Step Into My World von RallyVincento ================================================================================ Kapitel 11: Step Eleven... Prejudice II --------------------------------------- Hallo liebe Leser, also vor Ostern noch ein schönes Kapitel, welches etwas länger ist, damit ihr die Feiertage gut herum bekommt. Ich wünsche euch FROHE OSTERN! knuddel Eure Rally ---------------------------------------------------------------------- "Die menschlichen Vorurteile sind wie jene bissigen Hunde, die nur den Furchtsamen angreifen." Isolde Kurz (1853-1944) deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin Mamoru Chiba Ich hatte schon geahnt, dass das mit Bunny nicht einfach werden würde. Aber die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt. Und nachdem sie die erste Übungsaufgabe auch relativ gut gelöst hatte, wusste ich, etwas war hängen geblieben. Überrascht war ich eher darüber, dass mein Handy klingelte und dass ich die Nummer überhaupt nicht kannte. Doch schon nachdem ich mich gemeldet hatte, hörte ich eine mir sehr vertraute Stimme. „Maru-chan. Ich bins.“ Ich lächelte. „Hallo Nezumi-chan. Wie geht es dir?“ „Ganz toll. Ich bin heute bei Oma, weil Mama arbeiten ist. Sie muss so vor arbeiten und dann nimmt man sie bestimmt. Und – und Mama hat mich im Kindergarten angemeldet. Ich muss aber so einen Test machen, davor hab ich etwas Angst. Aber Oma sagt ich schaff das schon, weil ich doch schon viel japanisch gelernt habe.“ Während sie mir all das erzählte ging ich hinaus, da ich es hasste in vollen Räumen zu telefonieren, besonders wenn es Gespräche waren, die keinen etwas angingen. Ich sah in die Sonne und setzte mich auf die Stufen vor dem Schrein. „Das klingt doch toll. Und ich gebe deiner Oma recht, den Test schaffst du schon. Wir können auch etwas üben wenn du willst.“ „Wirklich?“ „Ja natürlich. Ich freue mich auch, dass du mich anrufst. Hat deine Oma das denn erlaubt?“ „Ja!“ Kam es wie aus der Pistole geschossen und ich musste leise lachen. „Oma hat gesagt es ist in Ordnung - Mamoru?“ „Ja.“ Ich wusste, dass noch irgendetwas kommen musste. „Hast du heute Zeit? Weil - bei Oma ist es so langweilig, weil Oma auch arbeiten muss, also anders arbeiten... du weißt schon. Und ich will doch weiter japanisch lernen, aber mit Sparky oder Wolle geht das nicht.“ Ich musste leise lachen und stellte mir gerade vor, dass die Kleine vor Sparky saß und mit ihm Vokabeln lernte. „Ich würde gerne etwas mit dir lernen. Aber vielleicht sollten wir das besser dann machen, wenn du bei Massanorie bist.“ Mir war nicht wohl bei dem Gedanken zu ihr zu gehen, wenn sie bei ihrer Oma war. Aber dieses Kind war hartnäckig. „Aber Maru-chan, bitte – bitte – bitte!“ Sie bettelte und ich konnte fast schon spüren, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. „Nezumi-chan. Ich will ja mit dir üben, aber - “ Seufzend sah ich auf die Treppe hinunter und beobachtete die Gruppe junger Mädchen, welche gerade hinaufkam. Ich war ein Psycho – es war amtlich – ich war ein Psycho. Die Stimme in meinem Kopf war so scheiße! „- ich gebe gerade noch einer Freundin Nachhilfe in Mathe und dann kann ich ja vorbei kommen.“ Begeisterung klang anders, aber nein sagen wollte ich nicht. Sonst würde ich mich die ganzen nächsten Wochen schuldig fühlen. Eine Weile kam nichts, sie hatte bestimmt die geringe Begeisterung herausgehört, anderseits war sie erst fünf Jahre alt. „Wann ist denn dann?“ Ihre Stimme war leise und ich fühlte mich schlecht. „So um 16Uhr? Denke ich!“ „Ok.“ „Ok.“ „Bist du böse?“ „Nein, Nezumi-chan! Ich bin nicht böse – du weißt doch das ich dich lieb habe, oder?“ Schweigen! „Wie doll lieb?“ Ihre Stimme klang zaghaft. „Ganz doll lieb…“ „Bis zum Mond und zurück?“ „Was?“ Ich überlegte kurz und fragte mich wie sie auf so eine Frage kam. Aber dann musste ich einfach nur schmunzeln, schüttelte kurz den Kopf und antwortete ihr. „“Ja. Bis zum Mond und wieder zurück!“ Am anderen Ende der Leitung hörte ich ein kurzes quicken. „Oma? Darf Maru-chan kommen und mit mir japanisch üben?“ „Aber nur wenn er will, nicht dass du quengelst, hörst du?“ „Nein Oma, hab ich nicht!“ Irgendwie war das hier lachhaft, aber ich mochte diese kleine Maus sehr und fühlte mich mit ihr verbunden. Ob man das konnte? Sich mit einer fünf Jährigen verbunden fühlen? „Du musst Mamoru nur sagen wo wir wohnen.“ „Oma, wo wohnst du denn?“ Hörte ich es nur durch das Handy. „1-2-5 Asakusa, Taito-ku, Tokyo*“(ist eigentlich die Adresse eines Reispapier Ladens ^^) Ich schmunzelte und schrieb mir die Adresse auf die Hand. „Gut, dann sehen wir uns also um 16 Uhr.“ „Juhu. Ich hab dich lieb. Bis später.“ „Ja bis später.“ Lächelnd legte ich auf und überlegte ob ich Bunny wohl schnell genug alles erklären konnte, damit ich nicht zu spät kam. Aber überraschender Weise verlief unser heutiger Lernprozess weniger Anstrengend als ich gedacht hatte. Es war halb vier, als ich meine Sachen packte und mich verabschiedete. „Sollen wir uns morgen noch mal treffen?“ Ich sah Bunny an, welche nickte. „Wäre nett, am Montag muss es sitzen.“ Ihre Stimme klang nicht so als wäre sie zuversichtlich, aber man sollte die Hoffnung nicht aufgeben. „Komm morgen einfach so im laufe des Tages vorbei, zu Hause bin ich auf jeden Fall.“ Mit diesen Worten verabschiedete ich mich und ging zu meinem ‚Date‘. Andrea Lenjier „Oma?“ Ich sah hinunter und lächelte meine Enkelin an. „Was ist los süße?“ Katrin druckste etwas herum und strich sich über ihren Rock. „Glaubst du, ich kann das mit dem Test?“ Ihre Augen schauten mich fragend an und es schien als mache sie sich wirklich Sorgen um diese kleine Sache. Lächelnd kniete ich mich zu ihr und strich ihr durch die Haare. „Weißt du, ich glaube, das wird ganz gut werden. Tante Chrissy hat gesagt, dass ist ganz leicht. Du musst dir keine Sorgen machen.“ Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn und schenkte ihr ein liebes Lächeln. „Ich finde du siehst toll aus. So richtig schick und elegant.“ Ich versuchte das Thema zu wechseln, da ich hoffte, dass sie sich dann keine Sorgen mehr machen würde. „Wirklich?“ sie sprang auf und ab und freute sich. „Ja meine süße.“ Mit einem freudigen Lachen drehte sie sich noch einmal um die eigene Achse und rannte aus der Küche. Als sie mich vor knapp einer Stunde fragte, ob sie Mamoru anrufen und ihn fragen dürfte ob er mit ihr japanisch übte, war ich schon etwas skeptisch gewesen. Aber einerseits hatte Massanorie ihn ja auch auf sie aufpassen lassen und Katrin schien ihn wirklich zu mögen. Also hatte ich zugestimmt und war nun schon etwas gespannt auf den jungen Mann, den mein Sohn schon etwas mochte, auch wenn er es so nicht zugeben würde - aber eine Mutter wusste sowas eben. Bis jetzt hatte Massanorie immer Vorlieben für Männer gehabt, welche einfach – wie sollte man es nennen – asozial waren. Aber diesmal hatte ich das Gefühl, dass es anders war. Aber ich wollte mich überraschen lassen und hoffte inständig auf etwas Dauerhaftes. Es war kurz vor 16 Uhr als es an der Tür klingelte. „Katrin, für dich.“ rief ich laut und schon konnte ich das Getrappel kleiner Füße hören. Sie war kaum angekommen, da riss sie auch schon die Tür auf und fiel dem jungen Mann davor um die Beine. Mit einem Lächeln sah ich mir dieses Szenario an und warf einen ersten Blick auf Mamoru Chiba. Ein junger Mann, Anfang Mitte zwanzig, schlank, kleiner als mein Sohn, hübsche blaue Augen, ein recht feines Gesicht. Gut dass ich nicht mehr zwanzig war und glücklich verheiratet, sonst hätte ich auf dumme Gedanken kommen können. Ich seufzte leicht und fand, dass Mamoru Chiba äußerlich schon eine immense Verbesserung zum normalen Beuteschema meines Sohnes darstellte. Schoss es mir durch den Kopf. Ich verdrehte über mich selbst, beschämt die Augen. „Oma. Das ist Maru-chan!“ sie zog an meinem Rockzipfel und sah mich aufgeregt an. „Es freut mich sehr. Ich habe schon viel von Ihnen gehört.“ Ich verneigte mich und lächelte mein Gegenüber freundlich an. „Chiba, Mamoru. Es freut mich ebenfalls.“ Er verneigte sich ebenfalls kurz. „Oh wie unhöflich von mir. Lenjier Andrea. Manchmal vergess ich das einfach. Entschuldigung.“ Ich ging einen Schritt auf Seite und bat ihn mit einer Geste herein. Er zögerte kurz, aber Katrins ziehen machte es ihm schwer. Er schlüpfte in die bereit gestellten Pantoffeln, bevor er sich kurz umsah. „Danke, dass sie meiner Enkelin helfen. Aber ihr japanisch ist schon sehr viel besser geworden. Ich denke, dass hat sie Ihnen zu verdanken.“ Verlegen strich er sich durch die Haare und lächelte kurz. „Oh ich denke, das Lob gebührt nicht mir. Massanorie – ich meine Lenjier-shachō (Suffix für社長, „Unternehmenschef“) hat auch viel dazu beigetragen.“ Ich lächelte sanft und bemerkte sein Unbehagen, welches aufkam als er nur den Vornamen meines Sohnes aussprach. Er schien sehr viel wert auf Höflichkeit zu legen, Massanorie hatte nicht so viel davon. „Ja Massanorie übt auch viel mit ihr. Aber seine Aussprache, ist wie meine oft sehr akzentlastig, da lernt sie es nicht immer richtig. Gerade was die Aussprache angeht.“ „Sie haben eine sehr gute Aussprache Lenjier-san.“ „Danke, aber Lenjier-san ist sehr förmlich. Vielleicht können wir uns ja auf Andrea einigen, wenn es dir nicht zu unangenehm ist. Ich weiß, dass die Benutzung des Vornamens als grob unhöflich gilt, gerade, wenn man sich nicht kennt. Aber ich denke, da meine Enkelin, mein Sohn und du so gut befreundet seit, ist es sicherlich ok – nicht wahr?“ Ich ging an ihm vorbei und strich Katrin über den Kopf. „Ich denke, dass wäre sehr unhöflich. Zudem bin ich – also ich kenne Lenjier- shachō gar nicht so gut. Er ist mein Chef -“ er sah betroffen auf den Boden und versuchte die passenden Worte zu finden. „Maru-chan und Sano-oji-chan sind gaanz dolle Freunde. Sano-oji-chan hat gesagt, dass er Maru-chan mag!“ „KATRIN!“ Erstaunt sah ich Mamoru an, welcher meine Enkelin fassungslos ansah, dann völlig beschämt zu mir und letztlich auf den Boden schaute. „Dann bleiben wir bei Lenjier-san. Katrin, warum zeigst du Chiba-san nicht dein Zimmer und ihr übt etwas zusammen.“ Ich nickte dem jungen Mann zu und tat als hätte ich Katrins Ausbruch von Ehrlichkeit nicht mitbekommen. Wie hieß es so schon Kindermund tut Wahrheit kund. Das Pfeifen des Teekessels holte mich aus meinen Gedanken. Die beiden waren schon seit fast zwei Stunden in Katrins Zimmer. Zwischen zeitlich hatte ich hinein gelugt um zu schauen, was sie machten. Ach wenn mir der junge Mann sympathisch war, Kontrolle war immer gut. Aber ich machte mir umsonst Sorgen, denn jedes Mal saßen beide weiterhin auf dem Boden und Mamoru erklärte Katrin neue Vokabeln und verbesserte ihre Aussprache. Mit einer Teetasse bewaffnet ging ich die Treppe hinauf und schob die Tür vom Kinderzimmer etwas weiter auf. Katrin saß auf dem weichen Lammfell, welches auf dem Boden lag und schaute sich in einem Buch etwas an. Erst auf dem zweiten Blick sah ich, dass es sich um das Bilderbuch Kaguyahime handelte. Die Erzählung handelt von der Prinzessin Kaguya vom Mond, die als winziges Findelkind von einem Bambussammler gefunden wird, und zu einer im wahrsten Sinne des Wortes strahlend schönen Frau heranwächst. Fünf adlige Liebesabenteurer bemühen sich sie zu freien, doch scheitern alle an einer Aufgabe die Kaguyahime jedem der Fünf stellt. Selbst der Kaiser kann sie nicht erringen. Am Ende kehrt die schöne Kaguyahime zu einem überirdischen Wesen verklärt, als Prinzessin in den Palast des Mondes zurück und verlässt so diese Welt. Ich hatte Katrin dieses Bilderbuch vor einer Woche gekauft und Mamoru erklärte ihr gerade die einzelnen Zeichen und die Aussprache sowie Betonung. „Was heißt denn -hime?“ „-hime heißt Prinzessin.“ „Wieso steht Prinzessin am Ende des Namens? Es heißt doch Prinzessin Kaguya.“ „Das nennt man Suffix. Weißt du, in Japan wird sehr viel Wert auf Höflichkeit und Etikette gelegt. So auch beim Ansprechen von Menschen. Viele solcher Suffixe hast du sicher schon gehört. Diese Anredeformen werden an den Namen der angesprochenen Person gehängt, um dieser gegenüber Respekt auszudrücken. Beispielsweise –san, dass ist die gebräuchlichste Anrede, die den Respekt jemandem gegenüber ausdrückt, den man nicht besonders gut kennt oder der älter ist als man selbst.“ „-san? Das hast du zu Oma gesagt, nicht wahr? Aber warum hast du denn nicht zu Sano-oji-chan Massanorie gesagt, sonder das andere? Ich lächelte und auch wenn ich wusste, dass es sich nicht gehörte, so wollte ich die Antwort gerne auch hören. Also blieb ich im Türrahmen stehen und hoffte, dass keiner von beiden mich bemerken würde. „Weil – weil man das nicht macht. Wenn man jemanden nur mit Vornamen anspricht oder von ihm so redet – also ohne das man ein Suffix anhängt, dann heißt das, dass man sehr eng befreundet ist und Fremden und Bekannten gegenüber gilt es als sehr unhöflich, wenn man das macht.“ „Aber Sano-oji-chan und du ihr seit doch keine Fremde? Ich versteh das nicht?“ Ich blickte zu Mamoru und sah sein Unbehagen. Ich klopfte nun an und als sich beide Köpfe zu mir umdrehten, lächelte ich sanft und trat in das Zimmer. „Na ihr fleißigen. Wie läuft es?“ „Ganz toll Oma, ich weiß jetzt ganz viel!“ Sie sprang auf, nahm ein Buch und rannte auf mich zu. „Schau Oma, das hab ich gelernt. Also wie man das richtig sagt.“ Mit Stolz geschwellter Brust sah sie mich an und ihre Augen glänzten richtig. „Na das freut mich. Dann musst du Chiba-san danke sagen, hörst du!“ Ich blickte zu Mamoru. „Sie ist eine gute Schülerin und sie lernt schnell.“ Katrin fiel ihm um den Hals und drückte ihn fest, bevor sie ihm einen Kuss auf die Wange drückte. „Wie wäre es mit einer kleinen Pause? Ich habe etwas Kuchen und vielleicht möchten Sie eine Tee?“ Mamoru sah mich unschlüssig an, nickte dann jedoch. „Aber nur wenn es Ihnen keine Umstände macht!“ „Wenn es mir Umstände machen würde, hätte ich es nicht angeboten. Anders als mein Mann, denke ich, das falsche Höflichkeit ebenso schlimm ist wie gar keine!“ Ich lächelte und ging vor ihm die Treppe hinunter. „Hmm, also besser erst gar nicht höflich sein, als geheuchelte? Das ist wohl etwas was sich hier in Japan nicht durchsetzten wird.“ Ich lachte kurz auf. „Oh! Jetzt klingen sie fast wie mein Mann. Es fehlt nur noch der zynische Unterton.“ Lächelnd drehte ich mich um. „Sie würde sich gut mit Ihm verstehen, ich denke was die japanische Kultur und Mentalität angeht bin ich kein gutes Vorbild für meine Kinder. Besonders da man meinem Sohn und meiner Tochter das ausländische schon sehr ansieht.“ Auch wenn ich in Japan nie Probleme damit hatte. Auch meine Kinder hatten nie nennenswerte Erlebnisse in denen sie sich ausgegrenzt oder fehl am Platz fühlten. Aber vielleicht erzählt man sowas einer Mutter auch nicht immer. Ich ging ins Wohnzimmer und bot Mamoru einen Platz an. „Möchten sie Kaffee oder Tee?“ Ich sah wie er sich kurz umsah und sein Blick auf der Kommode und all den Kinderbildern festhing. Er bemerkte, dass ich Ihn ertappt hatte und räusperte sich kurz. „Tee bitte.“ Ich nickte und verschwand dann kurz in der Küche. Es vergingen nur fünf oder zehn Minuten, als ich wieder mit einem Tablett bewaffnet zurück kam. Mamoru hatte anscheinend besonderes Interesse an den Kinderbildern meines Sohnes, er betrachtete gerade sein Kommunionbild. Mein kleiner Junge in einem hübschen Anzug, mit einer weißen Kerze und voller Stolz strahlte er in die Kamera. Das war ein wunderschöner Tag gewesen. Meine Familie war da, unsere Freunde und Nachbarn – alles war perfekt. Von Seijiros Seite war jedoch keiner gekommen, man hielt nicht so viel davon, dass ich die Kinder nach meinen Religiösen Werten großzog, oder besser dass ich darauf bestanden hatte sie taufen zu lassen. Aber das war mir egal. „Da hatte Massanorie...“ Ich stellte das Tablett ab und schaute auf. Mir fiel erst jetzt ein, dass ich kein japanisches Wort für Kinderkommunion kannte. Ich sah Mamoru an, welcher still auf mein Satzende wartete. „… es tut mir leid, aber ich kenne das japanische Wort nicht… aber in Deutsch heißt es Kinderkommunion.“ Ich sah Mamorus fragenden Blick, als er sich setzte. Aber er fragte nicht nach, also beließ ich es dabei. Es war schließlich nicht meine Intention Mamoru Massanroies Lebensgeschichte zu erzählen, dass konnte dieser ruhig selber erledigen. „Ich hoffe sie mögen Apfelkuchen?“ Ich stellte Mamoru einen Teller mit einem kuchenstück hin und setzte mich ihm gegenüber in einen Sessel. „Ja danke. Und wenn ich das sagen darf, sie haben ein sehr schönes Haus.“ „Danke! Das freut mich.“ Ich nahm einen Schluck Kaffee, als plötzlich etwas Kleines durch die Tür huschte. „Na Süße. Alles gut?“ Katrin sah mich grinsend an und nickte. Sie hatte sich in der Küche an der Keksdose vergriffen und sah nun aus wie ein kleiner Hamster. „Darf ich fragen, was du – Entschuldigung Sie - sonst machen – also, wenn Sie nicht gerade kleinen Mädchen japanisch beibringen.“ Ich strich Katrin über die Haare. „Oh, ich studiere – normalerweise. Gerade – gerade arbeite ich um mir das Studium zu finanzieren.“ „Und was studieren sie?“ „Mamoru wird mal Arzt!“ Katrin hatte es gerade geschafft den Rest aus ihrem Mund herunterschlucken und kommentierte unsere Unterhaltung mit ihrem üblichen kindlichen Respekt. „Das war unhöflich Katrin. Vielleicht solltest du Mamoru antworten lassen.“ „Warum? Ich weiß es doch auch!“ Sie sah mich an, seufzte und setzte sich dann neben Mamoru auf das Sofa. „Ist schon in Ordnung. Sie hat ja recht – ich studiere Medizin.“ „Oh und wissen sie schon in welche Richtung es geht?“ Mamoru schüttelte leicht den Kopf und lächelte matt. Mamoru Chiba Es kurz nach sieben als ich mich auf den Weg machte. Anders als befürchtet, war es eigentlich sehr nett gewesen. Katrin hatte heute eine Menge gelernt fand ich und Massanories Mutter war eine nette Frau – sehr ehrlich und direkt. Jetzt wusste ich wenigstens von wem er das hatte. Trotzdem blieb dieses flaue Gefühl in der Magengegend mir erhalten. Sie hatte mich schon etwas ausgefragt und auch wenn sie es nicht direkt ansprach so hatte ich wohl bemerkt, dass sie wohl wissen wollte wie ich zu ihrem Sohn stand. Aber was sollte ich schon sagen, er war ja nur mein Chef – nicht mehr! „Ich hasse dich!“ zischte ich leise. Zurzeit war mein Verstand nicht gerade eine Hilfe, sondern fiel mir nur noch in den Rücken, wenn man das denn überhaupt von einem Verstand sagen konnte. Ob ich Massanorie erzählen sollte, dass ich bei seiner Mutter war, aber ich war ihm ja keine Rechenschaft schuldigt – oder? Oh Gott, wieso ich? Wieso passierte mir immer so eine Scheiße?! In diesem Moment riss mich mein Telefon aus den Gedanken. Ein Blick aufs Display verriet mir, wer mich da mit einem Anruf beehrte. „Hi May.“ „HALLIHALLO! Wo bist du?“ flötete sie am andere Ende. „Gleich zu Hause, so in 10 oder 15 minuten. Wieso?“ „Oh, dann kann ich ja doch warten. Ich steh nämlich vor diener Tür und dachte du wolltest mir eventuell nur nicht aufmachen.“ „Ich würde dir immer die Tür aufmachen!“ Log ich ins Telefon, wo wir wieder bei der falschen Höflichkeit angelangt waren. „Lügner.“ War das einzige Kommentar auf meine Aussage, welche ich einfach mal so im Luft leeren Raum stehen ließ. „Aber egal. Ich warte, also trödel nicht!“ Mit diesen letzten Worten legte sie auf und ich konnte mir ein Seufzen nicht verkneifen. Dabei mein Plan ein ruhiger Abend mit einer Dokumentation über die Entwicklung der Medizin vom 18.-20. Jahrhundert gewesen. Aber das durfte ich mir wohl abschminken. Nach knapp 15 Minuten erreichte ich mein Wohnhaus und ich hatte getrödelt – in der Hoffnung, dass sie weg war. Sicherlich die feine Art aber ich war etwas genervt und gestresst und wollte eigentlich keine Gesellschaft noch spontane Besuche. Auch wenn sie es sicherlich nur gut meinte. Doch meine Hoffnung wurde je enttäuscht, als mir ihr grinsen entgegensprang, als sich die Fahrstuhltür öffnete. „Hi May.“ Ich nahm sie kurz in den Arm, bevor ich die Tür aufschloss und sie hinein bat. „Wenn du keine Lust auf mich hast, dann kann ich gehen.“ Sie kniff mir in die Seite und wartete vor meiner Wohnungstür. „Wie kommst du darauf?“ fragte ich etwas dümmlich, obwohl ich die Antwort schon kannte. „Weil du als Schauspieler schon längst verhungert wärst, ich dich schon soooo viele Jahre kenne und außerdem verrät es mir dein Gesichtsausdruck. Freude sieht anders aus!“ Ich schmunzelte, zog mir die Schuhe aus und zog sie in die Wohnung. „ich hatte nur einen langen und etwas anstrengenden Tag. Da darf man doch etwas müde sein oder?!“ Ich stupste sie an und versuchte ihr Lachen abzuringen. „Willst du heute noch weg?“ Erst jetzt fiel mein Blick auf ihr Outfit. Ein schwarzer Rock, weißes Shirt mit Totenköpfen, Stiefel und ihr Nietengürtel. „Ja! Ins GODZ.“ Mit einer Flinkheit, die ich nur bewundern konnte, schnürte sie die Stiefel auf und schlüpfte in eine paar Hausschuhe. „Der Laden ist der Brüller. Ich war gestern Abend auch da, es war so voll. Das war der Hammer. Super Leute und ich war ewig nicht mehr da. Ich hab da ein Mädchen kennengelernt. Da musste ich kurz an deinen Chef denken. Sie kommt auch aus Deutschland, sie heißt Billy und ist super nett. Wir haben uns lange unterhalten und getrunken…“ Während sie redete, schmiss sie sich auf mein Sofa und machte es sich bequem. Ich konnte zwar nicht nachvollziehen, warum sie nur weil sie ein Mädchen kennenlernte das auch aus Deutschland kam an Massanorie denken musste, aber gut, so war May eben. „…zudem will ich mich heute wieder mit ihr dort treffen und ihr ein paar Freunde vorstellen. Das wird so genial. Willst du nicht mitkommen?“ Ah, da war sie, die Frage, weswegen sie eigentlich gekommen war. Lächelnd setzte ich mich in den Sessel und schüttelte nur den Kopf. „Nein, danke. Ich bin müde und ich mag das GODZ nicht wirklich. Die Musik und so.“ Das GODZ war wirklich überhaupt nicht mein Fall. Zum einen war Metal nicht unbedingt meine Musikrichtung, zum anderen empfand ich die Tatsache dass der Laden in einem Keller im Rotlichtviertel von Seibuschinjuku lag auch nicht als sehr anziehend. „Aber heute läuft doch auf dem großen Screen das Live Metal Konzert von dieser Europäischen Band, dessen Name mir nicht einfallen will. Komm schon, du wirst Billy mögen, sie ist total lieb. Außerdem waren wir beide schon lange nicht mehr raus. Bitte!“ Sie setzte ihren Hundeblick auf und begann mich mit ihren Augen anzuklimpern. „Nein.“ Gab ich nur barsch als Antwort. „Ich will nicht mit. Ich wiederhole mich zwar, aber ich mag das GODZ nicht und ich finde, dass ein Abend zu Hause mit einem Buch oder einer Doku auch sehr schön sein kann. Besonders, wenn ich bedenke, dass ich morgen, irgendwann wieder Bunny vor meiner Tür stehen habe und sicherlich nicht allein. Weil nämlich dieser Primat von Freund ihr hinterher läuft, wie ein läufiger Hund. Meine Begeisterung für dieses Wochenende ist also schon im Keller, dafür muss ich nicht noch in dieses Loch gehen.“ „Deswegen musst du nicht gleich pampig und laut werden.“ May stand auf und wollte gehen. „Warte. Es tut mir leid. Ich – ich hab ne harte Woche hinter mir und – ich weiß auch nicht – das mit Massanorie macht es auch nicht besser…“ Ich lehnte mich an die Wand und sah May an, welche sich im Flur zu mir umdrehte und mich ansah. „Was ist denn los? Also mit Massanorie? Du lässt dich doch sonst nicht so gehen?“ Ich zuckte nur mit den Schultern. Was sollte ich ihr auch sagen. Dass mich die Sache mit Massanorie verwirrte und ich plötzlich nicht mehr wusste, ob er nur mit mir ein blödes Spiel spielte oder wirklich an mir interessiert war. Oder das der Gedanke, dass ich schwul sein könnte, mich völlig aus der Bahn warf? „Magst du ihn?“ sie kam wieder auf mich zu und tippte mir auf die Brust. „Ich bin nicht schwul, wenn das deine Frage ist.“ Ich drehte den Kopf zur Seite. „Nein, war sie nicht. Ich wollte nur wissen ob du ihn magst. Deswegen ist man nicht gleich schwul, außerdem ist das ja nichts schlechtes, deswegen ist man ja kein schlechter Mensch.“ Sie seufzte etwas lauter als eigentlich nötig war. „Du bist ein Idiot Chiba Mamoru. Echt jetzt.“ Immer noch tippte sie mir auf die Brust und schien nun zu überlegen, wie sie mir weiter ins Gewissen reden konnte. Aber stattdessen überraschte sie mich. „Was für eine Doku kommt denn heute?“ Erstaunt sah ich sie an und musterte ihr Gesicht. „Wieso?“ „Man beantwortet eine Frage nicht mit einer Gegenfrage!“ Ihre Erzieherische Maßnahme in diesem Moment bestand darin, mich nun etwas fester in die Seite zu kneifen. „Es geht um die Entwicklung der Medizin vom 18.-20. Jahrhundert.“ Ich legte meine Arme um ihren Nacken und drückte meine Stirn an ihre. „Wieso?“ fragte ich nun erneut. „Ich ruf Billy und die anderen an und sag ab für heute. Und dann machen wir uns ne Nudelsuppe – hast du Eier und Schinken? Und schauen uns diese Doku an.“ Mit diesen Worten befreite sie sich von meiner Umarmung, kniff mich noch einmal kurz in die Seite und verschwand dann in der Küche. „May!“ Ich ging ihr hinterher und nahm ihr das Handy aus der Hand, welches sie gerade aus ihrer Rocktasche hervor geholt hatte. „Das ist albern. Du wolltest doch weg gehen. Also mach das doch.“ Nun boxte sie mich etwas fester auf den Oberarm. „Nein Mamoru, werde ich nicht. Weil ich nämlich erkenne, wenn es meinem besten Freund scheiße geht und er etwas Gesellschaft brauchen könnte. Auch, wenn er das selber nicht weiß, oder es ihm egal ist.“ In ihrer Stimme lag etwas sehr energisches, was keinen Zweifel daran ließ, dass sie ihren Plan in die Tat umsetzten würde, auch wenn ich mich noch so wehrte. Missmutig gab ich ihr das Handy zurück. „Hast du Eier und Schinken da?“ Ich nickte nur und verzog mich ins Wohnzimmer, manchmal war allein sein, gar nicht so übel. Ich hatte heute einfach zu viele Leute um mich herum gehabt, das war ich nicht gewöhnt. In der Universität, schaffte ich es immer mich abzukapseln oder sonst wie meine Ruhe zu bekommen, aber in letzter Zeit war das kaum noch möglich. Aus der Küche hörte ich leise Gesprächsfetzen. Ob Massanorie sich auch mit sowas rumschlagen musste. Eher nicht. Er hatte ja, nach eigener Aussage keine Freunde, hier in Tokio. Wie verbrachte wohl ein Mann wie er seine Abende? Frustriert legte ich meinen Kopf in den Nacken, schloss die Augen und betet für den Weltuntergang. Doch – oh Wunder – nichts passierte. Ja warum auch? Wenn man mal drum bat, passierte es ja nie. „Mamoru?“ May sah mich an und wirkte besorgt. „Hab ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich mein Leben hasse.“ Fragte ich trocken. „Diese Woche noch nicht.“ Kam es ernst zurück. „Gut, dann hab ich es jetzt gesagt.“ „Ich hab Wasser aufgesetzt. Willst du auch Ei und Schinken in der Nudelsuppe haben?“ Ich nickte nur und versuchte meine Gedanken zu ordnen, als plötzlich das Telefon klingelte. Eigentlich hatte ich geplant es zu ignorieren, May jedoch sah das anders. „Hier bei Chiba!“ Eine kurze Pause – in der ich hoffte es war falsch verbunden – was natürlich auch nur eine Hoffnung blieb. „Für dich! Es ist Massanorie!“ Ich nahm ihr den Hörer ab und wusste innerlich eigentlich schon, warum er anrief. „Ja?“ „Du warst bei meiner Mutter?“ Seine Stimme klang etwas – wobei das etwas hier ein sehr dehnbarer Begriff ist – angesäuert. „Eher bei Katrin, als bei deiner Mutter. Um es korrekt zu sagen. Sie wollte japanisch lernen und ich hatte Zeit.“ „Hmm, meine Begeisterung hält sich jedoch trotzdem in Grenzen.“ „Wenn es dich tröstet, so geht’s mir gerade mit deinem Anruf!“ „Werden wir jetzt frech? Oder liegt es daran, dass May – so hieß sie doch – da ist. Einen auf stark markieren oder was?“ Jetzt konnte man seinen gereizten Unterton nur noch überhören, wenn man taub war. „Nein, das brauch ich nicht. Ich frag mich nur, warum mein Chef, mich am Samstagabend belästigt, wenn er, dass doch schon fünf Tage in der Woche macht. Nur ein Tag Ruhe vor dir wäre super!“ „Halt die Klappe!“ „Was?“ Massanorie wurde nun lauter. „Nicht du!“ Auch meine Stimmung wurde gereizter. „Was willst du Massanorie? Rufst du nur an um mir auf den Keks zu gehen, oder willst du etwas wirklich dringendes, was nicht bis Montag warten kann?“ „Eigentlich…“ Seine Stimme wurde plötzlich ruhig. „..wollte ich den Herrn nur fragen, ob er Lust hat mit mir etwas essen zu gehen.“ Ich starrte zur Tür, in welcher May stand und mich perplex ansah. „Nein danke. Ich hab keine Zeit und selbst wenn, wieso sollte ich mit dir essen gehen wollen?“ „Irre ich mich oder höre ich da eine gewisse Feindseligkeit heraus?“ Seine Stimme hatte einen provozierenden Unterton bekommen. „Ich bin nicht Feindselig. Ich hab nur keine Lust auf dich, oder dein Gerede oder deine Art. Schließlich bin ich nicht…“ Ich stockte und mir wurde bewusst, dass ich mich in Rage redete. Und fast wäre mir das herausgerutscht was ich nicht wollte. „Du bist nicht was?“ Ich antwortete nicht. „Sag schon, los. Ich meine so viele Möglichkeiten, was kommen könnte gibt es nicht. Also spuck es aus. Oder reicht es dafür nicht. Du kleiner dämlicher Psycho. Ich meine wie kann ein Mensch so wenig Eier in der Hose haben um mal Klartext zu reden. Ich sag dir mal was, weißt du was du brauchst, du hast es einfach mal nötig rangenommen zu werden. Und zwar richtig.“ Seine Stimme war lauter geworden und hatte einen verächtlichen Ton angenommen. „Blöde Schwuchtel!“ Ich legte auf und starrte auf das Telefon. Es war einer dieser Momente, in denen man erst nach drei oder vier Sekunden begriff, was man eigentlich gesagt hatte. Mein Blick wanderte zu May, welche nur ein stummes Oh mein Gott mit ihren Lippen formte. Einige Minuten standen wir uns nur schweigend gegenüber. „Mamoru? Willst du reden? Oder – ich weiß nicht?“ Langsam kam sie auf mich zu, nahm mir das Telefon ab und sah noch einmal darauf, so als könnte es ihr die Fragen beantworten. „Ich glaub ich brauch eine neue Arbeit!“ wisperte ich nur. „Ja, wäre anzunehmen. Aber vielleicht hat er es nicht gehört?“ Ein gequältes Lächeln huschte über ihre Lippen. „Ich glaube, meine Aussprache war deutlich genug.“ Ohne das gerade geschehen weiter zu kommentieren, ging ich ins Schlafzimmer. „Mamoru was hast du vor?“ May folgte mir und sah mir zu, wie ich in meinem Kleiderschrank wühlte. „Lass uns ins GODZ gehen. Ich muss hier raus und alles ist besser, als darauf zu warten, dass er eventuell gleich vor meiner Tür steht.“ Massanorie Lenjier „Es ist jetzt kurz vor neun. Was machen wir denn gleich mit dem kleinen Streuner?“ Ich nahm einen kleinen Schluck aus meinem Kaffeebecher, bevor ich mich wieder Sparky zuwandte, der vor mir saß. Ich hatte ihn heute mit ins Büro genommen, da ich später noch eine große Runde mit ihm laufen wollte. In der letzten Zeit hatte ich ihn etwas vernachlässigt und das ging nicht. Meine Finger griffen in das dichte weiß-schwarze Fell und kraulten ihn sanft am Hals. „Hmm, wir könnten ihn ja rausschmeißen. Ist ja nicht so, als wäre er nicht zu ersetzen. Und so gut sieht er dann auch nicht wieder aus, dass ich mich dafür als blöde Schwuchtel beleidigen lassen muss.“ Mit einem Lächeln sah ich erneut auf meine Uhr und fragte mich ob er wohl überhaupt den Arsch in der Hose haben würde hier heute aufzutauchen. Als ich ihn am Samstagabend angerufen hatte, wollte ich nur nett sein – naja und ihn aushorchen was meine Mutter wohl alles so gefragt hatte. Aber dass er dann so ausfallend werden musste war selbst für meine Verhältnisse zufiel. Ich hatte mich schon lange nicht mehr als Schwuchtel beschimpfen lassen und normalerweise war das für denjenigen der mich so nannte auch nicht sehr gesundheitsförderlich. Nun es war Montag und ich wusste noch nicht ob ich ihn wirklich feuerte, einerseits ging es ums Prinzip anderseits – ach was, es ging nur ums Prinzip. Eigentlich wusste ich schon Samstag, dass heute sein letzter Tag war, obwohl Tag auch zu viel war. Er konnte gleich wieder gehen, wenn er denn überhaupt kam. Da war ich mir noch nicht so sicher. Ich an seiner Stelle würde es vermeiden hier aufzutauchen, aber man wusste bei unserem kleinen Prinzen ja nie. Plötzlich sprang Sparky auf, lief zur leicht geöffneten Tür, zwängte sich hindurch und bellte freudig. „Na sieh mal an. Hätte ich ihm ja nicht zugetraut!“ wisperte ich leise, bevor ich erneut einen Schluck Kaffee nahm und mir ein Stück von meinem Blaubeermuffin in den Mund schob. Wartend lehnte ich mich zurück und sah zu meinem Schreibtisch hinüber, auf welchem sich einige Papiere stapelten. Heute musste noch das Nobiru Meeting für Freitag vorbereitet werden und am Abend stand dann noch ein Geschäftsessen mit einigen Geldgebern auf den Plan. Schade – ich hatte eigentlich vorgehabt Mamoru dahin mitzunehmen, aber das würde wohl nichts werden. Ganz langsam schob sich meine Bürotür auf. Zuerst kam Sparky rein, welcher wieder zu mir ans Sofa kam um sich ein paar Krauleinheiten abzuholen. „Ja ich weiß, in letzter Zeit kamst du etwas zu kurz. Entschuldige!“ Ich drückte ihm einen Kuss auf die Schnauze und lächelte. Wie aufs Kommando gab er ein leises wuff von sich um meiner Aussage zuzustimmen. „Ja du bist ein kluger Hund! – nicht so wie andere. Die sollten lernen, wann sie am besten ihren Schnauze halten. Nicht wahr?“ Ich sah nach links, lehnte mich zurück und wandte mich wieder meinem Frühstück zu. Ohne ein Wort stand Mamoru im Raum. Er hatte einen Kaffee dabei, sowie einen Muffin. Beides hatte ich mir vorsorglich jedoch selber mitgebracht. So musste sich ein Reh fühlen, wenn es in den Lauf eines Gewehrs starrte – einfach festgewurzelt. Es vergingen einige Minuten – er sagte nichts, ich war mir nicht einmal sicher ob er atmete – und ich beschäftigte mich mit Sparky. Irgendwann jedoch wurde mir dieses Geschweige dann doch zu blöd. „Also, soll ich dir gleich deine Kündigung geben oder willst du versuchen dich verbal weiter in die Scheiße zu reiten. Du hast die freie Wahl!“ Meine Stimme war völlig emotionslos und kalt. Noch immer würdigte ich ihn keines Blickes. „Guten Morgen!“ kam es eher zaghaft zurück. „Nicht die Antwort auf meine Frage. Und ein Guten Morgen ist wohl nicht die passende Aussage auf – warte wie war das, ach ja blöde Schwuchtel!“ Mit meiner Stimmlage konnte ich nun die globale Erwärmung. „Wenn also aus deinem kleinen homophoben Mund nichts Vernünftiges mehr kommt, dann kannst du den Kaffee und mein zweites Frühstück auf dem Tisch abstellen und dann deinen kleinen hetero Arsch aus meinem Büro schieben!“ Ein dünnes „Tut mir leid“ kam aus seinem Mund, bevor er den Becher und die Tüte auf dem Tisch vor mir abstellte. Ich hob meinen Blick und sah ihn an. Wieso? Wieso, schaffte es dieser kleine Psycho mich immer wieder zu erweichen?! „Setz dich!“ kam es nur barsch von mir. „Aber…“ „Du kannst auch gehen, und irgendwo an einer Tankstelle arbeiten oder in einem Restaurant oder auf einer Müllhalde – oder du setz dich jetzt!“ Völlig genervt deutete ich auf den Platz neben mir. Ohne ein weiteres Wort, setzte er sich neben mich und begann nervös an seinen Fingern herumzuspielen. Das machte mich wahnsinnig! Meine Hand schnellte zur Seite und legte sich auf seine. „Hör auf damit. Das macht mich bekloppt!“ Ein nicken mehr nicht. Ich zog meine Hand zurück, nahm mein erstes Frühstück und lehnte mich zurück. „Ich wiederhole mich nicht, dass erwähnte ich zu Beginn deines Arbeitsverhältnisses. Also a) wenn du noch nicht gefrühstückt hast, dann bitte…“ ich deutete auf das von ihm mitgebrachte. „…b) die Frage vom Anfang steht noch im Raum und c) du solltest genau auf deine Wortwahl achten, denn das Eis auf dem du stehst ist so dünn, eigentlich ist es ein Wunder das du noch nicht eingebrochen bist. Und nur damit du es weißt, du kannst ganz sicher nicht übers Wasser laufen!“ Stille und Schweigen! Mamoru zögerte, nahm dann aber den Kaffeebecher und die Tüte. „Das Geld bekommst du nicht wieder, bin ja nicht die Caritas!“ kam es bissig von mir. Nur weil ich ihn nicht gleich gefeuert hatte, hieß das nicht, dass er außer Lebensgefahr war. Meine Stimmung war noch immer miserabel und es fehlte wirklich nur ein Funken, damit ich die Beherrschung verlor. Das wollte auch was heißen, dass hatte wirklich bis auf meine Schwester noch nie jemand geschafft, selbst mein Vater nicht. „Tut mir leid…“ kam es nun erneut von meinem Sitznachbar. Ich konnte das kleine Streichholz fast schon riechen, Mamoru wetzte es regelrecht am Schächtelchen. „Du wählst also die Variante dich verbal weiter in die Scheiße zu reiten. Gut! Von mir aus.“ Mamoru zuckte zusammen, was wahrscheinlich an meiner Stimme lag, denn sie hatte einen Geduld verlierenden Unterton angenommen. Ein tiefes Luftholen und Mamoru versuchte es erneut. „Ich – ich weiß auch nicht was in mich gefahren ist. Das wollte ich nicht sagen. Es ist einfach rausgerutscht. Ich war gestresst und – ich weiß nicht…“ er hielt den Kaffeebecher festumschlossen und spielte erneut mit seinen Fingern. „Wenn du das nicht sein lässt, schneide ich sie dir ab!“ Genervt sah ich auf Mamorus Hände, welche auch sofort ihre Tätigkeit einstellten. „Rausgerutscht? Kann ja sein, dass es an mir legt, aber sowas sollte nicht einfach rausrutschen. Wenn das deine Art ist um eine Kündigung zu betteln, dann machst du das großartig. Ich kann nichts für dein homophobes Verhalten…“Ich bin nicht homophob!“ Unterbach mich Mamoru energisch. Jetzt - da war er - der Funken. „Ach nein. Entschuldige, das hab ich blöde Schwuchtel dann völlig falsch verstanden. Ich wusste ja nicht, dass der Herr so tolerant ist. Wie konnte ich nur. Du als Reinkarnation eines Prinzen, als Ex-Liebhaber von Sailor Moon – du der du als Helferlein die ganze Galaxie mit gerettet hast – du bist natürlich nicht homophob und intolerant!“ Mein Kaffeebecher knallte auf den Tisch und schwappte leicht über. Wütend und bis aufs äußerte Gereizt sah ich Mamoru an. „WAS? Kommt da kein Einwand, keine Verteidigung. Wenn du so immer mit Freunden umgehst, dann wundert es mich nicht, dass sich deine Ex einen anderen gesucht hat und du auch sonst keine Freunde hast. Hast du dir mal überlegt, dass du das Problem bist. Das dein Verhalten anderen gegenüber scheiße ist?“ Und das kam gerade von mir! Kopfschüttelnd ging ich zum Schreibtisch und fischte meine Zigaretten aus der Schublade. Ich war wütend, zum einen über Ihn und zum anderen über mich, dass er mich so wütend machte. Dass ich wegen ihm so – so – enttäuscht war. Ja enttäuscht – scheiße dieser Bengel schaffte es mich zu enttäuschen! „Ich bin nicht homophob – ich kann nur nicht mit der Situation umgehen.“ Kam es plötzlich von der Couch. Ein kräftiger Zug an der Zigarette und ich drehte mich wieder zu ihm um. „Mit welcher?“ Meine Stimme klang nun resigniert und lustlos. Ich wurde dieser Unterhaltung, wenn es denn eine war, überdrüssig. „Die mit dir…“ er starrte auf den Kaffeebecher. „Kommt da noch was?“ Drängelte ich. „…und mir!“ kam es zeitgleich. Verwundert sah ich ihn an. Den Blick nicht von ihm abwendend blies ich den Rauch der Zigarette aus und ging wieder zur Couch. „Du benimmst dich also so, weil ich mit dir geflirtet habe? Und du nicht mit deiner Sexualität im reinen bist? Ernsthaft? So einen Blödsinn hab ich ja noch nie gehört.“ Er sagte nichts, stellte jedoch endlich den blöden Becher auf den Tisch. „Wenn das dein einziges Problem ist, das kann ich beheben!“ Mamoru sah mich nun an und schluckte. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen nahm ich erneut einen Zug. „Ab jetzt ist alles was wir tun nur noch beruflich. Du arbeitest für mich – mehr nicht. Du kommst pünktlich und gehst wenn ich es sage. Und außerhalb der Arbeit will ich dich nicht mehr um mich haben oder in der Nähe meiner Familie.“ Ich stand auf, öffnete meine Bürotür und ging zu meinem Schreibtisch. „Verschwinde aus meinem Büro. Auf deinem Schreibtisch liegt genug Arbeit.“ Ohne ein weiteres Wort setzte ich mich hin. Erst als ich das leise klicken der Tür hörte schaute ich auf. „Wieso fühlt es sich an, als hätte ich gerade etwas falsch gemacht?“ Sparky sah mich an und winselte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)