Hoffnung zu Asche von matvo (Schatten und Licht, Band 2) ================================================================================ Kapitel 17: Frühstück zu zweit ------------------------------ Hitomi räkelte sich genüsslich unter den warmen Schichten an Decken und schmiegte sich an das Kopfkissen. Langsam öffneten sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen und durch die Vorhänge Rot gefärbtes Licht streckte sich ihr entgegen. Es versprach ein wunderschöner Morgen zu werden, doch etwas fehlte. Es war still. Die monotonen Arbeitsgeräusche des Schiffes, die nur durch menschliches Treiben an Abwechslung gewannen, wurden zumindest aus dieser Koje raus gehalten, während der Koloss aus Stahl und schwebenden Felsen weit über der Erde schwebte. Sie vermisste nicht nur das Gezwitscher der Vögel, das sie auf der Erde jeden Morgen begrüßt hatte. Auch von ihrem Mann war nicht der geringste Atemzug zu hören. Ihr Mann. Der Gedanke jagte ihr Schmetterlinge in den Bauch, die daraufhin eine 180 Grad Drehung ertragen mussten. Bereits auf der Feier anlässlich ihrer Hochzeit hätten sie und Van sich fast gefetzt. Nicht gerade ein Traumstart in die gemeinsame Zukunft. Verunsichert drehte sich Hitomi zu der Seite auf der Van liegen sollte. Sein Platz war natürlich leer. Dafür, dass er so wild darauf gewesen war, mit ihr die erste von der Gesellschaft abgesegnete Nacht voll auszukosten, war er überraschend schnell aus dem Bett geflüchtet. Sofort begann sich Hitomi für diesen Gedanken zu hassen, doch ihre Zweifel blieben. Seit Merle die Hochzeit vorgeschlagen hatte, schien alles so klar gewesen zu sein. Jetzt aber musste die Braut feststellen, dass sie nur bis zur Eheschließung gedacht und das Danach effektiv ausgeklammert hatte. Was jetzt? Es wäre natürlich einfach, alles weitere Van zu überlassen und sich ihm zu unterwerfen, aber Hitomis Geist rebellierte gegen diese Vorstellung. Wenn Aston mit einer Sache Recht hatte, dann damit, dass sie sich nicht gerne unter buttern ließ. Stöhnend schlug sie ihre Hände vor das Gesicht. Die Hochzeitsnacht war gerade erst vorbei und sie dachte schon einen anderen Mann, der nicht einmal ansatzweise begehrenswert war. Sie musste aus diesem Bett raus, allein um auf andere Gedanken zu kommen. Kaum war sie aufgestanden, spürte sie die Luft auf ihrer Haut. Natürlich hatte Van sich gestern nicht die Zeit genommen ihr ein Nachthemd raus zu legen. Genervt zog sie eine der Decken vom Bett und wickelte sie um ihren Körper. Dass das Hochzeitskleid irgendwo herum liegen musste, fiel ihr erst einen Moment später wieder ein. Während eine Hand die Decke an Ort und Stelle hielt, schob die andere die Vorhänge zurück. Unter dem Schiff ergoss sich eine Landschaft aus Wäldern und Felsen, die langsam am Schiff vorbei trieb. Hitomi lehnte sich an die Fensterfront den Blick nach draußen gerichtet. Einen Moment lang ließ sie sich fort tragen, dann wandte sie sich dem Kleiderschrank zu. Doch ehe sie ihn öffnen konnte, öffnete sich die Tür zur Kabine. Entschlossen jeden, der es auch nur wagen würde, ungebeten ihr Heiligstes zu betreten, wieder raus zu schleudern, blickte sie auf und Van direkt in die Augen. Sie muss sehr erstaunt ausgesehen haben, denn Van hielt inne. „Guten Morgen, Sonnenschein. Stimmt etwas nicht?“, begrüßte er sie, während er die Tür mit einen seiner Füße zu schob und zum Bett ging, um ein Tablett, gefüllt mit Früchten, goldenen Brötchen und dampfender Tassen, darauf abzusetzen. Hitomi wollte vor Scham im Boden versinken. Ehe sie sich selbst mit negativen Gedankengut überschüttet hatte, war er aufgestanden, ohne sie aufzuwecken, um zur Kombüse zu gehen und das Frühstück zu holen. Sie hätte nur einen Moment investieren müssen, um seine Position und seine Absichten über ihr ständige Bindung zu erfahren. „Soll ich das wieder ausziehen?“, fragte Van spitzbübisch. Plötzlich passten die einfache Hose und das weite Hemd viel besser zu ihm, als noch vor einem Moment. „Lieber nicht, sonst wird der Tee kalt.“, lachte Hitomi. Schnell wischte sich die verräterische Nässe aus den Augen. Übertrieben enttäuscht nahm Van ihre freie Hand und geleitete sie vor das Tablett. Vorsichtig setzte sie sich auf die andere Seite des Tabletts, woraufhin er sich ebenfalls nieder ließ und wartete. „Und jetzt?“, fragte Hitomi, da nichts geschah. „Du musst anfangen zu essen.“, klärte Van sie auf, als wäre es das natürlichste der Welt. „Ich kann nicht vor dir anfangen.“ „Du machst mir Angst, weißt du?“, verkündete Hitomi und nahm die Tasse in ihre Hand. „Wie das?“, wunderte sich Van und steckte sich beinahe provokant genussvoll eine Weintraube in den Mund. „Vor unserer Hochzeit hast du dich einen Dreck darum geschert, ob ich angefangen zu essen oder ob ich nicht sogar schon fertig war. Du hast munter weiter alles in dich hinein gestopft.“ „Oh!“ Van tat geschockt. „Das sagst du besser noch mal in angemessener Form.“ „Du verstehst mich auch so, ich bin in ganz sicher.“, stichelte sie. „Weißt, dort wo ich herkomme, verwöhnen die meisten Mütter ihre Kinder, gleichzeitig aber halten sie die Kleinen an der kurzen Leine, um ja nicht von ihnen enttäuscht zu werden. Ich frage mich, ob du nicht auch das gleiche mit mir vorhast.“ „Du glaubst, ich halte dich für ein Statussymbol?“ „Nein...nun vielleicht...irgendwie schon.“ „Ich dachte du wolltest dieses Gespräch nicht in den Flitterwochen führen.“ Van tat sich mit der Bezeichnung des Urlaubs schwer, da sie im das Wort erst vor kurzem beigebracht hatte. „Leider werde ich wohl keinen Bissen runter bekommen, wenn ich nicht weiß, was aus mir wird.“, gab Hitomi grollend zu, woraufhin Van zu einer weiteren Frage ansetzte, sich diese dann aber verkniff. „Was?“, fragte sie und ihr Ton gab ihm zu verstehen, dass sie nicht locker lassen würde. „Ich wundere mich nur.“, beschwichtigte Van und ging schon halb in Deckung. „Ändern Frauen immer so schnell ihre Meinung?“ Wenn der Tee nicht so dermaßen gut schmecken würde, hätte sie ihm das heiße Getränk liebend gern ins Gesicht geschüttet. Doch Hitomi besann sich und speicherte diesen Vorfall unter der Kategorie ab: Das kommt davon, wenn man unbedingt alles wissen will. „Also, raus damit!“, forderte sie herrisch. „Welche Rolle werde ich für dich spielen.“ „Die einer geliebten Ehefrau.“, antwortete Van lächelnd. „Ich glaube, du möchtest wissen, welche Rolle du im Königreich einnehmen wirst.“ Haarspalterei, fluchte Hitomi in Gedanken. „Nun ja, mein Mann ist schließlich auch mein König.“, merkte sie an. „Und meine Frau ist meine Königin, die übrigens die gleichen Rechte hat wie ich.“, führte Van weiter aus. „Das ist bisher noch nie vorgekommen. Ich bin vollkommen verwirrt.“ „Du nimmst mich nicht ernst.“, klagte sie ihn schmollend an. „Bitte verzeih mir.“, bat er aufrichtig. „Aber ich weiß genauso wenig über deine Rolle im Machtgefüge wie du, weil ein solcher Fall einfach wie du noch nie zuvor da war.“ „Mit anderen Worten, alle meine Vorgängerinnen waren sprechende, dennoch schweigsame Puppen mit einer Gebärmutter.“, erwiderte Hitomi trocken. Erst wollte Van anmerken, dass sie die Eierstöcke und die Vagina vergessen hatte, überlegte es sich dann aber zu seinem Glück anders. „Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole. Sie waren vor allem geliebte Ehefrauen. Zumindest bei meiner Mutter kann ich mir dessen sicher sein.“ „Ich weiß.“ sagte Hitomi bedächtig. „Aber es reicht mir nicht, auf die Kinder aufzupassen, den Haushalt zu führen und darauf zu warten, dass du nach Hause kommst. Ich bin egoistisch, ich weiß, aber ich kann nicht anders.“ „Du willst Macht?“, fragte Van überrascht, ohne auf ihre immer seltsamer werdende Vorstellungen einzugehen. „Ich vor allem teilhaben und nicht nur als Zuschauerin an der Seitenlinie stehen.“, brach es aus ihr heraus. Wieder schien ihr Mann verwirrt zu sein. „Ich meine, dass ich nicht aus deinem Leben ausgeschlossen werden möchte.“ „Glaubst du nicht, dass wir irgendwann genug von einander werden, wenn wir uns ständig auf die Füße treten?“, wandte er ein. „Ich weiß nicht einmal, was ich ohne dich machen würde.“, konterte Hitomi mit leiser Verzweiflung, woraufhin er listig lächelte. „Denk nicht einmal daran, meine emotionale Abhängigkeit auszunutzen!“, drohte sie. „Der Priester hat mit keinem Wort erwähnt, dass der Tod uns scheiden könnte.“ „Also gut, folgender Vorschlag.“, versuchte Van. „Du bist wie deine Vorgängerinnen eine Repräsentantin Farnelias, allerdings längst nicht so still. Du wirst, während ich mit der internen Quälerei beschäftigt bin, die ich dir auf keine Fall antun möchte, für die Gäste da sein und auch sonst alles bezüglich ihres Aufenthalts organisieren.“ Hitomi schien alles andere als begeistert zu sein, doch Van fuhr unbeirrt fort. „Wenn ich mit den Gästen spreche, wirst du dabei und dein Rat wird stets willkommen sein. Bevor uns unseren vergnüglichen Nachtaktivitäten widmen, informiere ich dich über die Ereignisse und Beschlüsse des Tages, und du sagst mir deine Meinung. Da ich stets daran denken werde, dass Missstimmungen bei dir auch zu Missstimmungen im Bett führen, werde ich mein möglichstes tun, um solche zu verhindern. Später bist du auch für die Erziehung der Kinder verantwortlich. Ich schwöre, ich werde in dieser Hinsicht nichts ohne deine Einwilligung unternehmen. Allerdings befriedige ich ungern eine Frau, die meine Anliegen ignoriert.“ „Das Druckmittel unserer gegenseitigen Kontrolle ist Geschlechtsverkehr?“, zweifelte Hitomi. „Das sicherste, was es gibt.“, versicherte Van übertrieben ernst. „Bei euch Männern vielleicht.“, gab Hitomi ihn empört Recht. „Was ist, wenn weder Gäste noch Kinder da sind?“ „Letzteres ist ein unzumutbarer Zustand, den ich mit aller Kraft ändern werde.“, neckte Van und überlegte. „Du könntest dich zusätzlich um die Verwaltung der Villa kümmern, wie meine Mutter es getan hat.“ „Nein, danke.“, lehnte Hitomi ab. „Ich denke, wir sollten unseren Wirtschafter behalten.“ „Dann kannst du mit mir die interne Quälerei gern gemeinsam durchleben.“, bot Van an. „Aber ich warne dich! So wie ich Merle kenne, hat sie dir nur ihre Treue geschworen, um ja nie wieder ein Wort mit den Beamten wechseln zu müssen.“ „Hab ich Mitspracherecht?“ „Voll und ganz, auch wenn ich dich darum bitten würde, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, man könnte uns gegeneinander ausspielen.“ „Ich soll dir nicht widersprechen.“, schlussfolgerte Hitomi verstimmt. „Wir sollten uns zumindest immer einig werden.“, schlug Van versöhnlich vor. „Selbstverständlich werden wir bei öffentlichen Auftritten möglichst gemeinsam erscheinen.“ Da sie nichts erwiderte, hakte er nach: „Wie klingt das?“ „Verhandelbar.“, gab Hitomi hochnäsig zu Protokoll. „Gut, wie wäre es damit.“, versuchte Van es weiter. „Du nimmst beide Hände zum Essen und ich lege aus reiner Solidarität meine Kleidung ab.“ „Einverstanden.“, stimmte sie zu. „Wenn du es aber wagen solltest, mein Frühstück zu unterbrechen, lass ich dich kastrieren!“ „Stelle dich nie zwischen einer Frau und ihr Essen!“, schlussfolgerte ihr Mann und seufzte. „Allmählich verstehe den Sinn gewisser Sitten.“ Hosted by Animexx e.V. 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