Step Into My World von RallyVincento ================================================================================ Kapitel 25: Step Twenty-five... Pain I -------------------------------------- Wir alle tragen Masken, und es kommt der Zeitpunkt, an dem wir sie nicht mehr abnehmen können, ohne dabei Stücke unserer Haut mit abzutrennen. Andre Berthiaume Massanorie Lenjier „Irgendwo muss ich doch noch Kaffee haben.“ Ich durchsuchte meine Schränke und nahm mir vor, doch heute mal einkaufen zu gehen, so langsam wurde es traurig. Mein Kühlschrank war ja schon immer nicht der Bestgefüllteste, aber das ich keinen Kaffee da hatte – das war fast schon katastrophal. Seufzend sah ich über meine Schulter und stellte fest, dass mein Vater noch immer redete. Oh man. So einen Morgen wünschte man sich doch. Meine Mutter versuchte ihn zu beruhigen und wirkte etwas verzweifelt. Aber was sollte ich schon sagen. Schließlich war ich ihm keine Rechenschaft schuldig – naja vielleicht doch. Aber das wollte ich ihm lieber nicht sagen. Es war ja nicht so als würde ich nicht wissen, dass ihn diese Aufregung, welche mal wieder von mir ausging, nicht gut tat. Anderseits sah ich es nicht ein, dass ich ihm erklärte warum ich gestern das Geschäftsessen verlassen hatte. „Dad hör zu. Es tut mir leid, aber hör auf dich aufzuregen. Damit treibst du Mum in den Wahnsinn. Und dann geht es ihr schlecht.“ Mein Vater schwieg kurz, sah meine Mutter an und ich konnte sehen, dass er sich Vorwürfe machte, weil sie ihn besorgt am Arm festhielt. „Bitte Seijiro.“ Meine Mutter sah ihn bittend an. Er nickte nur, setzte sich dann auf einen meiner Küchenstühle und atmete tief ein und aus. „Gut. Also – würdest du mir bitte erklären, warum du bei einem wichtigen Geschäftsessen mit den Aktionären einfach verschwindest. Bitte.“ „Ein Private Angelegenheit.“ Ich wollte ihm nicht sagen, dass ich Mamoru aus dem Krankenhaus abgeholt hatte, weil dann musste ich ihm auch sagen, warum er dort war und das war einfach etwas was niemanden etwas anging. Sparky wuselte um meine Beine und versuchte mir wohl etwas mitzuteilen, ich drückte ihn sanft von mir weg. „Nicht jetzt, Junge!“ „Massanorie…“ sein Kopf verfärbte sich Purpurfarben und ich verdrehte nur die Augen. Ok warum wollte ich noch einmal ein gutes Verhältnis mit ihm – ich konnte mir nicht mehr denken wieso ich das nach seinem Herzinfarkt angestrebt hatte. Als Chef konnte ich ihn wenigstens noch einigermaßen ernst nehmen, aber diese Mischung aus strengem Vater und Chef war zum kotzen. „Er hat mich aus dem Krankenhaus abgeholt.“ Ich drehte mich um und sah Mamoru, welcher verschlafen in der Tür stand. Er trug eine Jogginghose von mir und ein T-Shirt. Seine Lippe war noch etwas angeschwollen, aber die meisten kleineren Schrammen waren verschwunden. Hmm - diese Selbstheilungssache war echt nicht schlecht. Auch hatte er seinen Arm nicht mehr in der Schlinge liegen, sondern bewegte wohl selber etwas skeptisch die Finger, verzog aber dann das Gesicht. Sparky lief sofort zu ihm, umrundete ihn und winselte. Er machte sich wohl auch Sorgen. Wahrscheinlich wollte mir mein Hund mitteilen, dass mein Patient einfach aufgestanden war. „Oh. Mein. Gott.“ Meine Mutter war sichtlich bestürzt. Wenn sie ihn gestern gesehen hätte, wäre sie wohl in Tränen ausgebrochen. Sofort stand sie bei ihm und strich ihm die Haare aus dem Gesicht und besah sich die Pflaster und den Verband an seinem Arm. Er war wohl wirklich gerade erst aufgestanden, denn er brauchte einige Sekunden um dieser Überrumpelung von mütterlicher Zuneigung entgegen zu wirken. Er wich ihrer Berührung aus, lächelte gequält und kam zu mir. Anscheinend war es ihm sehr unangenehm, dass meine Mutter so fürsorglich und besorgt reagierte. Ich konnte sehen, dass er sie sehr skeptisch musterte, bevor er ein „Entschuldige.“ nuschelte. Meine Mutter verstand wohl immer noch nicht, dass er mit so viel Nähe nichts anfangen konnte, sie seufzte und sah Mamoru an. „Stimmt das?“ Mein Vater hatte dieses Szenario still beobachtet und musterte Mamoru und mich. „Kann sein…“ „Ja. Ich hatte ein paar Probleme mit einigen Bekannten. Es tut mir leid, dass ich ihn von dem Geschäftsessen weggeholt habe. Ich hatte vergessen, dass er dort war. Es war also meine Schuld.“ Mamoru sah auf den Boden und seufzte. „Dir ist doch klar, dass du ihm keine Rechenschaft ablegen musst, oder?“ flüsterte ich und stupste ihn an. „Na besser als wenn du einfach wieder Streit anfängst oder ihn anlügst.“ Konterte er nur leise. „Eine gute Lüge ist immer gern gesehen, wenn es denn angebracht ist.“ „Ja genau. Weil ich mir das leisten kann…“ er wich meinem Blick aus und ich wusste, dass er auf Yosuke anspielte. Das und die Prügelei mussten ihm schwer zusetzen. Mamoru lehnte sich an den Kühlschrank und gähnte verhalten. Anscheinend hatten wir ihn unfreiwillig aufgeweckt. Mein Blick glitt zu meinem Vater, ich rechnete nun mit einer Standpauke mit dem Thema Wie-ich-es-doch-wagen-kann-für-ein-dahergelaufen-Mann-meine-Arbeit-zu-vernachlässigen. Doch er sagte nichts, er kam auf mich zu und musterte mich. „Das nächste Mal sagst du mir gleich den Grund. Dann muss ich mich nicht aufregen.“ Völlig verdutzt und sprachlos sah ich ihn an. Sowas war ja wohl noch nie vorgekommen. Er wandte sich zu Mamoru um. „Ist denn ansonsten alles gut?“ Mamoru sah meinen Vater überrascht an, nickte dann aber nur. „Hmm.“ Er schwieg und Mamoru war es der seinem Blick zuerst auswich. Und aus den Augenwinkeln meinen Blick suchte. „Musst du nicht in die Firma!“ keine Frage, eher eine Aufforderung – die Frage von wem ich dieses Talent hatte, war wohl damit auch geklärt. Eigentlich hatte ich geplant von zu Hause aus zu arbeiten, weil ich bei Mamoru bleiben wollte. Ich fühlte mich schuldig wegen der Prügelei und wollte mit ihm noch darüber reden. Mich entschuldigen und so. „Sehe ich doch richtig, oder?“ er sah mich an. Seine Laune schien wie immer kühl – kam wahrscheinlich von dem Eispickel was er als Herz definierte. „Mamoru kann ja dann mit zu uns kommen…“ Hatte ich das gerade richtig verstanden oder war das der Kaffeeentzug. „Übermorgen ist der 24., da wolltet ihr doch sowieso kommen, dann kann er ebenso gut jetzt schon mitkommen und ihr beide schlaft bei uns. Schließlich ist er ja wohl etwas gehandicapt. Alles andere wäre wohl verantwortungslos.“ Sprach er, musterte mich, Mamoru und meine Mutter, die, wie sollte es anders sein, zustimmend nickte und ging. Das Mamoru eigentlich nicht vor hatte Weihnachten mit uns zu verbringen, hatte ich bedauerlicherweise noch nicht erwähnt. Anscheinend wollte Mamoru das jedoch nachholen – ich hatte kurzzeitig vergessen wie er es hasste, wenn man für ihn Entscheidungen traf. „Ich hatte nicht vor Weihnachten mit Ihnen zu feiern. Ich halte nichts von Weihnachten und ich kann sehr gut für mich allein sorgen und…“ Mein Vater drehte sich um und Mamoru versuchte nicht an seinen Worten zu ersticken. „Wenn du für dich allein sorgen kannst, frage ich mich warum du gestern Abend meinen Sohn angerufen hast und warum du in eine Prügelei geraten bist.“ „Hey.“ Ich fiel meinem Vater ins Wort und schob mich zwischen ihn und Mamoru. „Mamoru kann sehr gut auf sich alleine aufpassen, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Du kannst nicht immer über alles und jeden bestimmen.“ „Aber sollte er dann nicht versuchen dir weniger Kummer zu bereiten als mehr.“ Er war einfach ein Ekel. „Raus.“ Wütend sah ich ihn an, spürte dann aber Mamorus Hand an meinem Arm. „Hör auf. Du wolltest dich doch nicht mehr mit ihm streiten…“ Ich zögerte. Meine Mutter stand nur seufzend im Flur. „Warum sind eigentlich die Männer der Familie Lenjier solche Idioten? Meine Mutter hatte recht, ich hätte lieber Lukas heiraten sollen, der war wenigstens nur ein Fußball Fan. Damit hätte ich mich viel besser arrangieren können.“ „Mum!“ Wie unpassend war das denn jetzt. „Herr Gott. Dein Vater meinte ja nur, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, wenn Mamoru bei uns bleibt. Dann kannst du arbeiten gehen und Mamoru kann sich ausruhen und weil jemand bei ihm ist, musst du dir keine Sorgen machen. Das Entlastet dich doch und Mamoru kann sich besser erholen, wenn er sich um nichts kümmern muss.“ Sie schüttelte den Kopf und sah meinen Vater böse an. „Und du? Du bist doch Geschäftsmann, aber deinem Sohn Dinge vernünftig erklären kannst du nicht, oder?“ Mein Vater verdrehte nur die Augen, lächelte sie dann aber matt an. „Und wenn Mamoru übermorgen lieber nach Hause möchte, dann kann ihn Massanorie ja fahren. Und wenn nicht, bleibt er.“ Sie blickte an mir vorbei zu Mamoru. Ich drehte mich rum und sah Mamoru schweigend an. … .. . Mamoru Chiba Schlaftrunken drehte ich mich herum, zog die Decke etwas höher und merkte just in diesem Moment, dass die Schmerztabletten nicht so lange anhielten wie sie sollten. „Autsch!“ zischte ich leise und hoffte, dass das in ein paar Tagen vorbei war. Meinem Arm ging es jedenfalls besser als gestern. Ich konnte die Finger wieder bewegen und auch sonst waren die Schmerzen in diesem Teil meines Körpers besser geworden. Der Rest ließ jedoch immer noch zu wünschen übrig. Zudem war ich die ganze Zeit müde und fühlte mich dämmrig, was wohl daran lag das mein Kristall so viel Energie wie möglich aufbrachte um mich zu heilen, was sich jedoch in Anbetracht, dass ich nur sehr wenig davon über hatte, seit Bunnys kleinem Aussetzer, etwas schwierig erwies. Meine Rippen meldeten sich und teilten mir mit, dass sie es Scheiße fanden, dass ich auf der Seite lag. Also wieder auf den Rücken gerollt und hoffen, dass das zwicken und pieken nachließ. Der Morgen hatte schon echt beschissen angefangen, die Sache mit Massanories Vater hatte mich getroffen. Ob ich Massanorie wirklich mehr Probleme machte als er hatte?! Wahrscheinlich war es so. Seufzend schloss ich die Augen und versuchte noch etwas zu schlafen, als ich plötzlich eine Hand spürte. Ich zuckte zusammen, öffnete meine Augen und sah Massanorie an. „Hi. Ich wollte dich nicht wecken.“ „Hast du nicht.“ Er beugte sich zu mir und küsste mich sanft. „Alles gut bei dir?“ „Hmm. Denke schon. Musst du nicht im Büro sein?“ „Ja. Aber ich brauchte eine Akte die mein Vater hatte und da dachte ich, ich schau mal nach dir. Meine Mutter meinte, sie hätte dich den ganzen Tag nicht gesehen und dass du keinen Hunger hast.“ Er klang besorgt, aber ich wollte nicht noch einmal nachgeben. Hatte ich denn nicht schon für ihn nachgegeben und war mit seinen Eltern mitgefahren – obwohl sich alles in mir sträubte. „Ich hab wirklich keinen Hunger.“ „Du hättest nein sagen können.“ Er strich mir durch die Haare und blieb an der Stelle hängen wo ich die Narbe von dem Unfall hatte. „Damit ich mir nachsagen lassen kann, dir nur Probleme zu machen – sicher nicht.“ Gab ich nur patzig als Antwort und drehte mich trotz des Protestes meiner Rippen auf die Seite. „Es wird wohl etwas später werden. Sollen wir dann zusammen essen?“ Er strich mir über den Rücken und schien sich heute nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „Ist mir egal.“ Er seufzte, drückte mir noch einen Kuss auf den Hinterkopf und dann hörte ich nur wie die Tür seines ehemaligen Zimmers ins Schloss fiel. Alle behandelten mich wie ein Kind… „Ich hasse dich.“ Irgendwann schlief ich wieder ein und wachte erst auf, als es draußen schon dunkel war. Neben mir nahm ich leise regelmäßige Atemzüge wahr. Wie spät es wohl war? Mein Körper rebellierte etwas, als ich mich aufrichtete, aber es war erträglich. Massanorie lag schlafend neben mir, mein Blick richtete sich auf den Wecker. 3 Uhr. Toll und ich war hell wach – was nun? Nach einigen Minuten des an die Decke starren stand ich auf. Dass ich den ganzen Tag nicht gegessen hatte, forderte nun auch seinen Tribut. Ich schwankte kurz und ließ mich wieder aufs Bett sinken. Massanorie murmelte etwas, drehte sich, wachte aber nicht auf. Ich wartete bis der Schwindel nachließ und stand erneut auf. Nun war es besser. Leise schloss ich die Tür hinter mir und ging die Treppe hinunter, als sich etwas Weiches an mir vorbei schlich. Erschrocken zuckte ich zusammen und sah Sparky nach, welcher sich in das vom Mondlicht erhellte Wohnzimmer schlich und mich kurz musterte, bevor er verschwand. Mit einem schmunzeln folgte ich ihm. Mein Blick fiel auf das Bücherregal und obwohl ich kurz zögerte, weil ich es komisch fand mir einfach ein Buch zu nehmen, setzte ich mich kurze Zeit später doch in den Sessel und begann ein Buch zu lesen. Die kleine Lampe neben mir gab gerade genug Licht, damit einem die Augen nicht herausfielen. Das Buch stellte sich beim Lesen als Sammlungen von einzelnen Erzählungen heraus, nicht meine gängige Lektüre aber interessant. „Ist es interessant?“ Ich war so sehr im Lesen vertieft gewesen, dass ich nicht bemerkt hatte, dass jemand den Raum betreten und sich auf das Sofa gesetzt hatte. Erschrocken schrie ich kurz auf und ich spürte wie mein Herz bereit war mir aus der Brust zu springen. Seijiro Lenjier sah mich schmunzelnd an und nippte an einer Teetasse. „Ist es interessant?“ er sah zu Sparky der nur schnaubte, sich aufrichtete und uns böse ansah. Anscheinend war es ihm zu dumm, dass er nirgends in Ruhe schlafen konnte. Er schob die angelehnte Tür auf und verschwand. Lächelnd sah ich ihm nach, bevor ich mich der Antwort von Herrn Lenjier widmete. „Ja. Entschuldigen sie, ich hätte gefragt…“ „Schon gut. Bücher sind zum Lesen da.“ Sollte ich nun einfach weiterlesen oder versuchen ein angespanntes Gespräch aufzubauen? Beides nicht gerade höfliche Aussichten, also entschloss ich mich einfach das Buch zurück zu stellen und wieder ins Bett zu gehen. Was wahrscheinlich sowieso besser. „Das mit heute Morgen tut mir leid. Meine Frau meinte, dass es meine Schuld sei, dass du dich den ganzen Tag nicht hast sehen lassen. Sie meint, ich wäre manchmal einfach unsensibel. Etwas was mein Sohn mir auch vorwirft.“ Wieder nippte er an der Tasse. „Sie denken, dass ich Massanorie von der Arbeit abhalte und dass er die Firma vernachlässigt wegen mir. Aber ich kann sie beruhigen, so wichtig bin ich nicht für ihn, er würde die Firma mir immer vorziehen. Und das er das Essen verlassen hat, lag wohl eher an dem Umstand, dass die Sache mit Ihnen noch bei ihm nachhängt.“ Ich schloss das Buch und betrachtete den Einband, dass ich unbewusst auf meine Unterlippe biss, merkte ich erst als ich den leichten Geschmack von Blut wahrnahm. Herr Lenjier sagte nichts darauf, aber dass er mich ansah merkte ich sehr wohl. Aber ich wusste, dass ich seinem Blick nicht stand halten würde, also sah ich weiter auf das Buch und hoffte, dass er einfach gelangweilt von mir, gehen würde. „Warum ist er dann mit dir zusammen?“ Über die Antwort musste ich nicht lange nachdenken. „Das frage ich mich auch.“ All die Dinge die Massanorie mir im Club aufgezählt hatte, waren für mich nicht aussagekräftig. Damals ja, jetzt nicht. Ich lachte leise und kam mir albern vor. Ich hörte, dass Herr Lenjier aufstand, doch als sich plötzlich eine Hand auf meinen Kopf legte und mit sanftem Druck einen Stoß gab, blickte ich erschrocken auf. Die Hand hatte er schon wieder zurück gezogen und ging zur Tür. Ohne ein Wort zu sagen, ging er und ließ mich im Wohnzimmer zurück. Nach einer Weile legte ich das Buch auf die Seite und ging wieder zurück zu Massanorie. Dieser schlief noch immer seelenruhig und ich beneidete ihn dafür. Mir selber wollte es einfach nicht gelingen einzuschlafen, mir gingen zu viele Dinge im Kopf herum. Nach einer Weile des hin und her Wälzens und als ich mich dazu entschloss, trotz Protest meiner Rippen auf der Seite liegen zu bleiben, spürte ich eine Hand auf meinem Rücken. „Alles gut?“ Ich musste Massanorie geweckt haben. "Ja entschuldige.“ Wisperte ich nur und schloss die Augen. Plötzlich spürte ich wie Massanorie dicht an mich heran rutschte und seinen Arm um mich schlang. „Wenn du dich rum drehst, dann wäre das voll lieb von dir. Wenn es denn geht.“ Ich schmunzelte, drehte mich auf die andere Seite – was in Anbetracht, dass Massanorie seinen Arm nicht wegzog und auch sonst nicht wegrückte sehr umständlich war. „Besser?“ fragte ich und spürte seine Stirn an meiner. Sein Atem glitt über meine Lippen und ich genoss seine ruhigen Atemzüge. „Du warst weg. Alles gut?“ Ohne ihm zu antworten strich ich ihm über den Nasenrücken und schmiegte mich noch enger an ihm. Es war nicht der Moment um Dinge zu besprechen die mir durch den Kopf gingen, aber irgendwie wusste ich sonst nichts mit mir anzufangen. „Bist du böse auf mich.“ Ich konnte spüren, wie er bei der Frage leicht zusammen zuckte. „Mein Vorsatz fürs neue Jahr wird sein, dir nicht mehr auf dumme Fragen zu antworten.“ „Tut mir leid.“ Er seufzte. „Entschuldige dich nicht immer.“ Seine Stimme hat einen leicht bissigen Ton angenommen. „Schlaf lieber.“ Er zog mich enger an sich heran. Ich sagte nichts mehr, schloss die Augen und drängte mich noch enger an ihn. Irgendwann spürte ich seine regelmäßigen Atemzüge neben mir, ich öffnete die Augen wieder und lag einfach nur so da und hoffte, dass der Wecker von ihm bald klingeln würde. Vielleicht war ich doch nur eine Belastung für ihn. „Hey mein kleiner Streuner. Aufwachen.“ Irgendwann musste ich wohl doch eingeschlafen sein, denn ich öffnete verschlafen die Augen und stellte fest, dass ich nun noch erschöpfter war als heute Nacht. „Hmm?“ Verschwommen sah ich Massanorie an und streckte mich – Scheiß Idee! Sofort „belohnten“ mich meine Rippen mit dem Aufruf BIST DU SCHEIßE?! „Oh Gott!“ zischte ich nur, kniff die Augen zusammen und biss mir auf die Unterlippe vor Schmerzen. Hätte ich die Augen nicht zugekniffen wäre mir bestimmt schwarz vor Augen geworden. Als ich die Augen öffnete und der Schmerz nachließ, tanzten kleine Punkte vor meinem Blickfeld und die Stimme in meinem Kopf meckerte auch wieder nur rum. „Hey.“ Massanories besorgte Stimme ließ mich Aufsehen. „Alles gut… nur etwas unbedacht bewegt.“ Gab ich keuchend als Antwort. Er nickte und sah mich etwas hilflos an. „Ich wollte duschen und dachte, du willst vielleicht mit unter die Dusche kommen. Dann kann ich dir helfen?“ Irrte ich mich oder hatte er ein leicht anzügliches lächeln aufgesetzt? Wenn ja, war es so schnell verschwunden wie es gekommen war. „Aber du musst nicht.“ Ja, ich musste nie irgendwas, aber ich tat es trotzdem. Da lag ja das Problem. Langsam richtete ich mich auf und lächelte und diesmal konnte ich das gespielte lächeln wenigstens auf die Schmerzen schieben. „Nein, klingt gut.“ Ohne etwas zu sagen stand er da und musterte mich, schließlich seufzte er aber und ließ meine Antwort einfach im Raum stehen. Auch wenn ich wieder nur nachgegeben hatte, so musste ich spätestens nachdem das warme Wasser mir über den Kopf rann zugeben, dass die Idee toll gewesen war. Massanorie ließ seine Hände über meinen Rücken gleiten und ich achtete darauf, dass der Verband an meinem Arm nicht nass wurde. Den Verband um meine Brust hatte er mir abgenommen, da ich ja sowieso nicht zum Arzt konnte – wie sollte ich ihm auch erklären, dass es mir so viel besser ging, spontane Selbstheilung war medizinisch nicht gerade ein normales Thema – hatte Massanorie mir angeboten den Verband zu wechseln. Erst als sein Hände meinen Nacken massierten, bemerkte ich, dass wir schon lange keinen so engen Körperkontakt gehabt hatten. Umso länger seine Berührungen dauerten, umso mehr kribbelte es und ein schauer lief mir die Wirbelsäule entlang. Ob ich wohl heute Morgen eine Aufmunterung bekommen konnte? Demonstrativ drehte ich mich herum und sah Massanorie an. Dieser lächelte und küsste mich sanft. Meine gesunde Hand legte ich in seinen Nacken und zog ihn näher an mich heran. Langsam ließ ich meine Zunge über seine Lippen gleiten und versuchte ihm zu zeigen, dass ich gerne mehr wollte. Doch anscheinend war ich der einzige. Massanorie drehte den Kopf beiseite, strich mir einige nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht und lächelte verhalten. „Wie geht’s dir denn?“ Ok, falsches Thema! Falscher Ort! Falsche Zeit! Ich wollte weniger reden wie es mir ging – die Antwort war recht eindeutig – sondern eher etwas dagegen tun. „Besser würde es mir gehen, mit etwas Ablenkung.“ Schamgefühl? Oh bitte, die letzten zwei Tage waren der purer Horror, noch schlimmer konnte es nicht werden. Wer brauchte da noch Schamgefühl? Meine Finger glitten über seine Brust und versuchten einen erneuten Versuch, damit er auf mich ansprang. Sonst konnte er die Finger nicht bei sich behalten und nun sowas. „Ich denke nicht, dass wir das überstürzen sollten.“ Wieder drückte er mich etwas von sich weg und brachte Distanz zwischen uns. Was war denn nun los? Völlig irritiert sah ich ihn an. „Hab ich was gemacht?“ „Nein.“ Er drehte die Dusche ab und wickelte mich in ein Handtuch. Ohne einen Kommentar ließ ich ihn einfach gewähren. Aber mein Gesichtsausdruck musste Bände sprechen, denn Massanorie sah mich an und seufzte nur. „Tut mir leid. Aber ich mache mir gerade Gedanken um uns und da hab ich keine Lust…“ Er schwieg und suchte nach den richtigen Worten. Seit wann war er denn so sensibel? Er sagte doch sonst einfach was er dachte, oft war es nicht schön und wir stritten dann, aber ich mochte es, dass er Dinge einfach beim Namen nannte. „… auf mich?“ ergänzte ich den Satz und setzte mich auf einen Hocker. „Nein. So war das nicht gemeint.“ „Wieso packst du mich denn jetzt Watte?“ vorwurfsvoll sah ich ihn an. „Meine Ex wollte mich umbringen, mein bester Freund redet nicht mehr mit mir und wird es vielleicht nie wieder, meine beste Freundin wird sich ihm bestimmt anschließen, weil sie mir einfach nicht auf meine SMS antwortet und nun fängt mein Freund an mich wie eine Porzellanpuppe zu behandeln. Das einzige was ich jetzt brauche ist etwas Normalität in meinem Leben.“ Dass ich immer lauter geworden war, wurde mir erst jetzt bewusst. Massanorie öffnete den Mund, schloss ihn aber sofort wieder und ich wurde nun erst recht sauer. Ich schnappte mir den Bademantel, welchen er in seiner Krankenschwester-Muttertirade für mich bereit gelegt hatte, wickelte mich darin ein und schnaubte nur sauer. „Ich lass mich verprügeln wegen dir und du schaffst es nicht mal mich als Entschädigung zu vögeln!“ giftete ich ihn nur an und verließ zeternd das Badezimmer. Ich war so sauer, dass ich kurz vergessen hatte wo ich war, dass jedoch wurde mir auf dem Flur wieder bewusst, da mir dort Massanories Vater entgegen kam. Aber auch das war mir egal, endlich jemand der verstand, dass Massanorie ein Idiot war. Massanorie Lenjier „Ihr Sohn ist ein totaler Idiot, völlig stumpf wenn es um Beziehungen geht und emotional ein Versager. Sie sollten froh sein, dass er schwul ist und sich nicht fortpflanzen kann, sowas sollte keine Kinder haben!“ das war das letzte was ich hörte, bevor die Zimmertür ins Schloss fiel. Ich trat mit einem Handtuch bekleidet aus dem Bad und sah meinen Vater an, welcher etwas perplex – ha wie witzig, er war ja wirklich irritiert – im Flur stand. Schöner Anblick, auch wenn die Situation peinlich war und seine Sympathie für Mamoru wahrscheinlich jetzt bei null lag. Aber überraschenderweise drehte sich mein Vater zu mir um musterte mich und schüttelte nur den Kopf. Dann schmunzelte er und ging einfach weiter den Flur entlang Richtung Treppe. Ok, das war seltsam. Normalerweise wäre ich angefressen und wütend, aber zurzeit hatte Mamoru recht, ich packte ihn in Watte. Ich wusste einfach nicht wie ich damit umgehen sollte, es war gar nicht so sehr die Sache mit Bunny oder Yosuke, sondern diese Prügelei. Mir war nie in den Sinn gekommen, dass es für Mamoru Auswirkungen hatte mit mir zusammen zu sein oder wenn andere Menschen das sahen. Dass sein zu Beginn unserer Beziehung Nicht in der Öffentlichkeit Grundsatz, für ihnen einen Sinn hatte und vielleicht auf einer bösen Vorahnung beruhte oder er von Anfang Angst vor solchen Dingen hatte, war mir nie in den Sinn gekommen. Vorsichtig betrat ich mein Zimmer und sah mich um. Mamoru saß auf dem Bett und sah auf sein Handy. Schweigend schloss ich die Tür hinter mir, ging zu ihm und setzte mich mit etwas Abstand zu ihm. „Sie geht nicht ran. Dabei würde ich gerne jemandem sagen wie doof du bist.“ Seine Stimme hatte einen traurigen Ton angenommen. Ich nahm ihm das Handy aus der Hand, klappte es zu und legte es auf den Nachtschrank. „Du hast es meinem Vater erzählt. Ich wette der hört dir gerne zu, wenn du über mich schimpfst.“ Während ich das sagte, nahm ich eine Verbandrolle in die Hand, welche ich schon vor dem Duschen bereit gelegt hatte. „Zieh den Bademantel aus, dann kann ich den Verband anlegen.“ Er tat was ich von ihm wollte und streifte sich den Bademantel ab. Dass er die Tränen in den Augen stehen hatte sah ich, aber ich ignorierte es. Er zuckte kurz zusammen als ich den Verband stramm zog, sagte aber nichts. „Zu eng?“ Er schüttelte den Kopf. „Gut. Sonst musst du es sagen.“ Als ich damit fertig, war begann ich mich anziehen. „Hier. Zieh einen Pullover von mir an. Der ist schon etwas älter, aber zu klein. Der passt dir bestimmt.“ Ich hielt ihm den Pullover hin. „Ich hab eigene Sachen dabei.“ „Ich weiß. Aber ich dachte, du findest es nett was von mir zu tragen, in meiner Wohnung machst du das ja auch oft.“ „Ich mag es einfach, wenn Sachen nach dir riechen.“ Flüsterte er nur, stand auf und kramte in seiner Tasche nach eigenen Klamotten. So ganz schlau aus Mamorus Verhalten wurde ich nicht. Hatte ich damit gerechnet, dass wir uns streiten würden und er einfach mal seinen Frust raus schreien würde, entzog er sich mir einfach. „Wenn du mich anschreien willst, dann kannst du das ruhig. Du hättest allen Grund dazu.“ Verwundert sah er mich an. „Wieso?“ Nun war ich es der nicht verstand. „Na wegen der Prügelei und weil du nun hier bist. Gibt bestimmt nen Grund.“ Wieder nur Verwunderung, dann schüttelte er den Kopf. „Du verstehst gar nichts.“ Da hatte er wohl recht. Nachdenklich nippte ich einige Minuten später an meinem Kaffee. Mamoru wollte nicht frühstücken, er habe keinen Hunger. „Schläft Mamoru noch?“ Meine Mutter stellte ihre Tasse ab und sah mich an. „Nein. Er hat nur keinen Hunger!“ „Aber er hat doch gestern schon nichts gegessen. Das ist nicht gut…“ „Andrea.“ Mein Vater blätterte die Zeitung um, senkte sie kurz und sah sie an. „Er ist erwachsen.“ Damit wandte er sich wieder der Zeitung zu und seufzte nur ab und an, als er beim Wirtschaftsteil angelangt war. Meine Mutter schien über den Einwand meines Vaters nachzudenken – ich äußerte mich nicht dazu. Einerseits weil er recht hatte, anderseits weil Mamoru gerade stur war. Aber sie fand schnell ein anderes Thema, dem sie sich zuwenden konnte. „Heute ist der 23.12. morgen ist Heiligabend und wir haben noch keinen Baum.“ Dass das meine Mutter verstimmte war klar, aber es wurmte mich auch. Sicherlich, der Herzinfarkt meines Vaters und alles was damit zusammen hing hatten uns nicht gerade in vorweihnachtliche Stimmung versetzt. Trotzdem war es für uns ungewöhnlich zu diesem Zeitpunkt keinen Baum zu haben. Aber anscheinend hatte mein Vater heute einen Ratgeber gefrühstückt. „Massanorie arbeitet doch heute nicht so lange, da könnt ihr dann ja losziehen und einen besorgen.“ Er sah noch nicht mal von seiner Zeitung auf. Meine Mutter jedoch war begeistert von dieser Idee, war ja klar, dass sie von dem Alten kam. Dann musste er nicht mit. Er feierte Weihnachten nur wegen meiner Mutter und früher wegen uns Kindern – wenn’s nach ihm gehen würde, gäbe es kein Weihnachten. Humbug! Um es einmal mit den berühmten Worten von Ebenezer Scrooge zu sagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)