Die Abenteuer der Geschwister Ienari von Ubeka ================================================================================ Prolog: -------- Ein kühler Wind fegte über die grasbewachsene Ebene. Es war erstaunlich kühl auf dem kleinen Bauernhof, nur in der Scheune, wo der junge Kamatari arbeite, staute sich die Hitze. Der gelbe Kater von 14 Jahren schaufelte das Heu schwitzend mit seiner Heugabel zu einem großen Haufen zusammen. Er trug eine schwarze Hose, ein weißes Hemd mit hochgekrempelten Armen und die alten Lederstiefel, die ihm sein Vater geschenkt hatte. Kamatari fluchte "Blödes Heu, hoffentlich ist bald Mittagspause!" Er schleuderte den nächsten Haufen Heu zu dem Rest, als er eine bekannte, weibliche Stimme hörte. "Na, wieder schwer am Schuften, Kamatari?" Der Kater drehte sich zu seiner Zwillingsschwester um, die in ihrem neugenähtem Kleid hinter dem Scheunentor hervorsprang. Ihr langes, braunes Haar trug sie offen und grinste ihren Bruder an. "Was machst du hier, Arisa? Du sollst Mutter doch in der Küche helfen!" meinte Kamatari genervt, doch Arisa entgegnete keck "Ach, ich soll dich nur zum Essen holen, nachdem ich Mutter in der Küche geholfen habe!" Danach ging sie wieder davon. Kamatari warf sofort seine Heugabel weg und lief ihr hinterher. Er rief "Warte, ich will auch noch was abkriegen!" Zusammen mit den zwei Arbeitern und den Eltern saßen die beiden Geschwister wenig später am Esstisch, auf dem der große Topf voll Tomatensuppe stand. Wie immer lobten Will und Jack, ein aufrechtgehender Leguan und eine etwas alte Bulldogge, das Essen von Frau Ienari, Arisas und Kamataris Mutter. Der Vater schlürfte still die Suppe, bis er schließlich sagte "Wir haben heute die Schafe geschert... aber der Zaun muss repariert werden. Heißt, wir können nicht in die Stadt, heißt, dass mindestens du, Kamatari, die Wolle verkaufen müsstest." Kamatari hörte kurz auf zu essen und blickte seinen Vater fragend an. "Ich soll in die Stadt? Bist du sicher?" Der graugefärbte Vater segnete das ganze nur mit einem bejahendem " Hm." ab. Herr Ienari war immer etwas wortkarg und erläuterte nur selten, warum wer was tun solle. "Oh, ich will unbedingt mitkommen, ich war noch nie in einer richtigen Stadt!" meldete Arisa sich begeistert zu Wort. "Es wäre sowieso schön, wenn ihr beide mal ein wenig Tapetenwechsel bekämet." bemerkte Frau Ienari. Will stupste Kamatari leicht mit dem Ellbogen und empfahl ihm augenzwinkernd. "Such dir am besten auch n heißes Mädel, die laufen dir doch ganz bestimmt nach!" Jack guckte etwas abwertend zu Will, er war der Meinung, die Zwillinge sollten sich in der Stadt hüten, die Gassen seien voller Gesindel, wie er sagte. Am Tag darauf blickten Arisa und Kamatari noch einmal zum Bauernhof zurück, bevor sie mit ihrem Karren voller Schafswolle sich zur Stadt aufmachen. "Meinst du, was Will gesagt hat, ist wahr?" fragte Arisa ihren Bruder. "Ach was, Will ist doch immer misstrauisch." Kamatari zog etwas stärker an dem Karren, er wollte schnell in der Stadt sein. Aus der Ferne tauchten schon die Türme des Schlosses auf, das über der befestigten Stadt auf einem hohen Felsen thronte. "Sag mal, warum musstest du unbedingt deine alte Mistgabel mitbringen?! Das Ding ist doch völlig unnütz in der Stadt!", beschwerte sich Arisa nach mehreren hundert Metern. Ihr Bruder sah das ganze gelassen. "Wer weiß, wann man sie noch braucht..." "Ja ja ja ja, von Arbeit kannst du aber sicher nicht reden, stimmt's, du Faulpelz?" "Pff..." entgegnete Kamatari nur, während die Stadt langsam immer mehr hinter dem Hügel auftauchte. Nach einer Viertelstunde waren die beiden endlich in der Stadt angekommen. Alle verschiedenen Tiermenschen kreuzten ihren Weg, den sie sich durch die florierende Metropole bahnten. "Man, dass soviele Leute auf einem Fleck sein können..." staunte Kamatari, während seine Schwester sehnsüchtig zu den Schaufenstern der Läden blickte. "Wie gerne würde ICH so ein hübsches Kollier tragen..." seufzte sie, doch ihren Bruder ließ das kalt. "Du weißt genau, dass unser Geld dafür nicht reicht... grr, wo zum Teufel ist denn hier der Markt?!" Kamatari ließ den Karren kurz stehen, um einen Wegweiser erspähen zu können, doch vor lauter Tiermenschen konnte er nichts dergleichen erblicken. "Du könntest auch einfach jemand fragen, schonmal darauf gekommen?" Genervt wollte Kamatari zu einem großen Bären gehen, doch aus einer Seitengasse stürmte plötzlich ein großer, beiger Drache. Er hatte sich in einen roten Mantel gehüllt und hielt etwas unter dem Arm. Er sah hinter sich und prallte gegen Arisa, als Kamatari gerade den Bären antippen wollte. Er drehte sich sofort um, als er seine Schwester schreien hörte. Es klimperte im selben Moment, doch das kümmerte den Kater nicht, er musste zu seiner Schwester. Sie lag auf dem Boden und er half ihr auf. Der Drache sammelte derweil hektisch einige Münzen ein und fluchte. Kamatari sah kurz zu ihm und rief dann "Hey, kannst du nicht aufpassen, wo du hinrennst?!" Der Drache sammelte das letzte Geldstück ein und gab bissig zurück "Wenn das Mädel mir auch in den Weg rennen muss! und was geht dich das überhaupt an, du Rotzlöffel?!" Der Drache richtete sich auf. Er atmete laut, wobei sich seine Nüstern immer wieder erweiterten. Auch Kamatari stand auf, seine Schwester blickte verwirrt zu ihm hinauf. "Du riskierst 'n großes Maul, du Rüpel! Du hättest dich wenigstens bei meiner Schwester entschuldigen können!", fauchte Kamatari den Drachen an, der einen ganzen Kopf größer war. Der Drache ließ ebenfalls nicht nach und sagte "Halt bloß dein dreckiges Maul, du Halbstarker! Typen wie dich würde ich in Minuten zerfleischen!" Kamatari achtete nicht auf die Tiermenschentraube, die sich um die beiden bildete, sondern verengte seine Augen zu Schlitzen und meinte "Große Töne spucken kann jeder, zeig mir doch, was du kannst!" Der Drache lachte beherzt. Mit einem Grinsen sprach er "Junge, du überschätzt dich! Alles, was du hast, sind deine kleinen Fäuste!" Kamatari packte sich die Heugabel und hielt sie dem Drachen unter die Nase. "Falsch, ich habe auch noch das hier!" Der Drache prustete los und auch viele der Zuschauer brachen in Gelächter aus über die ' Waffe' des Bauernkaters. "Kamatari, ich glaube, wir verschwinden einfach, es ist doch nichts passiert.", wollte Arisa ihren Bruder umstimmen, doch der entgegnete "Vergiss es, dieser Typ hat mich öffentlich beleidigt!" Der Drache beruhigte sich langsam wieder. "Nun? Was ist? Willst du nun kämpfen, oder nicht?", fragte er bissig. "Ich warte, du Großmaul!" Der Drache stürmte sofort nach vorne und schlug mit seinen Klauen nach Kamatari. Er konnte sich noch rechtzeitig ducken, doch als er versuchte, den Drachen in die Seite zu boxen, schnappte dieser sich seine Hand und warf ihn über sich. Mitten in der Luft ließ er ihn los. Für Kamatari verlief der ganze Flug wie in Zeitlupe, alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Er war sich sicher, er schlüge gleich hart auf dem Boden auf, doch urplötzlich schlugen seine Urinstinkte zu. eine Katze landet immer auf den Beinen... und so auch Kamatari am ende seines Fluges. Er war vollkommen unversehrt, als er auf allen vieren aufgekommen war. Er begab sich wieder auf seine Beine und lächelte den Drachen frech an. Der Drache wartet nicht lang, sondern griff schlagartig wieder an. Er wollte den Kater unter seinem mächtigen Fuß begraben, als eine laute Stimme rief "Sofort aufhören! Wir gehören zur Stadtwache!" Der Drache stoppte sofort und sah die gepanzerten Reiter auf sich zukommen. "Verdammt, bloß weg hier, sonst sind wir genatzt!", murmelte er und rannte davon. Auch all die Zuschauer taten gut daran, schnell zu verschwinden. Nur die Geschwister Ienari standen noch auf der Straße, als die Reiter ankamen. "Wer seid ihr?", fragte ein junger Wolf, der an der Spitze stand. "W- wir sind Arisa und Kamatari. Wir kommen von der Ienari-Farm..." Der Wolf blickte zu einem Bären, der als einziger auf einem Büffel riet. "Es sind bloß ein paar Bauernkinder, Uoruffu, kein Grund zur Aufregung!," meinte er, doch der Wolf, der scheinbar Uoruffu hieß, ließ sich davon nicht beirren. "Hier hat gerade noch ein Kampf stattgefunden, das verstößt gegen das Gesetz und wird mit einer Geldstrafe von 40 Silbermünzen geahndet!" Der Bär seufzte. "Man, Uoruffu, beruhig dich doch mal... das mit den Gesetzen ist schon lang nicht mehr das, was es früher mal war! Außerdem scheinen die beiden neu hier zu sein.", flüsterte er, dann wurde er laut und sagte "Hört mal zu, ihr beiden! Wir lassen euch diesmal ungeschoren davonkommen, aber macht sowas nie wieder!" "Oh man, das klingt ungefähr wie eine von Mutters Moralpredigten...", dachte Kamatari. Arisa versprach währenddessen "Wir werden euch keine Unannehmlichkeiten bereiten! Aber..." Der Bär hob fragend eine Augenbraue. "Was 'aber'?" "Aber könntet ihr uns sagen, wo wir den Marktplatz finden? Wir müssen die Wolle auf unserem Karren verkaufen." Uoruffu sagte "Zum Marktplatz geht es direkt gerade aus die Hauptstraße entlang. Ich begleite euch allerdings dorthin, nicht, dass ihr schon wieder Ärger macht!" "Wenn das so ist, Uoruffu, machen wir alleine weiter mit der Patrouille!", erwiderte der Bär und ritt mit den anderen davon. Der Marktplatz schien noch überfüllter als die Straßen der Stadt. Überall hatten Händler ihre Stände aufgebaut und priesen ihre Waren an. Ihr Geschrei hallte über den ganzen Platz. Es herrschte ohrenbetäubender Lärm. Kamatari stellte den Karren an einem freien Platz ab. Uoruffu ritt weiter, jedoch nicht, ohne die beiden noch mal zu warnen, er werde sie ihm Auge behalten. dann entfernte er sich auf seinem Ross. "Bildet sich ja sonstwas ein auf seine Pflicht, oder?" Arisa strich sich durch ihr Haar und antwortete "Er nimmt seine Aufgabe nunmal ziemlich ernst im Gegensatz zu dir, Kamatari! Du musstest natürlich wieder den Helden spielen, als der Drache mich aus Versehen angerempelt hat." "Hey, ich wollte nur DIR helfen!", regte Kamatari sich auf. "Wenn du meinst..." In den folgenden Stunden passierte nichts besonderes, die Wolle wurde zu einem vernünftigen Preis verkauft und die Geschwister wollten sich auf den Heimweg machen. Die Sonne ging bereits unter und die Geschwister debattierten, wer schuld sei, dass sie wohl nun erst in der Nacht nach Hause kämen. Kamatari wollte gerade abbiegen, als Arisas feines Gehör etwas wahrnahm. Sie hielt ihn zurück und spitzte um die Ecke. Eine fette Kröte maß sich mit... einem Drachen, um genauer zu sein, genau dem, der Kamatari wenige Stunden zuvor fast verprügelt hätte. Die Kröte war deutlich unterlegen, doch sie hatte noch Überlebenschancen. Der Drache war zwar schnell und hatte ein gutes Reaktionsvermögen, aber die engen Gassen machten ihm Probleme mit seinem massigen Körper. Doch schließlich erwischte er doch den Fettwanst mit seinen Klauen. Sie bohrten sich in sein wabbeliges Fleisch wie Widerhaken. Anschließend schmetterte der Drache seinen Gegenüber noch gegen die Wand, wo er langsam nach unten rutschte und an der Mauer des Hauses eine dicke Blutspur hinterließ. Der arme Kerl wollte davon kriechen, doch seine Kräfte verließen ihn und er blieb reglos auf dem Boden liegen. Der Drache bereinigte seine Klauen mit einem weißen Tuch von dem Blut. Die Geschwister Ienari zitterten am ganzen Leib, dieser Typ hatte gerade jemanden umgebracht - und das würde er wohl mit ihnen genauso machen, wenn er sie erwischen würde. "W- wir müssen die W- wachen infor- informieren!", flüsterte Arisa. Der Drache war bereits dabei, die Gasse zu verlassen. Kamatari war ganz starr vor Schreck und rührte sich keinen Millimeter. "Komm!", zischte seine Schwester panisch, doch da kam der Drache bereits aus der Gasse, wo sich grade noch ein Kampf zugetragen hatte... Kapitel 1: ----------- "Was seh' ich denn da? Die Miezekätzchen von heute Nachmittag!" lachte der Drache mit einem Hauch von Verachtung in der Stimme. Zitternd standen Kamatari und Arisa nebeneinander. Arisa wollte gerade etwas sagen, als der Drache bereits ihren Bruder gepackt und im Würgegriff hatte. Kamatari strampelte und versuchte, sich vom festen Griff des Reptils zu befreien. "Ihr habt das grad gesehen, richtig?! Vorhin wärest du noch mit ein paar Schmerzen in der Magengegend weggekommen, aber jetzt wirst du wohl dem miesen Halsabschneider da drüben Gesellschaft leisten!" "L- lassen sie ihn los!!" schrie Arisa. "Ah, dich hab ich ganz vergessen!" Er griff nach Arisa, aber sie sprang zur Seite und nutzte die Gelegenheit, um dem Drachen eine mit ihren Krallen zu verpassen. Geschmerzt schrie der Drache auf, dünne, rote Streifen zogen sich über seine Hand. Er fluchte "Du kleines Biest, komm her!!" Erneut wollte er sie packen, doch diesmal machte ihr Bruder dem Drachen Probleme. Notgedrungen machte er Gebrauch von seinem scharfen Gebiss. Erneut schrie der Drache auf und ließ Kamatari fallen. Jedoch schlug er gleich mit seinen Klauen nach ihm. Kamatari wurde von seiner Schwester zu Boden gerissen und entkam so dem vermutlich tödlichen Schlag. Er schnappte sich schnell die gute alte Heugabel und wollte damit den Drachen in den Hals stechen, falls er eine falsche Bewegung machen. "Ha! Jetzt sitzt du in er Falle, Großmaul!" triumphierte Kamatari. "Gut gemacht, Kamatari, jetzt können wir diesen gemeinen Mörder hinter Gitter bringen!" freute sich Arisa, doch der Drache knurrte "Wenn ihr junges Gemüse wüsstest, was für einen Gefallen ich der Stadt getan habe, als ich diesen Mistkerl meine Klauen habe spüren lassen! Aber was soll man auch erwarten von ein paar Bauerntölpeln!" "Hey, werd bloß nicht frech, sonst macht deine Kehle Bekanntschaft mit meiner Heugabel!" "Übertreib's nicht, Kamatari..." zischte Arisa. "Grr... wenn jemand mitbekommt, dass ich von zwei Miezekätzchen eingebuchtet werde, ist mein ganzer Ruf im Eimer! Ich mache euch ein Geschäft: Ihr lasst mich laufen und bekommt dafür 50 Goldstücke! Ist das nicht was?" Arisa weigerte sich augenblicklich "Vergiss es, wir lassen doch keinen kaltblütigen Mörder ungeschoren davonkommen!" Hufgetrampel hallte dann auf einmal durch die leere Straße. Es schienen wieder Wachen zu sein, diesmal waren es zwei Panther und ein Krokodil, alle drei in schwere Rüstungen gepackt. "Was ist hier geschehen?" fragte einer der Panther. " Dieser Kerl da hat grade jemanden in der Gasse dort drüben ermordet, wir haben es gesehen!" erklärte Arisa und deutete zur Leiche der Kröte. Der zweite Panther stieg von seinem Ross und besah sich den Toten ein wenig genauer. Danach ging er zu dem Krokodil und flüsterte ihm etwas zu. "Ich verstehe... gut, dann nehmen wir diesen Übeltäter mal mit! Danke für eure Arbeit, ihr habt uns einen ungeheuer großen Dienst erwiesen!" Sie legten dem Drachen Ketten an und führten ihn ab. Als er ein letztes Mal zu den Geschwistern sah, konnte man in seinem Gesicht Wut, Verzweiflung und... Mitleid sehen. Es war bereits Nacht, als die beiden immer noch vergeblich nach einem Weg aus der Stadt suchten. "Na toll... wir hätten diese Wachen fragen sollen, wie wir rauskommen!" maulte Arisa genervt. Kamatari aber war ganz froh darüber, noch immer in der Stadt zu sein. "Um diese Zeit soll die Ebene nur so wimmeln von Fenrieren, Schlammhüpfern und sogar Hadeskötern. Da hab ich keine Lust durch die Dunkelheit zu irren, schließlich..." Er verstummte. Irgendetwas hatte ihn stutzig gemacht. "Schließlich?" fragte Arisa nach. "Psst... irgendetwas stimmt hier nicht..." flüsterte er. " Mit dir stimmt so einiges nicht." "Das meine ich nicht, Arisa... ich glaube, wir werden verfolgt." "Bitte nicht schon wieder so was wie vorhin... was sollten wir deiner Meinung nach tun?" fragte sie im Flüsterton. "Uns ruhig und auffällig verhalten." Sie gingen weiter und langsam merkte auch Arisa, dass irgendjemand hinter ihnen her zu sein schien. Gerade als die beiden erleichtert aufatmen wollten, weil sie sich scheinbar geirrt hatten, stürzte sich plötzlich ein schwarz gekleideter Unbekannter auf sie. In seiner linken Hand blitzte ein großes Messer. Noch bevor er allerdings zustechen konnte, rempelte eine schwere Gestalt ihn an und beförderte ihn zu Boden. In Bruchteilen einer Sekunde lehnte der Angreifer auch schon tot an einer Hauswand. "Mitkommen!" kommandierte eine tonlose und leicht heisere Stimme. Kamatari und Arisa warne viel zu perplex, um etwas zu sagen, geschweige denn sich gegen den festen Griff ihres Retters zu wehren. Sie wurden durch etliche Straßen und Hinterhöfe gezogen, bis sie schließlich in ein kleines, altes Haus gebracht wurden. Es war dunkel, das wenige Mondlicht, das durch die trüben Fenster fiel, genügte nur, um die Wände des kleinen Zimmers zu erkennen. Arisa und Kamatari zitterten noch immer am ganzen Leib, als der unbekannte Heisere sich an einen runden Holztisch saß. Der kleine Stuhl war morsch und drohte, unter dem Gewicht des Kerles zusammenzubrechen. Er holte ein Streichholz hervor, zündete es an und entfachte ein kleines Feuer in einem Kamin in einer Ecke des Zimmers. einige wenige Steine waren bereits vom Rauch schwarzgefärbt worden, scheinbar hatten manche beim Feuer-machen den Schlot überfordert. Im Licht der Flammen war auch nun zu erkennen, was sich noch im Zimmer befand. Nebst dem Tisch, zwei Stühlen und einer Treppe neben der Tür stand nur ein großer Schrank im Zimmer. Die Angeln der Schranktüren waren rostig und in der Mitte war der Schrank durchgebogen, kurz davor, entzweizubrechen. Kamatari fand endlich wieder die Sprache wieder und fragte "W- wer sind sie... u- und wer war d- dieser Kerl mi- mit dem Messer?" Der Kerl lachte einmal laut. Den beiden Katzen sträubten sich alle Haare und sie waren sich sicher, dass sie gerade nur vom Regen in die Traufe gekommen waren. Grinsend zog der Drache die Kapuze ab. Seine Zähne waren angsteinflößend im Licht der Flammen und die Blicke seiner kleinen Reptilenaugen ließen den beiden das Blut in den Adern gefrieren. Kamatari schluckte und packte bereits wieder seine Heugabel, während seine Schwester Arisa ihre Krallen bereithielt. "Nun beruhigt euch erstmal, ich bin nicht hier, um euch zu zerfleischen! Inzwischen ist das sinnlos! Da tu ich diesen Drecksäcken doch nur einen Gefallen!" "V- von wem sprechen sie?" stammelte Arisa leise. "Von den Bastarden vorhin, die sich als Wachen ausgegeben haben! Und die euch vor wenigen Minuten fast hätten umbringen lassen!" Der Drache gestikulierte wild mit den Händen, als er das ausrief. Kamatari konnte ihm nicht ganz folgen. "W- wieso hätten die uns u- umbringen wollen?" "Weil ihr mich und den Toten in der Gasse gesehen habt! Aber ich glaub, ich erklär das ganze mal lieber von Anfang an... wer diese Stadt bei Nacht nicht kennt, hat keine Ahnung, was sich hier manchmal abspielt." Arisa und Kamatari sahen sich an, sie trauten dem Drachen nicht, aber sie wussten, dass sie nach dem Schock unmöglich in der Lage wären, noch einmal über ihn zu triumphieren, deswegen zogen sie es vor, zu schweigen. "Hier in Tokamisus treibt sich eine riesige Verbrecherbande rum. Na ja, eigentlich treiben sich von denen 'ne ganze Menge rum, aber die Typen, die ich meine, sind blutrünstige und widerliche Zeitgenossen! Sie tun alles, um sich langsam die Macht anzueignen und ich wette, das machen diese Schweine in ganz Kiaras! Sie heuern Meuchelmörder und Diebe an, lassen sie ihr Handwerk verrichten und sind selbst aus dem Schneider! Nur bei den wichtigen Sachen machen die sich selbst die Hände schmutzig... ich selbst hab' diesen elenden Halsabschneidern heute noch Geld erbeutet..." Die Geschwister Ienari erinnerten sich an dieser Stelle an den großen Beutel voller Geld, den der Drache dabeihatte, als er Arisa angerempelt hatte. "So hab ich dann zum ersten Mal persönlich Bekanntschaft mit denen gemacht... vorher hab ich bloß von 'n paar Kumpeln von dieser Bande gehört. Als die mich beauftragt haben, ihnen das Geld zu klauen, war noch abgemacht, dass die Hälfte der Beute mir gehört, aber vorhin dachten die wohl, die könnten mich ein wenig mit Wein abfüllen, um mir das ganze Geld abzunehmen. Da haben die aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die widerliche Kröte hat dann gesehen, dass ich schon ein bisschen mehr Alkohol vertrage. Tja, und jetzt liegt er nur wenige Meter von dem Wirtshaus entfernt als Leiche. Dummerweise habt ihr mich dabei gesehen. Zu dem Zeitpunkt hätte ich mich nur vor dem Galgen retten können, wenn ich euch ebenfalls um die Ecke gebracht hätte, aber ihr dreckiges Bauernpack habt mich dann solange hingehalten, bis drei weitere Bandenmitglieder kamen, sich als Wachen ausgegeben und mich dann weggebracht haben, um mich schließlich abzumurksen." Der Drache hustete kurz, dann fuhr er fort "Zum Glück bin ich denen entwischt. Und schon als sie mich weggebracht hatten, wusste ich, dass ihr jetzt auch auf ihrer schwarzen Liste steht! Wenn ihr bei den Wachen nachgefragt hättet wegen einer Belohnung oder so was, wäre das ganze aufgeflogen. Deswegen haben die diesen Assassin auf euch gehetzt, bloß blöderweise war ich gerade zur Stelle und konnte ihnen einen Strich durch die Rechnung machen!" Er lachte wieder und wippte ein wenig mit dem Stuhl. Trotz dieser ausführlichen Erklärung verstand Arisa noch immer nicht ganz "Aber wieso haben sie uns dann gerettet? Wir wissen doch von dem Mord und stellen für sie eigentlich noch immer eine Gefahr dar." "Bist du wohl still, Arisa?!" fluchte Kamatari und schlug sich die Hand gegen die Stirn. Der Drache schmunzelte, bevor er antwortete. "Ich käme damit nur dem Wunsch dieser Aasgeier entgegen, wenn ich euch umbringen würde... außerdem solltet ihr euch schon gut überlegen, ob ihr mich verpfeifen wollt, wenn ich euch gerade erst das Leben gerettet habe!" Damit hatte der Drache gar nicht so unrecht, er hatte jetzt einen ziemlich großen Stein bei den beiden im Brett. Das war das, was sie am meisten störte, besonders Kamatari konnte sich nur schwer vorstellen, sich mit diesem Drachen anzufreunden. "Hehehe, ich seh' schon, das behagt euch gar nicht. Aber damit müsst ihr jetzt leben!" "Und was machen wir jetzt? Wir sitzen bis morgen früh hier fest, vorher können wir unmöglich nach Hause!" Kamatari sah wenig Hoffnung, denn sicher wären die Kerle noch immer hinter den Ienaris her, wenn sie den toten Killer sähen. "Wie viel Geld habt ihr bei euch?" fragte der Drache. Arisa warf einen Blick in einen kleinen Beutel, in den sie den Erlös aus dem Verkauf der Wolle getan hatte. "Ungefähr 24 Silbermünzen." Der Drache rieb sich sein Kinn. "Das dürfte reichen..." "Wofür reichen?", fragte Kamatari misstrauisch. "Zusammen mit dem Geld aus dem Raubüberfall reicht das für eine längere Flucht." "Wir sollen fliehen? Das geht nicht! Unsere Eltern werden sterben vor Sorge!" "Wir haben keine andere Wahl, Mädel. Die Schweine werden sicher durch ihre Kontakte rauskriegen, wer ihr seid. Und dann werden sie euer zuhause überwachen... wir müssen bis morgen hier durchhalten, dann müssen wir schnellstens hier weg.", erläuterte der Drache. Arisa war nicht überzeugt nach der Erzählung des Drachens. "Aber wohin sollen wir denn? Wenn diese Bande in ganz Kiaras ihr Unwesen treibt, sind wir doch nirgends vor ihnen sicher!" Der Drache kramte in seinem Umhang. Er holte ein zusammengerolltes, dreckiges Stück Papier hervor und breitete es auf dem Tisch aus. Kamatari und Arisa rückten näher. Mit einem Fingerzeig deutete der Drache auf eine große Stadt am südlichen Zipfel der Westseite Kiaras'. In geschwungenen Lettern stand dort "Mianato". "Da müssen wir hin. Von dort aus können wir uns sicher irgendwie in den Osten bringen lassen. Wenn wir es geschickt anstellen, werden diese Kerle nie erfahren, dass wir je die Westküste verlassen haben." "Das ist aber ein ganzes Stück... das dauert doch ewig, bis wir da unten sind!", kommentierte Kamatari widerwillig. Arisa wies ihn zurecht "Gerade das wird für uns nur von Nutzen sein! Je weiter weg wir gehen, desto geringer steht die Chance, dass wir von der Bande eingeholt werden." "Wir müssen aber trotzdem auf der Hut sein. Die Bastarde werden alles daran setzen, uns in die Finger zu bekommen, wie ich schon sagte... das ist ein weit verbreiteter Verbrecherverbund." Kamatari und Arisa überlegten... sie sollten sich für lange Zeit von Mutter, Vater und all ihren Bekannten trennen... Arisa rollte eine Träne über ihr Gesicht, während Kamatari diesen Tag verfluchte und sich insgeheim wünschte, nie diese Stadt betreten zu haben. Schließlich willigten sie aber doch in den Plan des Drachens ein. Daraufhin setzte sich Kamatari an den Kamin, während Arisa am Tisch Platz nahm. Sie und der Drache blieben alle noch lange wach, denn sie konnten nicht schlafen bei dem Gedanken an die Bande und ihre Helfershelfer. Erst gegen 3:00 Uhr nachts fanden sie einige wenige Stunden Schlaf, in denen sie bereits von ihrer bevor stehenden Reise träumten... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)