Accidentally in Love von Herzkirsche (the story of Rose & Scorpius) ================================================================================ Kapitel 8: eight ----------------                                 Das Licht der untergehenden Sonne fiel durch die langen Fenster in den runden Raum und alles, wofür er Augen hatte, war sie. Die letzten, orangeroten Sonnenstrahlen dieses Novembertages griffen in ihr dunkles Haar und man sah das stechende Glitzern eines Rottons, als sie sich dynamisch zu ihm umdrehte und ihr Haar durch die stille Luft flog. Sie redete, doch er hörte nicht zu. Er achtete vielmehr auf das Funkeln ihrer dunkelblauen Augen, als ihr Blick die Umgebung streifte. Sie lachte, doch er hörte es nicht. Er sah lediglich dabei zu, wie ihre Arme sich ausbreiteten und gestikulierten, und sie mit fast kindlicher Freude eine Pirouette drehte. Erst als ihre Hochstimmung mit dem Glanz in ihren Augen erstarb, sich ihre Stirn kräuselte und ihr Gesichtsausdruck einen fragenden und überaus verwirrten Zug annahm, tauchte er auf. „Malfoy“, ihre anklagende Stimme holte ihn ein, „Bist du denn gar kein bisschen begeistert?“ Scorpius stieß sich vom Türrahmen ab, in dem er gelehnt hatte, und trat einen Schritt auf sie zu, wobei seine Augen desinteressiert über das Mobiliar strichen - ohne dass er ihrer gleich in Hysterie darüber verfiel, was man ihm hiermit bot. Er war ein Malfoy. Er verdiente nur das Beste. „Keine Entschädigung dafür, mit dir zusammenleben zu müssen, Weasley“, kommentierte er ihren neuen Gemeinschaftsraum schneidend und Rose zog hörbar die Luft ein. Mittlerweile war es ihm gleich, ob er sie verärgerte oder nicht, er legte es sogar kaum noch direkt darauf an. Er hatte vielmehr schon in den ersten Jahren während ihrer Schulzeit begriffen, wo er ansetzen musste, um sie so wütend zu machen, dass sie die Beherrschung verlor. Solche Dinge vergaß er nicht. Und nun, da kamen ihm die Worte fast wie von selbst über die Lippen. Immer die richtigen Falschen. Sein Blick fokussierte die vielen Bücherregale, welche sich an der gegenüberliegenden Wand vom Boden bis fast unter die Decke schlängelten. Sie waren mit Worten wohlgenährt, also hätte die Gryffindor wenigstens immer genug zu lesen, sodass er seine Ruhe haben würde. „Brennholz“, meinte er mit einem provozierenden Grinsen und nickte hinüber zu ihrem Lebenselixier. Er wich ihrer Hand aus und tauchte unter ihrem Arm hinweg, während er schon Protego murmelte und ihr Fluch an ihm abprallte. Er war der Bessere im Duellieren. Scorpius war seinem Wissen nach sogar schneller als ihr Cousin. Sie besiegte er also allemal. Rose redete, fluchte, verwünschte ihn, doch er schaltete ihre Stimme einfach aus. Irgendwann hatte er den Off-Knopf für Weiber gefunden. Ein grüner Einband erregte seine Aufmerksamkeit und er zog ihn aus dem Regal. „Du musst wohl doch in die Bibliothek“, rief er ihr zu und sie hielt darin inne, sich dafür zu bemitleiden, mit ihm gesegnet zu sein und haltlose Flüche auf ihn abregnen zu lassen; wohl in der Hoffnung sein Schild zu schwächen – hoffnungslos. Er war ein Malfoy. „Warum?“, fragte sie schnippisch und trat auf ihn zu. „Was ist das?“ Ihre Augen flogen neugierig über die silbernen Lettern, doch er bezweifelte, dass ihr Latein oft Anwendung im Alltag fand, hingegen er wusste, dass sie es in den ersten Jahren belegt hatte. „Das ist mein Buch. Über Slytherin.“ „Sag bloß, du musstest erst lernen, wie man ein Arschloch wird?“ Sie legte den Kopf schief und betrachtete ihn spöttisch. „Es ist eher eine Chronik“, verbesserte er sie und stellte das Buch zurück. „Das sind alles unsere Bücher.“ „Wer wohl auf die Idee kam, sie herzuholen?“, murmelte Weasley und ihr Blick huschte über die Titel. „Dumbledore oder ein anderer Spinner.“ Es war allgemein bekannt, dass einige Ideen mit denen man sie Jahr für Jahr strafte, und welche zudem besonders den Slytherins zuwider waren, vom ehemaligen Schulleiter stammten, dessen Porträt im Büro McGonagalls um einiges lebhafter war als die anderen, welche verstorbene Direktoren inne hielten. „Gut möglich.“ Er spürte, wie ihr sanfter Blick auf ihm ruhte. Manchmal, wenn er sie nicht direkt ansah, betrachtete sie ihn so wie jeden anderen auch. Nicht in der Annahme, er sei ihr schlimmster Feind, sondern auf eine Art und Weise unvoreingenommen – so weit dies bei ihrer Vorgeschichte überhaupt möglich war. Seine Augen wanderten hinüber zu ihren Büchern; natürlich hatte sie weit mehr als er. Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Insofern er hätte wetten müssen, welche Muggel Literatur die Weasley inhaliert hatte, so wäre ihm dies leicht gefallen. Offensichtlich gefielen ihr Klassiker. Er war ein Malfoy. Deswegen dachte er im nächsten Moment auch unweigerlich an Sex. „Also gefällt es dir?“, klingelte ihre Stimme an seinem Ohr; allem Anschein nach interpretierte sie seine Züge ganz und gar falsch. „Geht so“, begann er und schenkte ihr einen süffisanten Blick. „Ich hatte eben eine nette Vorstellung.“ Skepsis bettete sich über ihr Gesicht und misstrauisch musternd huschte das Blau ihrer Augen an ihm entlang. „Will ich wissen, was das war?“ „Nein, sicherlich nicht.“ Sie seufzte, während ihr ein leichtes Rot in die Wangen kroch. Seine Mutter hatte ihn nicht selten mit der Gabe aufgezogen, die kleinen Mädchen rot werden zu lassen. Da war er vielleicht sechs Jahre alt gewesen und oft mit ihr durch die Winkelgasse geschlendert. Seinen Effekt auf das weibliche Geschlecht hatte er über die Jahre lediglich intensivieren müssen. „Du bist ein einziges Klischee, Weasley, weißt du das eigentlich?“, hörte er sich sagen und mir nichts dir nicht vertrieb er jeglichen Funken Farbe aus ihrem Gesicht. Mit einem Schlag. Einem Satz. Er war ein Arschloch - ja, irgendwie schon. Aber im Endeffekt machte er es ihnen beiden somit um einiges leichter. „Warum?“, fragte sie leise und blickte das Bücherregal hinauf. Sie käme wohl kaum an alle heran. „Du hast Goethe und Schiller gelesen“, begann er abwertend und nickte hinüber zu den dünnen Bänden, die sich aneinanderreihten. „Die meisten Zauberer lesen das hochtrabende Zeug dieser toten Muggel, obwohl es uninteressant ist, dir, Weasley, hat es jedoch mit ziemlicher Sicherheit sogar Spaß gemacht, deine Zeit so zu verschwenden und deshalb bist du das Klischee einer Weasley.“ Sie biss sich auf die Unterlippe, bevor ihre Erwiderung die Distanz zwischen ihnen zerschnitt. „Welche Weasley nimmst du als Maßstab, Malfoy? Mein Vater war wohl kaum Klassenbester, nein, dazu gehörte deiner! Und meine Mutter war eine Granger. Und“, sein Blick verharrte auf den wenigen Sommersprossen, die mit dem Winter zu verblassen begannen, „Goethe gehört zu den Besten. Was interessieren mich denn Geschichten über Koboldaufstände, wenn ich auch das aus der Zeit lesen kann?“ „Er ist einzigartig. Diese Phantasie hätte ich keinem Muggel zugetraut“, gab sie nachdenklich zu und drehte das dünne Buch zwischen ihren Fingern, bevor sie es zurück zu den anderen schob. „Er war kreativ genug, sich den Teufel auszumalen. Eine beeindruckende Leistung, wenn man bedenkt, dass man jegliche Magie damals dem Teufel zuschrieb“, erwiderte er und auf ihr Gesicht legte sich leichte Irritation. „Du hast es selbst gelesen“, stellte sie fest und ungläubig zog sie eine Augenbraue in die Höhe. „Du liest nicht nur, wie du ein rücksichtsloses Monster wirst sondern auch Weltliteratur! Scorpius, ich bin wirklich beeindruckt.“ „Ich denke, er war kein Muggel.“ Rose lachte. Er brachte sie zum Lachen. „Ich kenne die Theorien und das ist an den Haaren herbeigezogener Unfug von Zauberern, die ihm den Erfolg nicht gönnten. Es gibt keinerlei Beweise dafür.“ „Ich wär‘ mir da nicht so sicher“, murmelte er nachdrücklich und zwinkerte ihr zu. „Wer weiß.“ Er schlenderte an ihr vorbei und auf zur Tür. „Was weißt du schon“, rief sie ihm nach und sein Gesicht garnierte ein ihr verborgenes Grinsen, als ihm bewusst wurde, dass er ihr Interesse geweckt hatte. Es war einfach gewesen. Geradezu beeindruckend leicht. In diesem Moment war er von sich selbst mehr als begeistert. „Ich bin ein Malfoy“, antwortete er ihr gelassen und in seinen Gedanken sah er genau, wie sie bei diesem Standard ihr hübsches Gesicht verzog. Moment. Hübsch? Er blieb stehen und wurde sich seines gedanklichen Fauxpas bewusst. Niemals durfte er solche Gedanken hegen. Niemals wenn er an sie dachte. „Wir sollten noch was klären“, Ihre Worte schlichen sich erneut in seinen Kopf und als er sich zu ihr umdrehte, lag in ihrem Blick ein Hauch Gemeinheit, den Mädchen aus Slytherin generell nicht ablegten. „Und was, bitte?“ „Wenn du auch nur einmal auf die Idee kommst, eines deiner Mädchen mit herzubringen, dann sei dir versichert, bringe ich dich um.“ Er lachte. Sie brachte ihn zum Lachen. „Tust du nicht.“ - „Sei dir da nicht zu sicher.“ - „Dein böser Blick wird mich wohl kaum in den Krankenflügel katapultieren, Weasley.“ „Ich dachte eher an eine Kastration, die dich dann geradewegs ins Grab befördert.“ „Du willst mit meinen Eiern spielen?“ Und die Empörung, die seine Worte ihr aufs Gesicht zauberten, hätte er am liebsten fotografisch festgehalten. Denn Weasley, wie ihr die Kinnlade hinunterfiel, ihre Augen sich weiteten und ihr Gesicht magentarot anlief, war tausende von Galleonen wert. Scorpius liebte es, wenn sie verlor. „Dann wohl eher eine Vasektomie“, sagte sie schnell, doch den Zuckerton konnte sie nicht beibehalten. Er hatte sie einfach zu sehr mit seinem Konter getroffen. Er war eben ein Malfoy. Im Türrahmen konnte Scorpius dagegen nicht anders, als sich noch einmal zu ihr umzudrehen. „Dasselbe gilt natürlich auch für dich. Wenn ich diese Schwuchtel aus Beauxbatons hier sehe, dann ändern sich die Regeln und Adrian und Quirin werden hier nicht die einzigen Gäste sein, kapiert Weasley?“ Und mit mehr als gnadenloser Verblüffung ließ er sie zurück. „Es steht mir ganz und gar fern, das zu begreifen!“, entrüstete sich Alice. Ihre Mundwinkel verzogen sich missbilligend und ganz zart schob sie die Augenbrauen zusammen. Immer wenn sich Haselnussbraun mit Ozeanblau vermischte, fühlte sich Rose geborgen. Schon auf der ersten Zugfahrt nach Hogwarts hatte die Longbottom es so geschafft, ihr einen Teil des Lampenfiebers zu rauben, sie zu beruhigen. Rose‘ größte Sorge war gewesen, eventuell eine Slytherin zu werden, obgleich sich wohl Albus vielmehr vor diesem Weg gefürchtet haben musste. Im Nachhinein schien es ihr als das Verständlichste der Welt, dass sie ebenfalls eine Gryffindor geworden war. Immerhin waren ihr Vater und ihre Mutter im selben Haus gewesen – doch sie hatten die Zaubererwelt gerettet; eine Bestimmung, die wohl kaum Rose gleichermaßen zuteil werden würde. „Ich versteh es auch nicht“, erwiderte die Weasley verbissen. Rose versuchte gar seit mehreren Minuten verzweifelt, ihnen eine neue Thematik zu suchen, über die sie reden konnten, doch gab es in diesem Moment nichts, das sie mehr beschäftigte als Malfoy. Und da sie Alice kannte, wusste sie auch, dass es eine Zeit brauchen würde, ihre beste Freundin von dieser Materie loszureißen. Zu spannend erschien dieser die für Rose undurchschaubare Anatomie des Scorpius Malfoy. „Für Malfoy ist es unbegreiflich, dass Mädchen und Jungen einfach nur befreundet sind“, sagte Alice grimmig. Es war eine Hypothese, eine Feststellung. Generell fehlte beim Stoff Malfoy das vielleicht, möglicherweise, eventuell. Sie hantierte nie mit Überflüssigem, das ihr Bild von ihm infrage gestellt hätte. Für sie gab es in Bezug auf Scorpius keine Grauzonen, immer nur schwarz. Doch Rose suchte nach dem Weiß. „Im Sommer auf der Party habe ich wirklich gedacht, dass er anders geworden ist. Er war plötzlich so nett, obwohl ich eine Weasley war.“ Es war das erste Mal, das Rose das Thema von sich aus anschnitt. Diese fürchterliche Nacht. Einen Moment lang hatte sie geglaubt, er habe sich verändert. Er sei erwachsen geworden. Wie töricht von ihr, das von einem Malfoy zu erwarten. „Du willst, dass er nett zu dir ist?“, fragte Alice ungläubig und beugte sich ein Stück zu ihr nach vorn. Sie saß im Schneidersitz auf ihrer grünen, gemütlichen Couch mit den silbernen Akzenten - auf Slytherinstoff in ihrer Maisonette. Alles an dieser Wohnung, die Rose noch immer den Atem raubte, war eine Mischung aus Slytherin und Gryffindor. Abstrakt, dass es gelungen war, zwei ehemals – in gewisser Weise noch immer – verfeindete Häuser derart in Einklang zu bringen. Die Weasley selbst saß auf dem kleinen Couchtisch, das knisternde Feuer im Rücken. Lediglich eine Stunde verblieb ihnen, ehe sie sich zum Schloss aufmachen würden, um das Festmahl zu Ehren der Gäste zu genießen. Nur eine Stunde bis sie gemeinsam mit ihren Freunden Julie und Nathan zu Abend essen würde und ihr die Unbehaglichkeit mit jedem Blick Nathans deutlicher in den Magen gekrochen käme, während sie mit dem Rücken zu Slytherin saß und es zwischen ihren Schulterblättern beginnen würde zu kribbeln, weil Malfoy sie beständig beobachtete. „Rose“, flüsterte Alice vorsichtig und näherte sich ihrem Gesicht, so als hätte sie so die Möglichkeit, ihre Gedanken zu lesen. In der Hoffnung, in ihren Augen die Wahrheit erkennen zu können, während Rose' Lippen das Netz aus Lügen spannten. „Bist du in Malfoy verliebt?“ Ihre Stimme war so gedämpft, als hätten die Wände Ohren; als wäre es ein Geheimnis, das sie hüteten; als wäre es etwas Verbotenes. „Nein“, antwortete Rose schnell und senkte den Blick, um dem forschenden Funkeln zu entkommen. „Bist du vielleicht in Scorpius verliebt?“ Rose hielt den Atem an. Sie war eine einzige Grauzone. Alles wurde bei ihr hinterfragt. Rose war ein einziges Vielleicht. Möglicherweise. Eventuell. __ Hagrid wischte sich seine Branken an den Fellen ab, die er trug. Argwöhnisch blickte er sich um und vergewisserte sich, dass ihn niemand bei dieser Taktlosigkeit beobachtete. Die Wahrheit war, dass Abraxanerschimmel ungemein viel Dreck machten und wohl auch die Erziehung, die sie genossen, keinesfalls streng genug war. Hingegen ihres majestätischen Anblicks ließen ihre Manieren zu wünschen übrig und den halben Abend hatte er sich bemüht, sich den misstrauischen Wesen überhaupt nähern zu können. Aber er tat es für seine Maxime, die ja eigentlich nicht seine war. Als der Wildhüter seinen Fuß in die nun noch gewaltigere Große Halle setzte, sah er sie bereits weit hinten im Lehrerbereich neben Professor Flitwick deutlich herausragen. Ihr aufmunterndes Lächeln bedeutete ihm, dass er sich heute an ihren Tisch setzen durfte. Die Tische der Lehrer standen auf einer mannshohen Empore, die jedoch optisch kaum besser in die ehrwürdigen Mauern Hogwarts gepasst hätte. (Er war dabei gewesen, als Minerva sie aus dem Steinboden hatte wachsen lassen.) Aber auch die Schüler saßen nicht mehr in ihrer Häuserform zusammen, sondern hatten sich nach Belieben an den einzelnen runden Tischen postiert. Hagrid erinnerte der Anblick eher an eine altmodische Form des neuartigen Muggel Cafeteria Systems, das vielleicht gar nicht mehr so modern war. Zu Rosies zehnten Geburtstag waren sie alle im Kino gewesen – sein erstes Mal in einer solchen Einrichtung – und in dem Film, den sie gesehen hatten, war unter anderem die Schulcafeteria der Ort großer Szenarien geworden. Er klopfte Albus, der mit Rose, Alice und zwei neuen Schülern an einem Tisch saß, im Vorbeigehen auf die Schulter, während er bemerkte, dass die Slytherins sich mal wieder jeglicher Integration verweigerten und geschlossen an ihren Tischen hockten. Er schüttelte den Kopf. „Darf ich fragen, was diesen neuen Lehrer befähigt, den sie eingestellt haben?“, zwitscherte Professor Flitwick und lächelte Madam Maxime aufmunternd an, die diesem Thema jedoch abtrünnig zu sein schien. „Das is‘ ein komischer Kerl“, pflichtete Hagrid bei und wahrscheinlich war das der größte Fehler, den er hatte begehen können. Olympes Lippen wurden bedrohlich schmal. „Vertraust du meinem Urteil nischt?“, fragte sie ihn in ihrem fast akzentfreien Englisch und Hagrid wurde rot. „Ich, nein, ich … wollte nur wissen, wie das zustande kommt und so“, sagte er kleinlaut und Maxime lachte schallend. „Ich musste diese Wahl schon etliche Male rechtfertigen, Rebeus, sei dir dem versichert. Doyle ist ein ausgezeichneter Zauberer, ein sehr guter Lehrer und wird hier einen Kurs in Zaubereigeschichte unterrichten, komme was wolle. Er hat mein vollstes Vertrauen.“ Damit wandte sie sich wieder ihrem Nachtisch zu und würdigte ihn keines weiteren Blickes. „Er hat eine böse Ausstrahlung“, murmelte Hagrid in seinen Bart und während Olympe ihn vehement ignorierte, nickte ihm Flitwick bestätigend stumm zu. Vielleicht wäre es besser, dachte Hagrid, wenn sich sein Instinkt einmal täuschen würde. __ Quidditch war ihre Leidenschaft. Ihre einzige, gottverdammte Passion. Kaum einer Tätigkeit jagte sie mit ähnlich stark ausgeprägtem Fanatismus hinterher als der, auf einem Besen durch die Lüfte zu fliegen und den kleinen, flinken Schnatz zu suchen, dessen Fang ein Spiel schon meist entschied! Und diese Begeisterung für den beliebtesten Zauberersport der Welt wollte man ihr also nun nehmen, indem man es ihr verwehrte, Teil des Teams zu sein? Ihre Finger gruben sich in die rote Jacke, auf deren Rücken in Gold der Löwe Gryffindors eingestickt worden war und auf der immer noch ihr Name stand. Lily L. Potter. Sucherin. Niemals würde sie diese Jacke loslassen. Eine rote Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht, als sie den Blick senkte, da sich verräterische Tränen in ihre Augen schlichen. Sollte man sie nicht teilhaben lassen, dann wäre das ihr Ende. Denn sie hatte nichts, das ihr gleichermaßen gut gefiel wie dieser Sport. Er war ihr Lebensinhalt. Die Holyhead Harpies waren ihre Zukunft gewesen, immer, wenn sie geträumt hatte. Schulisch konnte sie keineswegs mit ihren Cousinen in einer Liga spielen - allen voran natürlich Rose mit ihrem Superhirn - doch weder jene, noch Lucy, Molly oder Dominique waren vergleichend brillant auf dem Feld wie Lily. Bei Merlin, Dome war wohl kaum dazu gemacht, bei jeder Witterung auf dem Besen zu sitzen. Sie und Rose taten gut daran, sich bestmöglich von Ferien – Quidditch mit der ganzen Familie zu drücken. Lily dachte an den Ferientag zurück, als sie im Sumpf ihrer Tante Fleur gelandet war und der Gestank von Schlamm und Abfall an ihrem Körper geklebt und nicht mehr hatte verschwinden wollen. Sie erlitt alles für Quidditch, sie gab immer 100 Prozent und egal, was auch entschieden wurde, sie musste spielen! Eingepfercht zwischen Ravenclaw und Slytherin saß sie auf ihrem schmalen Platz auf der überfüllten Bank in der brechend vollen Kabine und starrte die Tür an, hinter welcher sich ihr Bruder und Scorpius Malfoy über die Zukunft des Team Hogwarts berieten. „Warum ist das notwendig?“, hinterfragte Albus Potter die neue Regelung zum wiederholten Male, während seine Augen über das Pergament flogen, welches man vor ihm und Malfoy ausgebreitet hatte. Jane Seymour entfuhr ein gestresstes Seufzen, das vor Selbstmitleid, sich in diese langweilige Situation gebracht zu haben, fast überschwamm, doch Professor Bagman beugte sich eindringlich - und seiner Worte nicht müde werdend - erneut zu ihnen über den Tisch. „Es ist das einzig taktisch Sinnvolle, das wir tun können, Potter. Es geht nicht, dass alle Hausmannschaften gegen die anderen Zaubererschulen antreten! Wie sehe das denn aus? Ganz zu schweigen davon, wie viele Spiele das geben würde. Nein, es muss ein Team Hogwarts geben, Potter, sonst können wir uns nicht vor denen blicken lassen.“ „Seit den Reportagen über die anderen Schulen im Tagespropheten, kritisieren die Eltern, dass es in Hogwarts noch Häuser gibt, die kaum Identität und Einheit nähren. Doch das sind wir“, fügte Jane derart monoton hinzu, dass Al es stark anzweifelte, dass sie der Überzeugung sei, Slytherin gehöre abgeschafft. Immerhin glaubte Seymour, sie stehe über dem Rest der Welt, was laberte die Veelabrut dann jetzt plötzlich von Eintracht, Harmonie und Verbundenheit? Dass die Häuser die individuellen Züge der Schüler hervorhoben, das war es doch auch, das Hogwarts ausmachte. „Wir können das nicht von heute auf morgen entscheiden, das ist unmöglich“, murmelte Albus, fuhr sich mit der freien Hand durch das ohnehin schon zerzauste Haar und schüttelte vehement den Kopf. „Ich bitte dich“, lachte Jane kalt und durchbohrte ihn mit ihrem dunklen Blick. Einmal hatte er sie attraktiv gefunden, doch Dominique trug ebenfalls den Veela Charme und sobald man diese Aura in der Familie hatte, desto schneller wurde man dagegen immun. Albus sah alles hinter ihrer Fassade, das anderen verborgen blieb. Er hatte sie durchschaut und ihn ekelte das, was er dabei gefunden hatte, an. Ihre Seele war so dunkel wie Pech. „Du und Scorpius, das macht zwei. Bleiben noch fünf andere Plätze zu vergeben plus die paar Ersatzspieler, welche jedoch ohnehin nicht zum Zug kommen werden. Warum sollte die Liste der Spieler also nicht schon morgen auf Professor Bagmans Tisch liegen?“ Al lehnte sich zurück und seine Hand gestikulierte Malfoy, das nun er an der Reihe war. Denn bis zu diesem Augenblick hatte dieser lediglich nonchalant auf seinem Stuhl gehangen, seine Exfreundin angestarrt und ihren Hass in seinen Augen gespiegelt. Insofern Al Interesse gehabt hätte, so wäre es ihm vielleicht in den Sinn gekommen, zu ergründen, was diese grässliche Seymour dem Malfoy noch bedeutete, die ihn so herzlos abserviert hatte, dass Scorpius das erste Mal in seinem Leben seine eigene Medizin des Verlassen Werdens hatte schlucken müssen. Doch Al hatte schlichtweg keine Neigung dazu, darüber zu rätseln, ob sowas wie Liebe in deren Herzen überhaupt existierte oder was auch immer man füreinander empfand, wenn man zu den Schlangen gehörte. Ihm tat Rosie leid. Er machte sich Sorgen um sie. Doch mehr als alles andere, wollte er nur noch weg. Raus aus diesem Raum und weg von den Entscheidungen, die kaum schwerer hätten sein können. „Wir werden eine Woche brauchen, um achtundzwanzig feststehende Spieler auf nur Sieben zu reduzieren. Das alles wird sich in Auswahltrainings entscheiden müssen und selbst dann wissen wir noch nicht, ob wir in der Konstellation überhaupt spielen können“, sagte Scorpius und seine Augen huschten hinüber zu Bagman, der sich nun müde über das Gesicht rieb und nachdenklich nickte. „Ja, natürlich, ihr habt bisher nur gegeneinander gespielt und nicht als Team.“ „Trotzdem“, fuhr Jane gereizt dazwischen und hob ihre Hand, an der einige Ringe glitzerten, um an ihren schmalen Fingern das – Al musste es ganz und gar zugeben – schon Feststehende abzuzählen. „Malfoy, Potter und Davis sind jawohl glasklar. Es gibt nur noch vier weitere Plätze - das kann doch nicht so kompliziert sein.“ „Davis wird wohl kaum für Hogwarts antreten“, lachte Malfoy kalt und funkelte Jane an, die bei seinen Worten die Augen wütend verengte. „Wieso nicht?“, zischte sie und beugte sich zu ihm hinüber, sodass Albus fast sehen konnte, wie ihr unsichtbarer Charme versuchte, sich um ihn zu schlingen. „Da kann man doch sicher etwas machen.“ Bagman wurde rot und wendete den Blick von der Szenerie, alldieweil Albus Malfoys Reaktion auf jene Offensive abzuschätzen versuchte. Scorpius beugte sich ebenfalls zu Jane, doch seine Miene blieb unbeeindruckt und emotionslos. „Dein Freund ist ein Noob und wird nicht spielen, das kann ich dir schriftlich geben. Es werden wohl eher Fred Weasley und Quirin Goyle die neuen Treiber.“ Die Eiseskälte im Raum erreichte neue Dimensionen und schließlich nahm Jane sichtlich beleidigt das Kommando zurück. „Also Auswahltrainings“, knirschte sie und nickte, indessen Bagman bereits die Termine aufschrieb, nach den sie sich zu richten haben würden. „Es wird hart werden, aber nicht aussichtslos“, versicherte er fortwährend, „doch muss der Teamgeist schon bis kurz vor Weihnachten keimen, denn dann haben wir das erste Spiel.“ Albus schloss die Augen und blendete seine Umgebung eine zeitlang aus. Sie würden viele Träume vom Quidditch zerplatzen lassen müssen, wenn aus vier Mannschaften nur die besten sieben Spieler zusammengestellt werden sollten. Es würde nicht einfach werden. Und wie man einen Teamgeist zwischen sich feindlich gesinnten Spielern herstellen sollte, die wohl kaum Euphorie darüber empfinden würden, zusammen eine Mannschaft zu bilden, wusste er ebenfalls noch nicht. Als hätte er nicht schon genug Probleme. ___ Imogene rannte durch die zu vollen Gänge des Schulhauses, mißachtete die wütenden Stimmen, die ihr etwas hinterher brüllten von wegen Hausordnung – Hallo? Sie war eine Malfoy! – und tänzelte schließlich fröhlich durch den vierten Stock zur Schulbibliothek. „Noch rechtzeitig“, rief sie triumphierend und ließ das Buch vor der gebrechlichen Agnes Pince, die nach dem Tod ihrer Schwester das Amt übernommen hatte, auf den Tresen fallen, sodass der laute Knall die Bibliothek erfüllte. Ein stolzes Grinsen lag auf Imogenes Gesicht, das jedoch erstarb bei dem empörten Blick, der ihr nun begegnete, und dem Gewitter aus Standpauken, das kaum später über sie hinab rieselte. Mrs. Pince hatte die Erhabenheit, sie schrumpfen zu lassen und ihr jedes Mal aufs Neue die Energie auszusaugen wie eine besonders durstige Schrohglum – ja, manchmal las sie den Klitterer. Imogene seufzte. An den anderen Tagen hatte sie das Problem, dass sie die Bücher zu spät zurückbrachte, sodass ihr Pince schon etliche Male gedroht hatte, sie keine Bücher mehr mitnehmen zu lassen. Schließlich war ihr wie sooft ihr Übermut in die Quere gekommen, doch sie würde auch dieses Missgeschick im Keim ersticken, also tat sie das, was sie bereits hundertfach vorher auch getan hatte. Das gleiche Spiel. Sie begann haltlos zu quasseln, über Merlin und die Welt, das Wetter, sogar Schrohglume - schwerpunktmäßig redete sie, während Pince schimpfte und ihrem Ärger Luft machte. So sprachen sie galant aneinander vorbei. Wie immer. „Okay, tut mir wirklich Leid, Mrs. Pince, aber ich hab jetzt noch Unterricht“, lächelte Imogene irgendwann zuckersüß und Agnes Adleraugen schienen sich nicht mehr herbeizusehnen, als das sie einfach nur noch ging. „Bis zum nächsten Mal“, flötete die Malfoy gut gelaunt; bedachte, dass sie die gute Mrs. Pince irgendwann wohl noch ins Grab befördern würde und drehte sich auf dem Absatz um – und sah ihn. Hugo, wie er allein an einem Tisch in der sonst leeren Bibliothek saß, da fast alle – und er eigentlich auch – vormittags Unterricht hatten. Vorsichtig schlich sie sich näher. Er bekam kaum etwas um sich herum mit. Einzig das Rascheln seiner Feder auf dem Pergament erfüllte die Luft. Er bemerkte sie gar nicht, noch nicht einmal, als sie sich ihm direkt gegenüber auf den Platz gesellte. „Hi“, grüßte sie leise und er blickte kurz zu ihr hoch, bevor er sich wieder seinen Arbeiten widmete. „Wir haben jetzt Wahrsagen bei der guten Trelawney oder hab ich was verpasst?“, fragte sie und lächelte, was er jedoch kaum zur Kenntnis nahm. Er hatte sich verändert, sehr sogar. Auch wenn er schon immer der Besonnenste im Vergleich zu Lily und Louis gewesen war - immer sehr ruhig -, so hatte sich doch eines ganz besonders verändert, denn nichts spürte man nunmehr noch von seiner einst stumm einladenden Haltung. Nichts. Es schien ihr gar mehr so, als würde er sich nun von ihnen allen abschotten und zurückziehen. „Viel Spaß.“, wünschte er ihr und Imogenes Augenbraue wanderte in die Höhe. Sie hatte zwei Möglichkeiten, entweder sich zurückzuziehen und ihn nicht zu verärgern oder aber weiter nachzuforschen und seine Nerven arg zu strapazieren. Ihre Wahl war ohnehin klar. „Eigentlich musst du mitkommen, wie du weißt, denn ansonsten kann sie dir nicht deine dunkle Zukunft voraussagen. Das würde die Gute sehr traurig machen.“ „Du kannst ihr sagen, dass ich mich nicht gut fühle und den Dreck nacharbeite“, murmelte er und hob sein Buch an, auf dem sie den Titel Traumdeutung las. Ihr momentanes Thema. „Was ist mit dir los, Hugo? So kennt man dich gar nicht“, versuchte sie es erneut und überging seine Aussage, ihn entschuldigen zu müssen. Vielleicht würde sie auch gar nicht mehr zum Unterricht gehen, sie war ohnehin schon viel zu spät dran. „Du kennst mich eh nicht, Malfoy.“ Imogene lachte und besah ihn mit einem spöttischen Blick. „Lass die Malfoy Nummer; als wüsstest du nicht, dass ich nicht dem Klischee entspreche!“ „Verschwinde“, sagte er und funkelte sie an, doch Imogene erwiderte den Blick gänzlich unbeeindruckt. „Erst wenn du mir sagst, was mit dir los ist.“ „Das geht dich nichts an, verdammt!“ Seine Stimme war lauter geworden, als beabsichtigt, und Imogene warf einen verschwörerischen Blick über die Schulter und zu Pince, doch diese war gar nicht mehr zu sehen. War ja klar. Immer nur bei ihr regnete es Predigten. „Wir waren doch mal Freunde“, sagte sie beschwichtigend und beugte sich zu ihm hinüber. „Du kannst dich mir also anvertrauen.“ Er schien darüber nachzudenken, bemerkte Imogene enthusiastisch und lächelte ihn aufmunternd an. „Waren ist richtig.“ Sie seufzte. Na toll. „Du bist derjenige, der sich zurückgezogen hat und ich will wissen, was dich so verändert hat - eher gehe ich nicht!“ Nun war es an Hugo bezüglich ihrer unermüdlichen Penetranz aufzustöhnen. Wieder hob er das Buch an, welches vor ihm lag. „Traumdeutung“, las Imogene laut vor und legte den Kopf schief. Er nickte und erwartete offensichtlich ihre Schlussfolgerung. „Du hast Albträume“, wagte sie auszusprechen und nach ein paar Sekunden des stummen Blickkontakts bejahte er es. „Ich sehe alle Menschen, die mir etwas bedeuten, sterben.“ Imogene wurde kalt und eine unsichtbare Macht schien ihr die Kehle zudrücken zu wollen - ihre eigene Angst. „Wie lange geht das schon so?“ „Seit dem Sommeranfang glaube ich.“ Er sah zur Decke und schien sich zurückzuerinnern. „Es war beinahe so, als hätte sich mit diesem Tag die Welt verändert.“ „Wie meinst du das?“ „Keine Ahnung, es ist alles so belastend und verwirrend.“ „Wen-“, begann Imogene, doch ihre Frage erstarb auf ihren Lippen, als sie Hugos verletzten Gesichtsausdruck bemerkte. „Meine Schwester wird in etwa vier bis fünf Jahren durch den Todesfluch sterben.“ Imogene zog scharf nach Luft und doch schien es ihr einen Augenblick so, als würde sie das Bewusstsein dennoch verlieren. „Woher weißt du das so genau? Ich meine, siehst du einen Kalender und das Datum oder wie läuft das ab?“ Ihre Stimme klang dumpf. Bei Merlin, vielleicht hatte Hugo nur eine blühende Fantasie, bestand die Möglichkeit nicht? Doch irgendetwas an seinem Blick ließ diese Gedanken verstummen und Imogene die Sache ernst nehmen. Sie glaubte ihm. Definitiv. „Nein, es ist mehr so ein Gefühl. Sie sieht älter aus und … ich vermute einfach, dass sie etwa einundzwanzig Jahre alt oder so sein wird, weiß Merlin, warum. Ich sehe sie immer in der gleichen Szene, wie sie mit dem Rücken zu mir am Fenster steht und hinunter in diesen pompösen Garten starrt, durch den ihr Henker läuft. Und dann sehe ich nur noch grünes Licht.“ Imogene schluckte und vergrub die Hände in ihrem Schoß, die zu zittern begannen hatten. „Dazwischen ist nichts?“, hörte sie sich leise fragen und erwartete eine fast noch grausamere Antwort. „Ich weiß es nicht, mal mehr, mal weniger.“ „Wie meinst du das?“ Er zuckte mit den Schultern, so als wüsste er es wirklich nicht genau. „Ich glaube, da ist noch etwas oder jemand. Aber vielleicht will ich mir auch nur nicht vorstellen, dass sie alleine stirbt.“ Weil es zu grauenvoll wäre. Nein, Imogene glaubte nicht, dass Rose alleine den Tod finden würde. „Du musst es dir aufschreiben“, flüsterte sie nachdrücklich und ordnete ihre Gedanken, „jedes noch so kleine Detail musst du dir nach diesen Träumen aufschreiben! Du musst die Informationen, die dir diese Träume geben, sammeln und dann können wir das Puzzle zusammensetzen. Du musst einfach versuchen, sie zu retten, Hugo.“ „Erzähl es bitte niemandem“, sagte Hugo, anstelle ihr zu versichern, dass er sein Bestmögliches tun würde, um das Schicksal, das sich ihm offenbarte, abzuwenden. „Die weisen mich sonst gleich im St. Mungo ein.“ Dass er das überhaupt von ihr erwartete, verletzte Imogene, doch sie nickte ihm eindringlich zu. „Natürlich werde ich das nicht.“ Doch eine Frage schwebte ihr auf der Zunge, die drückte und schmerzte und die sie einfach noch stellen musste, auch wenn ihr die Antworten wahrscheinlich wehtun würden. Hugo kramte indes sein Zeug zusammen, doch sie wusste, er würde sie wohl kaum mit zu Wahrsagen begleiten. „Hugo, wen siehst du noch so?“ „Willst du das wirklich wissen?“ „Ja, ich denke schon.“ Sie war sich ganz und gar nicht sicher. „Ich sehe viele, die mir etwas bedeuten. Fast alle. Tut mir Leid, aber ich will dich nicht mit dem ganzen Zeug belasten, wirklich nicht. Es ist besser, wenn du nicht über alle Bescheid weißt.“ „Siehst du Lily?“ Sie fürchtete die Antwort so sehr. Ihr Herz begann unaufhörlich wild zu schlagen, als Hugo ihr diesen Blick zuwarf – so verräterisch wägte er ab, ob er die Wahrheit sagen oder einfach lügen sollte. „Lilys Zukunft sieht düster aus“, antwortete er wahrheitsgemäß und seine Mundwinkel verzogen sich nach unten. „Ich weiß nicht, was ihr passieren wird, doch ich glaube, sie wird von uns gehen. Es ist alles so schwarzmagisch, wenn sie mir in den Träumen begegnet.“ „Noch siehst du es nicht genau“, murmelte Imogene. „Noch nicht“, bestätigte er leise. „Lily würde niemals schwarze Magie anwenden. Niemals würde sie die Seiten wechseln.“ Hugo antwortete ihr nicht mehr, sondern ging langsam auf die großen Doppeltüren der Bibliothek zu, die ihn von der Person wegbrachten, der er sich so eben anvertraut hatte. Ihre Aussage schwebte durch den Raum und verblasste, konnte den unausgesprochenen Zweifeln Hugos nicht standhalten. Imogene schluckte schwer und fühlte sich so kraftlos, als wäre sie nicht erst ein paar Stunden sondern bereits tagelang auf. Lily würde niemals böser Gesinnung werden. Doch gab es Ausnahmen? Begebenheiten, die ihre Weltansicht ändern würden? Die es vielleicht sogar rechtfertigen würden, dass sie die Seiten wechselte? Es gab doch nicht mal Seiten! Das Böse existierte nicht mehr. Doch hatte ihr Vater ihr auch einmal erzählt, dass neues Böse fast an jeder Stelle neuen Nährboden fand. Es wuchs wie Unkraut - viel schneller heran als das Gute. Imogene vergrub ihr Gesicht in den Händen und versuchte wieder an die Oberfläche zu schwimmen. Dahin zurück, wo alles gut war, genau zu der Einstellung zurück, mit der dieser Tag begonnen hatte. Mit ihrem Optimismus. Doch die Malfoy spürte, dass es schwer werden würde mit diesem Wissen normal weiterzuleben. Wie konnte man denn, wenn man wusste, dass sich die Welt verändern musste, damit jene Zukunft eintrat, die sie so gern verhindern würde. Sie würde Zeuge einer schrecklichen Zeit werden. Und während Imogenes Welt langsam aus den Fugen geriet, drehte sich die Welt für die anderen ganz normal weiter. Kostbare Zeit verging.                                        Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)