Step Into My World von RallyVincento ================================================================================ Kapitel 42: Step Forty-one… Friendship -------------------------------------- Ein Freund ist jemand der die Melodie deines Herzens versteht und sie dir vorsingt wenn du sie vergessen hast. unbekannt Minako Aino Ich musste zugeben, das gefiel mir und ich konnte mir fast vorstellen sowas später auch zu machen. Ich schloss die Augen und strich mein Kleid glatt, bevor ich einige Pullover wieder zusammenfaltete und sie vernünftig verstaute. „Entschuldige?“ „Ja?“ Ich drehte mich um und sah einige Mädchen, die die Schuluniform der T.A. Girls Academy trugen. Sie musterten mich und drucksten herum. „Was kann ich denn für euch tun?“ „Also wir wollten fragen wo du dieses tolles Kleid her hast und die Frisur? Wie macht man sowas?“ Lächelnd und sehr geschmeichelt sah ich sie an. „Also das Kleid bekommt ihr hier. Ihr wart bestimmt noch nie hier, aber hier bekommt ihr alles was ihr braucht um wie ein richtiges Rockabilly Girl auszusehen. Gerade haben wir ganz neue Sachen rein bekommen, darunter auch das Kleid.“ Meine 11 cm Peep-Toe-High-Heels mit Plateau, Fesselriemchen und einer süßen Schleife klackerten leicht auf dem Boden des Ladens, als ich das Kleid was ich trug vom Kleiderhaken zog und es ihnen zeigte. „Also das ist es. Mit diesem Kleid von H&R London könnt ihr den kommenden Sommer und jede Party richtig rocken. Es hat eine Länge von ca. 99 cm, umspielt die Knie, hat einen Tüllabschluss und die weißen Punkte auf der schwarzen Oberfläche lassen das Kleid richtig schön verspielt aussehen.“ Die Mädels befühlten das Kleid und waren hin und weg. „Also wer von euch möchte es anprobieren? Dann mach ich euch noch die passende Frisur und ihr werdet sehen wie toll ihr ausseht.“ Sofort stimmten die drei zu, sie nahmen das Kleid und konnten sich gar nicht entscheiden wer es zuerst anprobieren sollte. Dass wir davon noch sechs auf der Stange hängen hatten, war ja egal. „Du bist ein richtiges Verkaufstalent.“ Ich drehte mich um und nahm die Tasse Kaffee entgegen, die mir Shogo hinhielt. „Und du bist super lieb und ein toller Chef.“ Grinsend sahen wir uns an. „Mamoru hat Glück Freunde wie dich und May zu haben.“ Kopfschüttelnd sah ich ihn an. „Nein. Weißt du, eigentlich, ich weiß gar nicht ob wir richtig befreundet sind. Er und meine beste Freundin, naja du weißt ja, sie waren mal zusammen. Ich glaube, er duldet mich nur… wegen Yosuke. Außerdem kann er Glück haben, dass du sein Freund bist. Welcher Mann würde schon zwei völlig fremde Mädels in seinem Laden arbeiten lassen, nur damit der Kumpel einen Job behalten kann, den er nicht einmal angefangen hat?“ Shogo lachte leise. „Ich mag Mamoru von Anfang an. Er ist super nett und auch wenn er sehr verschlossen und sein Selbstwertgefühl wohl nicht das Beste ist, so mag ich ihn und wenn ich ihm helfen kann, dann mach ich das. Obwohl ich schon skeptisch war, als du und May hier aufgetaucht seid und mir gesagt habt, dass ihr für Mamoru hier arbeiten wollt bis es ihm besser geht.“ Lächelnd sah ich zu den Mädchen. „Aber die neue Kollektion verkauft sich fast von selber, da müssen wir gar nicht viel machen. Und danke, dass ich das Kleid tragen darf. Ich dachte mir gestern Abend, dass es besser ist, wenn die Kunden sehen was wir verkaufen – quasi am lebenden Objekt.“ „Das war ne super Idee Minako. Die neue Kollektion diesen Frühling ist wirklich sehr Rockabilly-lastig und das musst du wirklich gut bewerben, sonst wird es ein Ladenhüter, aber mit der Frisur – sag mal, woher hattest du dafür eigentlich die Idee?“ „Internet! Da hab ich gesucht und gesucht und schließlich bin ich auf eine englisch sprachige Seite gestoßen mit Frisuren und hab mich für die…“ ich räusperte mich und warf den Kopf kokett nach hinten. „…für die Victory Rolls mit Pferdeschwanz entschieden. Dabei standen dann noch Makeup Tipps und fertig war ich, um den Mädels mal zu zeigen was sie alles mit sich anstellen können.“ Eines der Mädels kam wieder aus der Kabine, ich stellte den Kaffee ab und widmete mich meinen Kundinnen. Vor sechs Tagen hatte ich May für verrückt erklärt, als sie meinte, dass wir hier ja abwechselnd arbeiten könnten. Sie morgens und ich nach der Schule, aber dann war es eigentlich toll. Ich lernte viele Menschen kennen und hatte ein gewisses Talent Leute zu beraten was ihnen stand und was nicht. Shogo war anfangs auch sehr skeptisch, aber er hatte sich um Mamorus Willen darauf eingelassen. Massanorie rief May, Yosuke und Shogo täglich an oder kam vorbei um uns Bericht zu erstatten. Und gestern meinte er nur, es würde bestimmt bald bergauf gehen. Yosuke und May hatte das alles tief getroffen und auch wenn ich nicht genau wusste was passiert war, so hatten auch wir Mädchen uns Sorgen gemacht, als Bunny uns anrief und meinte das Mamoru verschwunden sei. Sie hatte am Telefon geweint und hatte sich Vorwürfe gemacht, zudem musste Massanorie wohl ausfallend zu ihr gewesen sein und ihr an den Kopf geworfen haben, dass sie egoistisch sei und sich nie für ihn interessiert hätte, sonst wüsste sie ja wohl einen Ort wo er hingehen würde. Das hatte sie getroffen und andererseits konnten wir uns wohl alle nicht von diesem Vorwurf lossprechen. Yosuke Murakami Die letzten Tage waren anstrengend und anders als May, war ich nicht bereit einfach weiter zumachen. Sie hatte, nachdem sie sich ausgeweint hatte, gemeint, dass es Mamoru nichts nützte wenn wir heulten oder uns Vorwürfe machten, dass wir nichts bemerkt hätten. Das sie recht hatte stand außer Frage, aber ich wusste plötzlich nicht wie ich Mamoru jemals wieder unter die Augen treten sollte. Wie sollte ich meinem besten Freund gegenüber treten, nach all diesen Sachen? Minako versuchte mir Mut zu machen und das obwohl ich ihr nur die Dinge gesagt hatte, die ich für Nötig hielt; das er verschwunden war, dass es ihm sehr schlecht ging aufgrund von Geschehnissen in der Kindheit und dass sich Massanorie um ihn kümmerte. Anders als ich es erwartete hatte, hatte sie das einfach hingenommen. Sie meinte, sie müsste nicht alles wissen, ihr würde es reichen zu wissen, dass es ihm schlecht ging, das es uns schlecht ging und mehr nicht. May hatte Minako sofort mit eingespannt als es um das Arbeiten in dem Laden ging, wo Mamoru einen Job bekommen hatte. Sie meinte, es wäre wichtig, dass Mamoru eine Perspektive hatte wenn es ihm besser ging und wenn sie sonst nichts tun konnte, dann wenigstens, dass er diesen Job behalten konnte. Also arbeitete sie morgens in dem Laden und wurde nachmittags von Minako abgelöst. Somit sah ich meine Freundin nur noch abends, aber ich war wohl gerade auch keine gute Gesellschaft, ich ließ mein Studium schleifen und die Hausarbeit die ich übermorgen abgeben musste war nicht einmal gedanklich angefangen. Leicht deprimiert betrat ich das Full Volume, sah mich um und stockte. Meine Freundin sah – sie sah grandios aus. Um sie herum standen einige Mädchen mit und ohne Schuluniform. Sie stylte ihnen gerade die Haare und brachte ihnen irgendwelche Mädels Klamotten. Das Kleid was sie anhatte sah toll aus und ihre blonden Haare dazu – sprachlos sah ich sie an. Wahnsinn! Dass ich so ein Mädel abbekommen hatte, war Wahnsinn! „Deine Freundin ist die perfekte Verkäuferin.“ Ich sah nach links, wo Shogo stand mit einem Stapel Blusen in der Hand. „In den drei Stunden die sie jetzt hier ist, hat sie schon zwei Kleider, drei Blusen und vier Röcke verkauft. Versteh mich nicht falsch, May ist auch gut im Beraten, aber in Minako schlummert ein tiefes Kunden-Management-Talent.“ Er schüttelte den Kopf lachte und ging zum Verkaufstresen. „Falls ich mal expandiere, dann würde ich ihr glatt die Leitung der neuen Filiale andrehen wollen.“ Er grinste mich an und wartete auf eine Reaktion. „Ich glaube nicht, dass sie das will. Ihr Traum ist es berühmt zu werden.“ gab ich nur leise von mir, auch wenn es mich schon stolz machte das Minako anscheinend ein solches Talent war. „Ach quatsch, das ist sie doch schon. Heute Morgen kamen einige Mädels und fragten wo denn die andere Verkäuferin sei. Als ich meinte sie würde nur nachmittags arbeiten, meinten sie sofort sie würden dann wieder kommen.“ Sein Blick glitt wieder zu Minako die gerade zur Kasse deutete, woraufhin gleich zwei Mädels auf uns zukamen. „Hi. Also das Haarband und die Bluse, bitte. Und Minako hat gesagt, dass du der Chef bist und wir dich fragen müssen. Also wir würden es toll finden, wenn Minako abends mal so einen 50er Jahre Makeup-Frisuren Kurs anbieten könnte. Damit es auch alles Klamottenmäßig zusammen passt.“ Ich lachte leise und sah Shogo schulterzuckend an, welcher nun etwas irritiert drein sah. „Äh also… wenn Minako das macht.“ Er rechnete die Sachen ab und sah zu Minako. Die beiden Mädels quietschten auf und teilten diese Antwort sofort Minako mit, welche einen nachdenklichen Gesichtsausdruck aufsetzte. Aber das anschließenden begeisterte Gerede der Mädchengruppe zeigte wohl, dass sie zugestimmt hatte. Kaum zu glauben, dass sie eigentlich ebenso alt war wie die Mädels um sie herum. Aber mit dem Outfit und den hohen Schuhen wirkte sie älter und irgendwie auch reifer. „Am Ende willst du Mamoru gar nicht mehr einstellen, bei so einem Talent.“ Rutschte es mir bissig heraus. Die Mädchen kamen sofort mit Shogo aus, ich hatte da meine Schwierigkeiten und ich fragte mich langsam, ob das an meiner Einstellung lag. Denn selbst Massanorie schien mit Shogo klarzukommen – also lag die Vermutung nahe, dass es an mir lag. Ob sich Mamoru wohl auch immer so gefühlt hatte, wenn ich ihm meine Freunde vorgestellt hatte? „Also erstens, das mit Mamoru ist etwas was gar nicht zur Diskussion steht. Es ist seine Stelle die die Mädchen ausfüllen. Und zweitens, kann ich es mir erlauben zwei Menschen einzustellen, besonders da Minako sowieso nur nachmittags kann und Frauen lassen sich lieber von Frauen beraten. Also unterstell mir nicht, dass es mir nur um Profit geht.“ Er rümpfte die Nase und sah mich abschätzend an. „Entschuldige, ich bin nur etwas mies drauf.“ Ich versuchte zu lächeln, doch Shogo schüttelte nur den Kopf und verschwand dann wieder zu seinen anderen Kunden. Ich blieb alleine vor dem Tresen stehen und nach einiger Zeit setzte ich mich einfach auf die kleine Couch im Verkaufsraum. Seufzend sah ich Minako zu und fragte mich, was ich tun konnte um Mamoru zu helfen! Andrea Lenjier Als Massanorie gestern Abend zu uns kam und meinte, er müsse mit mir reden, war ich einerseits erleichtert, aber anderseits fand ich ja auch dass es Zeit wurde. Nichts, nichts hatten sie mir gesagt. Als wenn ich nicht bemerkt hatte das was nicht stimmte. So dumm war ich ja wohl nicht. ~am Vorabend~ Mit einem Roman saß ich auf der Couch und wartete darauf, dass mein Mann wieder nach Hause kam. Zur Zeit ging er jeden Abend mit Massanorie und Sparky spazieren und wenn mich das nicht schon stutzig genug gemacht hatte, so wäre es spätestens die Aussage meines Mannes auf die Frage nach Mamoru und Massanorie gewesen mit den Worten „Du bist immer zu emotional. Wird schon alles wieder!“ Also ließ ich mich seit über einer Woche damit abspeisen und langsam kam ich mir verkaspert vor. Ich wusste das Massanorie ab morgen wieder in die Firma musste und Seijiro musste ebenfalls mit, da er einige Organisatorischen Dinge erledigen musste was Vorstand und Übergabe der Jahresbilanz anging. Ich konnte die Eingangstür hören und wie sich meine Männer im Flur unterhielten. Schließlich kam Massanorie zu mir und er sah schlecht aus. Er war blass und wirkte müde, aber das durfte ich ja auch nicht ansprechen. Leicht angesäuert widmete ich mich meinem Roman. „Mum?“ „Was?“ kam es nur kurz von mir. „Ich – ich muss mit dir über etwas reden.“ „Ach auf einmal? Dein Vater und du scheint ja der Meinung zu sein ich wäre zu emotional für das was du mir sagen willst.“ „Andrea. Bitte.“ Seijiro setzte sich neben mich und Massanorie nahm im Sessel Platz. Seufzend legte ich das Buch weg. Ja gut gerade war ich zu emotional und eingeschnappt. „Ok. Ich habe es verstanden. Entschuldigung.“ Seufzend zog ich die Wolldecke auf meinen Beinen zu Recht. „Aber ich mache mir Sorgen. Seit Weihnachten seid ihr beide so komisch? Und Mamoru hab ich auch seitdem nicht mehr gesehen. Ich weiß nicht was los ist und ihr sagt mir nichts. Du siehst schlecht aus Massanorie und – auch wenn es mich freut – seid ihr beiden plötzlich ein bisschen wie Pat und Patterchen.“ „Tut mir leid. Ich dachte nur – ich – ich wollte nur nicht, dass es zu viel wird. Das du schlecht denkst von Mamoru, das... ach ich weiß doch auch nicht!“ Massanorie sah auf die Uhr und wirkte nervös. „Warum sollte ich schlecht von Mamoru denken? Was ist denn los?“ Mein Blick wanderte zwischen meinem Mann und meinem Sohn hin und her. Dann plötzlich begann Massanorie mir zu erzählen was vorgefallen war, von seiner Aktion mit Mamorus Freunden, wie Mamoru daraufhin völlig die Fassung verloren hatte, die drei Tage in denen er verschwunden war und wie es ihm jetzt ging. Am Ende saß ich nur ruhig da und ließ die Worte von Massanorie sacken. Anscheinend erwarteten die Herren der Schöpfung, dass ich nun völlig aufgelöst aufspringen und mich aufregen würde, aber das tat ich nicht. Innerlich ging es mir schlecht, aber äußerlich wirkte ich völlig ruhig. „Wenn du morgen arbeiten gehst, wer bleibt dann bei ihm?“ „Was?“ Seijiro sah mich irritiert an. „Ich fragte wer morgen bei ihm bleibt? Er kann schlecht alleine bleiben in diesem Zustand. Es muss jemand da sein, das ist wichtig für ihn. Dass er merkt, dass er nicht alleine ist.“ Schweigen! „Ich weiß es noch nicht.“ Kam es schlussendlich von Massanorie der mich ebenso verunsichert ansah wie sein Vater. „Dann rede heute Abend mit ihm und frag ihn, ob ich da bleiben soll. Ich werde auch nichts machen, ich bleib einfach bei ihm bis du von der Arbeit kommst…“ ~jetzt~ Massanorie hatte mich noch am gleichen Abend angerufen und meinte, dass es ok wäre und er mir dankbar sei. Ich hatte das zur Kenntnis genommen, verstand das aber als selbstverständlich. In mir war ein tiefes Schuldgefühl entstanden und ich schwieg mich mit Seijiro seit gestern Abend auch aus. Er dachte ich wäre wütend, aber das war ich nicht – nicht auf ihn. Aber das würde er nicht verstehen. Wir hätten es ihm sagen müssen, hätten Mamoru seitdem wir es wussten sagen müssen. Es war ein Fehler gewesen, dass wir dachten es wäre nicht gut für ihn und das er denken könnte, wir wären nur seiner Eltern willen nett zu ihm. Außerdem ging es hier noch um viel mehr. Ich hatte Mamoru schrecklich lieb, er war für mich ein Teil meiner Familie und allein der Gedanke dass man ihn so verletzt hatte, dass man ihn so behandelt hatte machte mich wütend auf so viele Menschen und auf dieses System was so etwas zu gelassen hatte. Und ich war auch auf mich wütend. Ich hatte mich die ganze Nacht gefragt was wohl gewesen wäre, wenn ich nicht wieder nach Deutschland gegangen wäre? Was wäre gewesen wenn ich in Japan geblieben wäre, zusammen mit Seijiro und Massanorie und Andrea. Vielleicht hätte ich mich mit Mamorus Mutter angefreundet, vielleicht wäre es dann nie zu diesem Unfall gekommen und selbst wenn, dann wären wir da gewesen, dann hätte er eine Familie gehabt. Ich atmete tief ein und aus, steckte meine Nähnadel in das Ohr des Plüschhasen und wischte mir die aufsteigenden Tränen aus den Augen. Wie dumm sich Fragen zu stellen die nie beantwortet werden konnten. Aber trotzdem… der Gedanke das man meinen Kindern so etwas angetan hätte, machte mich so unendlich traurig, wütend und ließ eine tiefe Verzweiflung in mir aufkommen – und Mamoru war für mich immer mehr wie ein eigenes Kind geworden, seitdem ich kannte. Ein Geräusch ließ mich Aufsehen. Mamoru trat aus dem Schlafzimmer und zuckte kurz zusammen als er mich bemerkte. Er griff nach den kleinen Kopfhörern in seinen Ohren und zog sie heraus und drückte eine Taste auf dem Walkman in seiner Hand. Anscheinend hatte er vergessen, dass ich heute hier war. Ein Lächeln zeichnete sich auf meinem Gesicht ab. „Hallo. Gut geschlafen?“ Ich nahm die Nadel wieder in die Hand und nähte weiter an Katrins Hasen. Sie hatte ihn im Kindergarten mitgehabt und am Ende fehlte ihm ein Ohr. Ihre Mutter hatte daraufhin mit ihr geschimpft und sie durfte erst dann wieder Spielzeug mit in den Kindergarten nehmen, wenn sie lernte es gut zu behandeln. Schmunzeln sah ich mir das Ohr an und ärgerte mich etwas, weil man die Naht erkennen konnte. Aber bei aller Mühe, ich hatte einfach nicht die passende Garnfarbe gehabt und so hatte der weiße Hase nun eine Naht mit einem Cremefarbenden Faden. Katrin würde das nicht auffallen, aber ich wusste es. Seufzend legte ich den Hasen beiseite und nahm mir einige Socken zum Stopfen vor. Mamoru indessen stand noch immer in der Schlafzimmertür und zögerte. „Nicht so gut.“ Kam es dann leise von ihm, bevor er an mir vorbei ging und ich die Badezimmertür hörte. Es dauerte eine Weile bis er wieder kam und ich konnte sofort sehen, dass er geweint hatte, sagte aber nichts. „Was machst du da?“ Etwas verwundert sah ich ihn an und dann auf den Socken in meiner Hand. "Oh ich stopfe Socken. Ich kann es nicht haben, wenn Seijiro die einfach wegwirft obwohl nur ein Loch drin ist. Das ist doch dumm.“ „Hmm. Und der Hase?“ Zögerlich stand Mamoru im Raum und schien zu überlegen ob er wieder ins Bett ging oder hier blieb. „Katrin hatte ihn mit im Kindergarten und dann fehlte ihm das Ohr. Und – ich verrate dir jetzt ein Geheimnis – die einzigen Menschen, die Stofftiere wieder ganz nähen können sind Großmütter und Mütter.“ Ich lachte darüber leise und sah Mamoru an. Er schien plötzlich sehr nachdenklich. „Was hörst du denn da?“ Anscheinend hatte ich Mamoru aus seinen Gedanken gerissen. Er sah auf den Walkman in seiner Hand und plötzlich zeichnete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ab. Ein schwaches Lächeln aber seine Augen zeigten, dass er sich freute. „Von Massanorie.“ Er sah mich an und wurde plötzlich wieder sehr schweigsam und sah mich verunsichert an. Einen Moment lang sah ich ihn an, widmete mich dann jedoch wieder dem Socken in meiner Hand. So vergingen einige Minuten, indem Mamoru einfach im Raum stand und mich ansah, das spürte ich deutlich. „Warum?“ „Bitte?“ Ich sah verwundert auf. „Warum können nur Großmütter und Mütter Stofftiere wieder zusammen nähen?“ „Ach das meinst du.“ Lächelnd legte ich den Socken beiseite. „Weißt du Mamoru. Es ist so, Stofftiere und ganz besonders Teddybären, sind etwas ganz besonderes. Wenn man sie verschenkt, dann hofft man, dass sie dem Kind Trost spenden, dass sie auf die Kinder aufpassen, ihnen Wärme und Geborgenheit vermitteln, wenn man es als Mutter oder Großmutter vielleicht selber nicht kann. Sie trösten und machen alles mit und sie werden das Kind dem sie gehören immer treu sein. Und wenn sie dann kaputt gehen, weil Kinder sie vielleicht schlecht behandeln oder sie alt werden, dann flicken wir sie wieder zusammen. Sie sind so etwas wie unsere Stellvertreter, falls wir nicht da sein können. Als Kuschelhilfe, Tröster, Schmuseersatz, als alles was sie sein müssen – so wie es Mütter eben auch sind.“ Mamoru schwieg. „Du findest das sicherlich albern und vielleicht ist es das auch. Aber mir hat es immer ein gutes Gefühl gegeben, wenn Andrea und Massanorie bei meinen Eltern oder Seijiros waren oder sonst wo - ohne uns – dass sie ihre Kuscheltiere mit hatten. Dann waren sie nicht einsam und weil ich dankbar dafür war, habe ich mich immer darum gekümmert sie zu flicken, Augen anzunähen oder sie wiederzufinden, wenn sie mal verloren gingen.“ Lächelnd hielt ich den Hasen in den Händen und sah zu Mamoru der aber im Schlafzimmer verschwand ohne etwas zu erwidern. Traurig sah ich ihm nach. Vielleicht hatten die beiden recht, was diese Sache mit der Sentimentalität anging. Sowas konnte Mamoru anscheinend wirklich nicht… Ich stockte in meinen eigenen Gedanken und sah zu Mamoru und mir huschte ein Lächeln über die Lippen. In den Händen hielt er einen Teddybären der sehr lädiert aussah. Man konnte sehen wo das Innenleben herausquillt und eines seiner kleinen Augen hing wortwörtlich nur noch einem seidenen Faden. „Er ist schon etwas alt… und ich… ich hab es mal versucht, aber ich schaff das nicht.“ kam es nur leise von ihm, bevor er langsam zu mir kam und sich mit etwas Abstand zu mir auf die Couch setzte. „Wie heißt er denn?“ Er zögerte und ich konnte sehen, dass er sich etwas albern vorkam. „Weißt du Mamoru, wenn ich weiß wie mein Patient heißt, dann ist es einfacher. Schließlich will ich ja auch nicht das er Angst hat.“ „Teddy…“ kam es dann zaghaft. „Es freut mich sehr.“ Ich hielt meine Hand auf. „Darf ich?“ Mamoru zögerte. „Keine Sorge, ich passe auf.“ Es dauerte noch einen Moment bevor er mir den Bären gab, vorsichtig besah ich mir die Nähte und ich bemerkte, dass Mamoru jede meiner Bewegungen beobachtete. Und plötzlich wurde mir bewusst, woher ich das hier kannte. Es war ein Déjà-vu. Als Massanorie fünf war, da hatte er eine Stoffente und als eine Naht aufgegangen war, da hatte er auch Angst gehabt, dass ich ihr beim nähen wehtun könnte. Und er hatte mich ebenso angeschaut wie Mamoru jetzt. Skeptisch und sofort bereit mir das geliebte Stofftier wegzunehmen, wenn ich ihm wehtun würde. Also tat ich das gleiche wie damals. Ich strich dem Bären vorsichtig über den Kopf und lächelte ihn an und begann mit ihm zu reden. „Du siehst etwas lädiert aus. Aber keine Sorge das bekomme ich wieder hin. Zuerst einmal nähe ich dir das Auge wieder an. Aber dafür muss ich es erst einmal abschneiden.“ Mamoru zuckte merklich bei diesem Satz zusammen und ich sah wie er nach dem Bären greifen wollte. Meine Hand legte sich auf seine. „Keine Sorge. Ich muss doch den Faden erneuern. Und er wird es gar nicht merken.“ Mamoru zögerte und mir wurde bewusst wie viel ihm dieser Teddybär bedeuten musste. „Du vertraust mir doch, oder Mamoru?“ Fragend sah ich ihn an und es dauerte lange bis er schließlich nickte und seine Hand zurück zog. Er lehnte sich gegen die Armlehne, zog seine Beine an und beobachtete mich weiter, während ich damit begann Teddy wieder ganz zu nähen. Und wie bei Massanorie damals, begann ich leise dieses Kinderlied zu singen. Damals hatte ich Massanorie gesagt, ich würde es singen um Platsch, seine Ente, zu beruhigen damit sie keine Angst hätte, aber ich hatte es gesungen damit mein Kind keine Angst hatte und genau deswegen sang ich es wieder. Und ich konnte sehen wie Mamoru sich entspannte und wie Massanorie vor 24 Jahren, so fielen auch Mamoru langsam die Augen zu. „Still, still und hör in die Nacht, dein Engel weint Tränen. Wie du, fühlt er ein Sehnen und er spürt, deinen Schmerz. Still, still im Dunkel der Nacht, hört jemand dein Klagen. Ein Engel muss nicht fragen, denn er sieht dir ins Herz. Still, still hör in dich hinein. Still, still du bist nicht ganz allein. Dein Engel weiss, wie weh es tut, und doch sagt er: Alles wird gut!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)