Aus dem Alltag eines Psychokillers von Morwen ================================================================================ Aus dem Alltag eines Psychokillers ---------------------------------- „Ein Tässchen Tee?“ Die Frau auf dem Stuhl ihm gegenüber schüttelte ruckartig den Kopf. Tränen liefen aus ihren Augenwinkeln. Er fragte sich einen Moment lang, wieso sie weinte – fürchtete sie sich vor irgendetwas? – doch der Gedanke ging sofort wieder in dem Meer seines wirren Geistes unter. „Nun, das ist schade.“ Enttäuscht seufzte er auf und ließ die Porzellankanne wieder sinken. „Sie sehen so aus, als könnten Sie es gebrauchen.“ „Was wollen Sie von mir?“, flüsterte sie mit erstickter Stimme, während sie zum wiederholten Male versuchte, sich von den Fesseln zu lösen. Aber er hatte sie gut festgezogen. Er lächelte. Was für eine goldige alte Lady. Schon als er ihr Appartement betreten und die akkurat nach Größe geordneten Bilder an der Wand gesehen hatte, hatte er gewusst, dass er sie mögen würde. Und auch jetzt, als er in ihrem kleinen Wohnzimmer saß und den Blick über die staubfreie Kirschholzkommode, den rechteckigen, schwarz gerahmten Spiegel und die ordentlich im Regal aneinander gereihten Bücher schweifen ließ, empfand er noch immer eine gewisse Sympathie für sie. „Hübsch haben Sie es hier“, meinte er. „So sauber und ordentlich...“ „Wenn Sie mein Geld haben wollen, dann nehmen Sie es sich! Aber bitte lassen Sie mich gehen!“ Sie war die letzte halbe Stunde über angenehm gefasst gewesen, doch jetzt begann sie zu weinen. Es nervte ihn ein bisschen. Er zog sein Messer aus der Tasche und betrachtete die im Kerzenlicht schimmernde Klinge. „Machen Sie sich um Ihre Ersparnisse keine Sorgen, meine Liebe, daran bin ich nicht interessiert.“ Er legte die Waffe gut sichtbar neben ihre Tasse auf den Tisch und stand dann auf. „Was... was wollen Sie dann?“, fragte sie und schluchzte. Ihre Augen weiteten sich, als er hinter sie trat, aus ihrem Blickfeld verschwand. Doch er rückte nur eines der Bilder an der Wand über der Kommode zurecht. „Was haben Sie gerade gemacht?“, flüsterte sie, als er sich wieder zu ihr setzte und sie fröhlich anstrahlte. Doch sein Lächeln hätte sie nicht mal dann erheitert, wenn sein Gesicht nicht voller Narben und schlecht aufgetragener Schminke gewesen wäre. „Eines Ihrer Bilder hing nicht ganz gerade an der Wand“, erklärte er. „Und es wäre doch schade um den verloren gegangenen rechten Winkel und die potentielle Ordnung in Ihrer kleinen Welt.“ Verwirrt sah sie ihn an. Sie verstand nicht. Natürlich verstand sie nicht. Er ballte seine Hand zur Faust und kämpfte den Drang nieder, sie zu schlagen. Doch seine Wut hielt zum Glück nicht lange an. Das tat sie nie. „Nun gut, lassen wir die Späßchen und überflüssigen Höflichkeitsfloskeln“, sagte er auf einmal und schnalzte ungehalten mit der Zunge, während er sich über den Tisch in ihre Richtung lehnte. „Um es kurz zu machen – ich möchte dich umbringen“, fuhr er fort. Sein Tonfall war nachdenklich. „Ich weiß nur noch nicht genau, wie ich es anstellen soll...“ Er griff wieder nach dem Messer und betrachtete es unschlüssig. „Es gibt so viele Möglichkeiten, es zu tun, weißt du?“, sprach er. „Ich weiß gar nicht, bei welchem Körperteil ich anfangen soll... Ich könnte dir zum Beispiel das Gesicht zerschneiden, so wie bei mir, damit du für den Rest deines Lebens lächelst. Was hältst du davon?“ Sie schüttelte wimmernd den Kopf. „Ja, ich weiß, ich finde es auch nicht sehr originell“, meinte er gelangweilt. Dann erhob er sich abermals und ging neben ihr in die Hocke. „Aber vielleicht hast du ja eine bessere Idee? Hm?“ Sanft strich er ihr über das ergraute Haar. Sie hatte solch eine Angst, dass sie nicht mal versuchte, seiner Berührung auszuweichen. „Sie... Sie sind... krank!“, stieß sie zwischen den einzelnen Schluchzern hervor. „Ein ganz... und gar böser... Mensch sind Sie!“ Er lachte. Es war ein tiefes, unkontrolliertes Lachen, das aus dem Bauch zu kommen schien und sie mehr erschreckte als all die grausigen Dinge, die er bisher gesagt hatte. „Was – böse? Ich?“ Er zeigte mit der Messerklinge auf sein Gesicht und lächelte, während der Wahnsinn in seinen Augen funkelte. „Ich halte nichts vom Bösen, meine Liebe. Weißt du, wenn man krampfhaft versucht böse zu sein...“ Er drehte das Messer und hielt die Spitze so dicht an ihr rechtes Auge, dass sie kaum zu blinzeln wagte. „... dann geht doch der ganze Spaß verloren.“ Sie holte tief Luft, doch seine freie Hand legte sich auf ihren Mund, bevor sie anfangen konnte zu schreien. „Schhh...“, murmelte er an ihrem Ohr. „Wir wollen doch niemandem hier das Gefühl geben, du wärst nicht mehr die fröhliche alte Dame, die den Kindern am Sonntag nach der Kirche immer Bonbons schenkt, hm?“ Er spürte ihr Zittern, doch er schenkte ihm keine Beachtung, sondern versank wieder in Gedanken. Irgendwie war ihm die Lust am Zerschneiden der alten Frau gerade vergangen. Er machte so was ständig, und mit der Zeit wurde es ein wenig eintönig. Vielleicht sollte er sich zur Abwechslung etwas Neues ausdenken? Aber wie konnte man jemanden sonst noch töten, wenn man nur ein Messer zur Verfügung hatte...? Dann kam ihm eine Idee. Er sah sie wieder an und lächelte. „Ich glaube, heute ist dein Glückstag – ich habe es mir gerade anders überlegt.“ Er stand auf und zerschnitt ihre Fesseln. „Was...?“, flüsterte sie. „Ich werde dich mit einem Versprechen töten“, sagte er gutgelaunt. „Dem Versprechen, eines Tages wiederzukommen und dich umzubringen.“ Sie starrte ihn an. „Wenn du es wagen solltest, der Polizei Bescheid zu geben oder von hier wegzuziehen“, fuhr er fort, „dann wird deine Familie dafür bezahlen.“ Er lächelte, als er das Entsetzen in ihrem Blick sah. „Ja, ja, du hast schon ganz richtig gehört. Deine Tochter und ihre Familie... Maggie hat zwei wirklich prächtige Kinder, nicht wahr? Den kleinen Samuel und die süße... wie war noch mal ihr Name... Judy?“ Er ließ das Messer in seiner Weste verschwinden. „Ich kenne zufällig ihre Adresse, und sobald ich feststellen muss, dass du irgendwem etwas verraten hast, werde ich meinen Spaß mit ihnen haben“, sagte er. „Wenn dir ihr Leben aber mehr bedeutet als dein eigenes... nun, dann erzähl niemandem etwas davon und warte auf meine Rückkehr.“ Er zog eine Spielkarte aus der Tasche und legte sie vor der alten Dame auf den Tisch. „Das hier wird mein Pfand sein. Betrachte es als Zeichen meines Versprechens.“ Und dann wandte er sich ab und... ging. Zog einfach die Haustür hinter sich zu wie ein Bekannter, der gerade eine gute Freundin besucht hatte. Die alte Frau starrte noch lange auf die Karte, während sie sich die geschundenen Handgelenke rieb und bitterlich weinte. *~*~* „Menschen sind so berechenbar“, murmelte der Joker, als er wenige Wochen später in der Lokalzeitung vom tragischen Selbstmord der alten Dame las. Er wünschte, sie hätte länger auf seine Rückkehr gewartet. Nicht, dass er je vorgehabt hatte, zu ihr zurückzukommen, das nicht... aber er hätte gerne noch länger seine Freude an ihrem psychischen Verfall gehabt. Dass sie sich schon so früh auf diesem Weg aus der Affäre ziehen musste, enttäuschte ihn darum ein wenig. Er knüllte die Zeitung zusammen und warf sie in den Mülleimer, der an der Straßenecke stand. Dann schlug er den Kragen seiner Jacke hoch und zog die Mütze tiefer ins Gesicht, bevor er sich wieder unter die Menschen von Gotham City mischte. Zum Glück hatte die Stadt noch Millionen weiterer Bewohner, die er terrorisieren konnte. Über Langeweile würde er also nie klagen müssen. ~ Ende ~ Über Kommentare und Kritik jeglicher Art würde ich mich sehr freuen. =) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)