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Was bleibt...

Ein Sando One Shot
von

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Was bleibt...

One Shot: Was bleibt...
 

„Ich flehe dich an, lass ihn am Leben“, rief eine alte Frau aufgebracht und unter Tränen, während die jüngere Frau, noch fast ein Mädchen, mit gezücktem Schwert vor einem vor Angst kreidebleichen, ungepflegten Kerl stand, welcher bis zur Wand einer der Holzhütten zurück gewichen war.

Diese Worte ließen das Mädchen zusammenzucken. Sie verstand sie nicht. Fragend zu der Alten sehend ließ sie ihr Schwert sinken, woraufhin der Mann auf die Knie sank.

Die alte Frau wartete nicht lange, ehe sie bei ihm war, zögerte aber dann auf den letzten Schritten. Sie sah zu dem kaum bekleideten Mädchen, dann wieder zu dem verängstigten Mann und kniete sich dann schließlich langsam, so gut, wie es ihre alten Knochen zuließen, neben ihn und tätschelte ihm die Hand.

Erschrocken zog er sie fort, zitterte noch mehr, fast so, als hätte er vor der Alten ebenso viel Angst wie das Mädchen, das das Ganze immer noch völlig verständnislos verfolgte.

„Wieso?“, brachte sie schließlich stammelnd hervor. Sie sah in dem Ganzen keinen Sinn. War der Mann nicht ein Dieb gewesen, der zuvor mit ein paar anderen – zwei von ihnen hatte sie getötet – das Dorf überfallen hatte? Wieso schützte die Alte ihn? Wieso sollte sie ihn am Leben lassen? „Wieso?“ Sie verstand das alles nicht.
 

„Willst du nicht reinkommen?“ Die Alte war kam aus dem Haus getreten, in dem sie kurz zuvor mit dem Banditen und zwei anderen Dorfbewohnern ihres Alters verschwunden war. Auch die Gaffer, die sie zuvor umstellt hatten, waren nun wohl des Wetters wegen, langsam aber sicher in ihre Häuser zurück gekehrt.

Nur das Mädchen, welches seit einiger Zeit nur Sando gerufen wurde, obwohl dieses Wort für sie kaum noch zutraf, stand noch immer unverändert vor dem Haus im strömenden Regen, dass große Schwert noch immer in der Hand.

Vorsichtig trat die alte Frau zu ihr, wohl nicht sicher, ob das Kind sie angreifen würde oder nicht. „Du holst dir hier draußen noch den Tod.“ Mit diesen Worten legte sie ihr die Hand auf die nur vom dünnen und nun nassen Stoff des Umhangs bedeckte Schulter und schob sie sanft in Richtung der offenen Tür, durch die man den warmen Schein eines Kaminfeuers erkennen konnte.

„Aber“, setzte das Mädchen – Sando – an, folgte jedoch.

Manchmal verstand sie nicht wirklich, wieso die Menschen so handelten, wie sie handelten und es verwirrte sie.

Drei Augenpaare richteten sich neugierig aber auch ängstlich auf sie, als sie den Raum betrat und man merkte an der Atmosphäre, dass es nicht allen Recht war, dass die Alte das Mädchen herein geholt hatte.

Diese jedoch störte sich nicht daran und ging zur Feuerstelle, über der ein alter und nicht besonders großer Topf hing und schenkte davon etwas in eine hölzerne Schale. Es schien eine Art Eintopf zu sein. „Jetzt setz dich doch“, forderte sie Sando auf und ging mit der Schale zum Tisch.

Nach einigem Zögern setzte sie sich wirklich, jedoch nicht auf einen der grob gefertigten Holzhocker, sondern auf den Boden des Raumes.

Der Bandit rückte mit seinem Hocker daraufhin weitest möglich von ihr weg, immer furchtsam den Blick auf das nun an der Wand lehnende Schwert gerichtet.

Kopfschüttelnd kam die Alte zu ihr und drückte ihr die Schale in die Hand. „Iss, Kind“, forderte sie das Mädchen auf.

Fragend sah Sando sie an. Wieso gab man ihr zu essen? Sie hatte helfen wollen, aber doch eigentlich gegen den Willen der Frau gehandelt. So hatte sie es zumindest verstanden.

„Iss“, forderte die Alte erneut und reichte ihr den Löffel.

„Wieso?“, fragte sie erneut.

„Iss, du musst dich wärmen.“

Betreten sah das Mädchen auf die Schale in ihren Händen und auf den Löffel, ehe sie vorsichtig begann und sich einen Löffel der dampfenden Masse in den Mund schob. Sie keuchte auf.

„Pass auf, Mädchen“, sagte die Alte. „Es ist heiß.“

Das Kind nickte nur und ließ es mit dem nächsten Löffel langsamer angehen. Erst jetzt, wo sie schluckte, merkte sie, wie hungrig sie war, da sie seit Tagen kaum mehr als die Rinde von Bäumen und einige Pilzen gegessen hatte. Der Eintopf in der Schüssel war dünnflüssig, doch er wärmte sie tatsächlich und füllte ihren Magen tatsächlich – zumindest etwas.

Es herrschte Schweigen, während Sando Löffel für Löffel die Holzschale leerte, doch sie spürte wie alle Blicke auf ihr lagen. Noch immer fürchtete man sie und weiterhin war der Bandit voller Missgunst gegen sie. Wer konnte es ihm verübeln?

„Du scheinst weit gereist zu sein“, meinte die Alte, als der Eintopf gegessen war. „Wo kommst du her?“

Sie schwieg eine Weile und sah auf ihre Hände. Wo kam sie her? Sie wusste es nicht, sie wusste nur noch, wo ihre Reise begonnen hatte. Ja, verschwommen erinnerte sie sich noch an den Ort, der ihr einst so etwas wie ein Zuhause gewesen war. „Sand“, murmelte sie.

„Sand?“, fragte die Greisin.

„Viel Sand war dort“, murmelte sie.

Es herrschte Schweigen, bis der Bandit sich zu Wort meldete.

„Hörst du’s nicht, Tantchen?“, fragte er. „Das Mädchen ist nicht ganz bei Trost.“

„Ach, sei ruhig, Kwan“, erwiderte die Alte daraufhin. „Siehst du nicht, dass sie erschöpft ist? Sie scheint lange nicht mehr unter Menschen gewesen zu sein. Sie ist verwirrt.“

„Sag ich ja“, erwiderte der Mann. „Verrückt.“

Die Blicke der anderen Leute im Raum wanderten zwischen ihnen hin und her. Es war klar, dass sie wie der Bandit dachten, sich jedoch nicht trauten, der Greisin zu widersprechen. Sando merkte das.

Deswegen stand sie auf.

„Ich danke Euch“, sagte sie und machte sich nach dem Schwert greifend auf dem Weg zur Tür.

„Wo willst du hin, Kind?“, fragte die Alte.

„Ich ziehe weiter.“ Die Stimme des Mädchens war leise und müde.

„Wieso?“ Die Alte war mit ein paar unsicheren Schritten bei ihr und hielt sie am Arm fest. „Du bist erschöpft. Du brauchst Ruhe, Kind.“

„Ich bin hier nicht willkommen“, murmelte sie nur. Sie wusste es. Unter Menschen war sie nie wirklich willkommen gewesen. Nur zwei Männer hatten sie jemals wirklich akzeptiert und sie waren nun beide tot. Vielleicht war es ja ihr Schicksal alleine zu sein, solange sie auf dieser Welt wandelte. Immerhin gehörte sie nicht zu ihnen, sie war kein Mensch.
 

Sando sah zu dem Feuer, vor dem sie auf einer Matte aus Stroh lag. Die dünne, aber grobe Decke aus Flachs, unter der sie lag, wärmte nicht besonders, aber immerhin noch mehr als ihr Umhang, unter dem sie normal schlief. Außerdem war es wohl das erste Mal, seit sie nicht mehr mit dem Banya reiste, dass sie neben einem Feuer schlafen konnte. Und wann hatte sie das letzte Mal unter einem Dach geschlafen?

Sie versuchte die Augen zu schließen, doch immer wieder öffnete sie und sah in das Feuer. Es schien erst so kurz und doch so lange her. Als sie damals das Dorf in der Wüste verließ und sich Munsu als seine Sando anschlug, war ihr klar gewesen, dass sie nie wieder dorthin zurückkehren würde. Und doch vermisste sie den kleinen Ort und sie vermisste Monryo, dass Kamel und die anderen Leuten im Dorf, auch wenn sie ihr zum Teil die ganze Zeit misstraut hatten. Trotzdem: Es war das einzige Zuhause, was sie je hatte.

Dann war sie mit Munsu gereist, mit Munsu und Banya. Sie hatte mit ihnen zwischendurch tatsächlich so etwas wie Spaß gehabt. Sie hatte sich wohl bei ihnen gefühlt, auch wenn sie am Anfang den Mann für kaltherzig und gefühllos gehalten hatte. Irgendwann war ihr klar geworden, dass dies nur eine Maske war, die er scheinbar schon seit einigen Jahren trug. Er hatte für sein Reich gekämpft. Er hatte sie und Banya am Ende beschützt, so sehr er den Zwerg vorher versuchte loszuwerden. Und er hatte sie als das, was sie war, gesehen und akzeptiert.

Und sie? Was hatte sie getan? Sie hatte sich vom Dämon beeinflussen lassen und hätte ihn fast getötet. Nein, sie hatte ihn getötet, da half ihr auch nicht der Gedanke, dass er, wie man ihr erklärt hatte, vorher schon tot war. Sie hätte auch den kleinen, treuen Banya fast ermordet. Wie hatte sie nur so schwach sein können?

Während sie weiterhin ins Feuer sah, merkte sie, wie ihre Augen feucht wurden und eine Flüssigkeit über ihr Gesicht lief. Sie sammelte sich an der Nase und tropfte dann hinab.

Unsicher hob sie die Hand und wischte sich über das Gesicht und sah dann auf ihre Hände. Wasser, salziges Wasser. Tränen. Doch wann hatte sie das letzte Mal geweint? Sie hatte schon einmal geweint, wie es Menschen taten, doch es fühlte sich so fremd an. Vielleicht, weil sie kein Mensch war?
 

Es waren Schreie, die das Mädchen aus dem Schlaf fahren ließen.

Erschrocken sah sie sich um. Der Schein von Feuer erhellte das Zimmer, doch das Feuer an unter dem nun leeren Topf war erloschen. Die Kohle glühte nur noch. Also kam das Feuer von draußen.

„Schnell, nach hinten mit dir, Kind“, forderte die Alte, die sie zuvor nicht bemerkt hatte, sie auf, die neben der Strohmatte stand.

Fragend sah sie zu ihr auf.

„Sie sind hier, sie sind hier!“

Das Mädchen verstand nichts. Wer war hier?

Doch da wurde die Tür zum Raum aufgerissen und zwei Männer stürmten hier herein. Der eine hatte ein vernarbtes Gesicht, beide einen ungepflegten Bart. Sie sahen sich um und gingen dann zu der Alten.

„Man sagte mir, Kwan, der Versager sei hier“, sagte er. „Du versteckst ihn, nicht?“

Furchtlos erwiderte die Greisin den Blick des Mannes. „Ich weiß nicht, wovon du redest, Mun Hee.“

„Er ist dein Großneffe, Eun, und er ist heute nicht zurückgekommen. Zwei seiner Kameraden, die heute in euer Dorf kamen, um die Verpflegung für uns zu holen.“

„Wir haben nichts mehr, dass haben wir ihnen gesagt!“

Da zückte der Mann ein Messer und hielt es ihr an die Kehle. „Wo ist der Junge? Warum ist er nicht zurückgekommen? Habt ihr sie getötet?“

Sando verstand nicht ganz was vor sich ging, doch sie verstand, dass dieser Mann dafür verantwortlich war, dass das Dorf zuvor überfallen worden war und er wusste, dass er bereit war, die gute Alte zu töten. Er würde jeden, der ihm in den Weg kam, einfach so töten. Er war böse, das spürte sie. Die Banditen vorher, waren verängstigt gewesen, doch dieser Mann nicht. Die Banditen hatten nicht morden wollen, dieser Mann schon.

„Nein, das war ich“, antwortete sie auf seine Frage.

Beide Männer wandten sich ihn zu, so als hätten sie das Mädchen vorher nicht bemerkt, ehe der mit dem vernarbten Gesicht – Mun Hee hatte die Greisin ihn genannt – nun zu ihr herüber ging.

„Was ist das für ein Anblick“, meinte er grinsend. „Junges Fleisch in diesem Dorf? Wo kommst du her, Kleines.“ Ohne Abstand zu ihr zu halten, ging er auf sie zu und grinste ihr ins Gesicht.

„Nett“, merkte der andere Mann nur an.

Sando verstand nicht ganz. Hatte sie ihnen nicht grade gesagt, dass sie zwei Menschen getötet hatte? Wieso ignorierten sie dies genauso, wie das Schwert in ihrer Hand? Zwar hatte sie schon die Erfahrung gemacht, dass Männer manchmal unlogisch handelten, doch verstehen tat sie es trotzdem nicht. Fürchteten sich Menschen normal nicht vor dem Tod?

„Was wollt ihr von den Menschen hier?“, fragte sie den Mann.

Dieser fing nur an zu lachen. „Hast du denn keine Angst vor mir, Kindchen?“, fragte er abfällig und wollte sie berühren, doch sie wich geschwind einen Schritt zurück, so dass er sie nicht anfassen konnte. „Mädchen“, begann er nun wieder grimmiger. „Das sind Dinge, die du nicht verstehst. Du bist nicht von hier, daher hast du keine Ahnung.“

„Du hast die Männer losgeschickt, die ich getötet habe – wieso?“ Sando sah ihm in die Augen.

„Wie willst du sie getötet haben, Kind?“, fragte dieser, wenngleich er langsam verunsichert wurde. „Das Schutzgeld… Die Alten wollten es nicht bezahlen.“

Da fasste sich die Greisin ein Herz und ergriff das Wort. „Schutzgeld? So nennst du es neuerdings, wenn du unsere Kinder und unser Hab und Gut stielst?“, rief sie. „Vor wem willst du uns denn schützen, wenn nicht vor dir?“

„Sei still, Eun“, rief Mun Hee und fuhr – das Messer in der Hand – herum.

Das reichte dem Mädchen. Es kostete sie keine Kraft das Schwert zu heben und zuzuschlagen. Ein Mal. Zwei Mal. Die Alte schrie auf, als das Narbengesicht und sein Anhänger in jeweils zwei Teilen zu Boden fielen und – natürlich – liegen blieben.

Die Greisin Eun sah zu dem Kind und wich unbewusst etwas vor ihm zurück, erschreckt über die Nebensächlichkeit, mit der es tötete.

Da ertönte ein weiterer Schrei, als der Bandit von vorher – Kwan hatte man ihn genannt – der sich bis eben an der hinteren Tür des Hauses versteckt hatte, den Raum betrat und die Leichen im Raum liegen sah. Er zeigte auf Sando und zitterte. „Sie… Sie…“

Das Mädchen sah an ihrem Schwert hinab, von dem das Blut auf den Holzboden der Hütte tropfte. Dann hob sie ihren Umhang auf und ging ohne das Schwert loszulassen zur Tür.

Draußen brannte ein Haus. Wahrscheinlich hatte Mun Hee es anzünden lassen, als seine Bewohner ihm nicht gehorchten. Er war wie so viele Banditen, die sie auf ihrer Reise schon getroffen hatten und die sich, jeder einzelne für sich, für einen König hielten. Auch wenn die Dämonen besiegt waren, so waren es doch schwere Zeiten, durch die die Länder gingen. Und böse Menschen würde es immer geben und immer gäbe es verzweifelte Leute, die sich ihnen anschließen würden. Das war der Lauf der Welt, oder?

„Warte, Kind!“, rief da auf einmal die Alte, die sich nun endlich aus ihrer Starre gelöst hatte.

Sando sah sie über die Schulter hinweg an.

„Wer… Wer bist du?“ Unsicher sah ihr die Greisin ins Gesicht. „Wir wollen zumindest den Namen von derjenigen wissen, die uns von diesem Badstart Mun Hee befreit hat.“

Verwirrt sah Sando zu ihr. Also war das Töten jetzt richtig gewesen? Das verstand sie nicht wirklich. Sie verstand Menschen nicht. Ihr Name? „Sando“, murmelte sie und wollte sich zum Gehen wenden, als die Alte noch rief:

„Aber Sando ist kein Name, oder? Sando sind die Diener der Angyo Onshi. Sag, Kind, gibt es sie noch?“

Das Mädchen dachte an das Leichenfeld und ihren im Tod erstarrten ehemaligen Meister. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, der letzte Angyo Onshi ist tot.“ Damit ging sie in die noch immer verregnete Nacht hinaus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-04-29T14:31:37+00:00 29.04.2010 16:31
Da ich grade noch den Manga lese worauf diese geschichte aufbaut muss ich sagen shit ich kenn das ende xD aber deine weiter führung gefällt mir sehr gut hoffe es kommt noch mehr^^
Von: Futuhiro
2009-12-25T15:56:38+00:00 25.12.2009 16:56
"in jeweils zwei Teilen zu Boden fielen und – natürlich – liegen blieben" *lach* Das ist der Satz des Tages. Den fand ich richtig super. Da musste ich direkt lachen.

Yeah, das ist mal eine gute Geschichte. Actiongeladen, emotional, menschlich, ohne überflüssige Nebenhandlungen, einfach schlüssig abgerundet. Hat mir sehr gefallen. Auch der Schreibstil hat gut dazu gepasst.
Von: abgemeldet
2008-08-23T22:39:49+00:00 24.08.2008 00:39
Ich war mir erst nicht sicher, aber später sah ich sie, die Tiefe, den Ausdruck und die Bandbreite deiner Geschichte. Es sind keine 2500 Wörter und doch hast du mehr Inhalt hinein gepackt als andere die dafür über 10000 Wörter brauchen. Deine Wortwahl ist exzellent und dein Schreibstil flüssig - gute Arbeit.
Mach weiter so.

Ryousanki


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