Everything/Nur mit dir von __Sleepwalker (PxD) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 01 [The new guy] ----------------------------------- Da war der betrunkene Autofahrer. Er fuhr wie ein bekloppter. Klar, ich war ja auch betrunken. Er raste wie ein Geistesgestörter und hätte fast ein Auto gerammt. Ein anderes Auto versuchte auszuweichen. Schaffte es nicht ganz. Der Betrunkene fuhr ihm in die Seite. Drängte ihn voll von der Straße. Und da war dieser Junge. Er war nicht viel älter als ich. Vielleicht sogar jünger. Ich schätze ihn auf 12 oder 13. Er lief auf dem Gehweg. Er stand genau parallel zu mir, als das erste Auto ihn erwischte. Er blickte erst geschockt, als er das Auto auf sich zukommen sah, dann lag er unter diesem. Alle blieben wie erstarrt stehen. Jedes Auto stoppte. Eine Frau schrie auf. Sie war mindestens genauso geschockt wie ich. Nur ich bekam kein Wort heraus. Keinen einzigen Ton. Mir schossen nur plötzlich tausende Gedanken durch den Kopf. Ich wollte rüber rennen. Wollte nach dem Jungen sehen. Aber ich stolperte und fiel. * Erschrocken saß ich auf dem Boden. Ich blickte mich schnell um, als ich merkte, dass ich in meinem Zimmer war. Tag für Tag dieser Traum. Dieses Ereignis von vor drei Jahren. Es war schon so lange her, aber ich konnte es einfach nicht vergessen. Es war so grauenhaft. Ich habe nie erfahren was mit dem Jungen passiert war. Ob er noch lebte. Ob es ihm gut ging. Oder ob er vielleicht an diesem Tag gestorben war. Die Medien berichteten damals zwar viel von dem Unfall, aber sie erwähnten immer nur den betrunkenen Fahrer. Wer er war und was er für eine Strafe bekam. Aber nie wurde dieser Junge erwähnt. Als wäre er gar nicht da gewesen. Aber das war er. Da bin ich mir sicher. Ich erinnere mich an sein schwarzes Haar. Sein Pony war viel zu lang. Er hing ihm ins Gesicht. Er sah zierlich aus. Zerbrechlich. Er war klein. Aber ich wusste ja auch nicht wie alt er war. Oder wie er hieß. Hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Seufzend strich ich mir durch mein braunes zerwuseltes Haar, bevor ich mich am Bett hochzog. Es war fünf Uhr morgens. Okay, da konnte ich ja auch gleich wach bleiben. Die Schule fing ja eh bald an. Also schlürfte ich durch mein Zimmer und betätigte den Lichtschalter neben der Tür, bevor ich diese öffnete und über den Flur ging. Ich konnte meine Mum unten in der Küche schon handwerkeln hören. Wie konnte man nur schon so früh so munter sein? Ich würde die Erwachsenen wohl nie verstehen, bis ich nicht vielleicht mal selbst einer sein würde. Aber das sollte ja noch lange dauern. Immerhin war ich gerade mal 16. Da hat man noch Spaß im Leben und denkt nicht an Verpflichtungen und den ganzen Müll. Müde und gähnend ging ich ins Bad und stellte mich vor den Spiegel. „Man siehst du heute wieder scheiße aus, Pierre!“, sagte ich zu meinem Spiegelbild. „Schlecht geschlafen, was?!“, musste ich etwas grinsen, bevor ich mich meiner Boxershorts entledigte und unter die Dusche stieg. Da ich dieses Mal ausnahmsweise mal etwas mehr Zeit zum Duschen hatte, nutzte ich das natürlich aus. Wer würde das nicht tun? Eine schöne Dusche am Morgen und der Tag würde gut werden. Oder zumindest machte er dann erstmal den Anschein dazu. Genüsslich ließ ich das warme Wasser über meinen Körper laufen. Das tat noch immer ziemlich gut, nach der Prügelei vor zwei Tagen. Ein paar Jungs hatten ein Mädchen belästigt. Alle liefen vorbei. Wie konnte man so was zu lassen? Das würde ich nie verstehen. Also schnappte ich mir prompt ein paar Kumpels und zusammen machten wir die anderen fertig. Ich hasste Menschen, die sich an Mädchen oder an jüngeren und schwächeren Leuten vergriffen. Im Grund hasste ich Gewalt im Allgemeinen, außer wenn es darum ging, andere zu verteidigen. Da wurde ich quasi zum Tier. Wenn sie schon wen verprügeln wollen, dann wenigstens jemanden, der in etwa genauso stark ist, wie sie selbst. * Gelangweilt saß ich auf meinem Suhl und unterhielt mich mit einem Kumpel. Die Lehrerin kam mal wieder zu spät. War bei ihr ja eigentlich nichts neues, aber dieses Mal waren es schon zehn Minuten. Sehr untypisch für so. Sonst waren es maximal fünf. Den meisten war das egal. Sie freuten sich, wenn sie keinen Unterricht machen mussten. Wie kann einem Schulbildung so egal sein? Die waren alle nur hier, weil sie mussten. Zumindest die meisten. Weitere fünf Minuten später ging dann endlich die Tür auf und Mrs. Jackson kam herein, einen Jungen im Schlepptau. Ich hätte nicht kippeln dürfen, denn als ich den Jungen sah, kippte ich nach hinten um und stöhnt leicht auf vor Schmerz. Alle anderen lachten. Wie typisch. Hätte ich ja auch nicht anders erwartet. „So erfreut mich zu sehen, Mr. Bouvier?“, fragte mich die Lehrerin, als ich aufstand, den Stuhl wieder hinstellte und mich setzte. „Natürlich Mrs. Jackson, das wissen sie doch!“, versuchte ich cool zu antworten, konnte dabei aber nur den anderen Jungen ansehen, der meine Blicke erwiderte. Er musste sich nun auch denken ‚Was’n das für’n Idiot?!’ „Wie dem auch sei. Entschuldigt meine Verspätung, aber ich hatte noch etwas Wichtiges zu klären. Wie ihr sicherlich bemerkt habt, bin ich heute nicht alleine gekommen.“, begann sie zu reden und alle versuchten ihr interessiert zuzuhören. „Das hier ist David Des-ro-siers…“, versuchte sie abgehackt den Namen des Jungen auszusprechen, woraufhin natürlich alle lachten. Nur David stand da und sah durch den Raum. Ihn schien das nicht zu jucken, dass sie es kaum schaffte. „Nachdem er es erfolgreich geschafft hat, zwei Schuljahre in einem nachzuholen und einen ausgezeichneten Wissensstand aufgewiesen hat, wurde er ein Jahr vorgestuft, das ist der Grund, warum er hier ist.“ Eine Schülerin meldete sich. Nachdem Mrs. Jackson ihr erlaubte ihre Frage zu stellen, wand sie sich an David. „Wieso musstest du zwei Schuljahre nachholen?“ David sah sie an. Die ganze Zeit wirkte sein Blick so leer, aber plötzlich wirkte er traurig. „Ich war vor drei Jahren in einen Autounfall verwickelt, woraufhin ich ein ganzes Jahr lang im Koma lag und ein Jahr musste ich einer Reha opfern. Also habe ich eigentlich drei Schuljahre in einem Jahr absolviert.“, antwortete er dann Stacy, mit einer so sanften Stimme, wie ich sie bei einem Jungen noch nie gehört hatte. „Und wie alt warst du da?“, fragte ihn ein anderer. „Ich war erst elf…“ Ich hatte mich also nicht verguckt. Er war wohl wirklich der Junge von damals. Den nie jemand erwähnt hatte. Er sah aus wie vor drei Jahren, aber irgendwie doch total anders. Ich erkannte ihn eigentlich sofort an seinem Gesicht. Es hatte irgendwie etwas, woran man sich erinnern musste. Aber nun hatte er ein kleines Piercing in der Nase und sein Haar war blond und kurz. Das schwarze stand ihm besser. „Also okay, ihr könnt euch später mit ihm unterhalten. Aber ich möchte, dass ihr ihn in die Klasse integriert.“ Mrs. Jackson stoppte kurz und sah zu David. Dann sah sie durch den Raum und dann wieder zu David. „Setz dich doch da auf den freien Platz hinter Pierre!“, und er tat sofort wie ihm befohlen. Er ging lässig den schmalen Gang zwischen den Bänken entlang, schenkte mir kurz einen Blick und ließ sich dann auf den Stuhl hinter mir sinken. Ich wusste nicht was das alles sollte. War das nur ein dummer Zufall? Oder hatte Gott meine „Gebete“ erhört und mir endlich mein lang ersehntes Zeichen, ob der Junge von damals nun noch lebte oder nicht, geschickt? Ich wusste es nicht. Aber in mir kam diese Erleichterung auf. Diese Erleichterung, dass es ihm gut ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)