Accidentally in Love von Herzkirsche (the story of Rose & Scorpius) ================================================================================ Kapitel 5: five ---------------                            Das lebendige Treiben in der Winkelgasse am frühen Mittag des ersten Septembertages war von unbändiger Sorglosigkeit geprägt. Nach dem Krieg waren kaum ein paar Monate ins Land gezogen, bevor sich die spürbare Fröhlichkeit der Überlebenden gänzlich mit der ungleichgewichtigen Unbeschwertheit verbunden hatte – eine verhängnisvolle Verbindung, die einen Schleier über der Realität verhing und die Menschen oftmals dazu bewegte, ganz offensichtliche Dinge nicht zu sehen. Diese gefährliche Konstellation kennzeichnete seither das Leben so vieler argloser Gesichter, die allesamt Teil einer magischen Welt waren und nun mit dem Gedanken, nichts mehr fürchten zu müssen - mochten sie dabei an sich selbst, Familie oder Freunde denken - ihren Alltag bestritten. Und auch an diesem Tag war es ein von reinster Arglosigkeit beschriebenes Bild, das brotlose Künstler, die sich mit der Jahrhundertwende herauskristallisiert hatten, gemächlich in die Winkelgasse gezogen und dort dazu inspiriert hatte, die geweckten Lebensgeister in ihren magischen Gemälden festzuhalten. Obgleich Astoria Malfoy eine Anhängerin der unbeweglichen Kunst war und nicht selten beeindruckt von muggelstämmigen Werken als auch den magischen Variationen, so missfiel ihr doch an diesem Tag die pulsierende Daseinsfreude ihrer Mitmenschen, welche so begierig von den sensiblen Seelen festgehalten werden wollte - so als ahnte man bereits, dass es löblich wäre, alles Gute einzufangen, um in schlechteren Zeiten einen guten Vergleich ziehen zu können. Offensichtlich schienen Leichtsinn und Unachtsamkeit ebenso beständige Begleiter wie die pure Heiterkeit, deren Wurzeln schon so stark in ihre Opfer verwachsen waren, dass man durchaus einmal die Augen schloss, um offenkundige Dinge nicht realisieren zu müssen. Und das war es, das Astoria Malfoy verabscheute: Unbesonnenheit, sowie Nachlässigkeit. Gemischt mit tollkühnem Leichtsinn. Kein Wort hatte sie mit ihrem Mann seit der beabsichtigten Kollision mit der Familie Potter Weasley gewechselt, doch obgleich sie behaglich schweigend neben ihm durch die Massen lief, so wusste sie dennoch nicht, ob ihm ihre offen zur Schau getragene Ignoranz überhaupt ein Begriff war. Manchmal hatte es fast den Anschein, als vergäße er vollkommen, dass es außer ihm noch eine Familie gab, um die es zu sorgen galt. Manchmal existierte lediglich nur Draco Malfoy in seinem Kopf - nur seine Wenigkeit und seine Bedürfnisse. Doch sie liebte ihn zu sehr, um die Aspekte der Arroganz so zählen zu lassen, dass die einzig befreiende Möglichkeit eine Trennung gewesen wäre. Astoria wusste dennoch, dass ihm ihre offensichtliche Wut und die Missbilligung seines Verhaltens nicht gänzlich entgehen konnten - doch es Draco gleichsam nicht so mitnahm, dass er schnellstmöglich etwas gegen ihre Unzufriedenheit unternommen hätte. Astoria sah kurz hinüber in die schmale Seitenstraße, an der sie vorbeiliefen und die mit ihrem Dunkel den Schrecken der Nokturngasse charakterisierte. Seit Ewigkeiten hatte sie den Weg, der bei allen guten Zauberern verrufen war, nun nicht mehr betreten und sie sehnte sich auch keinesfalls nach dem trüben, verwesenen Geruch und den skurrilen Gestalten zurück. Doch gleichsam fragte sie sich, wie schnell das neue Böse sich dort im Falle eines Falles niederschlagen würde und mit welchen Konsequenzen. Schließlich flog ihr Blick zurück zu ihrem Gatten und noch während sie gedanklich die Worte formte, kochte das grenzenlose Gefühl der Demütigung in ihr empor. „Sag, was hast du dir von der Aktion versprochen?“, zischte sie und griff energisch nach seiner Hand, bevor er ihr davonlaufen und ihre Frage beflissentlich ignorieren konnte. Er mochte es nicht, wenn man ihm in den Weg kam. Doch sie hatte keinerlei Angst. Und hingegen ihrer Erwartung schien nun Draco eisern schweigen zu wollen, sodass Astoria hitzig fortfuhr: „Erklär mir bitte, was du damit bezwecken wolltest! Du hast mit diesem Auftritt nicht nur dich selbst, sondern auch mich und deine Kinder gedemütigt. Mitten auf dem Bahnsteig ein Intermezzo zu beginnen, das dann vom glorreichen Harry Potter auf die Ebene der Normalität zurückgeführt wird, sag mir nicht, dass das dein Plan war!“ Noch immer reagierte er nicht auf ihre Worte und Astoria begann langsam an ihren Fähigkeiten als Ehefrau zu zweifeln, insofern nun nicht einmal mehr ihr Mann dazu bereit war, sie über seine Handlungen aufzuklären. Sie wusste, dass es um ihre Familie schlecht stand, doch wollte sie nicht auch noch ihn verlieren. „Draco, verdammt, erklär’ mir deine Beweggründe!“ Und sie blieb stehen, noch während sie dabei zusah, wie er weiter ging, ohne auf sie zu warten oder überhaupt Notiz davon zu nehmen, dass sie ihm nicht weiter ohne Erklärungen folgte. Astoria Malfoy fühlte sich nun, nach dieser offenkundigen Zurückweisung, nicht nur noch mehr gedemütigt, sondern auch so, als wäre etwas Weiteres in ihr zerbrochen. Nicht einmal mehr Draco ließ es zu, dass sie an ihn herankam und sie sehnte sich zurück nach der Zeit, in dem sie noch seine Vertraute und Beraterin gewesen war, nicht nur die Ehefrau. „Kingsley!“, rief sie ihm unvermittelt hinterher und so laut, dass sich einige der Passanten erschrocken zu ihr drehten, doch dann eilig weiter ihres Weges gingen. Und Astoria brauchte nicht mehr zu sagen, um die volle Aufmerksamkeit ihres Mannes zurückzugewinnen. Seine Miene war wutverzerrt, als er sich zu ihr umdrehte und noch während er auf sie zukam, wusste Astoria, dass sie zu weit gegangen war. „Wie bitte?“, knurrte Draco bedrohlich, obgleich er genau verstanden hatte, wessen Namen seine Frau soeben der halben Winkelgasse offenbart hatte. Er beobachtete exakt wie ein stummer Emotionswechsel über ihr Gesicht schlich, bis er das bekannte, doch längst verloren geglaubte Funkeln in ihren Augen sah, dessen offensichtliche Spur von Hochmut ihm ebenso wenig entging wie die zwischenmenschliche Distanzierung, die sie annahm, sobald sie ihm die Stirn bot - wie sie es grundsätzlich zum Beginn ihrer Ehe getan hatte. Die kaum greifbare, aber dennoch existierende Distanz zwischen ihnen in diesem Moment, inmitten des bunten Treibens einer Welt, die dem Bösen glaubte, für immer entronnen zu sein, bewegte Draco kurzzeitig, darüber nachzudenken, ob er ihr erliegen und ihr seine Gründe darlegen sollte - doch sie ergriff das Wort, noch ehe er zu einem Entschluss gekommen war. Ihre Stimme klang leise und zart in seinen Ohren, doch die unverhohlene Nachdrücklichkeit ihrer Worte glich tausend Messerspitzen, die die Sanftheit unwiderruflich durchbohrten. „Wenn Kingsley nicht mehr aufwacht, dann werden die Eingeweihten, allen voran Potter und der Rest seiner Familie, nicht eher ruhen, bis sie wissen, welchem Verbrechen der hochgeschätzte Zaubereiminister zum Opfer wurde und sie werden in ihrer Verzweiflung bei denen anfangen, die sich vor fünfundzwanzig Jahren urplötzlich mit dem Sturz des Dunklen Lords dem dunklen Regime entgegenstellten. Sie werden jene verdächtigen, die ihm einst dienten und Potter wird jedes Mittel recht sein, um ehemalige Todesser aus dem Weg zu räumen, um die Gefahren zu mindern. Und nun denk an Ron Weasley und sag mir, wen er als Drahtzieher dieser neuen Gefahren für die Zaubererwelt verantwortlich machen wird - nach dieser Aktion heute, mit der du nach all den Jahren aus deiner Höhle gekrochen bist, da du dich in vermeintlicher Sicherheit gewogen hast?“ Astoria Malfoy bekam ein leicht resignierendes Nicken ihres Mannes und es war das einzige, worauf sie zu hoffen bedacht war, als ihr schlagartig der modrige Geruch bewusst wurde, der sie inmitten der Winkelgasse umtrieb und der keinesfalls an diesen Ort gehörte. Und sie war nicht so dumm und sorglos, um die Zeichen nicht zu erkennen. Astoria wusste genau, dass die Nokturngasse erneut zum Leben erwacht war. __ Rose Weasley erreichte selten mit solch präziser Stringenz ihren persönlichen Tiefpunkt wie an diesem Vormittag. Sich dieser Tatsache bewusst werdend, schob sie eine weitere Abteiltür auf, wendete dem trüben Wetter und dem beständigen Nieselregen den Rücken - doch besah sich im nächsten Moment einer weitaus enormeren Gefahr gegenüber, als dem bloßen Erliegen ihrer depressiven Gedankengänge. Diese Bedrohung hatte sie wiederum nur greifen können, da Rose einen winzigen Augenblick lang unaufmerksam gewesen war. Das Erste, das ihr dabei sofort bewusst wurde, als es letztendlich schon zu spät war, um noch zu fliehen, war die einfache Tatsache, dass kein Rotschopf in diesem besagten Abteil hauste, womit sie wiederum keinen ihrer Verwandten gefunden hatte. Wobei in diesem Jahr äußerst verwunderlich war, dass ihr nicht einmal ein sprintender Fred entgegen kam, so wie er es jedes Vorangegangene getan hatte - immer auf der Flucht vor einem wütenden und fluchenden Mädchen, dem er hatte schreiben wollen, dieser Versprechung jedoch nie gerecht geworden war. Vielleicht hatte ihr Cousin sich über die Sommerferien tatsächlich verändert, doch noch während sie dies bedachte, lief Rose ein glühend heißer Schauer der Erkenntnis den Rücken hinab. Wahrscheinlich hätte sie besser daran getan, schnellstmöglich die Abteiltür wieder zuzuschieben, doch ihr Blick schweifte noch über die Szenerie, bevor ihr wirklich bewusst wurde, wo sie sich genau befand. Das war ein Fehler. Denn nachdem sie Adrian Chad Zabini identifiziert hatte, der mit seiner angeborenen Nonchalance - die wiederum nur Malfoy seinerseits in den Schatten stellen konnte - auf den Polstern lag und sich von der Slytherin - eigenen Dienerin Polly Parkinson verwöhnen ließ, wusste Rose genau, dass sie einen weiteren Tagestiefpunkt erreicht hatte. Cheers, Merlin. Es brauchte nicht mehr der weiteren Identifizierung Quirin Goyles‘ und ein paar anderer arroganter Slytherin Visagen, um Rose bewusst werden zu lassen, dass sie nicht nur in einer der gefürchteten Höhlen gelandet war; in einem jener Abteile, die von den meisten Schülern ohnehin gemieden wurden, da die Schikane an ihr haftete wie ein schlechtes Parfüm, nein, Rose Weasley war geradewegs bei den Siebtklässlern gelandet - bei der Elite der Boshaftigkeit, der Arroganz und des Sexismus, denn kaum einer verwandelte sein Abteil schneller in ein Bordell - ähnliches Verließ als ein Slytherin. Beziehungsweise als Zabini. Das Fenster war verhangen mit edlem, roten Stoff, sodass den Regentropfen nur noch zu lauschen war und ein verhängnisvoller Duft waberte durch die Luft, so gefährlich wie sie nur die persönliche Note eines der größten Casanova Hogwarts’ sein konnte. Rose verwettete einige der unmodischen, Weihnachts- Pullover ihrer Großmutter Molly darauf, dass Adrian sogar eine eigene Minibar mit sich trug, die sich jedoch immer ganz magisch tarnte, wenn sie auch nur in die Nähe Zabinis kam. Manch einer fürchtete Rose sogar mehr als Professor McGonagall und da die hochwohlgeborene Schulleiterin nichts von Zabinis Machenschaften ahnte, war die junge Weasley in diesem Punkt weitaus beunruhigender. Zudem nahm Rose ihre Aufgaben als Vertrauensschülerin konsequent wahr, wonach Adrian es zwar geahnt, allerdings nicht herbeigesehnt hatte, dass die Gryffindor noch mehr unnötige Macht bekam, als Rose ihre Klugheit ohnehin bescherte. Doch nun war sie Schulsprecherin. „Manches ändert sich wohl wirklich nie“, meinte Rose kopfschüttelnd, als ihr Blick an der kleinen Schale voller roter Kirschen hängen blieb, die Polly mit zunehmender Sicherheit bald in Adrians Mund befördern würde. Manchmal könnte sie dieses unsympathische Mädchen für ihre Dummheit schütteln. Niemals würde Rose einen arroganten Wicht wie Zabini füttern, geschweige denn anderes über sich ergehen lassen. Wobei sie mit diesem Gedanken wiederum bei der Person war, von der sie ebenfalls nie geglaubt hätte, irgendetwas mit ihr anzufangen. Adrian drehte seinen Kopf gemächlich zu Rose und grinste genüsslich, als er den unverhohlenen Ekel auf ihrem Gesicht bemerkte. „Weshalb sollte Gutes sich auch ändern?“ „Weil dein Hundeleben armselig ist“, antwortete Rose, während Adrian sich aufsetzte, Polly mit einer kurzen Handbewegung neben Goyle beorderte und über den freien Platz neben sich strich. „Wir sollten über unsere Ansichten diskutieren, sonst entstehen noch Missverständnisse. Setz dich zu mir, Weasley“, grinste Adrian und die Angesprochene verdrehte demonstrativ die Augen. „Ich wollte deine kleine Party eigentlich gar nicht sprengen, also lass diese lächerlichen Anmachen, die funktionieren nämlich nur bei Polly.“ Goyle lachte leise auf, als ihm die Schwarzhaarige auch schon ihren Ellbogen in die Seite rammte und ein lautes Knacken die Szenerie unterstrich. Quirin winselte und bedachte Polly mit vielen unschmeichelhaften Worten, die diese jedoch fast genüsslich in sich aufzusaugen schien. „Habt noch viel Spaß“, wünschte Rose säuerlich, doch Adrian sprang derart schnell und elegant auf, dass sie in der Bewegung verharrte. „Was hat dich hergeführt?“, fragte er ohne den schmalzigen Unterton in der Stimme und war Rose sogleich um einiges sympathischer. „Ich suche meine Cousine“, antwortete sie wahrheitsgemäß und ignorierte das Schnauben von Seiten Polly Parkinsons, die selbstverständlich alle weiblichen Weasleys verabscheute. Wie die Mutter, so die Tochter. Adrian wirkte jedoch zufrieden mit ihrer Erwiderung und noch ehe Rose es erklären konnte, bot er ihr seinen Arm an, der sonnengebräunt und sehnig war – und den wohl hunderte Mädchen gerne genommen hätten. Sie allerdings nicht. Regel Numero Uno – Fasse einen Slytherin nicht an. Oder so ähnlich. „Was du nicht sagst. Natürlich kann ich dich gleich zu dem wunderschönen Wesen führen, das Dominique genannt wird.“ Skeptisch blickte Rose auf seinen immer noch ausgestreckten Arm, bevor ihre blauen Augen hinauf in sein makelloses Gesicht wanderten. Letztendlich seufzte sie resignierend, ignorierte weitestgehend seine stumme Aufforderung, sich bei ihm unter zu hacken, und nickte leicht mit dem Kopf. Hatte sie denn eine Wahl? Wohl eher nicht. Denn Zabini gehörte zu der hartnäckigen Fraktion und wusste offenbar einmal etwas, das Rose entgangen war. Nämlich wo sich ihre Familie befand. „Dann komm“, kapitulierte sie und trat einen Schritt zurück - schon fast gänzlich aus dem reichparfümierten Abteil - als sie gegen Jemanden stieß, der offenbar geradewegs in die aromatische Höhle eintreten wollte. Sie fühlte, wie sich eine kühle Hand auf ihren Oberarm legte und sie mit sanftem Nachdruck aus dem Weg schob. Rose drehte abrupt den Kopf und sah kaum Sekunden später in die metallgrauen Augen Scorpius Malfoys. Obgleich sie schwören könnte, dass sie am Tag der Party von einem eisigen, doch sehr hellen Blau gewesen sein musste, wich sie dem direkten Blickkontakt dennoch aus. Und erreichte den wohl tiefsten Tiefpunkt ihres bisherigen Lebens. Teils war es das stringent schlechte Wetter, das sie missmutig werden ließ, und auch die Tatsache, dass sie fast eine Stunde lang durch den Hogwarts Express geeilt war, ohne jemanden von ihrer Familie ausfindig zu machen, besserte ihre Laune keinesfalls. Selbst Zabini trug mit seinen lahmen Anmachsprüchen dazu bei, dass ihr Stimmungsbarometer sank. Doch Niemand trieb es so weit nach unten wie Scorpius Malfoy. Dem sie nicht entkommen konnte, so sehr sie es auch wollte. Es war das Wissen, ihm erliegen zu sein, das Rose wütend machte. Wobei sie hätte wissen müssen, dass es Malfoy nichts bedeutete. Dass sie lediglich eines der vielen Mädchen war, welcher Zusammenhang sie im Übrigen ebenfalls sauer machte. Rose Weasley war schlagartig zu Einer von Vielen geworden. Sie entwand sich seinem Griff und zuckte kaum merklich zusammen, als er ihren Arm streifte. Scorpius warf sich auf den Platz, den Zabini ihr soeben angeboten hatte – und diese einfache Handlung entlockte Polly ein Quieken, das Rose wiederum in ihrem Bestreben bestärkte, schnellstmöglich zu entkommen. „In einer Stunde ist die Versammlung, Weasley“, sagte Scorpius leichthin, doch einen weiteren Blick bekam er von ihr nicht. Regel Numero Dos – Vermeide den direkten Blickkontakt mit einem Slytherin! Unwillkürlich erinnerte Rose sich bei dieser Regel an ein Gespräch mit ihrer Mutter, das sie einmal vor Jahren während der Sommerferien in Frankreich geführt hatten. Rose hatte versucht, Hermione zu schildern, wie sehr sie Scorpius für seine Taten verabscheute. Wie arrogant er war. Was für einen schrecklichen Charakter er besaß. Und ihre Mutter hatte daraufhin erwidert, dass die Augen eines Malfoys manchmal der einzige Anhaltspunkt waren, dass auch er freundliche Züge besaß. „Slytherins sprechen mit ihren Blicken. Und oftmals sind diese wärmer als daher gesagte Worte, die ihnen eisig über die Lippen kommen.“ „Sie wird da sein“, meinte Zabini locker und nachdem sein bester Freund ihm einen irritierten Blick zugeworfen hatte, folgte dieser grinsend Rose, die bereits aus dem Abteil getreten war und sich nun auf dem Gang gestresst an eine Wand sinken ließ. Zabini warf Rose im Vorübergehen einen spöttischen Blick zu, während sich die Andeutung seines amüsierten Lächelns auf ihren Körper einzubrennen schien und Rose schneller, als es alles andere gekonnt hätte, die Kraft zurückgab, die ihr Malfoys‘ Anblick jedesmal aufs Neue äußerst präzise zu nehmen schien. Sie stieß sich von der Wand ab und folgte dem Slytherin wortlos. „Willst du drüber reden, Weasley?“, fragte Adrian charmant und beobachtete belustigt, wie deren Miene erfror, bevor sich ein unbehagliches Rot in ihre Wangen schlich. „Es gibt nichts zu reden. Schon gar nicht mit dir.“ „Man kann deine schier grenzenlose Unbehaglichkeit, sobald Scorpius in der Nähe ist, spüren, Weasley. Du bist auch nicht sonderlich geschickt darin, deine Gefühle zu verbergen und somit kann das Jahr nur kompliziert werde - insofern du dir nicht Hilfe holst.“ Die Nachdrücklichkeit seiner letzten Worte hallte sekundenlang in ihrem gedankenschweren Kopf wieder, bevor Rose sich überwand und ihrem offensichtlichen Unwissen Luft machte – obgleich es sie genügend Überwindung kostete. „Hilfe?“, spie sie das Wort aus und der Klang ihrer Stimme verriet, wie absurd sie diesen Vorschlag fand, „Du meinst, ich soll mir tatsächlich Hilfe holen, am besten natürlich noch von dir, und mit welchem Zweck?“ Sie konnte nichts gegen die Giftigkeit ihrer Worte tun, die jedoch so gnadenlos an Adrian abprallten, als seien sie nicht an ihn gerichtet gewesen. „Scorpius ist mein bester Freund, Weasley. Du musst mit ihm zusammenarbeiten, ein ganzes, langes Jahr lang. Und auch wenn ich nur eine vage Vermutung habe, was zwischen euch gelaufen ist, so kann es nicht schaden, wenn auch wir so etwas wie Freunde werden“, erklärte er lässig, grinste eine Ravenclaw mit langen, blonden Haaren an, die gerade an ihnen vorbeilief, und schien von seinen eigenen Worten bis ins Tiefste überzeugt zu sein. Rose zog eine Augenbraue demonstrativ in die Höhe und verspürte den Drang zu lachen, doch sogleich holte sie eine Woge der Fassungslosigkeit ein. Regel Numero Tres – Nimm nie, nie, nie (!) das leicht daher gesagte Freundschaftsangebot eines Slytherin an, der selbstverständlich Hintergedanken dabei hegt! Nie, nie, nie! „Freunde?“, wiederholte sie und ließ dieses Wort betont langsam über ihre Zunge rollen, während sich ihr Kopf diese untypische Konstellation vorstellte. Es stand außer Frage, dass Zabini Hintergedanken haben musste. Er war ein Slytherin. „Du willst doch was!“ „Tja, es ist wirklich nicht so, dass ich mich darum reiße, die neutrale Brücke zwischen deiner verarmten Seele und der meines besten Freundes zu sein, allerdings hätten diese Verhältnisse doch nicht nur Nachteile.“ „Und welche Vorteile schweben dir da vor, Adrian?“, seufzte Rose resignierend und wurde sich gleichsam bewusst, auf welchem schmalen Grad sie sich in diesem Moment bewegten. Eigentlich hätte sie es nicht einmal in Erwägung ziehen sollen, auf dieses untypische Freundschaftsangebot einzugehen. Einem Slytherin traute man am besten überhaupt nicht. Sie spielte die Parole ihres Vaters unablässig in ihrem Kopf ab, bis Adrians sorgsam gewählte Worte Rose in die Realität zurückzerrten. „Dominique. Und die Möglichkeit ein Mädchen nicht irgendwann aus meinem Bett vertreiben zu müssen, nur weil es die Schulordnung so vorschreibt.“ „Du nennst den Namen meiner Cousine im selben Atemzug wie die Anspielung auf deine hundert anderen Geliebten, die jedesmal vorzeitig dein Bett verlassen müssen? Das ist äußerst schmeichelhaft und bewegt mich wirklich dazu, deinem ersten Wort Glauben zu schenken.“ Ihre Erwiderung schwamm in Sarkasmus, doch gleichsam hüllte sie erneut ein Mantel des Zorns ein, wenn sie sich vorstellte, wie viele ahnungslose Schülerinnern diesem Casanova zum Opfer gefallen waren. Oder Malfoy. Merlin, sie war eine von denen! „Ich amüsiere mich eben, bevor es ernst wird“, meinte Adrian grinsend. Seine Hand schnellte hervor und legte sich so an die nächste Abteiltür, als würde sie anklopfen wollen, allerdings verharrte er in der Bewegung. Rose hob den Blick und sah versuchsweise in seine dunklen Augen, doch ohne darin die Wahrheit lesen zu können. Vielleicht sollte sie üben, insofern ihre Mutter damals recht gehabt hatte. „Wir können es ja mal versuchen“, sagte Rose langsam und bedachte ihn weiterhin mit ihrem forschenden Blick, der jedoch erlosch, als sich das ehrlichste Lächeln auf Zabinis Gesicht schlich, das sie bis dato bei ihm gesehen hatte. „Du wirst es nicht bereuen, Rose“, grinste er verschmitzt und klopfte zweimal lässig an die Abteiltür, bevor er sich umdrehte und ging. Sie hätte gewettet, dass er keine Sekunde zögern würde, Dominique nicht wenigstens auf äußerst schmalzige Art und Weise zu begrüßen, doch er hatte sie überrascht. Adrian Zabini hatte sie überrascht. Ihr Bruder zeigte erstmals beunruhigend aggressive Charakterzüge. Fred wurde dieses Jahr von keinem Mädchen durch den halben Zug gejagt. Scorpius Malfoy war für sie nicht mehr lediglich Malfoy. Wie viel würde sie noch ertragen müssen? Es war ihr letztes Jahr. Und über den Sommer hinweg, der so gänzlich wie jeder Vorangegangene gewirkt hatte, hatte sich ganz offensichtlich etwas verändert. „Rose, da bist du ja!“, rief Lily erfreut und zog sie sogleich eilig ins Abteil, als hätte sie bereits ewig auf ihre ältere Cousine gewartet. Und erst als Rose inmitten ihrer halben Verwandtschaft saß, wurde der Sechzehnjährigen bewusst, dass sie diesen Menschen knapp vierundzwanzig Stunden lang auf äußerst erfolgreiche Art entronnen war. Natürlich hatte sie sich nicht nach den Fragen gesehnt, die mit Sicherheit folgen würden, wenn sie ihren Cousinen ausgeliefert war, die allesamt Klatsch und Tratsch Fetischisten waren und sie nicht eher ruhen lassen würden, bevor sie diese Nacht geschildert hätte. Obgleich es eigentlich keine richtige Nacht gewesen war. Lily krallte sich begierig in ihren Arm, sodass Rose langsam das Gefühl darin verlor, und Fred hockte desinteressiert am Fenster, starrte versonnen hinaus und lauschte seiner Muggel Musik, die jedoch für jeden weiteren Insassen im Abteil klar verständlich aus den Kopfhörern dröhnte. Irritiert stellte Rose ebenso schnell fest, dass Imogene neben Fred saß und ihre blonden Haarsträhnen beständig um ihren kleinen Finger wickelte, während sie Rose wissbegierig betrachtete und hin und wieder einen interessierten Blick in Albus Richtung warf, der gedankenverloren im Tagespropheten blätterte, dessen Nähe Rose aber unwillkürlich Luft zum atmen gab. Sie wurde ruhiger, wenn Al in ihrer Nähe war, obgleich es komisch klang. Ihr Cousin hatte gleich ihrem Bruder eine sehr ruhige, besonnene Ausstrahlung. Doch die beunruhigteste Person im ganzen Abteil war ohne Konkurrenz Dominique Weasley, die Rose gegenüber saß und eine Miene aufgelegt hatte, die ihr stillschweigend verriet, wie beherrscht ihre temperamentvolle Cousine in diesem Moment sein musste. Ihre zarten Hände waren auf einem Tuch ausgestreckt und eine verzauberte Nagelpfeile machte sich an ihren Nägeln zu schaffen, während sich das kleine Fässchen blutroter Nagellack schon magisch in die Höhe erhob und hinüber schwebte, um das Finish zu setzen. Wahrscheinlich war es nur zu gut, dass Dominique ihren Zauberstab aus der Hand gelegt hatte. „Wie konntest du so etwas Skandalöses tun?“, entlud sich letztendlich der Zorn ihrer Cousine und Dominiques Hand fuhr energisch in die Höhe, sodass der Tiegel Nagellack irritiert zurückzuckte. „Ähm-“, setzte Rose an, selbst wenn ihre Verteidigung einige Lücken enthielt, allerdings kam ihr Imogene zuvor. „Skandalös, ja?“, fragte Malfoys Schwester spitz und bedachte Dominique mit einem Blick, der vor Verachtung strotzte. „Ich denke, es ist viel skandalöser, seine Veela Magie einzusetzen, um jeden Typen flachzulegen.“ Rose spürte, wie Lily ebenso scharf Luft einzog, da es bisher selten Jemand gewagt hatte, Dom die Stirn zu bieten. Al lachte leise hinter seiner Zeitung auf, was Imogene allerdings nur noch zu bestärken schien. „Veela Magie ist immerhin gleichzusetzen mit einem Liebestrank. So gesehen, nimmst du dir ja sogar Typen, die dich ja vielleicht gar nicht wollen. Und dadurch Beziehungen zu zerstören, da man immer alles haben will – das nenn ich skandalös!“ Dominique starrte Imogene einen Augenblick lang entrüstet an, bevor sich ein böses Lächeln auf ihr Gesicht schlich, das Rose bedeutete, dass sie vorerst aus der Schusslinie wäre. Die Ältere zog eine Augenbraue in die Höhe und aus ihrem Blick sprach der blanke Hochmut. „Sagt das die Göre, deren Familie vor nischt allzu langer Zeit damit prahlte, die reinste Blutlinie inne zu haben? Gehörte deine Familie nicht zu den vertrautesten Anhängern Voldemorts? Eure scheinheilige Wandlung zum Guten, die sich wahrscheinlich nur öffentlich vollzog, das ist skandalös!“ Nun wurde Rose‘ Arm tatsächlich taub und unbehaglich wurde sie Zeuge, wie Dominique genau den richtigen Schlag gesetzt hatte. Imogene presste beherrscht die Lippen aufeinander und ihre Augen wurden glasig, sodass Rose den Drang verspürte, ihrer Cousine das Grinsen vom Gesicht zu wischen. „Ihre Großmutter hat meinem Dad das Leben gerettet“, meldete sich Albus sachlich zu Wort und Dom schnaubte ärgerlich, während Imogenes Blick nur ungläubig auf ihm lag. „Isch habe es aber anders ge’ört!“, brauste Dominique auf, während Al bissig erwiderte: „Und ich von dem, der es wissen muss!“ „Dom, hör auf, dauernd so‘ ne Gülle abzulassen, das ist ätzend“, ließ Fred verlauten, der offenbar mitgehört hatte und ebenfalls nicht in Hochstimmung zu sein schien, was wiederum für einen Fred Weasley alles andere als typisch war. Alles hat sich verändert, dachte Rose missmutig und fragte sich sogleich, ob sie je zu alter Form zurückfinden würden. „Rose hat sich auf einen Malfoy eingelassen und wenn Onkel Ron das erfahren hätte, säße sie bestimmt nicht hier im Zug! Es war ein Fehler, sie hat einen Fehler gemacht und auch, wenn es euch gegen den Strich geht, das alles wird sein Nachspiel haben! Rose wird leiden.“ Auf Dominiques Stirn hatten sich zarte Falten gelegt und noch während ihr Blick auf dem glühend grünen Als lag, ließ sie diese Verbindung reißen und wandte sich nun merklich ruhiger Imogene zu. „Ich war eben nicht nett. Mir ist bewusst, dass man deiner Familie nach all den Jahren des Friedens nicht mehr vorwerfen kann, böse zu sein und dass sie sich für unsere Seite entschieden hatten, noch bevor der Krieg ein Ende fand.“ Auch wenn Rose die Reue in Dominiques melodischer Stimme mitschwingen hörte, so entging ihr ebenso wenig wie den anderen Beteiligten im Abteil, dass ihre Cousine sich nicht offenkundig entschuldigte. Ihr Stolz war ungebrochen. Doch noch während Rose dies begriff, sah sie dennoch wie seltsam nachdenklich Imogene nickte, der Blondine nicht vorhielt, sie hätte unrecht oder allgemein irgendetwas erwiderte. Sie tat es nicht. Und Rose fragte sich im selben Augenblick wie Imogene, ob es nicht doch stimmte, was Dominique den Malfoys soeben vorgeworfen hatte. Denn wenn sie an Draco Malfoy dachte, der so offensichtlich ihre Mutter, ihre Familie auf dem Bahnsteig angegriffen hatte, dann konnte sie sich plötzlich nicht mehr sicher sein, dass dieser Mann nicht doch ein böses Herz besaß. Genauso wenig wie Imogene sicher sein konnte, ihren Vater zu kennen. Vorsichtig tastete sie nach ihrem Zauberstab, der sich sicher in ihrer Hosentasche befand und lediglich die Berührung reichte, um ihre nonverbal geäußerte Formel auf Albus’ Zeitung erscheinen zu lassen. Ich muss dir beim Festessen heute Abend etwas erzählen. ___ Es war allgemein bekannt, dass die Zeit umso schneller verflog, wenn man etwas fürchtete. Wenn man etwas verabscheute, hasste, auch wenn man gar nicht genau wusste, wie es eigentlich wäre, nur, dass es nicht gesund war. Und diese Konstellation machte sie wirklich krank. Dabei waren kaum fünf Minuten verstrichen. Doch diese eine Stunde mit ihrer Familie hatte sich hingegen angefühlt wie ein Wimpernschlag. Jedenfalls nachdem sie Dominique beruhigt hatte, dass nichts weiter vorgefallen war, außer einer Knutscherei mit einem Malfoy. Ihre Cousine hatte tatsächlich so gewirkt, als hätte sie geglaubt, Rose hätte diese Party genutzt, um durch die Betten vieler verschiedener Slytherins zu hüpfen. (Obgleich sie diesen Job liebend gerne Dom überließ.) Allerdings war es trotz allem seltsam gewesen, zu schildern, wie sie und Malfoy überhaupt in diese Situation gekommen waren. Immerhin war es ein Unfall gewesen und wäre Scorpius nicht ausgerechnet von diesem Magnum Davis durch die Luft befördert wurden, wäre er auch nicht auf ihr gelandet und … der Rest hätte sich nicht ergeben. Wenn Rose nun mit einigem Abstand zum Geschehen das Ganze versuchte, objektiv zu betrachten, so war sie ganz Dominiques Meinung – Davis trug an diesem Szenario die Schuld. Beziehungsweise nach Lily – Jane Seymour, die ja unbedingt Malfoy hatte verlassen müssen. So waren sich letztendlich alle Mädchen in dem Punkt einig gewesen, dass diese Tatsache alleine reichte, um Seymour nicht ausstehen zu können. Obgleich Rose nur allzu genau wusste, dass Dominique die Brünette schon allein aus dem Grund heraus verabscheute, da sie mehr Veela war als sie selbst. Und auch wenn Lily und Rose es insgeheim beide wussten, dass Imogene in irgendeinem Winkel ihres Herzens die absurde Vorstellung genoss, Rose könnte die neue Freundin ihres Bruders werden, sagte die junge Malfoy nichts dergleichen, um die zarte Bande zu Dominique nicht sofort wieder reißen zu lassen. Jene vertrieb die restliche Zeit bis zur ersten Tagung der Schülervertretung schließlich damit, ein paar Anekdoten über ihre Zusammentreffen mit Adrian Zabini zu erzählen, der ihr zwar den Hof machte, aber nach der Blondine keinerlei Chancen bei ihr genoss. Zwar hackte Rose leichthin nach, ob er denn wirklich keine Chancen hätte, doch wurde der Sechzehnjährigen immer unbehaglicher zumute, wenn sie daran dachte, dass sie eine Art Pakt mit Zabini geschlossen hatte. Ihre Aufgabe schien ebenso wenig zu bewältigen zu sein wie Zabinis – denn er würde nicht Dominique bekommen, genauso wenig wie sie je Malfoy. Und weil dem so war, wusste sie, dass die Treffen der Schülervertretung die reinste Qual werden würden. Weil sie dort andauernd mit Scorpius zusammentreffen würde. Mit ihm zusammenarbeiten musste. Genauso wie es Zabini unschwer prophezeit hatte. Und neben ihm zu sitzen, raubte ihr beinahe den letzten Nerv. Zugegeben, wer darauf gekommen war, ein paar Zugabteile zusammenzulegen und das dann als eine Art Versammlungsraum zu bezeichnen, der hatte zu oft von Merlin geträumt. Der Tisch zog sich in die Länge und war nicht sonderlich breit, am einen Ende saßen die neuen Vertrauensschüler der fünften Klassen und das andere schmale Ende teilten sich die beiden Schülersprecher. Sie und Malfoy. Es war schrecklich. Und sie hasste es schon nach kaum verstrichenen fünf Minuten, in denen sie beide warteten, dass endlich alle Vertrauensschüler zu ihnen stießen. Sie sagten beide kein Wort und Rose machte sich daher Gedanken darüber, dass sich ihr in binnen zweier zäher Stunden zwei Slytherins dazu herabgelassen hatten, ihr eine Freundschaft anzubieten. Da diese selbstverständlich alles einfacher machen würde, dachte Rose sarkastisch. Zuerst Scorpius. Dann Adrian. Beste Freunde, Slytherins. Es war zum verrückt werden. Bei Merlin. Es würde ein langes Jahr werden. Tatsächlich. „Meine Reaktion vorhin war dumm“, murmelte sie schließlich und fummelte an ihrem Muggel Block herum, den sie aufgeschlagen hatte, um eventuell mitschreiben zu können. Sie machte sich gerne Notizen. Eigentlich immer. Sie spürte Scorpius fragenden Blick auf sich, doch vermied es weiterhin, ihn anzusehen. Es würden Bilder in ihr wachsen, die sie nicht sehen wollte. Weil sie nichts bedeuteten. „Es würde alles einfacher machen, wenn wir der Arbeit zuliebe so etwas wie Freunde werden würden. Wir sind Schülersprecher und die sollten sich verstehen.“ „Ganz deiner Meinung.“ Sie wusste, wie das Lächeln aussah, das er nun trug. Dasselbe, wenn ein Lehrer ihn im Unterricht lobte, weil er irgendwas im letzten Quidditchspiel exzellent gemeistert hatte. Oder wenn er Punkte holte. Wenn er manchmal die beste Arbeit schrieb – selten, weil sie sonst immer besser war. Wenn er mit McGonagall sprach und dabei so charmant war, dass sich selbst die Wangen einer älteren Frau verfärbten. Wenn er das bekam, was er wollte und dabei nicht die Arroganz eines Malfoys trug. „Rose!“ Die beinah hysterische, wohl bekannte Stimme ihrer besten Freundin Alice ließ die Sechzehnjährige aufhorchen, bevor sie auch schon in eine stürmische Umarmung gezogen wurde. Sie hatte Alice vermisst, genauso wie sie jeden Sommer aufs neue Hogwarts vermisste. Alice Longbottom war Vertrauensschülerin des Hauses Hufflepuff, ziemlich taff und immer vorlaut, insofern sie sich nicht gerade in Zaubertränke befanden. Sie kannten sich seit klein auf, da auch Neville, ihr Vater und Hauslehrer Gryffindors, mit ihrer Familie eng befreundet war. Es war immer eine Herausforderung, ihn nicht andauernd beim Vornamen zu nennen, wenn man ihn auf dem Gang traf beziehungsweise für Alice, ihn nicht Dad nennen zu können. „Ich hab die Party des Jahres verpasst!“, kreischte Alice, nachdem sie sich von Rose gelöst hatte, und warf ihre Tasche auf den Stuhl, der dem der Weasley am nächsten war. „Wir waren bei meiner Urgroßmutter, irgendwo in Irland. Und bei Merlin, die Alte flucht wie ein Kesselflicker, disst meine Mum wo es nur geht, da die ja nicht gut genug für meinen Dad ist und meine Güte, ich denke, es reicht langsam. Die Frau wird zu alt und ist viel zu knauserig. Mum brauchte nach dem Urlaub gleich noch einen, nur jetzt, wo Scorp seine Frauen wieder regelmäßig in die ‚Drei Besen‘ führen kann, lohnt sich das Geschäft ja wieder und sie kann nicht.“ Alice‘ Redeschwall verebbte und sie warf einen amüsierten Blick zu Scorpius, dessen Spitzname, den Alice ihm in ihrem zweiten Jahr verpasst hatte, ihm bekanntermaßen deutlich gegen den Strich ging. „Und du, Scorp, wer hatte auf der großen Party die Ehre?“ Rose‘ Blick huschte zum Boden und verharrte dort, während sich ihre Wangen langsam, aber äußerst präzise dunkelrot verfärbten. „Für dich immer noch Scorpius, Kleine“, grinste er zur Antwort und Alice schnaubte. Etwas, das die junge Longbottom ebenso einzigartig machte, war, dass für Alice das Klassendenken nicht existierte, nicht einmal Häuser. Wenn überhaupt dann höchstens die Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Doch zählten fast alle für sie zu den Guten, insofern sie sie nicht vom Gegenteil überzeugten. Alice war so klar, dass es sich kaum beschrieben ließ. Scorpius war schon immer einfach nur Scorp für sie gewesen, nie ein Malfoy, nie böse, nie ein Slytherin. Sie unterschied nicht in Häusern, Namen oder anderen Kategorien. Sie sah immer zuerst den Menschen, der Fehler hatte. „Nun sag schon, wer hatte die Ehre?“ Sie redete mit ihm, als wäre es das Leichteste von der Welt, stellte Rose einmal mehr fest und war unausgesprochen beeindruckt von ihrer Freundin. Schon immer gewesen. Selbst wenn Neville Draco Malfoy verabscheute, war sie nie mit dessen Einstellung zu den Malfoys groß geworden. „Deine beste Freundin“, sagte Scorpius und warf sich nonchalant auf seinen Stuhl, während Alice alle Farbe aus dem Gesicht wich. „Das ist ein Scherz“, lachte sie dann und als Scorpius nichts erwiderte, wirkte sie zu Rose‘ Entsetzen recht positiv abgeklärt mit der Geschichte. Als hätte sie es kommen sehen. „Lasst uns mit der ersten Sitzung der Schülervertretung beginnen“, rief Scorpius durch das langgezogene Abteil, in dem sie nun offenbar vollzählig waren, und Rose bemerkte die Augenpaare – vor allem die der Mädchen – die dem Malfoy entzückt bei jeder Bewegung folgten. Rose beugte sich leicht zu Alice hinüber, deren Blick wohl der einzige weibliche im ganzen Raum war, der bei Malfoys Anblick nicht verklärt schien. „Ich muss nachher mit dir und Al reden“, flüsterte sie leise und kaum merklich nickte ihre Freundin, selbst wenn Rose genau sah, wie die Neugier in ihren Augen kurz aufleuchtete. Die erste Sitzung verging wie im Flug. Es war jedes Jahr dieselbe Prozedur – die Schülersprecher stellten sich vor, dann wurden die neuen Vertrauensschüler genannt und erklärt, was Jeder nach dem Festessen und während der Schulzeit zutun hätte. Es wurden die neuen Passwörter verkündet, Besonderheiten in der Betreuung der Erstklässler, sowie Privilegien wie das Abziehen von Hauspunkten erklärt. Und Rose konnte nicht umhin, Malfoys außerordentliche Führungsqualitäten zu bemerken und die Lässigkeit, mit der er seine Arbeit erledigte. Rose war schließlich kurz davor, die Vertrauensschüler mit ein paar netten Worten zu ihren Freunden zu entlassen, als sich die Abteiltür unerwartet aufzog und der Sauerstoff fast gänzlich aus der Luft gesaugt zu werden schien. Plötzlich stand Jane Seymour im Abteil, kalt lächelnd und mit einem Abzeichen auf der enganliegenden Bluse, das Rose bisher noch niemals gesehen hatte. Und doch erkannte sie das Wappen der Hogwartsschule. Wenn auch nicht das Amt, das die Trägerin nun offenbar bekleidete. „Ich bin zu spät, tut mir ehrlich Leid“, lächelte sie mädchenhaft in die Runde und nickte ein paar Fünftklässlern aus dem Hause Slytherin anerkennend zu. Rose konnte nur perplex dabei zusehen, wie sich Jane am anderen Ende des Tisches postierte, einem Slytherin Jungen die Hand auf die Schulter legte und ihre Show abzog. „Mein Name ist Jane Moira Seymour, ich bin eine Siebtklässlerin aus Slytherin und war in den letzten Jahren ebenfalls Vertrauensschülerin, bis ich in den Ferien das Abzeichen der Schulrepräsentantin überreicht bekommen habe.“ „Das sind wir, Scorpius und ich, wir repräsentieren die Schule!“, warf Rose bissig ein und Jane deutete nur lässig auf ihr Abzeichen, bevor sie fortfuhr. „Unsere Schulleiterin gab mir dieses Abzeichen, da es fortan noch wichtiger sein wird, die Freundschaft zwischen Hogwarts und den anderen internationalen Zaubererschulen zu fördern. Sie hat Euch offensichtlich noch nicht darüber informiert, was uns in diesem Jahr erwarten wird. Und ich werde schweigen, da ich leider nicht weiß, wie viel ich über dieses wichtige Projekt an Dritte weitergeben darf. Doch seid unbesorgt, bald werdet auch ihr näheres erfahren. Ich freue mich auf eine innige Zusammenarbeit.“ Rose ballte die Hände unter dem Tisch zu Fäusten und verspürte den Drang, auf irgendetwas einzuschlagen, doch sie konnte einfach nicht den Mund aufmachen und ihrem Ärger Luft machen. Und Scorpius schien gänzlich in den Gedanken zu sein. Oder er war einfach viel zu bestürzt darüber, dass er ein ganzes Jahr mit seiner Exfreundin zusammenarbeiten durfte. Vermutlich beides. „Sehr schön, also heißt das im Klartext, Daddy hat seiner kleinen Prinzessin ein Amt erkauft. Vielleicht reichen die Galleonen, die er dafür zahlen musste, um endlich unser Quidditchfeld vergrößern zu lassen?“, fasste Alice sachlich zusammen und grinste Jane gekünstelt freundlich an, welche Aussage alle zum Lachen bewegte, bis auf die Slytherins am Tisch. „Sicherlich, Longbottom“, zischte die Veelabrut kühl und rauschte aus dem Abteil. Genauso plötzlich wie sie gekommen war. „Es wird ein langes Jahr.“ Und als Rose unbedacht den Kopf in Scorpius Richtung drehte, der genau dasselbe gesagt hatte, wie kaum ein paar Stunden zuvor sein bester Freund, erinnerte sie sich an einen weiteren Satz, den ihre Mutter fallen gelassen hatte, an jenem Nachmittag vor so vielen Jahren. Genau in dem Moment, als sie in seine Augen sah. „Der Blick eines Malfoys verspricht dir die Welt.“                            Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)