Masterpiece von Archimedes ================================================================================ Kapitel 1: Das Ass im Ärmel --------------------------- Und es sollte mit einem Video beginnen: “Guten Abend Gotham! Oder für manche guten Morgen...je nachdem, wie rum ihr hängt” Sein Gesicht, das über den Bildschirm flimmerte, in verwackelten und unscharfen Bildern in schwarz/weiß, war über die Wochen hinweg vergessen worden und doch lehrte es das Fürchten wie am ersten Tag. Nur einen kleinen Ausschnitt davon erfasste die Bildbreite des Camcorders, jenes entstellte und verzerrte Narbengewebe, das sich geschwulstartig um seine Lippen legte und sie zu einem barbarischen und dauerhaften Lächeln formten. Grotesk und unheimlich überschminkt, machten sie die weiß gepuderte Haut in ihrem Kontrast fahl und leblos. Ein blutendes Rot war es, das sich, obwohl es auf dem Bild schattenhaft grau war, dem Betrachter ins Gedächtnis fraß, sich erneut einätzte wie Säure, damit es ihn auf ewig in seinen Träumen heimsuchte. “Nun, Männer und Frauen von Gotham City, ihr habt mich vermisst, während meines Urlaubs in Arkham, hmm? Und wie ihr mich vermisst habt! Oooh, oh, ooh... die Straßen sind furchtbar aufgeräumt. So ordentlich. Ach so anständig… So. Unanständig. Ruhig!”, der Mann lachte schrill, minutenlang. Er ließ sich Zeit. “Ha, hoohoo, haha… Nebenbei, guter Job Comissioner Gordon, den sie da gemacht haben, wirklich ein guter Job. Und weil sie so zum Schreien gut waren, sie und ihr großer schwarzer Freund, habe ich ein passendes Geschenk für sie” Mit einem züngelnden Lecken über seine Lippen stellte der Joker den Camcorder ab, ging grinsend rückwärts, die Hände in wilder Bewegung und den Blick sorgfältig auf die Kamera gerichtet, über den weißgekachelten Boden zu einer Metallwand im Hintergrund, in deren kaltem Stahl mehrere nummerierte Fächer eingelassen waren. “Zeit für ein bisschen Ba-da-boom!!!” Mit einem lauten Krachen wurde Fach Nummer 38 aufgerissen, eine lange metallene Bahre herausgezogen; darauf drapiert lagen mehrere Stangen Sprengstoff, angeschlossen an eine Schaltuhr. “Wisst ihr “, erklärte er, während er aus einer seiner vielen Jackentaschen ein Messer zog, “bei euren ganzen Systemen und Kontrollen und dem ganzen peniblen Ordnungskram, an dem ihr mit euren kleinen Seelchen hängt, ist es doch erstaunlich, wie oft Dinge”, er zuckte die Schultern, runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf, “wie oft …öh… Dinge, sagen wir mal, auf zauberhafte Weise verschwinden können” Mit Interesse drehte und wendete er die Klinge vor seinen Augen, bevor er wieder in die Kamera sah. “Das Famose daran: Ihr bemerkt es nicht einmal… Ha! Aber… aber ICH gebe euch die Chance herauszufinden, was euch so Wertvolles verloren gegangen ist! Nun, vorausgesetzt, dass ihr es bis hierher schafft, bevor die süße Ticktack-uhr abgelaufen ist” Mit einem simplen Knopfdruck begann der Zähler des Sprengsatzes zu laufen und mit wenigen schnellen Schritten war der Mann zurück vor die kleine Kamera geeilt. Leiser, sehr viel schmeichelnder und mit durchaus charmanter Stimme, vergaß man das dazu gehörige Gesicht, fügte er hinzu: “Ach und Batman, da ich weiß, dass du das hier siehst”, der Camcorder wurde erneut verrückt, um drei geknebelte Männer ins Bild zu nehmen, die kopfüber von der Decke baumelten, ihre Gesichter rot angelaufen, die Augen aufgequollen und weit aufgerissen vor Angst, “versuch bitte nicht mit dem Kopf nach unten zu schlafen!” Wieder erklang das Lachen von den vernarbten Lippen, dass man glaubte, Fingernägel kratzten über eine Schultafel. Sie füllten das Bild, als küsse der Joker die Linse: "Ich bin zurück. Enttäuschen solltest du also nicht” Mit einem dunklen Grollen drückte Bruce Wayne die Pausetaste, nippte von seinem Scotch und stierte in die mit verschmiertem Schwarz bemalten Augen des Jokers auf dem Standbild, auf das grässliche Grinsen, das faulende Zähne entblößte. Er seufzte ungehalten. Zum wievielten Male er sich die DVD nun auch ansah, seit die Nachricht des Jokers in den abendlichen Gotham News gelaufen war, er konnte sich nicht erklären, warum er die City Morgue nicht gesprengt hatte. Wegen der direkten Nachbarschaft zum neu erbauten Polizeihauptquartier, mit Gordons Büro im obersten Stock, konnte er das Leichenschauhaus wohl kaum verschont haben. Im Gegenteil. Es wäre eine geradezu willkommene Herausforderung gewesen es unter der Nase des Commissioners dem Erdboden gleich zu machen. Es erschien Bruce wie eine Farce, denn nichts ergab einen Sinn. Zugegeben, hatte er es mit dem Joker zu tun, ergab niemals irgendetwas einen Sinn. Aber dieses Mal war alles anders, zu atypisch, selbst für ihn. Brütend wanderte er über den blanken Marmorboden seines Büros. Die Bombe war eine Attrappe gewesen - in den Dynamitstangen hatte sich lediglich Knetgummi für Kinder befunden- und er wusste besser als jeder andere, dass es nicht die Art des Mannes in Purpur war zu bluffen. Er war ein Mann seines Worts. Des Weiteren waren die drei Pathologen am Leben gewesen, als Batman im untersten Geschoss angekommen war, zwar nicht unversehrt, aber auch nicht, wie er es erwartet hatte, gut abgehangen und mit zu Brei aufgeweichten Gehirnen. Unschlüssig, weil ein Unschuldiger vom Joker am Leben gelassen wurde, war er durch die Räume gegangen, immer in der Erwartung, dass er mit jedem weiteren Schritt in eine Falle tappen würde. Doch es hatte keine gegeben. Weder einen Trick mit doppeltem Boden, noch einen versteckten Plan oder Hinterhalt. Alles, was er vorgefunden hatte, war der leere Raum gewesen, in dem Mortimer Gunt und andere ihre Sektionen vornahmen, in einer Ecke die verängstigten Männer mit verheulten Augen, ein bisschen Blut - deutlich weniger, als es für den Clown üblich war- und auf der Bahre schließlich die falsche Bombe, dekorativ geziert von einem Zettel, auf dem stand: Nur ein Scherz... Dieses Mal Neben ihr hatte eine Jokerkarte gelegen. Bruce runzelte grüblerisch die Stirn. Der Freak hätte das Gebäude in die Luft jagen können, und Batman hätte seinen Hinweis dennoch gefunden und verstanden. Warum also hatte er es nicht getan? Mit einigem Widerwillen nahm er die Spielkarte in die Hand, um ein weiteres Mal den Einzeiler zu lesen. Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft er das in den letzten zwei Stunden getan hatte. Alles, was man braucht, ist ein Ass im Ärmel Bruce erinnerte sich. Das hatte der Psychopath ihm unten bei den Docks gesagt und mit der unauslöschlichen Erinnerung an den gefallenen Staatsanwalt, einstmals die Hoffnung Batmans und aller Bürger auf eine saubere Stadt, war ein böser Verdacht in ihm gekeimt, der ihn nervös machte. Seit er die Morde Harvey Dents vor vier Monaten auf sich genommen hatte, war es ihm aber nicht mehr möglich ihn zu überprüfen. Batmans Chancen, sich in die Computer des Leichenschauhauses einzuklinken um sich persönlich davon zu überzeugen, dass in Fach Nummer 38 tatsächlich der richtige Mann gelegen hatte, bevor er eingeäschert worden war, waren mehr als gering. Zumindest wenn er vermeiden wollte dem ein oder anderen engagierten Jungcop in die Arme zu laufen, der sich aus seinem Anzug eine Karriere und einen guten Ruf schneidern wollte. Daher wartete er. Und wenn es eines gab, das Bruce Wayne mehr hasste als den Joker, dann war es dazu verdammt zu sein, zu warten. Just in diesem Moment läutete das Telefon in seiner Hosentasche. “Sie hatten Recht”, Gordon musste sich nicht mit langen Höflichkeitsfloskeln und einer Vorstellung aufhalten, er war der einzige, der Batman anrief, “der DNA-test beweist es. Die Asche stammt keinesfalls von Harvey Dent. Großer Gott, wie konnte das nicht bemerkt werden?” “Wie konnte an jenem Abend nicht bemerkt werden, dass er noch am Leben ist?!” Batman atmete deutlich hörbar aus. Es war kein direkter Vorwurf, der aus ihm sprach, vielmehr grenzenloses Unverständnis und nicht zuletzt ein großes Maß an Wut darüber, dass ausgerechnet ein Mörder und Verbrecher wie der Joker sie darauf aufmerksam machen musste. Böse Vorahnungen befielen ihn wie eine Seuche. Vor einer Woche war die Geißel Gothams, kaum hatten die Wärter ihn einen Moment aus den Augen gelassen, aus Arkham ausgebrochen und hatte während seiner Flucht seine blutige Handschrift im medizinischen Personal hinterlassen… …mit einem Gemüseschäler! Der Himmel weiß, woher er ihn hatte! Einem der weiblichen Ärzte hatte er feinsäuberlich Hautstreifen vom Gesicht geschält, bevor er sich erbarmt hatte sie umzubringen, schmale Streifen in Form eines Schnurbarts einer Katze. Beim Anblick der jungen Frau war Bruce aufgegangen, dass, je grausamer eines der Opfer am Ende aussah und je qualvoller es starb, desto mehr Spaß der Joker daran hatte. Wie er dieses Monster doch verachtete… Und nun war Dent irgendwo in der Stadt, genesen von seinen Verbrennungen und dem schweren Sturz in die Tiefe, der ihn hätte töten müssen. Und wer konnte es ihm verübeln, sänne er immer noch auf Rache? Rachel. Mit Trauer dachte er an sie, schwieg betreten bei der Erinnerung an ihre lachenden Augen und dem Versprechen, das sie ihm gegeben hatte. Er hätte sie geheiratet. Sie wäre es gewesen. Sie hätte auf ihn gewartet, auf die Zeit, in der die Stadt Batman nicht mehr brauchte. In einem Anflug von Wut, verzweifelter rasender Wut, die in ihm wucherte und gärte und das seit Wochen, schleuderte Bruce das Glas Scotch gegen die Wand. Das KLirren und Splittern klang gut in seinen Ohren, zu sehen wie sich nach dem Gewaltausbruch die rotbraune Flüssigkeit in den feinen Rauputz saugte, tat ihm ungemein wohl. Wie sehnlich er sich in diesem Moment wünschte, der Joker wäre hier. Er würde ihm den Schädel einschlagen bis er durch seine verdrehte Form von Logik durchgedrungen wäre, bis er das letzte bisschen Verstand auf dem Grund des Wahns erreicht hätte. Mit jedem Schlag würde er ihm Respekt vor dem Leben einprügeln, Respekt vor jedem einzelnen Opfer und vor Rachel, und er würde es genießen, er würde es genießen ihm das morbide Grinsen aus dem Gesicht zu treiben. Danach würde er seinen Hintern zurück nach Arkham schleifen, auf dass er dort verrotte! “…man? Batman? Sind sie noch da?”, dröhnte die Stimme Jim Gordons aus dem Handy in seiner Hand. Mit einem Ächzen ließ sich Bruce in einen Sessel sinken und stützte seinen Kopf in die Handflächen. Es würde niemals aufhören. Die Stadt produzierte ihre Mörder, Vergewaltiger, ihre Irren und Psychopathen, die ganze Bandbreite an Gesindel, wie die Fliegen sich im Sommer vermehrten. Wäre der Joker fort... es würde ein anderer kommen. Nach einigen Minuten, in denen er nichts mehr dachte, er da saß und aus den großen Glasfassaden des Waynetowers auf die Skyline Gothams blickte und Gordon ihn wild beschwatzte, besorgt und aufgeregt, er bald schon ins Telefon schrie, war der Ausbruch vorbei und Verstand und Vernunft regierten ihn wieder: Wenn der Clown sich selbst auch nicht mit etwas Primitivem wie Rache befasste, war ein solches Gefühl schließlich viel zu persönlich und nahe gehend, lag es dennoch nahe, dass er sich mit Dent - noch immer verweigerte er sich dem Namen Twoface- zusammen tun würde. Und Bruce mochte sich das neue Szenario nicht ausmalen. Es fröstelte ihn regelrecht bei dem Gedanken, was diese beiden imstande waren anzurichten. Mit einem zusammenziehenden Gefühl im Magen gestand er sich ein: Die Ruhe vor dem Sturm, sie war wohl unwiderruflich zu Ende. Er führte sein Mobiltelefon ans Ohr. “Ja. Ich bin noch da…. Ich bin immer da”, antwortete er und legte auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)