführt. Nein Spaß, wir sind einfach mal für eine Weile raus, wir erklären ihm alles später, okay?“ „Okay, Mum. Das ist nicht das erste Mal, dass ich mich um meinen kleinen Bruder kümmern muss, weil er krank ist. Ich schaff das schon.“ „Ja okay. Ich muss halt auf Nummer sicher gehen.“ „Jaja, aber ich bin ja kein Dummkopf, der nicht weiß, wie man mit kranken Menschen umzugehen hat. Und wie man mit einem kranken Pierre Charles Bouvier umgeht, könnte ich sofort sagen, wenn man mich nachts um 3Uhr wecken und mich das fragen würde. Also husch husch, du hast was vor.“ Ich konnte nicht anders außer leicht lachen und ging auf die beiden zu. „Klingt ja so, als wäre Pierre sehr schlimm, wenn er krank ist.“, entwich es frech meinen Lippen und ich ließ mich auf einen der weißen Ledersessel sinken. „Mehr als das, das kannst du mir glauben. Und wie geht’s dir?“ „Mir geht’s so lala. Wie man es nimmt.“ „Ja, aber du siehst auch schon viel besser aus als letzte Woche. Aber wenigstens bist du nicht so stressig wie Pierre.“ „Jay, jetzt höre so über deinen Bruder zu reden!“, ermahnte seine Mum den 18-jährigen und wandte sich dann an mich. „Bist du soweit?“ „Japp, bin ich. Wir können dann los.“ „Okay, dann komm.“ Gesagt, getan. Wir verabschiedeten uns noch von Jay, seine Mum ermahnte ihn noch einmal und dann ging es auch schon los zum Friedhof. Die meiste Zeit der Fahrt sagte keiner von uns beiden etwas und ich starrte einfach die ganze Zeit nur nachdenklich aus dem Fenster. Irgendwann riss mich Pierres Mum dann aber aus meinen Gedanken. „Wie kommt es denn, dass du plötzlich auf den Friedhof möchtest? Wenn ich fragen darf?!“ Sie sah mich kurz an, lächelte sanft und schaute dann wieder auf die Straße. „Hm. Ich weiß auch nicht. Wegen meinem Traum.“ „Was hast du denn geträumt?“ „Ich…ich habe von meinen…Eltern geträumt…“ „Oh. Warst du denn schon mal an ihrem Grab?“ Ich schüttelte leicht den Kopf als sie gerade zu mir sah und überlegte dann einen Augenblick lang. „Nein. Ich hatte nie den Mut dazu. Aber…nachdem ich einen Text gelesen hatte gestern, habe ich von meinen Eltern geträumt. Ich kenne meine Mum nur von Bildern…sie ist nach meiner Geburt gestorben. Aber in dem Traum…sie sah so wunderschön und glücklich aus, genau wie mein Dad und jetzt ist es für mich Zeit…endlich mal zu ihrem Grab zu gehen.“ „Das tut mir wirklich leid.“ „Das muss es nicht. Das war einfach nicht leicht für mich.“ „Ja, das verstehe ich. Aber wenn du mal darüber reden willst, mit jemand anderem außer Pierre, dann bin ich gerne für dich da.“ „Dankeschön.“ „Kein Problem.“ Und damit war das Gespräch beendet und wieder trat die Stille ein. Meinen Kopf lehnte ich wieder gegen die Fensterscheibe, aber diesmal schloss ich die Augen und dachte so etwas nach. Ich war so sehr in Gedanken versunken, dass ich nicht mal merkte, wie das Auto am Friedhof anhielt und Pierres Mum mich ansah. „Lebst du noch, David?“ Erschrocken fuhr ich auf und sah sie verwirrt an. „Was?“ „Okay, du lebst noch. Wir sind da.“ „Oh…okay…“ „Soll ich mitkommen oder willst du alleine gehen?“ „Ähm…ich möchte jetzt gerne alleine sein. Es wäre nett, wenn sie…du hier warten würdest.“ „Okay. Nimm dir alle Zeit der Welt.“ „Ja…okay…“, nickte ich ihr zu und stieg dann aus dem Auto. „Bis später…“ verabschiedete ich mich noch und schlug dann die Autotür zu. Ich atmete noch einmal tief durch und ging dann langsam auf das Verwaltungsgebäude zu um mich zu erkundigen wo genau das Grab meiner Eltern war. Nachdem ein netter älterer Mann mich dorthin gebracht hatte, bedankte ich mich bei ihm und als er wieder weg war, wandte ich mit dem Grab zu. Es sah schön aus. Irgendwer musste es gepflegt haben. Die Blumen waren frisch und der Boden noch feucht. Jemand musste hier gewesen sein. Am Vortag oder sogar noch am Morgen. Ich wusste es nicht, aber ich spürte wie mir mal wieder die Tränen in die Augen stiegen. Ich hockte mich vor das Grab und starrte den Grabstein an. Die Namen meiner Eltern waren darauf eingraviert, genauso wie ihre Geburts- und Sterbedaten und einem Spruch. Sanft ließ ich meine Finger über den kalten Marmor fahren und biss mir auf die Unterlippe. Tränen schossen mir in die Augen und ich kniff sie zusammen um sie zu unterdrücken. Die ganze Umgebung und die Situation wirbelten so viele verschiedene Gefühle in mir auf. Alles war so wunderschön hier, aber dennoch machte es mich mehr als traurig. „Ich liebe euch…“, entwich es leise meinen Lippen und die ersten Tränen bahnten sich ihren Weg über meine Wangen. Ich hatte dieses Gefühl, als würden meine Eltern neben mir stehen und jeweils eine Hand auf meine Schultern legen. „Es tut mir so leid, dass ich so lange gebraucht habe.“ Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und kaute auf meiner Unterlippe herum. „Aber…es ging nicht eher. Ich hatte solche Angst. Und…ich komme um euch etwas zu sagen. Etwas, wozu ich nie kam.“ Ich setzte zu einer Pause an und strich sanft über die Blüten der Lilien, Margeriten und der weißen Tulpen. „Goodbye…“ Kapitel 15: Kapitel 15 [Dear Sickness...I Hate You] --------------------------------------------------- Sooo ertstmal Sorry, dass ich fast ein halbes Jahr gebraucht habe um etwas Neues zu schreiben. Ich bin mit dem Kapitel auch nicht wirklich zufrieden, aber was soll's, jeder schreibt mal was Schlechtes *lol* __________________________________________ *Pierre’s POV* Als ich wieder aufwachte, fühlte ich mich plattgelatscht. Als wäre ein 40-tonner über mich gerollt, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich hasste es schon immer krank zu sein und ausgerechnet jetzt, hatte es mich mal wieder erwischt. Ich hätte mich von Dave fern halten sollen. Aber dann wäre ich sicher gestorben und er hätte vielleicht gedacht, dass ich mich nicht um ihn kümmern will oder keine Ahnung. Aber war ja jetzt eigentlich auch egal, ich war krank und das musste ich jetzt aushalten. Ich versuchte aufzustehen, schaffte es aber vorerst nur mich aufzusetzen. Ich stöhnte leicht und legte den Kopf in meine Hände. Ich hatte das Gefühl, dass der gleich platzen würde. Jede Bewegung schmerzte und das schlimme daran war, dass ich mal dringend aufs Klo musste. Irgendwie musste ich das also schaffen. Ich schwang langsam meine Beine über die Bettkante und stützte mich ab, in der Hoffnung so zum Stehen zu kommen, aber ich brauchte ein paar Anläufe. Als ich es dann endlich geschafft hatte und ein paar Schritte gehen wollte, fiel ich fast um. Ich stützte mich schnell am Schreibtisch ab, wobei ich dessen Utensilien herunterwarf. Ich seufzte schwer und keine 30 Sekunden später kam Jay in mein Zimmer gestürmt. „Woah, kleiner Bruder. Was soll denn das werden?“ Er zog eine Augenbraue hoch und sah mich dann besorgt an. „Ich versuche zu laufen, wonach sieht’s denn aus?!“, versuchte ich ironisch zurückzugeben, klang dabei aber eher mitleidig. „Und wohin willst du laufen?“ Jay kam auf mich zu und stützte mich ab. „Ich bring dich hin.“ Ich seufzte schwer und sah Jay an. Eigentlich wollte ich nicht, dass er mir hilft und ich dadurch schwach wirkte, aber ich war auch mehr als froh, dass er da war. „Aufs Klo. Bitte.“ Ich sah ihm fast flehend in die Augen und er wuschelte mir kurz durch mein braunes Haar, bevor er mich lieb anlächelte. Man, so kannte ich Jay nun wirklich nicht. Wobei mir dann gleich wieder der Hintergedanke kam, dass er mich ausnutzte, nur um später eine Wiedergutmachung von mir zu bekommen. So wie immer. Das musste ich mir echt noch stark überlegen. Aber erst mal war ich echt dankbar, dass er da war. So heftig war ich noch nie krank und ich musste zugeben, dass ich wirklich auf Hilfe angewiesen war. „Okay, Sir.“, grinste er dann wieder und half mir zum Bad. „Ab hier, komm ich bestimmt selbst zurecht.“ „Okay, aber wenn was ist, ich warte hier vor der Tür. Schrei dann einfach.“ Ich nickte ihm zu und verschwand dann langsam, aber sicher ins Bad. Ich schloss die Tür nicht ab, im Falle, ich bräuchte wirklich Hilfe. Ich stellte mich vor den Spiegel und wäre fast nach hinten umgefallen, als mich dieser Zombie darin ansah. Mein Gesicht war mehr als kreidebleich und um meine Augen zeichneten sich schwarze Ringe. Ich sah furchtbar aus. Ich stellte das kalte Wasser an, beugte mich nach vorne und wusch mich rasch. Das war jedoch ein Fehler gewesen, denn als ich mich wieder aufrecht hinstellte, wurde mir schwarz vor Augen, ich taumelte nach hinten und krachte voll in ein Regal. Sofort sprang die Tür auf und Jay kam zu mir geeilte. Er hielt mich fest und sah mich besorgt. „Schön langsam, Kumpel.“, gab er leise von sich und verfrachtete mich auf den Toilettendeckel. Kurz darauf spürte ich seine Hand auf meiner Stirn und hörte ein Seufzen. Er schnappte sich einen Waschlampen und machte ihn nass, nur um ihn dann auf meine Stirn zu drücken. „Irgendwie müssen wir dein Fieber runter bekommen. Ich schlage vor, dass du am besten im Bett bleibst.“ Okay, so besorgt hatte ich Jay noch nie gesehen. Vor allem nicht, wenn es um mich ging. Ich musste wohl echt schlecht dran sein. Wenn selbst mein Bruder sich solche Sorgen um mich machte, dann war ich nur noch ein Wrack. „Jay?“, kam es schwach und kaum hörbar über meine Lippen, während ich mir den Lappen gegen die Stirn drückte. „Was ist?“ „Wo…wo sind denn Mum und…und Dave?“ Ich musste husten, weil das Reden meine Lunge und meinen Rachen stark belastete. Ich lehnte mich zurück gegen die Wand und schloss die Augen. „Die sind weggefahren. Dave wollte irgendwo hin. Keine Ahnung wann sie wieder da sind und solange kümmer ich mich freundlicherweise um dich.“ Ich gab als Antwort nur ein leichtes Stöhnen hervor und sah ihn dann wieder an. „Komm, ich bring dich wieder ins Bett.“ Er lächelte mich schon wieder so fürsorglich an und ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwie mochte ich das nicht. Jay und ich hatten uns fast nur in der Wolle oder stellten irgendwelchen Mist an, aber wir machten uns nie Sorgen um den anderen. Vielleicht zeigte mir das auch einfach, dass er langsam erwachsen wurde. Aber das gefiel mir eigentlich noch weniger. „Okay…“ Jay stützte mich wieder ab und langsam gingen wir zurück in mein Zimmer, wo er mich ins Bett legte, mich in meine Decke wickelte und dann wieder lächelte. „Ich mach dir ‘nen Tee und du bewegst dich nicht.“ Ich nickte kurz und schloss wieder die Augen. Ohne Jay wäre ich schon tot. Da war ich mir mehr als sicher. Ich lauschte Jays Schritten und der Tür und versuchte mich zu entspannen. Kaum zwei Minuten später ging wieder die Tür auf und zu und Schritte näherten sich dem Bett. Dann merkte ich nur noch, wie die Matratze auf der anderen Seite nachgab und sich eine Hand auf meine Wange legte. „Ich hab die Medikamente mitgebracht. Kaum geht’s Dave etwas besser, machst du mir Sorgen.“ Ich öffnete meine Augen und sah meine Mum an, die mich anlächelte. „Meine Sorgenkinder.“ Sie lachte leicht auf und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Jay bringt dir gleich deinen Tee und ich mach dir mal ein schönes Bad.“ Ich nickte und versuchte zu lächeln, was aber eher gequält aussah. „Danke, Mum.“ „Kein Problem, mein Schatz.“ Sie wuschelte mir durchs Haar, stand wieder auf und verließ mein Zimmer zur gleichen Zeit, in der Jay mit dem Tee kam. „Hier Brüderchen. Trink das und dann geht’s dir bald besser.“ Er stellte die Tasse neben dem Bett ab und verließ das Zimmer wieder. Ich hasse es immer mehr krank zu sein. Ich wollte nicht schwach und hilflos sein. Das war nicht typisch für Pierre Bouvier. Ich setzte mich langsam auf, lehnte mich gegen die Wand und nahm die Tasse. Ich pustete kurz und nahm dann einen kräftigen Schluck. Das tat echt gut. Als ich die Tasse wieder wegstellen wollte, wurde mir wieder kurz schwarz vor Augen und die Tasse glitt mir aus der Hand. Der heiße Tee verschüttete sich über meinen Oberkörper und es schmerzte wie verrückt. Ich schrie auf, woraufhin ich wieder husten musste und versuchte mir das Shirt auszuziehen, aber ich konnte meine Arme nicht weit genug heben. Der Schmerz zog sich durch die gesamte Brust und es fühlte sich an als würde jede einzelne Faser in meinem Körper brennen. Sofort kam meine Mum wieder ins Zimmer gerannt, gefolgt von Dave und sah mich mehr als nur besorgt an. „Ach, Pierre, was machst du denn?“ Sie zog mir sofort das T-Shirt aus und fuhr sanft mit den Fingerspitzen über die gerötete Haut. „Dave, kannst du bitte ein nasskaltes Handtuch holen?“ Sie wandte sich lächelnd an Dave, der nur nickte und sofort ins Bad rannte. „Ich hasse es…“, grummelte ich leise, während ich den Kopf zurück an die Wand lehnte. „Das weiß ich, mein Schatz.“ Ich spürte das Grinsen meiner Mum regelrecht auf mir ruhen. „Wo wart ihr eigentlich?“ Meine Mum sah mich an und lächelte, das wusste ich, auch wenn ich es nicht sehen wollte. „Dave wollte was Wichtiges erledigen und dann waren wir noch einkaufen und in der Apotheke.“ „Achso…“ Die ganze Zeit fragte ich mich, was Dave so wichtiges zu erledigen hatte. Meine Mum wusste es scheinbar, aber vielleicht würde Dave es mir ja sagen. Immerhin redeten wir über alles, dann würde er mir diese wichtige Sache sicher auch verraten. „Hier, bitteschön.“ Dave kam mit dem Handtuch wieder und reichte es meiner Mum, die es mir vorsichtig auf den Oberkörper drückte, was mich nur wieder vor Schmerz aufstöhnen ließ. Wieder spürte ich diesen brennenden Schmerz in meinen Blutgefäßen und meinen Knochen und einfach überall. „Verdammt…“, fluchte ich vor mich hin und sah zu Dave, der mich schüchtern und besorgt ansah. Sein Blick brachte diese „Es tut mir leid“-Botschaft mit sich und ich konnte nicht anders als ihn anzulächeln. „Mach dir keinen Kopf Dave. Irgendwann hätte es mich so oder so erwischt.“ Er nickte nur leicht und schien davon nicht ganz angetan zu sein und ich konnte mir nicht helfen, aber sein Anblick wirkte so anziehend auf mich. Ich spürte wie er sich Sorgen machte und das ließ mein Herz höher schlagen. Am liebsten hätte ich ihn jetzt ganz nah an mich gezogen und ihn geküsst, aber meine Krankheit ließ das leider nicht zu und das trieb etwas Wut in mir auf. Ich hasste es immer mehr krank zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)