Accidentally in Love von Herzkirsche (the story of Rose & Scorpius) ================================================================================ Kapitel 9: nine ---------------                                 In den düsteren Novembermorgen schlich sich der erste Schnee - ganz unauffällig und doch hinderte sein Erscheinen die Hoffnung ihrer Herzen daran, zu welken. Langsam tänzelten die Flocken gen Boden und lediglich das eisige Fensterglas trennte Harry Potter von dem Schauspiel, dessen stummer Zeuge er war. Der Anblick beruhigte seinen aufgerüttelten, von Überstunden zermürbten, Geist. Kurz schweifte sein Blick über Hermione, die in einem cremefarbenen Sessel saß und den Tagespropheten las, als wäre es das Gewöhnlichste, das man um vier Uhr morgens tun könne, als sich eine Mütze Schlaf zu holen. Rons leises Schnarchen wirbelte hingegen durch den sonst so stillen, sterilen Raum. Ihnen gegenüber stand das einzige Bett und in ihm lag der Schatten eines einst starken Zauberers. Kingsley stand nach diesen Monaten im St. Mungo auf der Schwelle zwischen Leben und Tod. Noch immer hatte man nicht vollends ergründen können, was dem alten Mann fehlte. Was es war, das ihm da so vehement die Lebensenergie zu rauben schien. Manchmal schien es Harry gleich dem vierten unverzeihlichen Fluch, dem sie da begegnet waren - wie eine mildere Form des Todesfluchs, die ohne jegliche Anzeichen von Verletzungen zum Tode führte. Harry ging hinüber zum Bett und nahm die schwache, dunkle Hand in seine. Sie hatten benachrichtigt werden wollen, wenn der Abschied nahte. Noch ein paar Stunden, so vage hatte es eine angehende Heilerin formuliert. „Harry.“ Das Krächzen holte ihn je aus seinen trüben Gedanken. Er hörte, wie Hermione aufsprang und die Zeitung zu Boden fiel; er spürte, wie sie und Ron sich zögerlich näherten und er sah, wie Kingsleys Lider flatterten. Als er seine Augen öffnete, stockte ihnen der Atem. Das Weiß seiner Augen war nunmehr blutrot und sie starrten leer aus dem ausgemergelten Gesicht heraus. Den Blick zu fokussieren, fiel ihm sichtlich schwer und Harry fürchtete den Moment, an dem er das Bewusstsein für ewige Zeit verlieren würde. „Es hat mich vergiftet.“ Leise, leichte Worte, die so dünn waren, dass man sie kaum verstand. Hermione kniff angestrengt die Augen zusammen, während Harry und sie einen irritierten Blick wechselten. „Was hat dich vergiftet?“, hakte sie behutsam nach. Ein trauriges Lächeln, das nur aus einem angehobenen Mundwinkel bestand, schlich sich auf sein müdes Gesicht. „Das Wissen.“ „Welches Wissen? Das Wissen wovon?“, fragte Harry ungeduldig und erntete einen strafenden Blick. „Du musst ihm Zeit geben.“ „Er hat keine Zeit mehr“, fuhr Ron dazwischen und nickte Harry zu. „Es gab einen, von dem wir nichts wussten.“ „Einen was?“, fragte Harry eindringlich und betete, sie würden nun endlich Antworten auf ihre unzähligen Fragen bekommen. Kingsley würde wissen, wer ein Attentat auf ihn verübt hatte – davon waren sie in den letzten Monaten schlichtweg ausgegangen. Eine andere Hoffnung hatten sie nicht gehabt. „Todesser.“ Stille hüllte sie ein und Ungläubigkeit drückte ihnen die Kehle zu. Das war es also. Kingsley hatte während des Komas fantasiert. „Wir haben alle Todesser damals bestraft, du warst doch dabei, Kingsley“, sagte Hermione vorsichtig und als der Alte heftig seinen Kopf schüttelte, schob sie ihm beschwichtigend die Hände auf die Brust. „Es gab einen Todesser, von dem wir nichts wussten.“ „Wie kann das sein?“ Kingsley beruhigte sich und seine blutenden Augen ruhten gedankenverloren an der Decke. „In der Mysteriumsabteilung-“ „Nicht die schon wieder“, lachte Ron freudlos auf und wechselte einen ängstlich angehauchten Blick mit Hermione und Harry. Seit seinem fünften Jahr in Hogwarts hasste er diese verfluchte Abteilung. „Was war dort?“ „Verborgen der Vermerk eines weiteren Todessers, namenlos. Rechte Hand Voldemorts.“ „War das nicht zu Lebzeiten Snape?“ „Kaum Todesser kannten diesen Burschen. Er befand sich in Ausbildung.“ Husten. Klägliches Entweichen eines kostbaren Lebens. „Ausbildung bei Voldemort?“ „Freunde, das kann nicht sein.“ Stummer, böser Blickwechsel Hermione und Rons. Wie in alten Zeiten. Wie schon immer. „Was, wenn doch?“ Vermutungen. Der nichtige Glaube an eine fragwürdige Realität, die nur Unglück mit sich bringen würde, Verluste, fand Existenz. „Was, wenn es wirklich jemanden gab, der Voldemort verehrte und… und-“ „Das ist doch absurd!“ Wortgefechte. Streit. Die Welt, wie er sie kannte, stürzte um. „Harry“, bedeutungsvolle Blicke, die ihn einhüllten. Was er sagte, war doch wahr. Man verließ sich auf ihn. „Was meinst du?“ Voldemort. Es war der Moment, in dem seine Narbe schmerzte. Das erste Mal, seit so langer Zeit. „Doch, es stimmt.“ Verblüffung mischte sich mit bitterer Angst. Sie standen am Anfang von etwas schrecklich Grausamen. „Ihr müsst es geschehen lassen. Zuviel Wissen bringt Euch um. Das darf nicht passieren“, murmelte Kingsley eindringlich und verlor sich in einem Wirbel wüster Gedanken. „Seht mich an, das Wissen hat mich vergiftet. Bohrt nicht zu tief. Die Gedanken werden Euch nur geraubt und dann habt ihr nichts weiter außer Schwärze. Handelt bedacht!“ Ein haltloses Piepen unterschiedlicher Gerätschaften wirbelte durch die Luft und ein kleines Plättchen flog blitzschnell hinaus auf den hell erleuchteten Gang, um die Heiler zu alarmieren. Doch Harry wusste, dass sie zu spät kommen würden. Bedeutungslos erschien ihm, dass Hermione sich eilends die dünnen Handschuhe über die Finger zog, bevor sich ihre Hände heilend auf Kingsleys Brust drückten. Ihre Befehle, denen Ron erhitzt nachzukommen versuchte, erreichten ihn auf dumpfe, verzerrte Weise. Seine Narbe schmerzte. Er hatte über die Jahre vergessen, wie ihm das Stechen einst ins Leben gefunkt war. Wie töricht war er nur gewesen, zu glauben, sein Mal wäre für ewige Zeiten verstummt? „Du arbeitest hier nicht mehr“, rief Astoria Malfoy aufgebracht, als sie samt ihrem silberweißen Umhang ins Zimmer gerauscht kam und Hermione unwirsch zur Seite schubste. „Seit wann arbeitest du wieder hier?“ Man konnte ihre gnadenlose Verwirrung fast schmecken. Sie wurden zurückgedrängt, hinaus aus dem Raum und in den merklich kälteren Gang, ohne dass man ihnen Antworten gab, schon gar nicht auf die neuen Ungewissheiten, die sie nun wie einst zwischen drei Seelen gefangen hielten – vorerst. Denn im Moment waren sie allein mit diesem Wissen. „Meine Narbe… sie tut wieder weh.“ Und es war das Wechselbad der traurigsten und angsterfülltesten Grimassen auf den Gesichtern seiner besten Freunde, die Harry Potter versprachen, dass sie die Grenze überschritten hatten. Neue Albträume würden sie heimsuchen. Die Welt eine andere werden. Eiskalte Luft peitschte Rose entgegen, als sie aus dem Schloss stürmte. Bibbernd warf sie einen Blick auf die Uhr, welche sie neuerdings ständig um ihr Handgelenk trug, bevor sie – sich ihrer Verspätung bewusst werdend – ihren Schritt beschleunigte. Sie spürte Scorpius direkt hinter sich, der nicht minder in Eile war. Rose wusste nicht genau, wie seine Tagesplanung aussah, aber ihre verzögerte sich bereits um wertvolle Minuten. Es war das Hogsmeade Wochenende, das genau eine Woche nach dem Eintreffen der anderen Zaubererschulen angesetzt worden war, und obgleich er das wusste, hatte Professor Slughorn sie in sein Büro zitiert, wobei er einen verschüchterten Erstklässler losgeschickt hatte, ihnen die Nachricht, er wolle sie auf der Stelle sprechen, zu überbringen. Zuletzt waren Malfoy und sie wahrscheinlich in der dritten Klasse gemeinsam in dieser Instanz gewesen, weil sie sich in Zaubertränke gegenseitig vergiftet hatten oder dergleichen, doch Slughorn schien zu glauben, sie seien erwachsen geworden. Trotz dieses neu erworbenen Vertrauens, hätte Rose über den Tisch springen können, als er ihnen eröffnet hatte, der alljährliche Weihnachtsball – den sie und Scorpius seit einem Monat planten – sei passé und würde stattdessen durch ein Abendessen, das er gab, ersetzt werden. Hallo? Wie konnte Slughorn eines seiner – sonst nur der Elite zugänglichen – Abendessen ausgerechnet am letzten Tag vor den Weihnachtsferien in der Großen Halle geben wollen? Ach ja, er war der Finanzier der ganzen Geschichte und hatte somit die Macht. Innerlich hatte in Rose ein Sturm aus Protesten gewütet, doch einem Professor gegenüber traute sie sich fast nie, Widerworte zu geben. Eigentlich hatte sie gedacht, das würde Malfoy regeln. Nada. „Unsere ganze Arbeit war umsonst!“, rief sie erzürnt und drehte sich wütend zu ihm um. „Warum hast du nicht gesagt, dass das so nicht geht?“ Anstatt ihr eine befriedigende Antwort zu liefern, warf Scorpius ihr im Vorbeigehen ein Toast zu und sagte: „Du bist widerlich, wenn du nichts gegessen hast, Weasley.“ „Du kennst mich kein Stück, Malfoy.“ „Ich wohne lediglich mit dir zusammen“, erwiderte er und grinste sie süffisant an, als Rose entnervt die Augen verdrehte. „Der Weihnachtsball war Tradition-“, begann sie ihre Argumentation, die sie doch lieber Slughorn hätte vorlegen sollen, doch Scorpius unterbrach schon allein ihre These in Sekundenschnelle. „Jedes Jahr derselbe Scheiß am besten noch mit genau denselben Beziehungsdramen – also ich verzichte gerne.“ „Ach ja, ich vergaß - du und Jane, viertes Jahr, erste Trennung, und jedes darauffolgende Jahr dasselbe Spiel.“ Nun garnierte ein Lächeln ihr Gesicht, auf das Scorpius keine Erwiderung fand. „Du hast doch gehört, stattdessen haben wir einen Frühlingsball“, sagte er und allein seine Betonung ließ darauf schließen, wie wenig ihm diese Vorstellung zusagte. „Wir behalten einfach das Zeug, das wir bisher haben und nutzen es für den neuen Dreck.“ „Eisskulpturen und Eisfarben für den pastelligen Frühling, ja?“, hakte sie ungläubig lachend nach und schüttelte den Kopf. Sie gingen noch ein Stück gemeinsam, doch dann bog Scorpius zu Adrian, der ihr eine Kusshand zuwarf und um den sich – klettenartig wie immer – Polly Parkinson geschlungen hatte, und Quirin ab. „Sie kommt lächelnd von einem Malfoy“, sang Fred schmalzig und stimmte die Melodie des Schlagers Ein Kessel voller heißer, starker Liebe von Celestina Warbeck an, bevor er sich – ans Herz fassend – tot in den Schnee sinken ließ. Rose seufzte, doch als er wieder aufstand und sich die weißen Flocken von der Hose klopfte, war er zum Glück wieder der Alte. „Merlin sei Dank bist du da“, stieß Alice hervor, um die Albus herumtanzte, was sie nicht zu erfreuen schien. „Man“, schrie sie genervt und hielt Als Arm fest, „du benimmst dich wie… wie… mit Zwölf!“ Es war der Moment, in dem Al sie stürmisch in seine Arme zog, der Alice vollends den Atem raubte. „Ich liebe dich wirklich, Alice“, rief er freudig erregt. Fröhlich wie ein kleines Kind. Mit Siebzehn. Rose fragte sich, auf welcher Droge sich ihr Cousin im Moment befand, während sie Alice’ dunkelroten Teint erkannte und wusste, dass der Longbottom nicht mehr zu helfen wäre. Sie wand sich, an ihrem Toast knabbernd, zu Fred um, der die Szenerie mit einem fetten Grinsen beobachtete und – so, als hätte er bereits dreißig Jahre mehr auf den Rippen – gönnerhaft meinte: „Soviel junge Liebe.“ „Was hat er?“ „Nach einem langen Gespräch mit Alice hat `Gonagall nun doch endlich erlaubt, dass Al - mit Alice als Babysitterin - nach Hogsmeade darf.“ „War das nicht sowieso klar, dass sie einknickt?“, fragte Rose irritiert und Fred schüttelte grinsend den Kopf. „Nicht nach dem letzten großen Ding die Woche.“ Davon hatte sie überhaupt nichts mitbekommen und Rose schob die Schuld ganz klar ihrem überdimensional großen Berg an Hausaufgaben zu. Fast pausenlos musste sie für ihre UTZs arbeiten, es war grauenhaft. Hinzu kamen die Schülersprecherverpflichtungen und etliche verschwendete Gedanken an Scorpius Malfoy, die sie voll und ganz beanspruchten. Wenn Alice nicht so klein und Albus nicht so groß gewesen wäre, dann hätte sich die Longbottom wohl schon eher aus diesem Überfall befreien können, doch es fiel ihm zu leicht, die zierliche Gestalt von den Füßen zu reißen und festzuhalten, sodass Alice schon vom ersten Augenblick an keine Chance gegen ihn gehabt hatte. „Du bist doof“, knurrte sie, „Wenn du mich nicht sofort runterlässt, dann nehm ich dich nicht mit nach Hog-“ Albus ließ sie augenblicklich fallen. Gemeinsam gingen sie runter nach Hogsmeade und während Fred und Al ausgiebig den möglichen Aufstieg der Chudley Cannons in die Top Vier der Quidditchmannschaften diskutierten, warf Rose Alice ein paar belustigte Blicke zu. Die Röte in deren Wangen verschwand nur langsam und dass Albus sie hervorgerufen hatte, schien diesem zwar nicht aufgefallen zu sein, dafür aber der Weasley umso mehr. „Du wirst übrigens heute nicht den ganzen Tag meine Gesellschaft ertragen müssen“, meinte Al zu Alice, die sich daraufhin die Mütze weiter über das kurze Haar und die immer noch leuchtend roten Ohren zog, um diese zu verbergen. „Gut, ich bin sowieso mit meiner Mutter verabredet“, erwiderte sie kühl und Albus wandte sich Rose zu. „Was hat sie denn?“ „Nichts, ihr ist nur etwas heiß, schätz ich mal“, lachte Rose, doch bei Alice‘ wütendem Blick stellte sie lieber noch eine Gegenfrage, bevor sich Al gänzlich an ihrer Information festkrallte: „Was machst du den Nachmittag über?“ Albus‘ Blick verdüsterte sich augenblicklich. „Heute findet das letzte Auswahltraining statt und danach müssen Malfoy und ich die Aufstellung für das erste Spiel im Dezember bekannt geben. Ich hab gar keinen Bock drauf.“ „Viele Träume werden wie Seifenblasen zerplatzen“, pflichtete Fred ihm bei und nickte. „Aber mein Platz ist ja sowieso sicher, oder Kollege?“ „Davis wird wohl kaum deine Position kriegen. Nicht, wenn Malfoy das verhindern kann. Und das kann er.“ „Herrscht denn immer noch Krieg zwischen den Fronten Seymour und Malfoy?“, schaltete sich Alice amüsiert ein. „Ununterbrochen. Die Zwei verabscheuen sich regelrecht.“ „Aber ganz ehrlich – Malfoy hat echt viel Mut. Neben der wäre ich garantiert nicht eingeschlafen“, sagte Fred und Al nickte zustimmend. „Die ist zwar echt heiß, aber bei dem Temperament hat man ja sofort Angst, dass die einen in der Nacht umbringt.“ „Okay, sofortiger Themenwechsel, bitte“, fuhr Rose dazwischen. „Uns interessiert nämlich kein Stück, dass ihr Jane Seymour geil findet.“ Fred und Albus sahen sie einen Moment überrascht an, sodass Rose fast dabei zusehen konnte, wie jedes Rädchen hinter den Stirnen schleichend eine neue Materie suchte. Bei ihren Cousins gab es zwei bevorzugte Themen: Quidditch und Mädchen. Das eine hatten sie abgehandelt und das andere interessierte Alice und Rose kein bisschen. „Ähm“, begann Al zutiefst eloquent und Rose zog wartend eine Augenbraue in die Höhe. „Habt ihr schon gehört, dass dieser Doyle uns jetzt auch bald unterrichten soll?“ „Gewonnen, gutes Thema“, gab Rose geschlagen zu und während Al und Fred einschlugen, konnte sie ihre Neugier kaum noch verbergen. „Woher hast du diese Information?“ „Du weißt, ich habe meine Connections.“ Standardantwort. „Die Fünftklässler sind ganz hingerissen von ihm“, sagte Alice und Fred schnaubte. „Ja, weil er ihnen vorspielt, er fände sie interessant, dabei will er sich lediglich beliebt machen.“ „Wieso sollte er das tun?“ Fred warf Alice einen mitleidigen Blick zu. „Wir denken, er will über sein Alter hinwegtäuschen. Er will die Schülerschaft hinter sich haben, falls-“ Fred und Albus wechselten einen kurzen Blick und mit dieser Sekunde schienen sie abgewogen zu haben, wie viel man ihnen erzählen konnte. Offensichtlich nichts, denn nach seinem abrupten Ende nahm Fred den Faden nicht wieder auf. „Falls? Du hast nicht zu Ende gesprochen“, erinnerte Rose ihn scheinheilig und schließlich vollendete Albus den in der Luft hängenden Satz: „Falls die Lehrer einmal zu stark ins Zweifeln über ihn geraten sollten, damit er ein Kissen aus positiver Resonanz hinter sich hat.“ Diese Annahme war tollkühn, wie Rose keinesfalls entging und sie forschte in den Gesichtern der Jungen nach Anzeichen von ernsthafter Besorgnis, die ihre Bedenken erklären konnten. „Ihr fürchtet euch doch nur vor der heißen Konkurrenz“, meinte Alice und Albus erwiderte: „Ich hab gehört, wie Maxime die Wahl vor MC Gonagall und etlichen anderen Lehrern rechtfertigen musste. Sie hat das alles ziemlich genervt. Aber seien wir mal ehrlich, so ein junger Kerl als Lehrer ist zumindest in Hogwarts ganz und gar nicht alltäglich.“ Rose fragte sich, woher Albus immer diese ganzen ausführlichen, allumfassenden Informationen hernahm. Es war ausgeschlossen, dass er jede freie Minute unterm Lehrertisch hockend verbrachte, also woher nahm er sein Wissen dann? Doch als sie den Scherzartikelladen Zonkos betraten, verflüssigten sich alle strapazierenden Meinungen zum Mysterium Doyle. Sie überflog die Namen. Zählte nach. Immer wieder. Doch fand ihren Namen nicht. Lily Luna Potter stand nicht auf der Liste. War nicht da. Existierte in diesem Augenblick nicht mehr. Von allen Seiten her loderten Freudenschreie auf. Die trügerische Glückseligkeit der anderen legte sich wie falsch auf ihre erhitzte Haut und wurde hinweg gewischt von der bitteren Erkenntnis, es nicht geschafft zu haben. Verloren zu haben. Das Einzige, das ihr je etwas bedeutet hatte: Quidditch. Jäger waren – wer hätte es auch je angezweifelt – Scorpius Malfoy, Albus Potter und – womit wohl kaum einer gerechnet hatte – Patricia McLaggen. Die Hufflepuff hatte den Platz mit ziemlicher Sicherheit nur bekommen, da man im Team Hogwarts aus jedem Haus mindestens einen Spieler haben sollte. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, als sie das wilde Geschrei der haltlos glücklichen, besten Freundin der schrecklichen Natalie Bordman an ihr Ohr dringen ließ. Es war ungerecht. Das Leben war verdammt noch mal so ungerecht! Hüter war Lorcan Scamander – er war wirklich sehr gut gewesen – und die Treiber waren – wie erwartet – Quirin Goyle und ihr Cousin Fred. Sie schluckte. Einmal. Zweimal. Dreimal schwer, bevor sie den Gedanken überhaupt zuließ. Den Namen wieder und wieder las, der ihr Herz zerstört hatte. Sucherin von Team Hogwarts war - Tada! - Alexa Chang, Ravenclaw. Ja, selbstverständlich hatte sie gegen die Tochter der Frau verlieren müssen, die schon ihre Mutter nicht besonders mochte. Kaum auszudenken, wie Ginny Potter auf die Niederlage ihrer Tochter reagieren würde, wenn sie hörte, wer stattdessen den Platz ergattert hatte. „Mach dir keinen Stress“, hörte sie Adrian Zabini großspurig behaupten; und ohne sich umzudrehen, wusste sie doch genau, wie er seinem besten Freund auf die Schulter klopfte. „Hauptsache du gibst mir in der Küche einen aus.“ Lachen. So ausgelassen als wäre soeben nicht Lily Potters Welt untergegangen. Doch was kümmerte sie es? Sie waren ein Pack aus arroganten, eitlen, anmaßend und selbstgefälligen Wichten – Slytherins eben. Für Zabini war Quidditch kein Lebenselixier, viel lieber vergnügte er sich mit Mädchen, als bei Wind und Wetter auf dem Besen zu sitzen. Sie würde garantiert Niemandem auf die Schulter klopfen und sagen, es sei in Ordnung. Denn das war es nicht. Ohne Albus eines weiteren Blickes zu würdigen, stürmte sie an der feiernden Gruppe vorbei und in die Umkleidekabinen. Dabei entging ihr keineswegs die Tatsache, dass alle anderen Verlierer recht gut mit dem Versagen zu Recht zu kommen schienen. Alle außer ihr. Tränen schlichen ihr verräterisch in die Augen, als sie sich das Gryffindor Trikot über den Kopf zog. Es gab kein Gryffindor mehr. Es gab nur noch Team Hogwarts. Sie und ihr Talent waren so gut wie wertlos. „Lily, es tut mir echt Leid“, sagte Albus, der ihr nachgelaufen war und dessen Züge so ungewohnt ernst waren. „Spar es dir.“ „Du warst wirklich gut, aber Alexa war heute einfach besser.“ Oh ja, Al, nur weiter so, dachte Lily wütend, stopfte ihre Klamotten in die Tasche und versuchte, ihren Bruder bestmöglich zu ignorieren. Er verstand es perfekt, den Funken sprühenden Zauberstab in der Wunde zu drehen. Sie biss sich auf die Lippe, doch die Worte erreichten ihn trotzdem. Und es war eine Befreiung, sie loszuwerden. „Ganz ehrlich? Du bist das Letzte, Al, wirklich, absolut! Ich hab noch nie irgendwas von dir verlangt, nur einmal hätte ich mir gewünscht, dass du erkennst, woraus mein Leben besteht, dass Quidditch einfach alles für mich ist. Du kannst froh sein, dass ich so bin, wie ich bin. Dass ich einem Schnatz nachjage und keinen Kerlen. Dass ich dir keine Schande mache oder nicht andauernd deine Hilfe brauche.“ Die Tränen zogen nun unaufhörlich einen nassen Schleier über ihr Gesicht und Albus fiel es schwer, unter ihrem glasigen Blick nicht vollends wegzubrechen. Er hatte sie doch niemals verletzen wollen. Zweifel nagten an ihm. Doch er schüttelte sie ab. „Lily, Quidditch ist nicht alles. Du wirst darüber hinwegkommen, glaub mir.“ „Und daran sieht man, wie wenig du mich kennst“, lachte sie bitter, „nämlich überhaupt nicht! Wenn du dich auch nur ein bisschen für mich interessiert hättest, dann wüsstest du, wie wichtig mir das hier ist. Aber nicht mal für deine Schwester setzt du dich ein.“ Sie holte Luft. Für den letzten Schlag. „Wie ein waschechter Slytherin. Da gehörst du hin, Al. Nach Slytherin.“ Und damit stürmte sie an ihm vorbei und weg, einfach nur weg. Es war der erste von unzähligen Brüchen. „Denkst du, Voldemort hatte einen Sohn?“ Seine Frage durchbrach ihr Schweigen auf groteske Art. Ihr spöttisches Lächeln hielt ihn zum Narren und mühelos nahm sie die in ihrem Schoß ruhende Handarbeit wieder auf. „Diese Frage kannst du dir selbst beantworten, Harry Potter.“ Er nickte nachdenklich, bevor er sich erhob. Seine Pause, die er sich von seinen Freunden und Ginny und der Mysteriumsabteilung genommen hatte, währte nur kurz. Im Türrahmen hielt er inne und drehte sich noch einmal zu der Frau mit dem silbergrauen Haar um. „Gute Nacht.“ „Welche Frau kam ihm schon je so nahe, dass sie ihm einen Sohn hätte schenken können?“ „Ich dachte vielleicht an deine Schwester – es tut mir Leid.“ Sie schüttelte den Kopf und der Spott garnierte ihr Gesicht. „Bellas Versuche waren nie vom Erfolg gekrönt gewesen. Gute Nacht, Harry Potter.“ Das war alles, was er hatte hören wollen. Die Hexenküche – von vielen nur Küche genannt – war ein Club in Hogsmeade, der seit ein paar Jahren eindeutige Erfolge feierte. Alice war froh, dass sie zu der Generation gehörte, die das Privileg des abendlichen Ausgehens genossen. Bei ihren Eltern wäre es undenkbar gewesen. Ohnehin gab es für die Schüler ihrer Zeit viel mehr Hogsmeade Wochenenden und den Sechst- und Siebtklässler stand es sogar frei, in der Woche nach Hogsmeade zu gehen, insofern sie zum Abendessen nur wieder alle im Schloss seien. Die Küche war das Highlight des Tages, denn wenn man vor den anderen Zaubererschulen geschwärmt hatte, dann von diesem Etablissement. Es war magisch, aber auf eine ganz andere Art und Weise, wie sie es gewohnt waren. Hier wurde man locker, ließ sich benebeln und schaltete ab. Oder tat genau das Gegenteil. Wurde locker und sprengte alle Grenzen. Der Schuppen war schon brechend voll, als Alice ihn betrat und sogleich von dem violetten Licht eingesaugt wurde, das auf sie hinab regnete. Die verschiedenen Ebenen leuchteten abwechselnd in den verschiedensten, zauberhaftesten Lichtern auf, doch Alice mochte Violett. Und sie mochte den Typen, den sie an der Bar hängen sah. Hängen, das traf es wohl perfekt, denn Al Potter konnte kaum noch gerade stehen. Sie seufzte, doch der Ton wurde von der ohrenbetäubenden Musik verschluckt. „Du bist aber gut dabei.“ Alice versuchte den tadelnden Ton zu verwerfen, der selbst in ihrem Brüllen mitschwang. Auf dieser Ebene konnte man nie anständige Gespräche führen. Aber es reichte, um ihn zu verstehen. „‘n paar“, lallte er und Alice zog eine Augenbraue in die Höhe, während ihre Augen schnell zählten, wie viele Gläser Feuerwhiskey dort vor ihm standen. „Was ist passiert?“, fragte sie schließlich und ignorierte es beflissentlich, dass er den Arm um sie schlang und sie zu sich zog. Sie hatte das alles im Kopf durchgespielt und noch einmal würde er sie an diesem Tag definitiv nicht überraschen. Auch nicht betrunken. „Lily ist passiert.“ „Ein Mädchen mal wieder.“ O, sie hatte es doch gewusst! Immer richteten Weiber ihn so zu und sie war es schließlich, die ihn in all ihrem überdimensional großen Verständnis in den Schlafsaal trug. Sein Blick irritierte sie und der in ihr tobende Sturm verebbte je. O. Ach so. „Du meinst deine Schwester?“ Nicken. Ups. Aber besser war das nicht unbedingt, wenn sie sich recht besann. Albus war immerhin nicht jedes Wochenende so zugerichtet. „Sie ist nicht im Team und meinte, ich gehöre nach Slytherin.“ Alice verstand nicht alles, schon gar nicht die Zusammenhänge, doch legte ihm bei seiner verdrießlichen Miene trotzdem die Hand auf den Arm. Und spürte Muskeln. O Merlin. Und ließ wieder los. Und wurde rot – was man hoffentlich nicht sah. Ihr Mund wurde staubtrocken. „Es wird alles wieder gut, Al. Sie wird einfach durcheinander gewesen sein und Dinge gesagt haben, die sie im Augenblick bestimmt schon wieder bereut. Ist doch meistens so mit Geschwistern.“ Ja, bedachte sie sarkastisch. Sie hatte ja auch Ahnung als Einzelkind. Aber eigentlich hatte sie nicht damit gerechnet, als Seelenklempnerin auftreten zu müssen. Zusammen mit ihren Zimmergenossinnen hatte sie dafür bereits eindeutig zu viele Hexenkräuterchen intus. O weh. Und jetzt sah er sie auch noch so an. Er war eigentlich ganz süß, so besoffen. „Ich liebe dich, Alice.“ Ihr Ein-Mundwinkel-Lächeln erstarb und sackte ihr bis in die Kniekehlen. Es war die Erfüllung ihrer kühnsten Träume. Es war alles, aber nicht das Richtige. Definitiv nicht so. Dieser Trottel! „Nein, tust du nicht und ich würde dir raten, das am besten nur noch zu sagen, wenn du es auch meinst, Al.“ „Wieso?“ Lallen. Kopf hängen lassen. Albus Potter war in diesem Moment ein Wrack, also wog Alice sorgsam ab, wie viel sie ihm antun konnte beziehungsweise sich - darauf bedacht, er möge sich am folgenden Tag wohl kaum noch daran erinnern. „Wenn ich sage, dass ich dich liebe, dann könnte ich das sagen, weil ich es meine, während du sagst, dass du mich liebst, obgleich du es nicht wirklich meinst.“ Er zog seine Augenbrauen zusammen und Alice tätschelte ihm kurz den Arm, bevor sie sich auf dem Barhocker neben ihm niederließ, einen Cocktail bestellte und lächelnd darauf trank, dass sie ihm ihre Liebe gestanden und er es nicht einmal kapiert hatte. Wie sie nachhause kommen würden, wenn sie sich nun ebenfalls volllaufen ließ, war hingegen ein einziges Rätsel. Es mochte Zeiten geben, um nachzudenken, doch diese war es nicht. Eine Nacht wie diese bestand aus mehreren Etappen. Auch wenn Dome ihr wahrscheinlich in der Aufteilung widersprochen hätte, so teilte sie Rose wie folgt ein: Zuerst kam die gute Stunde, die man darauf verwendete, sich zu stylen. Das Beste aus der eigenen Gestalt zu machen. Auch wenn sie Partys eigentlich verabscheute – Fakt! –, war sie doch ungewöhnlich lange im Bad gewesen. Bis sie stolz gewesen war. Lange also. Aber das Werk eines Laien war trotzdem nicht zu verachten gewesen. Dem folgte dann das Grauen. Die Party an sich eben. Die Eskapaden – entweder die eigenen, die eines Familienmitglieds oder Freundes, oder aber die eines Unbekannten, für den man sich aber trotzallem schämte. Der Alkohol, das Rumgemache und die ganzen anderen Klischees. Man nenne es sogar das Übliche. Und wenn dann endlich der Hauptteil vorüber war; man die Chance auf eine Geschlechtskrankheit mehr erhöht hatte, torkelte man nachhause. Der Schluss von dem Ganzen; der manchmal in einigen Fortsetzungen gipfelte, insofern man nicht alleine ging. Sex oder aber auch das besondere Rendezvous mit der Toilette. Sie hätte ja gern laut gerufen Alkohol ist keine Lösung oder aber Man kann auch ohne Alkohol Spaß haben, nur leider überlebte Rose diese Gelage selbst nur mit einigen Cocktails. Wenn sie schon mitgehen musste wie an diesem Abend, weil sie ihren Plan, den sie hegte, seit ihr auf so erschreckend neutrale Weise bewusst geworden war, dass sie in Scorpius Malfoy verliebt war – ja, sie war ohnehin verloren, also weshalb noch leugnen? – und der daraus bestand, ihre Freunde Nathan und Julie zu verkuppeln, in die Tat umsetzen wollte. Man könne ihn jedoch sogleich in Zum Scheitern verurteilt umbenennen, denn Nathans Hand war schneller auf ihrem Oberschenkel gelandet, als sie Verteidigung gegen die dunklen Künste hatte sagen können. Und Julies Herz war gebrochen. Vielleicht war es unklug gewesen, aufzuspringen und zur nächsten Bar zu stürzen, um neue Drinks zu besorgen, aber die Situation war einfach vollends aus dem Ruder gelaufen und Rose‘ keines besonnenen Gedankens mehr Herr. Man schiebe es auf den Alkohol oder aber auf die bloße Annahme, Scorpius habe Nathans Anmache genau gesehen. Rose war sich fast sicher, dass damit ihr Unglück perfekt wäre. Ein provisorisch abgehaltener Kriegsrat auf dem Mädchenklo mit ihren Cousinen Lucy und Roxanne hatte ihr schließlich vergewissert, dass ihr Untergang nach Nathans Ich will mit dir ins Bett – Anmache – Analyse Roxannes während Lucy Nathan gespielt hatte – besiegelt war. Wusste sie. Wusste jeder, der Zeuge dieser Misere geworden war. Und Natalie Bordman würde mit Sicherheit ihr Bestmögliches tun, um es jeder Menschenseele auf die Nase zu binden – altes Klatschweib. Zudem war die Möglichkeit, dass Adrian Zabini gerade in ihrer Wohnung schon alles für die Orgie vorbereitete, mit der Scorpius ihr gedroht hatte, kaum noch fern. Danke, Nathan. Aber vielleicht hatte sie es mit ihrem schwarzen Minirock auch etwas übertrieben und bevor Rose gänzlich in ihren Schuldgefühlen ersoff, erwartete sie der nächste große Clou des Abends: Galina Kuprin, Schülersprecherin in Durmstrang. Hatte sie erwähnt, dass sie Partys verabscheute? „Dein Name ist Rose, richtig?“ Perfekt anliegendes, dunkelblaues Kleidchen. Perfektes Zahnpasta-Lächeln. Perfekte Korkenzieherlocken. Perfekt eben. So perfekt, dass man sich sofort um Einiges schäbiger fühlte samt Ego - Kratzern vom Feinsten. „Ähm, ja, genau. Rose Weasley. Was gibt’s Galina?“ Rose probierte auch das perfekte Lächeln. Ohne Erfolg. „Du siehst echt toll aus heute Abend.“ Gefährliche Nettigkeiten. Kannte man auch von Dominique Weasley. „Danke, du aber auch. Was trinkst du?“ Rose mochte normalerweise auch keinen gezwungenermaßen geführten Smalltalk. Genauso wie wenig wie Partys. „Black Roses.“ „Ah.“ „Ich wollte dich fragen, was zwischen dir und dem Malfoyjungen läuft, denn ich bin an ihm interessiert.“ O Merlin! Das war also der Grund, weshalb Galina Kuprin mit ihr redete. Auch wenn das ganz und gar nicht logisch war. „Ich verstehe nicht ganz.“ Eloquent wie immer. Sarkasmus hoch einhundert. „Zuhause fragen wir die Mädchen, die das Vorrecht auf den Jungen haben, nach Erlaubnis.“ O Merlin. Sie, Rose Weasley, hatte das Vorrecht? Sie sollte nun also ihren Segen dafür geben, dass diese Kuprin mit Malfoy ins Bett ging? Niemals. Nur leider hatte sie dieses Recht nicht. „Wir sind nicht zusammen. Ich kann das also nicht entscheiden“, sagte sie langsam. Immer noch das unbewegliche, schöne, sogleich beängstigende und irritierende Lächeln. „Liebst du diesen Jungen?“ „Ja.“ Mittlerweile ziemlich einfache Frage. „Dann verstehe ich nicht, warum ihr noch kein Paar seid“, gab Galina zu und eine Strähne löste sich aus Rose‘ Haarknoten, die ihr ins Gesicht fiel und die dortige Verwirrung perfekt unterstrich. „Ich bin eine Weasley und er ist ein Malfoy. Diese Konstellation ist hier bei uns verboten.“ „Wie Romeo und Julia?“ „So ähnlich, ja.“ „Aber sie hatten doch trotz des Verbots etwas Spaß zu zweit.“ „Und haben ihr Leben gelassen“, fügte Rose hinzu und lachte freudlos auf - ja, sie und Malfoy das würde wohl auch etwas Ähnliches nach sich ziehen. „Ich glaube, das war es ihnen wert.“ Vielleicht wäre das auch ihr wert. Nur ihm wohl kaum. „Ich werde ihn jetzt suchen“, teilte sie Galina mit, als sie sich erhob und kurz ihren Rock glatt strich. Das letzte Mal war sie so wackelig auf den Beinen gewesen, als Natalie Bordman ihre Party gegeben hatte. Im Sommer. Wo ein Unfall sie und Malfoy zusammengebracht hatte. „Dann werde ich ihm sagen, dass ich ihn liebe und wenn er darauf nicht reagiert – womit ich fast rechne, dann kannst du ihn haben.“ Rose trank ihr Glas mit einem Zug leer, denn ein bisschen Mut brauchte sie für ihr Vorhaben schon, bis sie losstöckelte. Galina wünschte ihr Glück und sie wünschte es sich selbst. Sie suchte auf allen drei Ebenen, doch fand ihn nirgends. War das nicht absurd? Da fasste sie einmal den Entschluss, ihm alles zu sagen; ihm ihre ganze Gefühlswelt zu offenbaren und dann war er nicht da, wie vom Erdboden verschluckt. Siedend heiß kam ihr die Möglichkeit in den Sinn, dass er vielleicht doch Nathans Hand auf ihrem Knie gesehen hatte und sich daraufhin selbst ein Mädchen geschnappt hatte – obgleich ein Malfoy wohl kaum wartete, bis sie betatscht wurde, um sich ein Flittchen zu nehmen. Sie verdrehte sie Augen bei all ihren wirren Gedankengängen und holte sich an der Garderobe ihre Jacke ab. Sie sollte es akzeptieren, dass sie ihn nicht gefunden hatte, dass sie es ihm nicht hatte sagen können, was ihr so sehr auf der Zunge brannte. Sie brauchte die Gewissheit, dass er nichts von ihr wollte. Er musste sie wachrütteln. Ansonsten wäre sie in diesem Chaos gänzlich verloren. Und vielleicht glaubte ein klitzekleiner Teil ihrer selbst sogar daran, dass er ihre Gefühle erwidern könnte. Ein ziemlich kleiner Anteil der Rose Weasley hoffte es vielleicht sogar. Und nur er könne diesen Optimismus im Keim ersticken. Als sie aus der Küche trat, hüllte die eiskalte Luft sie ein, legte sich bedrohlich auf ihre warme Haut und ließ sie frösteln. Hogsmeade war erleuchtet, sogar schon teils weihnachtlich geschmückt, aber vor dem Weg durch den Verbotenen Wald fürchtete sie sich. Vielleicht würde sie heute Abend auch gar nicht in ihre Wohnung gehen. Sich einfach vor dem düsteren Weg drücken und bei Alice schlafen. Sie setzte sich langsam in Bewegung, bevor ihre Beine noch festfroren, doch seine Stimme hielt sie auf. „Regel Nummer achtundzwanzig für nächtliche Ausflüge nach Hogsmeade besagt, dass man nicht allein, sondern in der Gruppe nachhause gehen soll.“ Ihr Herz setzte aus. Stoppte. Einfach so. Rose drehte sich um und blickte geradewegs in Scorpius eisblaue Augen. Er lächelte sie süffisant an, bevor er ihr den Arm anbot, den sie zögerlich griff. Sie setzte zum Sprechen an, doch schloss ihren Mund in der darauffolgenden Sekunde wieder. Öffnen und schließen, immer und immer wieder, ohne das Worte hinaus sprudelten. Sie konnte es nicht sagen. Sie war zu feige. Es war zu peinlich. Er war ein Malfoy. Sie eine Weasley. Das Dümmste, das sie tun könnte war- „Scorpius.“ Sie blieb stehen. O Merlin. Sie hatte den Verstand verloren. Definitiv. Ihr Verstand fuhr herunter und ihr Herz gewann eindeutig an zu viel Macht. Es plädierte darauf, dass sie eine Gryffindor war. Mutig. Er drehte sich zu ihr um und sein Blick war leicht amüsiert, eine Spur neugierig, vielleicht wusste er sogar schon, was sie zu sagen hatte. „Ich… Ich-“ Nein, sie konnte es nicht. Sie schloss die Augen. Sie konnte es nicht über die Lippen bringen. „Wir können keine Freunde sein.“ „Das sagtest du schon mal.“ „Es ist eigentlich auch nicht das, was ich sagen wollte.“ „Sag es einfach.“ Am liebsten hätte sie laut aufgelacht. Sag es einfach. Es war ganz und gar nicht so anspruchslos, wie er zu glauben schien. „Du bist der größte Arsch, den ich kenne, aber ich… ich mag dich.“ „Du magst mich?“, widerholte er grinsend und Rose verzog das Gesicht, während sie gemeinsam ihren Weg fortsetzten. „Weasley, das ist … erschreckend niedlich.“ Rose knurrte, während der Slytherin weiter hemmungslos lachte. Er legte ihr den Arm um die Schulter und zog sie näher, sodass sie den Geruch von Feuerwhiskey inhalierte, der sich so natürlich mit dem typischen Malfoy Eau de Toilette vermischt hatte. „Passt nur so gar nicht zu deinem Outfit heute Nacht“, flüsterte er ihr ins Ohr und eine stechende Hitze fuhr Rose in die Wangen. „Ich hab das nicht zu dir gesagt, um danach von dir ausgelacht zu werden, Malfoy.“ Er zuckte mit den Schultern und wirkte so ausgelassen, wie sie ihn noch nie zuvor erlebt hatte. „Was willst du hören, Weasley?“ „Eigentlich hatte ich gehofft, du würdest meine Hoffnungen allesamt zerstören. Nur leider lässt das etwas auf sich warten.“ „Wieso sollte ich? Ich mag es doch, wenn die Mädchen auf mich stehen.“ Sie seufzte. Theatralisch. So ein Idiot. „Galina Kuprin hat mich um Erlaubnis gebeten, dich abzuschleppen.“ „Was hast du gesagt?“ „Dass du schwul bist, natürlich.“ „Ach komm, das hat sie niemals geglaubt.“ „Ich denke schon.“ „Sie hat mich beim Quidditch gesehen, also bitte.“ „Sie hat euch zugeschaut?“ Perfekte Mädchen bildeten den Scorpius Malfoy Fanclub – als wäre sein Ego nicht ohnehin riesengroß. „Vielleicht solltest du auch mal vorbei schauen.“ „Und in den Scorpius Malfoy Fanclub eintreten? No way.“ „Du könntest Vorsitzende werden.“ „Lass die Scherze.“ „Obwohl … Natalie Bordman würde dich umbringen, wenn du ihr den Platz nimmst.“ O Merlin, er hatte schon einen Hogwarts – internen Fanclub? Das wurde ja immer besser. „Geh mit mir aus, Weasley.“ Stillstand. „Nein.“ Hauchdünn, sodass es er wegwischen konnte. „Warum nicht?“ „Du weißt warum.“ Wenn man ihre Namen hatte, zu ihren Familien gehörte, dann war das das einzig Richtige, das man tun konnte. Auch wenn man es nicht wollte. „Hör zu, Weasley, wenn wir nächsten Monat gegen Exfavilla gewinnen, dann-“ „Dann?“ Skepsis. „Dann gehst du mit mir aus. Deal?“ Sie würden wohl kaum Chancen gegen die Südländer haben. Neben Bellerbys waren sie die stärksten Gegner. „Von mir aus.“ „Und du wirst mich anfeuern – jedes weitere Spiel in diesem Jahr.“ „Übertreib’s nicht.“ „Du wirst ohnehin meine Freundin sein, es wird dir leicht fallen.“ „Scorpius-“ „Ich mag dich auch, Rose.“ Sie schluckte. Und konnte das Lächeln, das sich auf ihr Gesicht schlich, kaum unterdrücken. Er nahm ihre Hand und seine Finger verhakten sich mit ihren, wie ein längst verloren geglaubtes Puzzleteil. Vielleicht, irgendwann, wäre es zwischen Vergangenheit und Gegenwart möglich, Hoffnung für die Zukunft zu hegen. Denn zwischen Gestern und Morgen war Scorpius Malfoy erwachsen geworden. Seine Augen ruhten auf der zierlichen Gestalt, die sich ihm gegenüber fallen gelassen hatte. Sie schlug die Beine übereinander und lächelte ihn verführerisch an, bevor sie sich zu ihm vorbeugte, sodass sich das intensive Rot ihrer Haare näher denn je in sein Blickfeld schob. In ihm wuchs die Neugierde, was sie von ihm wollte, denn obgleich seine Gedanken fast stetig um sie kreisten, seit er sie das erste Mal gesehen hatte, brachte ihr Auftreten ihn heute umso mehr in Versuchung. Sie handelte sehr unklug, wenn man bedachte, dass bisher jede, die ihm so nah gekommen war, mit dem Leben bezahlt hatte. „Du bist kein Lehrer.“ Er lächelte. Und mit einem Fingerschnippen blendete er kurzerhand alles um sie beide herum aus. Keine Musik mehr, keine Menschen. Nur sie beide und der illusionistisch leere Club. Kurz flackerte Angst in ihrem Blick auf, doch seine Macht konnte sie nicht verschrecken. „Wer bist du?“ „Wer immer du willst.“ Sie war die reinste Verlockung für ihn. „Der Teufel.“ Ihre Züge wurden kokett. „Mephisto - das passt gut.“ Er lehnte sich zurück und das dunkle Haar fiel ihm um die Augen. Er wollte sie, keine Frage. Und er würde sie bekommen. Schneller, als er gedacht hätte. Denn das Lamm kam zum Wolf. „Bis zum heutigen Tag habe ich immer alles bekommen, was ich wollte“, erzählte sie nachdenklich. „Was hast du verloren?“ „Quidditch.“ „Das lässt sich regeln.“ „Ich werde mich revanchieren.“ Irgendetwas unterschied sie von den anderen, selbst wenn er wusste, dass nur der Alkohol sie in seine Arme getrieben hatte. Lily war anders. Für den Moment. „Gehen wir?“, fragte sie und er nickte leicht. Sie war eine Trophäe der besonderen Art. Und vielleicht vermochte sie ihm die Erinnerung zurückzubringen, die er so verzweifelt suchte – sein Leben. Hosted by Animexx e.V. 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