A Heroine Copper von MadameFleurie (....wo bleibt da der Spaß?) ================================================================================ Kapitel 1: Sag mir, magst du Scherze, Liebes? --------------------------------------------- Ein Fabrikraum, inmitten der unzähligen Häuserblocks in dieser gottverdammten Stadt. Keine sonderlich tugendhafte Gegend, kein Wohlstand, keine Loyalität. Statt dessen bestimmen Gewalt, Armut und organisierte Kriminalität den Alltag der hier ansässigen Personen, zeichnen sie, prägen sie. Machen sie haargenau zu dem, was sie sind. Es ist mein Gotham. Schmutzig, anarchistisch und ohne jede Chance auf Gerechtigkeit. Ich kann nicht sagen, wie lange ich hier lebe, es tut nichts zur Sache. Und auch die Frage, ob ich es bin, der diesen Ort so verdirbt und herunterwirtschaftet, oder ob es der Ort ist, der dies mit mir tut, ist nicht von belang. Etwas in mir drin trieb mich hierher. Also bleibe ich. Intentionen, die schon immer da waren, die nie verschwinden werden und mich lenken, steuern, hetzen. Brenne, quäle, drohe. Töte. Ich sehe keinen Grund, diesen Drängen nicht nachzugeben. Ein Drängen, dass durch mein Messer hindurch nach draußen bricht. Nun ja. Der Fabrikraum. Mein so genanntes “Arbeitszimmer”. Eine heruntergekommene Absteige für Projekte, die solange unter Verschluss bleiben, bis ich entscheide, dass sie an die Öffentlichkeit dringen dürfen. Mehr nicht. Die Zeiten, in denen die Putzfrauen nach Fabrikschluss mit ihren Wischmopps über diesen Boden gegangen sind, sind längst Geschichte. Und auch die Fenster haben schon bessere Zeiten gesehen. Ein über die Jahre entstandener Schmierfilm hindert das Licht daran, Helligkeit unter mich und meine Handlanger zu bringen. Natürlich könnte ich das ändern. Aber Sauberkeit wird überbewertet. Ein blank geputztes Zimmer nützt nicht, wenn darüber hinaus die wichtigen Dinge vergessen werden. Bei meiner Arbeit geht es um Schnelligkeit, Organisation und Zuverlässigkeit. Wir brauchen die uns zur Verfügung stehende Zeit, jede Sekunde. Für übertriebene Eitelkeit ist da kein Platz. Die Fliesen an der Wand sind zum Teil abgebröckelt, liegen zerbrochen quer über den ganzen Boden verstreut. Steigst du darüber, knirscht’s unterm Schuh. Darunter: Beton. Die Möblierung ist eher schlicht. Ein Tisch, Stühle, Neonröhren an der Decke. Ein alter Kühlschrank, von dem es mich wundert, warum er in seinem Zustand überhaupt noch irgendeinen Dienst leistet. Und eine Pritsche in der Ecke für Gäste, die unfreiwillig diesen Raum betraten und doch länger bleiben werden. Ihre grüne, aus Leinen gefertigte Liegefläche zeigt Spuren verschiedenster Blutgruppen, erfüllt ihren Zweck jedoch vollkommen. Weiß nicht, ob unsere... ‘Gäste’ das genau so sehen. Sie scheinen sich nicht recht wohl zu fühlen. Man könnte gar meinen, sie hätten Angst. Gelegentlich recht amüsant, das Ganze. Auf dieser Pritsche jedenfalls sitzt eine junge Frau. Ihr Haar, dass sie ursprünglich zu einem Pferdeschwanz gebunden trug, ist inzwischen so zerzaust, dass die Bezeichnung Frisur irreführend ist. Die Pupillen sind geweitet, die Haut bleich wie Kalk, sie glotzt apathisch in die Ferne. Dicke Ringe unter den Augen, als sie hierher kam, zitterte sie am ganzen Leib. Inzwischen weint sie vor sich hin, erhofft sich Hilfe von mir, die sie, und daran besteht kein Zweifel, nicht bekommen wird. Dass sie der Grund ist, warum ich mich heute amüsiert habe wie schon lang nicht mehr, ändert nichts daran. Vor knapp drei Stunden sammelten wir sie am Bahnhof ein, ein kleines Geschenk des Gotham Police Department an mich, den Joker. Gefürchtet und geächtet. Vergöttert und gehasst. Interessiert mich nicht. Am Bahnhof aber war ich aus vollkommen anderem Grund. Geschäfte pflegen, Kontakte knüpfen. Ich war verabredet, das übliche. Dieser Ort, Treffpunkt für Junkies und Stricher, eine nahezu justizfreie Zone, zieht Gauner und Kriminelle nahezu magisch an. Als wir dort etwas Abseits standen, außerhalb der Reichweite umliegender Straßenlaternen, stand sie plötzlich direkt vor uns. Detective Brown, Susan Brown. Sie trug keine Uniform, bewegte sich jedoch nicht wie ein Bulle im zivilen Dienst. Die erkenne ich auf den ersten Blick. Der Grund für ihr Erscheinen lag also woanders. Stillschweigend betrachteten wir sie aus unserer finsteren Nische, während sie nicht wusste, wer ihr da im Rücken auflauerte. Ihr Mantel passte nicht, sie war zu dünn. Ständig und nervös zog sie an ihrer Zigarette. War eine erloschen, steckte sie sofort die nächste an, während sie aus den Augenwinkeln unruhig ihre Umgebung abscannte. Ein Schmunzeln auf meinen Lippen. Kam da jemand auf Cold Turkey? Turkey. Turkey... Turkey. Ausgerechnet die. Susan Brown, bekannt für ihre genaue und zuverlässige Arbeit. Immer selbstbeherrscht, immer eiskalt. Immer berechnend. Man könnte doch glatt glauben, sie habe immer alles unter Kontrolle. Zwei Mal hat sie mich vernommen, tat ihr bestes um mir zuzusetzen. Hat es nie geschafft. Hat MICH nie geschafft. Tut keiner. Kam immer raus, blieb immer frei. Dafür starben vier ihrer Kollegen durch meine Hand. Die meisten waren enttäuschend. Weinten, flehten, wimmerten. Nicht das, was man von einem Bullen erwartet. Also lachte ich und drückte mein Messer immer tiefer in sie hinein. Schnitt ihnen die Kehlen auf, wenn mir ihr Geschrei lästig wurde. Schaute ihnen dann beim Ausbluten zu. Ich konservierte alles auf Videoband und schickte es nach einer gewissen Zeit an das GDP. Hat die Bullen ziemlich gefreut. Detective Brown scheinbar auch. Und zwar so sehr, dass sie nun an der Nadel hängt. Erklärt natürlich auch, warum sie plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwand. Fixer sind zwar förderlich für die Wirtschaft hier, genau genommen aber sind sie der letzte Abschaum. Sie vermachen ihr gesamtes Hab und Gut meinen “Freunden” der hier ansässigen Mafia und sterben eines Tages ganz unbeachtet und vergessen in der Gosse. Mit dem ersten Druck werfen sie ihren so genannten “gesellschaftlichen Nutzwert” über Bord. Ein langsamer Selbstmord, nichts weiter, versucht durch das Unmögliche. Kontrollerhaltung durch Rauschmittelkonsum. Die Illusion der Kontrolle. Lächerlich. Der Mensch erschafft sich Regeln, um sich selbst zu suggerieren, er sei sicher. Hahaha. Irgendwann dann, als ich sie lange genug betrachtet hatte und überlegte, ob dies nicht eine Situation war, die man ausnutzen könnte, ging mir ein Licht auf. Ein heroinsüchtiger Bulle. Auf dem Präsentierteller. Wenn das kein Geschenk war. Ich nickte den Typen zu, die mit mir hier waren - Kanonenfutter für den Ernstfall - und deutete auf Brown, die uns noch immer nicht bemerkt hatte. Ohne großes Zögern umstellten sie die Frau, während ich mich im Schatten hielt, zusah. Meine Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen, während ein siegessicheres, leises Lachen über meine Lippen drang. Als keiner in der Nähe war, packte man sie, zog sie in die dunkle Gasse und schlug sie nieder. So einfach war das. Erst auf dem Rückweg wurde sie gefesselt und geknebelt und als sie letztendlich erwachte, befand sie sich dort, wo sie jetzt immer noch ist. Auf der Pritsche. Inzwischen scheint sie wieder bei klarem Verstand zu sein. Es wird Zeit. Ich lege den Stift, mit dem ich, während ich die Unterlagen überflog, gelegentlich etwas anstrich, aufs Papier, lasse meinen Nacken und die Fingerknöchel knacken und stehe auf. Sofort gefriert ihr Blick und sie kriecht, während ich langsam - fast bedächtig - auf sie zugehe, auf der Pritsche zurück, bis sie gegen die Wand stößt. Wie nebensächlich streife ich die Handschuhe ab, schiebe sie in die Taschen meines Mantels und bleibe letztendlich vor ihr stehen. Schweige. Der kalte Schweiß bricht ihr aus und ihr Gesicht wird noch blasser als zuvor. Ich kenne dieses Verhalten. Es beruht auf der Ruhe, die ich ausstrahle. Eine Ruhe, die jemand versprüht, der schon oft getötet hat und es noch oft tun wird. “Magst du Scherze?” Ein wenig beuge ich die Knie, um ihr direkt ins Gesicht blicken zu können. Den Kopf neige ich ein wenig, starre sie an, registriere jede Regung in diesem Körper. Sie antwortet nicht. So, so. “Da haben wir aber ein stilles Wasser erwischt. Wenn du mich fragst, schmeckt das mit Kohlensäure wesentlich besser, aber...” Während ich rede, richte ich mich auf, lasse sie nicht aus den Augen. Meine Stimme klingt provokant, nahezu flapsig. Warum auch nicht? Sie ist mir ausgeliefert. “...weißt du, stilles Wasser trinkt sich einfach viel besser. Nachvollziehbar, nicht wahr? Man trinkt es schneller, und es rumort nicht so im Bauch herum. Hahaha. Also dann.” Das Schmunzeln aus meinem Gesicht schwindet, und ich knurre mehr, als das ich spreche. “Scherze...!” Sie zuckt zurück, und ihre weißt aufgerissenen Augen starren mich an. Blutunterlaufene Augen. Liegt es an mir oder an dem Cold Turkey, der ihr gerade durch die Adern braust? “...bringen Gelächter unter die Menschen. Eine wahre Bereicherung für uns alle, nicht? Was wäre der Mensch ohne Gelächter.” Blanke Ironie. Wieder rührt sie sich nicht. So etwas hasse ich. Wie soll ich mit etwas spielen, was keine Reaktion von sich gibt? Tote Gegenstände sind mehr als langweilig. Wut rauscht in mir hoch, doch ich bewahre die Beherrschung. Statt dessen strecke ich, beinahe ruckartig, die Hand aus, fixiere ihr Gesicht und zwinge sie somit, mich anzusehen. Die Schminke, die Narben. Den Menschen darunter erkennt sie nicht. Ihre Tränen rinnen über meine Finger und tropfen auf den grünen Leinenstoff. Hinterlassen keine Spuren. Andere Flüssigkeiten schon. Sie hat Angst, ja. Sie weiß, was ihr blüht, oh ja. “Oh, du denkst an deine Kollegen, nicht wahr?”, frage ich sie und verziehe die Mundwinkel ein wenig. Wirklich wahr nimmt man dies jedoch nicht. Dafür sorgt die rot grinsende Fratze auf meiner Haut. “Wie sie gestorben sind, feige... nutzlos. Mädchen, du musst wissen, ich hatte nichts gegen sie. Sie waren ein Mittel zum Zweck, genau wie du. Ganz unpersönliche Sache. Rein geschäftlich.” Sie bettelt, ob ich sie nicht gehen lassen könnte. Sackt in sich zusammen, wie ihre Kollegen auch. Was ist nur mit der heutigen Polizei los? Enttäuschend ist das, nichts weiter. Nichts weiter. Und natürlich werde ich sie nicht gehen lassen. Warum auch? So eine Gelegenheit bietet sich nicht oft im Leben. Sie hat mich beinahe dazu eingeladen, sie umzubringen. So erfolgreich, einst, jetzt so weit unten. Lächerlich. Das Gotham Police Department freut sich sicherlich. Genau genommen tue ich der Stadt einen Gefallen. Ein Junkie weniger, in der Regel interessiert das ohnehin kein Schwein. Aber, oh diese Tragik. Ja, die Tragik! Es wird ihnen mehr wehtun also sonst. Es wird sie mehr verunsichern und das Chaos, welches ich sähe, weiter ausdehnen als sonst. So ein geiler Job. ‘Ne echt geile Sache. Meine Augen huschen kurz über die roten Schwellungen in ihrem Gesicht. Gut zugeschlagen müssen sie haben. Die anderen. Unübersehbare blaue Flecken würde das geben. Aber die erlebt sie nicht mehr. “Nun schau mich nicht so vorwurfsvoll an.” - Sie macht sich damit mehr als lächerlich. “Bei deinem Lebenswandel ist es ohnehin nur noch eine Frage der Zeit, bis man dich tot aus irgendeiner Toilette raus fischt. Du solltest mir lieber dankbar sein, genau genommen tue ich dir nur einen Gefallen. Es ist ein ewiges Geben und Nehmen, nicht wahr?” Den beabsichtigen Effekt erzielen meine Worte jedoch nicht. Statt dessen wehrt sie sich verstärkt, ihre Wange drängt gegen meine Hand. Sie weckt in mir das Bedürfnis, ihr ins Gesicht zu schlagen. Aber es geht doch schöner. Meine Finger gleiten in die Tasche meines Mantels, tasten nach einem harten Gegenstand und ziehen ihn hervor, klappen ihn auf und halten ihn an die Wange der mir gegenüber sitzenden Person. Ein Messer. Stahl. Kalt, hart. Scharf. Diese zuckt zusammen und schneidet sich dadurch beinahe ins eigene Fleisch. Wieder gehe ich in die Knie, beuge mich nach vorne, bis mein Gesicht ihrem ganz nah ist. Ich spüre ihren Atem auf meiner Haut, sanft, weich, weiblich. In immer wiederkehrenden, gleichmäßigen Abständen. “Weißt du”, frage ich, lecke mir über die Lippen und lege den Kopf ein wenig schief. “Woher ich diese Narben habe?” Ein schwaches Kopfschütteln ist ihre Antwort. War abzusehen. Ich rutsche ein wenig weiter nach vorne. Meine Lippen sind jetzt genau an ihrem Ohr. Sie zittert. Und wimmert. Es kümmert mich nicht. “Weißt du, es gab Zeiten, da war ich genau so ein feiner und rechtschaffender Bürger wie du. Gesicherte Existenz, Freunde - Beziehung - so normal, so ordentlich. Was für eine gesellschaftliche Bereicherung ich doch war. Dann verlor ich meinen Job. Keine. Amüsante. Angelegenheit. Nein. Aber die Sozialhilfe wollte ich nicht. Mich versklaven, abhängig machen von einer Gesellschaft, die mich ganz offiziell für überflüssig befindet. Niemals. Ich verlor also meine Wohnung, mein Mädchen, die Menschen, die mir wichtig waren und zog hierher. In diese Gegend. Kein besonders tugendhafter Ort, findest du nicht? Und so knüpfte ich Kontakte in eher Zwielichtige Gesellschaften. Nahm kleine Jobs an, trug irgendwann kofferweise Kokain durch Gothams Straßen. Nachts. Nun weiß man ja, wie das ist. Irgendwann dann war mir das Glück nicht mehr so hold wie zu Beginn. Sie schnappten mich. Nahmen mir die Ware ab und zerrten mich aufs Präsidium. Ich landete in einem kleinen, kargen Raum. Ein Tisch in der Mitte, Neonröhren. Du kennst das Spiel, was sie mit mir spielten. Verhör. Natürlich sagte ich nichts, also spielten sie weiter. Guter Cop, böser Cop. Und weißt du, was ich tat?” Sie schüttelt ihren Kopf nicht, nein. Aber ich weiß, dass ihre großen, aufgerissenen Augen ängstlich zwischen dem Messer und dem, was sie von meinem Körper ausmachen kann, hin und her zucken. “Ich biss mir auf die Lippen. Presste sie zusammen. Ganz. Fest. Das bloß kein Wort herausdrang. Und auch, als ich die ersten Tropfen Blut schmeckte, hörte ich nicht auf. Es machte keinen Unterschied. Hätte ich etwas gesagt, wäre ich ein toter Mann gewesen, den sie irgendwann aus irgendeiner Gasse herausgezogen hätten. Nun ja. Ich war nicht wirklich scharf auf sowas, und hielt die Klappe. Irgendwann dann verzogen sie sich und ließen mich allein. Gefühlte. Zwei. Stunden. Als dann das Licht wieder anging, waren sie zu dritt. Verschränkten mir die Arme auf den Rücken, pressten mich auf den Tisch. Einer griff mir in die Haare und riss mir den Kopf hoch. Und vor mir stand dann der dritte von ihnen, in seiner... perfekt gestärkten Uniform und einem Ego von perverser Größe. Gib den Menschen Macht, Liebes, und sie drehen durch. ‘Sonnenschein, schau doch nicht so ernst’, grinste er und schob mir das Messer, das er in der Hand hielt, ganz langsam in den Mund. So.” Nach und nach gleitet der Stahl des Messers durch ihre zusammengepressten Lippen hindurch. Keine Verletzungen, dennoch schreit sie auf. Es klingt wimmernd, schwach. Unwichtig. Was für eine kuriose Geschichte. Meine Stimme nimmt einen nahezu belustigten Tonfall an. “Weißt du, sie wollten mich doch nur lächeln sehen Für immer. Sie taten mir einen Gefallen, ähnlich wie ich dir heute, nicht mehr. Nichts persönliches, alles rein geschäftlich. Nicht? ‘So wirst du immer lächelnd durchs Leben gehen’, grinsten sie und schnitten mir die Wangen bis zum Kieferknochen auf. Ich war erst zwanzig, verstehst du? Zwanzig! Sie schmissen mich hinaus auf die Straße und löschten meinen Eintrag. Löschten den guten Jack. Was für ein Glück für mich. Was für ein großes Pech für diese selbstgerechten Heuchler, die sich heute die Finger schmutzig machen, nur um mich zu fassen zu kriegen. Den Clown. Den geisteskranken Psychopathen. Ich bin nicht verrückt. Nein, ich bin nicht verrückt. Sie haben mich doch erst zu dem gemacht, was ich jetzt bin!” Ich lasse sie kurz los, klopfe mir auf die Brust und blicke sie an. Ich kann beinahe fühlen, wie sie mit ihren Augen über mein Gesicht fährt, versucht, die Schminke zu ignorieren und meine Narben auszumachen. Wer ist der Mann hinter dieser Maske? Es gibt keine Maske, Liebes. Flüchtig fahre ich mit den Fingern über ihr Haar und mit dem Messer ihre Wange entlang. Dieses Mal kein Geschrei, lediglich ihre Muskeln versteifen sich. Eine absolut unbewusste Reaktion. Also befeuchte ich meine Lippen mit der Zunge, öffne den Mund, schließe ihn. Wortlos. An das leichte Schmatzen dabei habe ich mich längst gewöhnt, höre es nicht einmal mehr. “Weißt du, was ich tat, als es mir wieder besser ging? Ich begann, alles umzukrempeln. Oh ja. Ich löste mich von meiner alten Identität und ließ mir den Anzug schneidern, verkroch mich für ein paar Monate und ließ alles auf mich wirken. Als die Öffentlichkeit mich wieder hatte, war vom guten alten Jack nichts mehr übrig. Hallo Joker. Dann ging ich zu meinem Boss und jagte ihm und seinen Genossen eine Ladung Schrot in den Schädel. Keine Spielchen. Bloß zielen, abdrücken. Bam! Er sackte in sich zusammen wie ein alter Sack Kartoffeln. Eine kleine Bombe an die Polizei. Informierte sie über Telefon und drückte auf den roten Knopf. Ich stand keine zweihundert Meter daneben. Keine. Zweihundert. Meter.” Ich breche ab, geschüttelt von mehreren Lachern hintereinander. Kichernd wiege ich mich vor und zurück, dass Messer nach wie vor in der Hand. Die Erinnerung ist da, als sei sie erst gestern geprägt worden. Als ich mich beruhigt habe, atme ich schwer, ein Schmunzeln nach wie vor auf den Lippen. Ihr abfälliger Blick. Ist da noch etwas Polizistenwürde übrig geblieben? Ehe sie sich versieht, fixiert meine Hand wieder ihren kleinen Frauenschädel, und ohne auf den von ihr ausgehenden Überlebenskampf zu achten, schiebe ich ihr die Klinge in den Mund. Sie zuckt zusammen, als der Stahl einen Kratzer in ihre Lippen frisst. Selbst schuld. “Weißt du”, zische ich, lauter als beabsichtigt. Die Belustigung ist verschwunden, so laut ich eben lachte, so ernst bin ich nun. Knurre wie ein Hund. So tief. So gierig. Ich hole tief Luft und klinge, als ich weiterspreche, beinahe normal. “Ich bin mir sicher, dir würde diese Behandlung nicht sonderlich schaden. In gewisser Art und Weise erweitert es doch den menschlichen Horizont. Schau her.” Dabei ziehe ich das Messer ein wenig zur Seite, so, dass ein kleiner, wenn auch tiefer Schnitt entsteht. Sie heult auf, versucht, den Kopf wegzudrehen. Unnachgiebig halte ich ihn fest. Schraubstockartig. Gehe ans Werk. Ziehe die Klinge bis zum Kieferknochen hoch und durchtrenne dabei alles, was mir an Gewebe in den Weg kommt. Sie schreit, wehrt sich. Ja, kämpfe nur, streng dich an. Bringen wird’s dir nichts. Ich lache, versenke das Messer in ihrer linken Gesichtshälfte. “Tu es. Tu es! Hahaha. Bekämpfe mich, komm schon. Es war doch immer dein größtes Talent, ‘Abschaum’ wie mich hinter Schloss und Riegel zu bringen. Zeig’s mir, komm schon. Zeig’s mir!. Los! TU ES!” Blut rinnt über meine Finger, als ich sie loslasse und mein Werkzeug mit einem Tuch abwische. Wie sonst auch, stecke ich es zurück in die Manteltasche. Währenddessen beugt sich Brown nach vorne, schreit ihren Schmerz heraus und wiegt sich hin und her. Damit hatte sie in ihrer Karriere nicht gerechnet. So viel steht fest. Und schon nach kurzerZeit geht sie mir auf die Nerven mit ihrem Geheul. Stilles Sterben ist mir lieber. Viel ästhetischer. Na ja. Sie sieht es scheinbar ein wenig anders. Als hätten sie meine kleinen Schnitte in Ekstase versetzt, nimmt ihre sirenenartige Stimme an Lautstärke zu. Immer weiter. Immer weiter. Und mit zunehmender Lautstärke schießt mir die Aggression in die Adern. Blanke Wut. Ich springe nach vorne, bedecke Nase und das, was von ihrem Mund noch übrig ist, mit der Hand, so fest, dass sie mit dem Rücken gegen die Wand knallt. Sie versteht nun. Sie versteht, dass sie sterben wird. Durch mich. Oh ja. Ich sehe es in ihren Augen, und macht mich gierig nach mehr. Ich lecke ihr das Blut von der Wange, betrachte ihr Gesicht, das zuckt und angespannt ganz langsam eine bläuliche Färbung annimmt. So heftig, wie sie kämpft, wird sie in weniger als zwei Minuten tot sein, dass steht fest. Eine bleiche, leblose Puppe. Beinahe schön. Schön entstellt. Mit ihrem Tod beginnt der eigentliche Teil meiner Arbeit, ein weiterer Streich gegen das Gotham Police Department. Böse, bitter, unschlagbar komisch. Sie werden sich freuen, so viel steht fest. “Liebes, sag mir”, flüstere ich und lächele sie, während ich ihr weiterhin die Luft zum Atmen nehme, an. Langsam gleitet sie nach hinten, rutscht die Wand entlang herab und kommt erst auf dem grünen Stoff der Pritsche zum Liegen. Dort regt sie sich nicht mehr und wird es nie wieder tun. “Liebes sag mir. Sag mir, woher du deine Narben hast.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)