Jadeperlen von Nanuck ================================================================================ Kapitel 3: Schwarze Ritter -------------------------- Kentosai lag friedlich dar, als würde die Hauptstadt des Reiches des Flussdrachens im schwachen Schein des Mondes schlafen. Die Sterne sangen leise ihr Wiegenlied, während das Gras sachte im Wind tanzte. In dieser einsamen Stille, preschte ein braunes Pferd durch die Nacht, trug seinen mysteriösen Reiter hinaus durchs Stadttor über die weite Steppenwiese des Morgenrottals... Wie eine steife Puppe drehte ich mich langsam um und starrte geradewegs in blutrote Augen. Die schwarzen Ritter standen zu Dutzenden in der Höhle, die Schwerter erhoben in meine Richtung zeigend. Ich wartete nicht lange, ich musste hier weg! Kurzerhand sprang ich in den Wasserfall. Das plötzliche Licht durchströmte mich. Mir kam es vor, als würde ich in einem Fluss aus reinem Sonnenschein schwimmen, doch es war trotzdem ganz anders. Ich hatte das Gefühl ich war Teil des Lichts, zerfloss mit ihm und wir wurden eins. Dann hatte ich auf einmal das Gefühl wie ein Stern vom Himmel zu fallen. Immer noch war um mich herum alles hell, bis ich auf einmal in ein sanft plätscherndes Gewässer trat und auf die unglaubliche weite Nacht hinaussah. Kalderan war immer noch so unglaublich schön wie ich es in Erinnerung hatte. Vor mir die weite Wiese, an dessen Ende man ein Tal mit himmelhohen Bäumen sehen konnte und hinter mir die ruhigen Berge aus dessen Quell der kleine, kristallene Wasserfall entsprang, der in den fast stillstehenden Bergsee floss und sich als schmaler Fluss durch das kniehohe Gras schlängelte. Hier wirkte alles so friedlich, als würde die ganze Welt schlafen, doch ich wusste, dass diese Ruhe nicht lange anhalten würde. Ich brauchte ein Versteck, oder jemanden der mir half, mich rettete. Es war Wahnsinn zu glauben ich könnte ihnen entkommen, doch ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich alles doch noch zum Guten wenden konnte. Ich rannte den Hügel hinunter, in die Richtung in der ich Kentosai vermutete. Doch die schwarzen Ritter waren schneller. In sekundenschnelle hatten sie mich wie aus dem Nichts eingeholt und kreisten mich weitläufig ein, die Schwerter immer noch drohend erhoben. „Lasst mich in Ruhe!“, schrie ich die unheimlichen Lakaien Mizukis haltlos an. Ich versuchte mich an ihnen vorbeizudrängen, hoffte, dass sie vielleicht doch nicht so schnell reagieren würden. Doch ehe ich es mir versah, wurde ich zurück in die Mitte geschubst und knallte mir dem Kopf auf den Boden. Mühsam stemmte ich mich auf, musste tatenlos mit ansehen, wie sich der Kreis um mich herum immer weiter schloss, während die schwarzen Ritter immer wieder denselben Satz murmelten. „Akina, Shinju, Paiido ka perlage.“ Plötzlich waren sie still, nur noch einer trat ein stück näher an mich heran und erhob düstern seine Stimme, die im Echo seiner selbst widerhallte. „Akina doki mayola Mizuki.“ „Ich verstehe euch nicht!“, jammerte ich mit schriller Stimme und betrachtete verzweifelt die Situation. Ich stand wieder auf und schrie den Ritter an, der jetzt mit mir im Kreis stand und eine Lücke in den Reihen hinterlassen hatte. „Haut ab! Ich weiß nicht, was ihr von mir wollt, aber jetzt lasst mich verdammt noch mal allein!“ Grob packte der schwarze Ritter meinen Arm und zog mich mit eiserner Kraft mit sich weg. Ich stemmte mich gegen ihn, doch er stapfte ungehindert weiter. „Ich komme nicht mit, lass mich los!“ Mein Schrei war panisch und erfüllt von dem Schmerz in meinem Arm. Angestrengt schloss ich meine Augen und merkte wie mir die Tränen hochschossen. Mit ungebremster Kraft zog er mich immer weiter und es fühlte sich fast so an, als würde er meinen Arm abreißen. Plötzlich wurde ich von einem elektrischen Schlag durchzuckt. Der Griff der schwarzen Rüstung ließ abrupt nach und ich fiel wieder mit dem ganzen Körper in das weiche Gras zurück. Sofort war ich wieder auf den Füßen und entfernte mich soweit von den Lakaien Mizukis wie ich konnte. „Haut ab!“ Meine Schreie waren nur noch ein Zittern. Völlig entkräftet sank ich zurück auf den Boden. Ich legte mein Gesicht in die Handflächen, um die Tränen zu unterdrücken, um nicht sehen zu müssen, und so tun zu können, als gäbe es noch Hoffnung. Ich rechnete schon jeden Moment damit, dass mich Mizukis Vasallen wieder packen würden und wegschleppen würden, doch was ich hörte, waren nicht die schleppenden Schritte des schwarzmagischen Ritters. Es waren die weichen Schritte eines galoppierenden Pferdes! Mein Blick schnellte nach oben. Da kam irgendwer! Ich stieß mich aus der Hocke nach oben und stand wieder aufrecht. Dann schrie ich so laut wie ich konnte immer wieder um Hilfe. Das Pferdegetrappel kam näher. Der schwarze Ritter kam wieder mit schwerfälligen Schritten auf mich zugestakst. Ich versuchte erneut mich an ihm vorbei durch die offene Lücke im Kreis zu drängen, doch abermals landete ich im Gras. Jetzt konnte ich auch endlich den Reiter sehen, nicht mehr nur Einbildung! Er preschte den Hügel hinunter und erkämpfte sich mit seinem Schwert den Weg zwischen den Rittern. Dann attackierte der Mann im langen Umhang die Rüstung vor mir und parierte den Arm, der mich wieder mit sich mitreißen wollte. „So behandelt man aber wirklich keine Lady!“, rief er kampflustig und schlug dem schwarzmagischen Wesen den Helm von der Rüstung. Seine Stimme kam mir eigenartig bekannt vor. Er wandte mir jetzt sein Gesicht zu, ein schiefes Grinsen auf den Lippen „Ich wusste, dass du meine Hilfe brauchst...“ Der Hofplatz von Kentosai wurde durch die Lichtsprenkel von fünf kleinen Laternen erhellt. Eine kleine Gruppe bemannter Pferde versammelte sich dort. Der Hauptmann der Garde, Ryota, saß auf seinem Rappen und schaute ungeduldig hinauf zum Schlossportal. „Glaubt Ihr wirklich, dass er noch kommt, Hauptmann?“, fragte einer der Ritter, der Ryota am Nächsten war. „Yori hat noch nie eine seiner Nachtwachen ausgelassen!“, antwortete er barsch. Etwas leiser, nur für sich, fügte er noch etwas hinzu. „Er will mir irgendetwas dadurch sagen...“ Ein weiterer Reiter mit einer Laterne in der Hand, näherte sich der Gruppe. Er wirkte wie ein Irrlicht im Dunkeln der Nacht. „Hauptmann, eine Nachricht für euch!“, rief er schon von weitem. „Fahr fort“, erwiderte Ryota trocken, als der Bote bei ihm angekommen war. „Zwei der Nachtwachen haben ihren Kendo gesehen, wie er heraus ritt, aber nicht zurückkam. Sein Pferd ist auch nicht im Stall!“ „Dann muss wirklich etwas passiert sein... Sorge bereitet mir nur, dass wir davon nichts wussten...“ Ryota löste sich von der Truppe und wandte sich ihnen zu. „Ihr fünf kommt mit mir, und der Rest, gebt auf dem Schloss Bescheid und mobilisiert die restlichen Ritter. Wir machen uns schon auf den Weg und suchen nach Yori. Ihr kommt später nach. Wenn ihr was herausgefunden habt, gebt uns mit dem Horn Bescheid. Und du-“, Ryota wandte sich dem Boten zu. „Sag den Nachtwachen Bescheid, dass wir sie ablösen sobald wir können. Zuerst müssen wir aber dem Verdacht nachgehen, dass wir durch irgendetwas bedroht werden...“ Voller Verwirrung starrte ich in das mir bekannte Gesicht des Reiters, azurblaue Augen hinter einem Schleier aus schwarzem Haar. „Yori?“, hauchte ich zweifelnd und suchte Bestätigung in dem festen Blick meines Gegenübers. Er gab mir keine Antwort und schaute sich nur die Situation überblickend um. „Was machst du hier? Woher wusstest du –“ Ich stoppte. Yori stieg jetzt von seinem Pferd und stellte sich mit gezogenem Schwert neben mich. „Was –“, fing ich wieder an, wurde jedoch unterbrochen. „Sie sind in der Überzahl und haben uns umzingelt. Was schlägst du vor, große Hüterin, sollen wir jetzt machen?“ Ein ironisches Lächeln machte die gesamte Dankbarkeit, die ich in diesem Moment für ihn empfunden hatte, wieder zunichte. Wütend starrte ich ihn an. „Woher soll ich das denn bitte wissen? Wenn ich dich daran erinnern darf, war ich diejenige, die bis grad eben auf die Rettung von dir gehofft hatte!“ „Schon klar“, winkte er ab und fing an die Gegner zu zählen. „Und?“, fragte ich. „Was schlägst du vor?“, zischte ich und musste dabei zusehen wie der Kreis um uns herum immer enger wurde. „Kämpfen und wieder warten, bis jemand kommt“, schlug Yori knapp vor und schenkte dann seine Aufmerksamkeit wieder den Gegnern. Entsetzt stellte ich mich direkt vor ihn und zwang ihn so mich wieder anzusehen. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass irgendwer sich auch nur in diese Einöde verirrt!“ Ich gestikulierte wild herum und hatte einen hysterischen Tonfall. „Du kannst dich doch jetzt nicht wirklich darauf verlassen, das irgendwann irgendwer kommt!“ „Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu warten!“ Genervt schob er mich wieder hinter sich, sodass Yori jetzt vor mir und das Pferd hinter mir stand. Sprachlos starrte ich ihn an. „Außerdem wird irgendjemand kommen, ich habe Ryota ein eindeutiges Zeichen gegeben!“ Yori lächelte selbstsicher, auch wenn ich mir immer noch nicht sicher war, was jetzt passieren würde. „Gut“, erwiderte ich nur knapp. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um über Yoris Schulter hinwegschauen zu können, macht es mir aber schwer daran, überhaupt erst mal darüber hinweg zu schielen, weil Yori einen knappen Kopf größer war als ich. Und dann hörte ich es: Das erste Klirren des schweren Metalls, das Schlagen eines Schwertes gegen eine schwarze Rüstung. Ich zuckte zusammen und hatte Mühe dabei mir nicht die Ohren zuzuhalten, um die Geräusche des Kampfes nicht zu hören. Ununterbrochen parierte Yori Schläge oder teilte welche aus. Dann durchbrach der panische Schrei des Pferdes den Donner aus Metall. Alles ging auf einmal furchtbar schnell. Ich hielt mir die Ohren zu und schaute panisch umher. Dann bemerkte ich, wie das Pferd hinter mir weggaloppierte und mein Rücken plötzlich ungeschützt blieb. In Panik hetzte der Fuchs umher, stürzte sich dann quer durch die Reihen des Zirkels, brachte zwei Schwarzritter zum Fall und galoppierte in seiner Hast den Hang hinauf. Yori drehte sich erschrocken um und schrie aufgebracht seinem flüchtenden Pferd hinterher. „Jarik, komm gefälligst sofort zurück!“ Und dann passierte es. Ich hätte es sehen müssen, doch ich war wie gelähmt durch die Aufruhe um mich herum. Yori hatte seine Verteidigung vernachlässigt. Ungehalten raste ein Schwerthieb auf ihn hinab und schnitt in seine Flanke. Vor Schmerz schrie er auf, drehte sich herum und wich so dem Schlag aus, der drohte sich in seine Brust zu bohren. Schmerzerfüllt parierte er ihn, schlug zurück und wich dann mit mir einen Schritt zurück, doch auch von dort drohten die schwarzen Ritter mit ihren Schwertern. „Es ist noch nicht vorbei“, flüsterte mir Yori beruhigend zu, als er bemerkte, dass mein Atem anfing unregelmäßiger zu werden. Ich brachte kein Wort heraus, für mich war der Kampf schon fast verloren. „Vertrau mir“, zischte er leise, doch ich hörte ihm überhaupt nicht mehr zu. Ich klammerte mich nur an seinen Arm, den er schützend vor mir hielt und schloss die Augen, lauschte auf die stetigen Schritte des Todes. Ich hörte, wie Metall die Luft zerschnitt, mehrere Schwerter auf uns herunterrasten. Schwindel überkam mich. Vor Schreck riss ich die Augen auf, doch das einzige, was ich sah war weißes Licht, sonst nichts. Dann brach ich zusammen, weggetragen von weißen Wellen eines Meeres aus purem Licht... Ich wachte auf, und dachte ich sei immer noch im Lichtmeer gestrandet. Nach wenigen Augenaufschlägen verwandelte sich das weiße Nichts in reines Sonnenlicht, das durch die sanften Vorhänge meines Bettes drang und meine Nase kitzelte. Ich lag wieder in dem Zimmer, wie beim letzten Mal, als mein Bewusstsein meinen Körper verlassen hatte. Ich setzte mich auf, doch diesmal war keiner da, der auf mein Erwachen wartete. Ich schob den seidigen Vorhang beiseite und stieg aus dem Bett. Ich hatte ein weißes Nachthemd an. Auf einem Stuhl neben einer Kommode lag ein schneeweißes Kleid. Ich hielt es hoch und betrachtete es genau. Dabei fiel ein kleines Stück Pergament auf den Boden. Ich legte das Kleid wieder weg und nahm den Zettel, auf dem in einer geschwungenen Schrift eine kurze Nachricht stand. „Akina, wenn du aufwachst komm bitte in die geheimen Bibliotheken. Ich denke wir haben uns etwas zu sagen – Hikari“ Den Zettel legte ich auf die Kommode und schaute mir das Kleid noch einmal an. Schneeweißer Stoff wurde am Rücken mit einer roten Korsagenbindung zusammengehalten, die in einer großen Schleife über dem Hintern endete. Unter dem flatterigen Stoff bildeten mehrere Schichten weißen Tills einen breiten Unterrock. Die Ärmel waren kurz und passend zu dem Kleid standen noch einfache schwarze Stiefel neben dem Stuhl. Hastig zog ich das Kleid an, schlüpfte in die Schuhe und kämmte mir im nebenstehenden Badezimmer die Haare. Dann schlüpfte ich durch den schmalen Türspalt und ging leise den Flur entlang. Ich wusste noch so ungefähr den Weg von dem mir bekannten Zimmer bis zur Eingangshalle. Von dort aus müsste es eigentlich ziemlich einfach sein die geheime Bibliothek zu finden. Es gestaltete sich jedoch schon sehr schwierig überhaupt die Halle zu erreichen und so stolperte ich nach einer gefühlten viertel Stunde endlich ins helle Sonnenlicht vor dem riesigen Wandteppich. Die Eingangshalle kam mir jetzt noch viel größer vor als beim ersten Mal. Alleine stand ich am Ende der Treppe und fühlte mich verloren. Ich atmete einmal tief durch und ordnete meine Gedanken. In meinem Kopf war immer noch alles wirr und durcheinander. Von der Eingangshalle war es leicht den Licht durchfluteten Turm zu finden, der Weg dorthin hatte sich wie all die anderen Erinnerungen an Kalderan in mein Gehirn gebrannt. Das Bild des Drachens war noch genauso atemberaubend, wie in meiner Erinnerung. Vorsichtig tastete ich hinter dem Rahmen nach dem versteckten Schalter. Ein kleiner, runder Knopf erhob sich von der Sandsteinwand. Das Bild löste sich an einer Seite aus der Befestigung, als ich den Schalter betätigte. Nichts hatte sich verändert. Immer noch stapelten sich die abertausend Bücher bis zur Decke und trotzdem hatte man nicht das Gefühl von ihnen erschlagen zu werden. Die geheime Bibliothek der Priester schien wie ein Ort der Ruhe und unendlicher Weisheit, unberührt und zugleich allmächtig. Noch nie hatte ich eine so dermaßen umfassende Ansammlung von Wissen gesehen! Die Bücher ruhten wie jeher in ihren Regalen und in der Mitte der riesigen Kathedrale stand die uralte Tafel im Sonnenlicht. An einem der hinteren Regale stand eine Frau mit langen schwarzen Haaren und suchte anscheinend etwas. Die Tür hinter mir ging zu und ich ging auf leisen Sohlen zu der Person herüber. Als ich näher kam, erkannte ich Hikari und beschleunigte meinen Schritt. „Guten Morgen“, rief ich schon zehn Schritte vor ihr. Hikari schreckte hoch, bemerkte mich dann aber und beruhigte sich wieder. „Eigentlich ist es ja schon Nachmittag“, lachte sie und drehte sich zu mir um. „Ist es echt schon so spät?“, verwirrt schaute ich nach draußen und sah wie die Sonne schon Richtung Nordwesten wanderte. Hikari nickte. „Komm, setzen wir uns da rüber.“ Wir gingen zu dem Tisch und setzten uns auf die weichen Polsterstühle. Ich folgte dem Lauf der Schnitzereien auf dem Tisch, bis sich Hikari räusperte und ich ihr meine Aufmerksamkeit schenkte. „Ich denke wir sollten reden“, sagte sie und ihr besorgter Blick ruhte auf meinen müden Zügen. „Wie geht es dir?“ Verwirrt antwortete ich auf die Frage. „Eigentlich ganz gut, ich hab nur im ganzen Körper so ein komisches Gefühl... Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Wie ein Kribbeln oder Kitzeln, aber doch irgendwie anders. Weniger nervig!“ „Das klingt nach nichts ernstem“, meinte Hikari erleichtert und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Resignierend hob ich meine Augenbraue und leichte Panik machte sich in mir breit. „Was ist geschehen, ich kann mich nicht mehr erinnern... Ist etwas Schlimmes passiert?“ „Es hätte etwas geschehen können, aber außer deinem Zusammenbruch und Yoris Verletzung ist nichts passiert.“ „Verletzung? Zusammenbruch? Was bitte ist denn vorgefallen, Hikari?“ Ungeduldig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her. „Alles kann ich dir nicht sagen, aber was ich weiß ist, dass der Hauptmann und seine Garde dich und Yori gefunden haben und der Kampf zu der Zeit schon vorbei war. Die Angreifer, viele der schwarzen Ritter Mizukis, lagen entzaubert am Boden und hatten ihre Kraft verloren. Yori war noch bei Bewusstsein, war aber ganz schön verwirrt über den Ausgang der Situation und deine plötzliche Ohnmacht. Das was da passiert ist, das war eine Freisetzung deiner kompletten Macht. Deswegen konntest du auch alle schwarzen Ritter auf einmal ihrer Kraft berauben und bist selbst kraftlos zusammengesunken. Seitdem sind zwei Nächte und fast zwei Tage vergangen.“ „Ich ... war das?“, stammelte ich und konnte den ganzen Ablauf der Geschichte nicht verstehen. „Ja, das warst du!“ Hikari klang nachdenklich, weit weg, in Gedanken versunken. „Und was passiert jetzt?“, fragte ich leise. „Das kommt ganz auf deine Entscheidung an...“ „Ich bleibe“, murmelte ich. „Dann wird dir jemand deine Aufgabe erklären und dir beibringen, was du wissen musst. Man wird dir zeigen, wie du deine Kräfte richtig einsetzt um so etwas wie vor 2 Tagen zu verhindern.“ Sie schwieg kurz und fügte dann doch noch etwas hinzu. „Du bist dem Tod nur knapp entkommen... Es ist gefährlich seine ganze Macht auf einmal freizusetzen und deswegen ist es auch so wichtig, dass du die Kontrolle lernst!“ Ich war sprachlos. Ich hätte tot sein können! „Und was passiert zu Hause? Steht die Zeit still?“ „Die Zeit läuft weiter, aber lass es mich so erklären. Du bist ein Teil deiner Welt und unsere Welt existiert als Spiegel der eurer in einem anderen Universum. Durch so genannte Spiegelportale sind die Sphären verbunden. Du bist also als Teil deiner Welt in unsere gekommen und die Zeit dort läuft noch weiter, obwohl du hier bist. In deiner Welt ist es so, als wärst du immer noch dort, und wenn du zurückkehrst wird es so sein, als wärst du die ganze Zeit über dort gewesen. Am Anfang wird dir das Erinnern an diese Zeit noch schwer fallen, doch nach und nach werden die ausgelöschten Erinnerungen an unsere Welt durch die Trugerinnerungen dessen ersetzt, was hätte sein sollen.“ „Kann ich die Erinnerungen an Kalderan denn nicht behalten? In meiner Welt konnte ich mich auch an euch erinnern, ich wusste noch von all dem hier!“ „Du hast dich erinnert, weil die Erinnerungen nicht sofort ausgelöscht werden. Sie verschwinden irgendwo in deinem Innern, können durch Schlüssel aber wieder gefunden werden. Nikko gab dir den Schlüssel zu deinen Erinnerungen mit.“ „Das Amulett“, flüsterte ich und umschloss es mit meiner Hand. „Wer das Medaillon öffnet sieht genau das, was er wünscht zu sehen, solange es der Wahrheit entspricht. Was hast du gesehen?“ „Ich habe mir gewünscht, einen Hinweis darauf zu finden, warum ich immer wieder diese Visionen hatte. An Orten, die ich mit jener Nacht verband, sah ich Bilder. Darauf wollte ich Antwort. Das Amulett zeigte mir vieles. Die verschiedensten Orte Kalderans flitterten vor meinem Auge umher und zum Schluss blieben sie bei der weiten Grasebene stehen. Ich hatte das Gefühl wieder zurückgekehrt zu sein. Plötzlich war mir alles ganz klar, ich wusste genau was ich wollte, was ich tun musste. Und jetzt bin ich hier...“ „Du hast im Dunkeln deines Herzens nach Antworten und dem Verlorenen gesucht, und deine Erinnerungen gefunden...“ Nachdenklich starrte Hikari auf den Boden, dann wanderte ihr Blick wieder zu mir, ein sanftes, liebevolles Lächeln auf ihren Lippen. „Es war richtig, wie du dich entschieden hast. Am Anfang, als du dich dafür entschieden hast in deine Welt zurückzukehren, habe ich daran gezweifelt, dass du zurückkehren und uns retten würdest. Wir haben es dir damals nicht gesagt, da wir dir keine Angst machen wollten. Wir wollten dich nicht zwingen irgendetwas zu tun, was du nicht willst. Nicht jeder kann ein Held sein. Wenn Kalderan untergeht, wächst auch die dunkele Macht auf der Erde. Was auch immer Mizuki mir Kalderan anstellt, solange es mit der schwarzen Magie passiert, wird es eurer wie auch unserer Welt geschehen. Ich weiß nicht genau, was passieren würde, aber es würde etwas passieren, da bin ich mir sicher. Ich habe damals wirklich an dir gezweifelt, aber jetzt ist mir klar, dass es Teil deines Weges war dich aus freien Stücken für uns zu entscheiden. Es brauchte Zeit, dass du dich mit deinem Schicksal vereinbarst.“ „Danke“, verlegen lächelte ich. „Ich muss dir noch etwas sagen, noch eine Entscheidung die du treffen musst.“ Sie machte eine kurze Pause, erwartungsvoll schaute ich sie an, dann redete sie weiter. „Wir wollen dich nicht dazu zwingen für eine der zwei Mächte Partei zu ergreifen. Wir wollen dich weder dazu drängen, dass du dich Mizuki anschließt, noch dass du dich der Macht des Licht unterwirfst. Sag nur, was denkst du von unserem Krieg?“ Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet, genauso wenig, wie ich erwartet hatte, dass man mir die Wahl dazu ließ, wem ich mich anschließen wollte. Ich überlegte ewig lange, wie es mir vorkam. „Ich weiß nicht genau, was ich davon halten soll. Ich weiß nur, dass es hierbei um Macht geht, die Macht darum, wer das Schicksal der Welten in den Händen hält. Ich halte es nicht für richtig, die Macht allein an sich zu reißen, wenn die Welt schon gerecht regiert wird. Dennoch halte ich es auch für falsch vorschnell über Mizuki zu richten, wo ich überhaupt nicht weiß worum es ihr geht. Ich weiß nur, dass ihr Weg falsch ist. Man sollte nicht Zerstören, um etwas zu bewirken oder zu verbessern. Deswegen will ich vorerst unparteiisch bleiben. Ich will hier lernen und euch unterstützen. Solange, bis ich genau weiß, was die Flammenprinzessin vorhat, werde ich an eurer Seite bleiben und gegen die falschen und brutalen Mittel ihrerseits ankämpfen.“ Ich konnte erkennen, das Hikari mein vorerst ja nicht gefiel, aber ich konnte nicht nur vom ersten Eindruck ausgehen. Ich musste wissen, ob hinter Mizukis Weg nur das Ziel der alleinigen Macht oder noch etwas anderes stand, etwas Gutes. „Wir werden es so akzeptieren müssen, denn auch ich kann dir nicht sagen, was Mizuki genau plant...“ Sie seufzte leise. „Hikari?“ „Ja?“ „Kannst du mir vielleicht sagen, wie es Yori geht? Du sagtest etwas von Verletzung, ist es schlimm?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nur eine leichte Schnittwunde, nicht besonders tief. Er hatte schon schlimmere Wunden! Aber warum fragst du ihn nicht selbst, ich kann dich zu ihm hinbringen.“ Hikari hatte mich nach draußen geführt und zeigte hinüber zum Stall. „So wie ich Yori kenne, müsste er sich dort aufhalten. Er ist nicht lange ans Bett zu fesseln.“ Ein Schmunzeln strich über ihre Lippen bei dem Gedanken. „Ich lass dich dann mal alleine, wenn du mich brauchst, du weißt wo du mich findest.“ Sie zwinkerte mir kurz zu und ging dann wieder durch das riesige Portal ins Schloss. Wenn Yori schon wieder in den Ställen war, konnte es ihm ja nicht wirklich schlecht gehen. Das beruhigte mich schon mal ein bisschen, schließlich war er nur wegen mir in diese Situation geraten. Ich ging in den dunklen Stall. Drinnen roch es wunderbar, nach Stroh und dem angenehmen Duft von Pferden. Ich hatte diesen Geruch schon immer geliebt. Es waren nicht viele Pferde im Stall, Leute noch weniger. Nur wenige Stallburschen liefen umher und misteten die Ställe aus, ich sah hier vorne nur drei Pferde, doch der Gang des Stalls erstreckte sich noch bis weit nach hinten, wo auch noch eine Zweiteilung des Weges war und die Boxen in zwei verschiedene Richtungen weiterliefen. Ich vermutete, dass der Stall eine T-Form hatte, sich die Gänge links und rechts also nicht mehr verzweigten. Weiter hinten konnte ich ein Pferd erkennen, das mitten in der Gasse stand. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte ich, dass dort auch ein Mensch hinter dem Tier stand und es ausgiebig putzte. Ich schmunzelte. Konnte das wohl Yori sein, der seinen Fuchs Jarik pflegte? Ich ging die Gasse hinunter, und tauchte unter dem Pferdehals her, als ich das Pferd eindeutig als Jarik identifiziert hatte. „Hallo“, ich lächelte Yori an und musterte ihn genau. Wie vermutet war er dabei sein Pferd zu putzen und striegelte gerade über das Fell. Er schaute kurz auf und ein schiefes Lächeln verzierte jetzt wieder sein Gesicht. „Auch endlich wach?“ Er widmete sich wieder dem braunen Fell seines Pferdes und schaute zwischendurch immer wieder zu mir auf. „Ja ich wandle wieder unter den Lebenden“, lachte ich und streichelte Jariks Hals. Ich musterte Yori wieder, von außen konnte man aber keinerlei Verletzungen erkennen. „Und wie geht es dir so?“, fragte ich deswegen schüchtern. „Ganz gut“, murmelte er und kümmerte sich jetzt um die Hufe des Fuchses. „Und deine Verletzung?“, hakte ich weiter nach. „Ach das meinst du“, lachte er, setzte den Huf des Tiers wieder ab, den er gerade von unten gesäubert hatte und sah wieder zu mir. „Der geht es eigentlich auch wieder recht gut, ich darf mich bloß noch nicht schnell bewegen oder reiten. Für eine Woche wurde ich noch zu Schlossaufenthalt verdonnert.“ Man merkte, dass es ihm missfiel nicht seinen normalen Pflichten nachgehen zu dürfen. Ich musste mich an Hikaris Worte von vorhin erinnern und schmunzelte leicht. Er putzte weiter, während ich Jarik die Nüstern kraulte. „Ich wollte mich noch bei dir bedanken“, sagte ich leise, sah ihn dabei aber nicht an. „Dafür, dass du mich beschützt hast. Du hast mir mein Leben gerettet.“ „Du hättest dich auch selbst verteidigt“, sagte er, und mied ebenfalls meine Blicke. „Wäre ich nicht gekommen, hätte es wahrscheinlich genauso geendet.“ „Das ist nicht wahr“, murmelte ich wieder. „Du hast mir Mut gemacht, nicht aufzugeben.“ Leicht genervt schaute Yori wieder zu mir auf. „Einigen wir uns darauf: Du hast die Situation gerettet...“ Ich hob meine Augenbraue. „...mit meiner seelischen Unterstützung“, fügte er hinzu und säuberte jetzt den letzten Huf. Komischerweise brachte Yori mich schon wieder zum Lachen. „Gut, einigen wir uns darauf.“ „Ich nehme an, du bleibst?“, fragte er resignierend und ließ jetzt endlich von dem Pferd ab. Ich nickte. „Ich stelle mich meinem Schicksal.“ Ich hatte das Gefühl, dass kurze Zeit ein Lächeln über sein Gesicht gehuscht war, doch als ich ihn genauer musterte war sein Gesicht wieder emotionslos. „Steht dein Angebot noch?“ „Was meinst du?“ Fragend hob er seine Augenbraue. Ich hatte das Gefühl, dass er meine Züge genau musterte. „Dass du mir das reiten beibringst!“ Jetzt schmunzelte er wirklich. „Werde ich wohl müssen, wenn ich nicht will, dass du die Pferde hier im Stall mit deinen schlechten Reitkünsten misshandelst.“ „Sei nicht immer so fies“, erwiderte ich gekränkt und wandte mich wieder dem Pferd zu. Er entschuldigte sich nicht. Ich streichelte Jarik noch einmal über den Hals und tauchte dann wieder unter ihm hinweg. Ich guckte noch einmal über den Rücken des Tiers und streckte Yori die Zunge raus. „Wenn du dich nicht freust, dass ich hier bleibe und dir deinen Hals rette, dann geh ich eben zu Hikari. Die freut sich garantiert über mich.“ Dann drehte ich mich um und verließ kichernd den Stall, einen verwirrten Yori zurücklassend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)