Western Spirits von collie ================================================================================ Kapitel 6: Hunting high an low II --------------------------------- Als die beiden am Nachmittag die umständliche Rückkehr zur Adams Ranch antraten, hatte Fireball zwar etwas mehr Verständnis für das Schweigen des Schotten, blieb jedoch weiterhin still. Zu tief saß die Enttäuschung über die herzlos wirkende Reaktion auf Aprils Schwangerschaft. Der Blonde akzeptierte das Schweigen. Es war ihm lieber, wenn sie sich friedlich ignorierten, als durch Worte eine noch tiefere Kluft zwischen ihnen zu schaffen. Licht fiel aus dem Wohnzimmer auf den nächtlichen Hof. Die Mädchen waren noch auf. Unwillkürlich beeilten sich Saber und Fireball den Racer zu parken und Steed in den Stall zu führen. Beide hatte eine Welle Wiedersehensfreude erfasst. Schwungvoll öffnete der Rennfahrer die Eingangstür. Der Recke folgte auf dem Fuße. Drei angetrunkene Sektgläser und verschiedene Schalen mit Knabberzeug befanden sich auf dem flachen Beistelltisch. Auf dem Sofa vor dem Fernseher hockten April, Chily und Robin mit angezogenen Beine und verfolgten gebannt die Szene eines Liebesfilmes. „ … Oh André, du ast misch mit Nicole, Michelle und Babette betrogen, “ fiepte eine stark mit französischem Akzent gefärbte Frauenstimme. „Aber dann diese Liaison mit Carol, mein Schwester. Du dreckige Schüft.“ Jemand bekam eine Ohrfeige. Erleichtert lehnte Chily sich zurück. „Na endlich hat sie es kapiert.“ Rechts und links von ihr nickten die anderen beiden zustimmend. „Ihr seid noch wach?“ fragte Fireball. Alle drei Köpfe fuhren zu ihm herum. „Turbo.“ Gleich darauf fiel April ihm um den Hals. „Wir haben einen Frauenabend gemacht“, meinte Robin. „Glück für euch, dass ihr nicht früher gekommen seid. Da hatten wir noch die Avocado-Masken drauf, “ fügte Chily hinzu. Der Rennfahrer hauchte seiner Freundin einen Kuss auf die Nasenspitze und verzog das Gesicht. „Ja, man schmeckt es“, grinste er. „Hi, Süße, “ fügte er dann sanft hinzu. Avocado-Maske hin oder her, er war froh, wieder zurück zu sein. Auch Saber trat nun einen Schritt weiter in den Raum. „Guten Abend, die Damen“, grüßte auch er. Robin winkte ihm leicht zu. „Hi.“ Chily nickte kaum merklich. „Dir auch guten Abend.“ April hatte nur Augen für ihren Rennfahrer. „So langsam bin ich aber reif fürs Bett“, informierte sie lächelnd. Er stimmte sofort zu. „Bett klingt gut. Hab schon erheblichen Schlafmangel.“ Damit schob er sie die Treppen hinauf. Gute-Nacht-Wünsche folgten ihnen. Etwas ratlos sah Saber den zweien nach und dann zu den Frauen auf der Couch. „Darf ich noch ganz unverschämt nach etwas zu trinken fragen, bevor ich auf die Couch verbannt werde?“ wollte er verlegen wissen. „Klar, darfst du. Ob du was kriegst ist die andere Frage, “ grinste Chily schief zurück, holte ein Tablett hervor, auf das sie die leeren Schalen vom Tisch stellte, und brachte es in die Küche. „Es ist noch ein Zimmer frei für dich. Keine Sorge, so breit haben wir uns hier nicht gemacht, “ erklärte Robin. Dass sie ihn freundlich begegnete, beruhigte ihn. Er hatte mit Vorwürfen gerechnet. „So breit seid ihr auch nicht, Ladies“, gab er lächelnd zurück und folgte Chily in die Küche, da es für ihn nicht so aussah, als würde er was zum Trinken bekommen. „Soll ich dir noch helfen?“ Die Gefragte war allerdings gerade dabei, mit einem Glas ins Wohnzimmer zurückzukommen und erschrak, als er für sie so plötzlich vor ihr stand. Prompt verschüttete sie ein wenig von dem Saft. „Ha“, entfuhr es ihr, dann kommentierte sie die Pfütze auf den Fliesen mit „Mist“ und erklärte dem Recken. „ Mich töten zu wollen ist keine Hilfe.“ Er wich einen Schritt zurück und hob entschuldigend die Hände. „War keine Absicht.“ Sie drückte ihm das Glas in die Hand. „Ich weiß ... Bitte.“ Anschließend griff sie nach einem Putzlappen und begann das Verkippte aufzuwischen. „Warte mal“, setzte Saber an um heraus zubekommen, was mit ihr los war. Sie machte überhaupt nicht den Eindruck, als würde sie sich freuen, ihn zu sehen. Ehe er diese Gedanken aussprechen konnte, linste Robin in die Küche. „Ich geh dann auch mal schlafen“, informierte sie knapp. Die kleine Hebamme nickte. „Ist gut Number 1. Wenn irgendwas ist, weck mich einfach. Okay?“ Ihre Stimme klang sanft. „Ja, danke. Gute Nacht ihr beiden.“ Dann war die Lehrerin auch schon wieder weg. Colts Jugendfreundin fuhr mit ihrer Arbeit fort. „Erwarte nicht, dass ich dich allzu überschwänglich begrüße. Ich habe gestern deutlich gehört, was Fireball gesagt hat.“ Sie stand auf, räumte das Putztuch weg und wand sich zu dem Recken um. „Und es geht mir immer noch nicht aus dem Kopf“, fuhr sie fort. „Wenn ich jetzt noch daran denke, wie du sie immer in Schutz genommen hast, wenn das Gespräch auf sie kam, hab ich ein ganz uaäh“ Sie schüttelte sich. „Bild vor Augen.“ Er sah verlegen zu Boden. „Was für ein Bild? Von Sincia und mir?“ hakte er nach. „Ja und offengestanden will ich mir das nicht allzu deutlich vorstellen.“ Dass ihr das nicht gefiel, konnte jeder erkennen. Saber hob den Blick wieder. „Da gibt es kein Bild, kein gemeinsames. Nicht mehr. Nie wieder, “ entgegnete er darauf. Sie musterte ihn. „Bist du dir da ganz sicher?“ Nicken. Natürlich war auch sie auf ihre Weise vorsichtig, wurde ihm dann klar. Er brauchte ja nur an den Typen denken, der sie gegen die Scheunenwand gedrückt hatte. „Ein Arschloch, welches das Wort „Nein“ nicht im Sprachschatz hat.“ Wer wußte, was sie noch erlebt hatte? Deshalb erklärte der Schotte: „Unser kleiner Rennfahrer hat ins Blaue geraten und wie schon erwähnt, Quizmaster ist er keiner“ – „Das heißt, du hast sie nicht angerufen und Fireball hat keine Ahnung, was zwischen uns beiden beginnt,“ schlussfolgerte Chily, wobei sie ihn prüfend ansah. Der Recke lächelte leicht. „Fireball denkt nicht weiter, als“ Wie konnte er das noch nett formulieren? „naja, ans Vergnügen halt und um seine Vorstellungskraft ist es scheinbar auch nicht besser bestellt“, meinte Saber dann. Kaum merklich nickte die kleine Hebamme. „Und du hast nicht vor, ihn aufzuklären?“ Eine blöde Frage, fand sie selbst. Doch sie stellte sie aus einem Grund. Um sicher zu stellen, dass er auch vor seinen Freunden zu ihr stand und er sich nicht für sie schämte, manchmal, wie es bei dem blöden XXX, der Fall gewesen war. „Ich hab es ihm gesagt, aber ob es im Oberstübchen angekommen ist, ist eine andere Frage“, antwortete der Gefragte ehrlich. Sein Ton ließ erkennen, dass er es ihm noch immer sauer aufstieß. Chilys linke Augenbraue zuckte in die Höhe. „WIE hast du es ihm denn gesagt?“ bohrte sie. „Ich hab es ihm normal gesagt“, antwortete er und stellte das geleerte Glas auf die Anrichte. „Normal kann bei dir auf andere auch frostig wirken. Das ist dir schon klar, oder?“ Wieder zuckte der schwungvolle Bogen über ihrem Auge. „Frostig? Sehr nett umschrieben. Fireball benutzte das Wort Eisberg in dem Zusammenhang.“ Der Recke verzog unwillig den Mund. „Das würde mir an deiner Stelle zu denken geben.“ Colts Jugendfreundin stieß sich von dem Küchenschrank ab und kam einen Schritt auf den Schotten zu. Der lehnte sich gegen den Arbeitstisch und gab zu. „Das tut es. Wenn einer meiner besten Freunde so über mich denkt...“ Er brach ab und Chily las ihm seinen Gedanken vor. „Tut weh, nicht wahr?“ Ihre Augen ruhten musternd auf ihm. „Tut in letzer Zeit ein bisschen zu oft und zu viel was weh.“ Oh man, wie machte sie das nur immer wieder? „Wem? Mir?“ Mit dieser Frage wollte Saber das Ganze runter spielen. „Nein. Dir natürlich nicht, “ gab sie ironisch zurück und schüttelte den Kopf. „Willst du das jetzt ernsthaft ausgerechnet mir gegenüber abstreiten?“ Erneut versuchte er auszuweichen. „Das hab ich nicht gesagt. Es war sehr allgemein formuliert, meinst du nicht.“ Einigermaßen unschuldig linste er zu ihr. Kaufte sie es ihm ab? Nein. Ihre Miene war skeptisch und tadelnd. „Du schwindelst mich gerade an. Sehr deutlich daran erkennbar, dass du mir nicht richtig ins Gesicht gucken kannst, “ stellte sie souverän fest. „Das kann sein, “ gab er zu. Sie war ein wandelnder Lügendetektor, also fuhr er ehrlich fort. „Aber ich hoffe, ich kann ein Licht am Ende des ewig langen Tunnels sehen.“ Sie nahm liebevoll seine Hände. „Dann mach die Augen auch auf“, forderte sie ihn sanft auf. Er zog sie in seine Arme. Sie bettete ihren Kopf an seine Schulter. Ja, danach hatte sie sich gesehnt, genauso wie er. „Meine Äugelein sind offen“, murmelte er. „Nun? Was siehst du?“ fragte sie, legte ihre Arme um seine Taille und mahnte gleich darauf. „Und wage ja nicht, mich anzulügen.“ Jetzt sah sie zum ihm auf. „Ich sehe eine Frau, deren Leidenschaft wie ein Feuer brennt“, begann der Recke. „Aber Feuer tut weh. Es wird immer wehtun, weil kein Feuer harmlos ist.“ – „Oha.“ Alarmiert wollte sie sich von ihm wegdrücken. Diese Einstellung war gefährlich, denn so konnte keine Beziehung aufgebaut werden, wenn einer von beiden solche negativen Hintergedanken dabei hatte. Es war also Vorsicht geboten. Doch Saber ließ sie nicht los, ließ nicht zu, dass sie einen Schritt von ihm fort ging. „Du wolltest, dass ich dich nicht anlüge. Es ist die Wahrheit, Chily. Feuer brennt und ich kenne niemanden, der sich nicht die Finger verbrannt hat, “ rechtfertigte er seinen Antwort. „Das Feuer der Wahrheit verbreitet wohltuende Wärme, dass der Lüge wird zum Brand, “ stellte sie klar, denn diese indianische Weisheit galt für sie in allen Lebenslagen. Der Schotte dagegen unterschied recht klar. „Ich rede vom Feuer der Leidenschaft, Chily. Von deiner Leidenschaft.“ Erneut versuchte sie sich von ihm zu lösen. „Dann solltest du mich loslassen, ehe du dich verbrennst. Ich sagte schon einmal, ich will dir nicht weh tun.“ Wenn er sie für so gefährlich hielt, war es besser für ihn. Jetzt ließ er sie los. „Vielleicht hast du Recht, “ meinte er verunsichert. Einen Momentlang standen sie sich schweigend gegenüber. Ganz deutlich verrieten ihre Herzen, dass sie wieder in die Arme des anderen wollten, auch wenn das des Recken leicht zögerte und dessen Verstand davor warnte. „Ich bin wie ich bin, Saber. Du kriegst, was du siehst. Wenn du es willst, “ informierte Chily schließlich. Ein leichtes Zittern schwang mit. Sie wollte bei ihm sein. Doch mehr noch wünschte sie sich, dass er glücklich war. Wenn das hieß, ohne sie, würde sie es akzeptieren, egal, wie schwer es ihr fiel. „Nicht alles ist, wie es aussieht“, erwiderte er. „Stimmt. Du bist nicht so kühl und distanziert, wie du auf andere wirkst. Du bist liebevoll, leidenschaftlich und weise, “ antwortete sie. Das sah sie in ihm? Erstaunt nahm er ihre Hand. „Und wie bist du? Wirst du auf mich warten? Wirst du verstehen, weshalb ich oft nicht zuhause bin?“ fragte er. Die kleine Hebamme lächelte nun. Ihr schlichtes „Ja“ war ehrlich und aussagekräftig. Sie hatte Colts wortloses Verschwinden und jahrelange Abwesenheit sowohl verstanden, als auch ertragen. Jetzt zog Saber sie wieder an sich. „Tu mir nicht weh. Ich könnte es nicht verkraften, “ raunte er ihr ins Ohr. Sie schlang ihrerseits ihre Arme um seinen Hals. Ihr Kopf ruhte wieder an seiner Schulter, doch wenn sie sich leicht auf die Zehenspitzen erhob, konnte sie ihm einen liebvollen Kuss darauf geben. Kaum gedacht, schon setzte sie es in die Tat um und drückte ihm zärtlich die Lippen durch den Stoff seiner Kleidung darauf. Als sie auch noch zärtlich zu saugen begann, jagte ihm ein wohliger Schauer über den Rücken. „Tut das weh?“ murmelte sie. Leicht schüttelte er den Kopf. „Nein, noch nicht. Aber was ist danach? Wirst du mich von dir stoßen, nichts mehr von mir wissen wollen? Wird mir ein anderer die Tür aufmachen, wenn ich dich besuche, “ sprudelten all seine Ängste aus ihm heraus. Hinter einem so schönen Gefühl, wie es sich grad in ihm ausbreitete, durfte nicht wieder ein böses Erwachen stehen. „Nenn mir ein Grund, warum ich das tun sollte? Selbst, wenn sich meine Gefühle für dich ändern sollten, warum sollte ich es dir dann nicht sagen?“ gab Chily zurück. Eine unlogischere Frage hätte er ihr nicht stellen können. Man sprach die Wahrheit, in allen Punkten und Lebenslagen. Menschen, die das anders machten, selbst Notlügen, konnte sie nicht verstehen. „Ich weiß es auch nicht. Aber ich weiß, dass es wehtut. Es reißt einem das Herz entzwei, “ murmelte er leise. Mit ihren Küssen wanderte sie langsam seinen Hals hinauf. „Ich will gar nichts entzwei reißen“, wisperte sie zurück. „Ich will etwas heil machen.“ Wie zum Beweis dafür sog sie noch einmal zärtlich an der Halsbeuge und verursachte ihm ein äußerst angenehmes Prickeln. „Und, wie kommst du voran mit deiner Heilung?“ fragte er schelmisch lächelnd. „Oder ist Hopfen und Malz verloren?“ – „Ich bin zufrieden.“ Dabei glitt sie mit den Lippen die Kontur seines Kiefers entlang. „Also besteht noch Chance auf Heilung für mich, das beruhigt mich ungemein“, stellte er fest. „Aha.“ Da er ihr eindeutig gerade zu viel redete, verschloss sie ihm den Mund mit einem heißen Kuss. Seine Hände strichen sanft über ihre Schultern zu ihrem Hals und hielten schließlich ihren Kopf. Den Kuss erwiderte er, was sie stürmischer werden ließ. Sabers Finger glitten weiter über ihre Schultern die Arme hinab. „WOWHA.“ Auf der Suche nach einem Glas Wasser war Fireball in die Küche gekommen und fand die beiden Schmusenden vor, womit er wirklich nicht gerechnet hatte. Aufgescheucht fuhren die auseinander. „Oh man, Fireball! Musst du mich so erschrecken?“ beschwerte sich der Recke prompt. Chily schaute irritiert zu dem Rennfahrer, dann zu dem Blonden. „Ich glaub, jetzt ist es im Oberstübchen angekommen“, bemerkte sie um ihre Verlegenheit zu überspielen, wurde aber dennoch rot. Der Störenfried schlich rückwärts aus der Küche „Äh... ich glaub, ich such mir einen anderen Wasserhahn“, grinste er verlegen und immer noch überrascht. „Schönen Abend noch.“ Dann war schon wieder weg. „Ich weiß nicht, ob es angekommen ist, auf alle Fälle ist er aber jetzt durcheinander“, kommentierte Saber und hob ertappt die Schultern. „Also so blöd wird er doch wohl nicht sein“, entgegnete die Hebamme. Die Szene, in die der Japaner reingeplatzt war, war immerhin recht deutlich gewesen. „Nein, das ist er nicht“, gab der Recke zu. „Aber manche Dinge brauchen bei Fire etwas länger, bis sie wirklich verstanden werden,“ lächelte er und dachte dabei daran, wie lange der Japaner gebraucht hatte um April seine Gefühle zu gestehen und sich auf eine feste Beziehung mit ihr einzulassen. „Na ja, “ murmelte Chily. „Es hätte auch offensichtlicher sein können.“ Wieder errötete sie. „Vielleicht sollten wir einfach schlafen gehen.“ Er nahm ihre Hand und führte sie aus der Küche. „In dein Bett oder auf die Couch?“ hakte er nach. „Ich in mein Bett und du in dein Gästezimmer“, antwortete sie ihn entschuldigend anlächelnd. „Das hab ich vermutet.“ Der Blonde hob leicht die Schultern. „Jetzt bist du böse, oder?“ fragte sie vorsichtig nach, da sie die Reaktion nicht sicher deuten konnte. „ Nein. Ehrlich gesagt: ziemlich müde bin ich.“ Sie hatten das Wohnzimmer durchquert. Chily löschte das Licht und schaltete das des Treppenaufgangs ein. „Es ist vor allem wegen Robin“, erklärte sie. „Sie ist gestern Nacht aufgewacht. Was ist, wenn sie heute wieder ... Weißt du ...“ Mehr musste sie nicht sagen. „Ich versteh schon. Wir müssen nicht mehr Aufregung stiften, als wir ohnehin schon haben, “ gab er zurück und sah sie nachfühlend an. „Chily?“ – „Ja?“ Sie stiegen die Stufen hinauf. „Ich bin froh, dass du dich so gut um die beiden Mädels kümmerst. Robin muss unglaubliche Angst um Colt haben und April dürfte andere Dinge im Kopf haben.“ Dabei bedachte er sie mit einem warmen Blick. „Naja, eigentlich hat sie sie mehr im Bauch, die gute April“, grinste die Hebamme verschmitzt und fügte dann leicht hinzu. „Wozu hat man sonst Freunde? Ich mag die beiden. Auch, wenn April sich wohl von mir etwas überfordert fühlt.“ Ihr Grinsen wurde verlegen. „Überfordert?“ hakte er nach. „Das kenn ich von April gar nicht. Aber andererseits: In Aprils Lage möchte ich nicht stecken, “ ergänzte er mit gesenkter Stimme, da sie die obere Etage nun erreicht hatten. „Keine Sorge, wirst du nie, “ grinste sie wieder schelmisch. „Dann ist ja gut.“ Sie hielten vor Chily Zimmertür. Verstohlen gähnte der Schotte und flüsterte: „Schlaf gut.“ Sie nickte leicht. „Du auch, “ gab sie zurück, zögerte aber in ihr Zimmer zu gehen. „Was ist? Worauf wartest du?“ Er hatte einen Schritt zurück gemacht, hielt jetzt aber in der Bewegung inne. Sie lehnte sich gegen ihre Tür und schaute lieb zu ihm auf. „Ich dachte, vielleicht krieg ich noch was von dir.“ Ach so war das. Er trat wieder auf sie zu und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. „Besser so?“ Chily wiegte leicht den Kopf. „Nicht schlecht, für den Anfang, “ räumte sie ein und drückte ihm einen liebevollen Kuss auf die Lippen. „So besser, “ wisperte sie. Saber erwiderte ihre Zärtlichkeit. „Gut so? Ich bin lernfähig…“ raunte er belegt. „Oh ja.“ Noch einmal zog sie ihn zu sich. Seine Nähe war einfach zu schön. „Hey, was wird denn das“, murmelte er und schlang seine Arme um sie. „Ich weiß nicht, was es wird. Aber es fühlt sich verdammt gut an ...“ Tatsächlich wäre sie zu allem bereit. Das spürte Saber an der Art, wie sie seinen Hals mit Küssen bedeckte. Ihre Leidenschaft steckte ihn an. Liebkosend fuhr sein Mund ihre Schläfe entlang und kam zärtlich knabbernd an ihrem Ohrläppchen zum Stillstand. „Ja, es fühlt sich gut an, fast nicht real…“ flüsterte er heiser zurück. Der Schotte genoss diese Zärtlichkeit sehr. Es war Monate her, dass er sich auch nur im Ansatz so zu einer Frau hingezogen fühlte, wie zu Chily und sie war wie Balsam für den Einsamen. „Ist es aber“, hauchte sie sanft. Etwas knarrte unvermittelt. Mit einem unterdrücken Seufzen ließ er sie los. „Aber jetzt ist es Zeit fürs Bett, bevor wir noch mehr entgeisterte Gesichter erleben“, meinte er. Zerstreut nickte sie. „Ja. Gute Nacht.“ Sie platzierte ihm einen vorläufig letzten, warmen Kuss auf die Wange. „Schlaf gut, Chily.“ Beide verschwanden ihn ihren Zimmern. Saber jedoch etwas später, da er noch zwei Schritte brauchte um seine Tür zu erreichen. Er hatte sie noch nicht ganz geschlossen, da sah er durch den Spalt Robin zu Chilys Zimmer huschen. Die Lehrerin klopfte sacht und rief leise. „Chily, bist du wach?“ Deren Tür öffnete sich. „Wart kurz, Number 1. Ich muss mir ich nur noch schnell mein PJ überziehen.“ Kurz danach wurde die Tür ganz geöffnet und Robin verschwand darin. Der Recke schlich rasch zu Chilys Zimmer hinüber und horchte auf die Geräusche darin. Er hörte die beiden flüstern. Colts Braut schluchzte leise. Die Hebamme erwiderte etwas darauf. Warm und besorgt. Dann folgte Geraschel von Stoff. Saber schloss daraus, dass eine der beiden, oder beide, sich aufs Bett gelegt hatten. Noch einmal hörte er Robin schniefen. Sie musste sich wirklich unsagbare Sorgen um ihren Cowboy machen und es tat ihm leid, dass es nicht mehr zu ändern war. Er musste den Scharfschützen finden. Mit diesem Gedanken trollte er sich, diesmal endgültig, ins Bett. Bevor er am nächsten Morgen aufbrach, trat noch kurz in Chilys Zimmer. Sie schlief tief und fest. Neben ihr lag Robin und schlummerte ebenfalls ruhig. Die beiden Frauen lagen einander zugewandt, Chily mit dem Rücken zur Tür, Robin mit der Rückseite zum Fenster. Jetzt bewegte sich Colts Jugendfreundin leicht im Schlaf. Die Decke rutschte über ihre Schulter und entblößte diese und den schmalen Träger ihres Nachthemdes. Leise beugte sich der Recke zu ihr hinunter und hauchte ihr einen Kuss darauf. Dann schlich er hinaus. Fireball wartete schon am Fury Racer. „Auf geht es“, meinte der Blonde und schwang sich auf Steeds Rücken. Der Rennfahrer nickte knapp und stieg ein. Sie hatten eben den Hof verlassen, als die Sonne zaghaft ihre ersten, noch schwachen, Strahlen darüber warf. Saber blickte kurz über die Schulter zurück. Viele Menschen sahen im Sonnenaufgang Hoffnung. Nach langer Zeit gehörte er auch wieder dazu. „Dis is ja scho ewig ha, dis da hia war“, gab der schwammige, ungepflegte Mann hinter der Theke Auskunft. „Da hat auch imma so fülle Fragen jestellt, wie du. Was willste denn von ihm?“ Die Mundwinkel seines Gesprächspartners, eingerahmt in feine Linien eines sorgfältig rasierten Bartes, verzogen sich unzufrieden. „Sagen wir, es geht um eine offene Rechnung“, gab er vage zur Antwort. Der Fettsack hob die Schultern. „Ich kann dir nich weita helfn. `s schon Monate ha, dass ich ihn jesehn hab. So weit ich mich entsinn kann, hat no nie jemand nach ihm jefragt. Komisch is, dass du da Zwete bist, wo in zwe, nee, drei Wochn nach ihm sucht.“ Der Bärtige hatte sich schon zum Gehen gewandt und fuhr nun überrascht herum. „Tatsächlich? Wer war denn der andere?“ fragte er dann beiläufig. „So’n komischa Vogel. Kleene, schmale Ogen, dunkle Haare ... wenn ich mich richtich erinnere. Laberte irjendwas von Pekos, glob ich.“ – „Danke.“ Im nächsten Moment hatte sein Gast die Bar verlassen. Es gab nur einen in diesem Zusammenhang, der auch noch Verbindung zu Pekos hatte. Wenn sein Verdacht stimmte, musste er sich beeilen, denn die Auseinandersetzungen mit dieser Person hatte er nur knapp für sich entscheiden können. Er schlug den Kragen seiner dunklen Lederjacke hinauf und hastete durch die Nacht zum Airport. Oder war es doch der andere? Es gab genau zwei Gegner, die ihm gefährlich werden konnten. Einer von beiden war ihm fast ebenbürtig. Aber so weit er wusste, lebte der nicht mehr. Oder etwa doch? Die Antwort würde er auf Pekos bekommen. Er schwang sich kurz entschlossen in den Raumgleiter und flog los. „Verdammt, Colt, das Ding ist kein Spielzeug. Wenn du nicht genau weißt, was du tust, lass bloß die Finger davon, “ fuhr Timothy den Lockenkopf an, der immer wieder den Blaster um seinen Finger kreisen ließ. „Was soll schon passieren, Mann? Der ist leer, “ gab der lässig zurück. Was der Typ immer für einen Aufstand machte. Doch Dooley hatte genug von der Uneinsichtigkeit seines Schützlings, die der jedes Mal aufs Neue an den Tag legte. Schon zweimal hatte der Lockenkopf bei diesem Spiel mit der vermeidlich leeren Waffe Schaden angerichtet. In beiden Fällen hatte er den Ballermann erst um den Finger kreisen lassen, dann die Rotation unterbrochen indem er versuchte, rasch den Griff sicher zu mit der Hand zu fassen. In beiden Fällen hatte sich ein Schuss gelöst und die Wanduhr sowie die Glasscheibe von Dooleys Trophäenschrank zerstört. Ein Kratzer blieb an einem der Pokale, wofür Tim dem Spund beinahe eine gelangt hätte. Das war immerhin sein ganzer Stolz. „Schluss jetzt“, forderte Dooley nun ungehalten. „Ach was. Die Puste ist leer, “ entgegnete Colt nonchalant, schnappte sich den Griff der Waffe und hielt sie in die Richtung des Blonden. „Siehst du.“ Er drückte ab und nur knapp konnte Dooley dem Schuss ausweichen, der sich löste. Die kürzlich ersetzte Scheibe der Vitrine splitterte klirrend. Eine Trophäe wackelte bedenklich und fiel heraus. Jetzt platzte Timothy endgültig der Kragen und er griff Colt an den selbigen. Der Überraschte wusste nicht wie ihm geschah, als er von der Faust Dooleys niedergestreckt wurde. „Du Schwachkopf, “ brüllte der. „Du hast doch ein Furz im Hirn.“ Er bebte vor Zorn, hielt jedoch an sich, nicht noch einmal zuzuschlagen. Verwirrt richtete der Lockenkopf sich auf und griff sich an die getroffene Stelle. „Tut mir leid, Tim“, versicherte er hastig stammelnd. „‘Tut mir leid‘ nützt dir auch nichts mehr, wenn du einem die Birne weggepustet hast. Diese Dinger sind kein Spielzeug. Ist das jetzt angekommen?“ schrie der zurück. Colt nickte kleinlaut und verschämt. Schlagartig ebbte Dooleys Wut ab. Zum ersten Mal, seit er Colt bei sich aufgenommen hatte, zeigte der sich einsichtig und verständig. Je länger Tim ihn ansah, desto deutlicher konnte er erkennen, wie betroffen der Spund war. Colt hätte beinahe ein Menschenleben auf dem Gewissen gehabt. Dann auch noch Dooleys. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte er sich eher die Zunge abgebissen, als es zuzugeben, aber er war dem Blonden dankbar dafür, dass er bei ihm wohnen konnte. Nun hätte er ihm fast die Lichter ausgeblasen und das nur, weil er nicht auf den Erfahreneren hatte hören wollen. Wie dumm von ihm. Wie überheblich. Stets war er Tims Rat mit Trotz und Starrsinn begegnet und hatte ihn an sich abprallen lassen. Doch nun begriff der Lockenkopf, dass der Ältere Recht hatte und wusste, wovon er sprach. Gedanklich hatte Dooley schon oft gezweifelt, ob seine Worte tatsächlich auf den fruchtbaren Boden fielen, auf den er hoffte. Nun sah er klar, dass sie es taten. Er reichte dem am Boden kauernden die Hand und zog ihn auf die Beine. „Fang jetzt bloß nicht an zu flennen“, zog er ihn auf. Prompt verzog sich Colts bedrückte Miene zu einer trotzigen. „Ich bin doch kein Weichei, bin ich doch nicht“, parierte er augenblicklich und Tim lachte munter. Von nun an, war er sich sicher, würde er den Jungen endlich in die richtigen Bahnen schieben können. Saber und Fireball waren zwei Tage unterwegs, als Chily ein Paket erhielt. Sie, April und Robin wussten sofort von wem es war. Auch wenn kein Absender angegeben war, diese furchtbare Handschrift erkannten alle drei. Der jetzigen und der früheren Number 1 schlug das Herz bis zum Hals. Auch April war aufgeregt. Das war mehr als ein Paket. Das war ein Lebenszeichen von Colt. Die Hebamme stellte das Paket auf den Tisch im Essbereich des Wohnzimmers, riss es hastig auf und förderte Colts Hut zu Tage. Einen Augenblick lang starrten alle drei darauf. Was hatte das zu bedeuten? Die Freundin des Rennfahrers runzelte die Stirn. Robin stiegen Tränen in die Augen. War das ein Abschied für immer? Chily tastete den Hut ab. Colt hatte eine Nachricht mitgeschickt. Ganz sicher. Doch am Cowboyhut war sie nicht. Auf dem Boden des Paketes fand sie drei gefaltete Zettel, auf der die Namen der Empfängerinnen standen. Chily öffnete ihren. „Dein Eigentum zurück, Jolene.“ Sie schluckte leicht und reichte April das Blatt, der für sie bestimmt war. „Sei lieb zu der Turbopfeife und grüß Saber. HDL.“ Dann bekam Robin ihre Nachricht. Die Lehrerin faltete zögernd und mit zittrigen Händen das Papier auseinander. Sie hatte Angst vor dem, was darin stand, davor, dass Colt vielleicht nicht zu ihr zurückkam. April und Chily konnten es ihr deutlich ansehen. Sie hatte Tränen in den Augen und konnte kaum erkennen, was der Kuhhirte ihr schrieb. Es war nur ein Satz, aber der sagte ihr alles. „Ich liebe dich, Robin Willcox.“ Sie schluchzte erleichtert auf. Er würde alles tun, um zu ihr zurück zu kommen. Ganz bestimmt. Das versprach er ihr mit diesen Worten. Die beiden Freundinnen nahmen sie in die Arme. „Alles wird gut“, flüsterte April. „Alles wird gut.“ Recht ungeduldig erwartete Chily Sabers Anruf an diesem Abend. Sie war sicher, dass er sich melden, ihr den Stand der Suche mitteilen und sich nach den Mädchen erkundigen würde. Es war spät, als das Telefon endlich schellte. Chily, die daneben gewartet hatte, nahm den Hörer ab, noch ehe der Klingelton verstummte. „Hey, ist was passiert bei euch?“ frage der Recke alarmiert, weil sie so prompt zur Stelle war. „Wir haben ein Paket von Colt bekommen“, platzte sie heraus. „Bist du dir sicher, dass es von ihm ist?“ fragte er zurück. „Ja. Die Sauklaue erkenn ich, “ versicherte sie. „Was war drin?“ wollte Saber wissen. Auch ihn versetzte diese Mitteilung in innere Unruhe. „Sein Hut und drei Zettel“, informierte die kleine Hebamme und gab den Inhalt der Nachrichten wieder. Am anderen Ende der Leitung blieb es eine Weile still. Der Blonde sortierte und wertete die Informationen. Dass Colt seinen heißgeliebten Hut an seine Jugendfreundin zurücksandte, hatte mehr zu bedeuten als es im ersten Moment schien. Der Inhalt der Botschaften bedeutete, dass er die Absicht hatte heimzukommen, dies aber nicht wirklich versprechen konnte. Demzufolge hatte der Kuhhirte zumindest einen Verdacht, wer sein Gegner war und hielt ihn für wenigstens ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen. Folglich war auch klar, dass der Cowboy mit seinen Ermittlungen weiter war, als seine beiden Freunde bisher angenommen hatten und dass diese sich noch mehr ins Zeug legen mussten um ihn zu finden. „Ich weiß, dass ihr es schafft“, behauptete Chily plötzlich fest. „Ihr findet ihn. Ganz sicher.“ Saber schüttelte den Kopf. „Woher du immer deine Überzeugung nimmst …“ Tatsächlich hatte er gerade an nichts mehr Zweifel, als daran, den Scharfschützen aufzuspüren. „Ganz einfach“, erklärte sie. „Ihr kennt Colt. Egal, ob er seinen Hut jetzt nicht mehr hat, ob er mit Glatze oder Vollbart durch die Gegend rennt, ihr wisst, wie er reagiert, wie er spricht und sich bewegt. Ihr werdet ihn erkennen, wenn er vor euch steht. Außerdem seid ihr es gewesen, die Nemesis in seine Dimension zurück und Frieden im Neuen Grenzland wiederhergestellt habt. Wenn ihr Colt nicht findet, wer dann?“ Die Unerschütterlichkeit und Gewissheit in ihren Worten tat ihm gut. Selbst durchs Telefon las sie in ihm, wie in einem offenen Buch und linderte seine Bedenken. „Danke, Chily“, entgegnete er. „Wofür? Was wahr ist, ist wahr. Ach wenn es schwerfällt daran zu glauben,“ erklärte sie selbstverständlich. Der Recke schmunzelte. „Passt auf euch auf. Ich melde mich, so bald wir was Neues haben, “ sagte er dann. „Okay. Kommt bald wieder.“ Damit legte sie auf. April hatte inzwischen beinahe alle Urlaubstage und sämtliche Überstunden aufgebraucht. Da sich ihre Entwicklungsarbeit an einem neuen Frühwarnsystem nicht von allein erledigte, hieß es für sie nun nach Yuma zurückzukehren. Noch konnte sie ohne größere Beschwerden zu haben, arbeiten gehen und würde es auch tun. Sie hatte vor, auf Chilys Rat zu hören und nicht unnötig länger zu arbeiten. Außerdem musste sie noch irgendwie ihrem Vater beichten, dass sie ein Kind erwartete. Doch langsam gewöhnte sie sich an den Gedanken. Sie versprach der Hebamme sofort anzurufen, sollte sie sich unwohl fühlen, und bekam deren Pagernummer für Notfälle. Robin blieb bei Chily. Sie brauchte deren Gegenwart. Allein in der gemeinsamen Wohnung in Tranquility zu hocken, allein die Vorstellung daran ertrug die Lehrerin nicht. In der Schulfreundin ihres Bräutigams hatte sie eine Leidensgenossin und Seelentrösterin gefunden. Die machte die neue Number 1 kurzerhand zu ihrer Assistentin und brachte sie so auf andere Gedanken. Währenddessen jagten Saber und Fireball dem Scharfschützen nach, doch niemand hatte einen Typen gesehen, auf den die Beschreibung der beiden passte. Im ersten Motel, der Adresse, die Dooley am meisten benutzt hatte, war der Cowboy gewesen, das bestätigte die Frau an der Rezeption. Doch alle weiteren Adressen verneinten, das ein Braungelockter mit blauen Augen Gast war. Die Anspannung und Sorge wuchs. Da sie keine anderen Anhaltspunkte hatten, hielten sie sich weiter an die Liste. Doch erfolglos. Der Kuhhirte hatte sich verdammt gut getarnt. Die Stimmung zwischen dem Rennfahrer und dem Recken, die schon seit Colts Verschwinden gereizt war, verschlechterte sich immer mehr. Kurze Übernachtungen, der Stress der Reise und deren Ergebnislosigkeit, die Trennung des Japaners von seiner Freundin und dessen unveränderter Ärger über den Schwertschwinger sorgten dafür, dass die beiden immer häufiger aneinander gerieten. Auch für Saber war die Situation nicht so einfach. Die Belastung der Tour spürte er ebenso und war genauso besorgt um Colt. Zusätzlich machte er sich Vorwürfe an der Misere Mitschuld zu sein. Er hatte sich nicht nur vorgenommen Robin ihren Bräutigam zurückzubringen, sondern auch Chily ihren besten Freund. Außerdem wollte er selbst wieder in deren Arme. Er hatte sich genauso vorgenommen Fireball heil zu April und dem noch ungeborenen Kind zubringen, doch so wie sich der Japaner ihm gegenüber benahm, konnte Saber nicht mehr garantieren, dass er dieses Versprechen hielt. Der Streit spitzte sich zu, als Saber Fireball erwischte, wie er, entgegen dessen Anordnung, die Adams Ranch anrufen wollte. Der Recke hatte kurz angeklopft und trat in das Zimmer des Rennfahrers ohne die Antwort abzuwarten. Der saß mit dem Telefonhörer in der Hand auf dem Bett und wählte die Nummer. „Wen willst du anrufen?“ fragte der Blonde. „April“, erhielt er knapp zu Antwort. Der Schotte seufzte. Er wollte die Mädchen und ganz besonders April unnötige Sorgen ersparen, die sie sich zwangsläufig machen würden, je mehr sie wussten. Sollte ihnen außerdem etwas zu stoßen, was er natürlich nicht hoffte, und jemand versuchen über die drei Informationen über den Fall zu bekommen, konnten sie nichts verraten, was die Suche gefährden könnte. Deshalb forderte er seinen früheren Piloten nun auf: „Leg das Telefon weg.“ Der schüttelte den Kopf und lauschte gespannt auf das Freizeichen. Saber riss der Geduldsfaden. Er griff nach dem Verbindungskabel und riss es aus der Wand. Die Leitung war tot. „Spinnst du?“ Der Rennfahrer fuhr auf und schleuderte den nun funktionslosen Fernsprecher haarscharf am Kopf des Säbelschwingers vorbei gegen die Wand. Der bemühte sich um Fassung. „Ich habe dir doch erklärt, warum wir nicht öfter als unbedingt nötig bei den Mädchen anrufen sollten“, presste er schließlich hervor. „Was daran ist so schwer verständlich gewesen?“ – „Ich werde bald Vater“, bellte Fireball zurück. „Ich werde doch wohl fragen dürfen, wie es April geht?“ Der Recke fuhr sich durchs Haar. „Und ihr unnötigen Kummer machen? Herrgott, denk einmal nach, bevor du handelst, Fireball, “ wies er seinen Gegenüber zurecht. „Das musst ausgerechnet du sagen. Wer hat denn dafür gesorgt, dass Robin vor Sorge um Colt fast stirbt?“ begehrte der auf. „Sie macht mir keine Vorwürfe. Warum also du?“ rief Saber aufgebracht. „Weil es einer machen muss. Robin ist nur zu höflich dazu. Aber das hast du nicht verdient, “ brüllte der Japaner zurück. Faustschläge hätten nicht unbarmherziger treffen können. Saber ließ die Schultern hängen. „Bist du jetzt fertig?“ fragte er und fühlte sich auf einmal sehr müde. „Nein. Nicht bevor du es begriffen hast, “ entgegnete Fireball hart. „Was denn noch, außer dass du mich für einen Unmensch hältst?“ Der Schotte wand sich zum Gehen. „Was soll ich denn sonst von dir halten? Ich dachte, wir wären Freunde, aber so langsam krieg ich Zweifel, “ rechtfertigte der Hitzkopf sich, jedoch nicht mehr ganz so heftig. „Ich auch, Fireball. Ich auch.“ Saber hatte die Tür erreicht. Deutlich spürte der Rennfahrer nun, dass er zu weit gegangen war „Kann wirklich nur noch Chily sehen, was mit dir los ist? Und wenn ja, warum nur sie?“ fragte er darauf. „Tja, es scheint, als wäre sie die einzige, die das kann und will.“ Dann schlug die Tür hinter dem Schotten zu. Robin und Chily kamen spät an diesem Abend heim. Viele Hausbesuche bei Patientinnen, ein Abstecher beim Grundbuchamt, der Bank und dem Anwalt der Familie Adams sowie der Einkauf waren zu erledigen gewesen. Weder in einem Bankschließfach noch beim Amt waren die Unterlagen über Pennyrile abgelegt und auch der Anwalt konnte keine Auskunft über deren Verbleib geben. Es schien, als wären die Schriftstücke unauffindbar. Enttäuscht darüber und müde vom Tag öffnete Chily die Haustür, trat ein und blieb abrupt stehen. Robin, die ihr folgen wollte, stieß mit ihr zusammen. „Was …?“ Irgendetwas stimmte nicht. Das Haus lag still im Dunkel. Zu still, wie die beiden fanden. Sonst begrüßte BooYeah sie doch laut bellend. Chily stieß einen lockenden Pfiff aus. Es blieb ruhig. Weder schlug der Hund an, noch näherte er sich träge tapsend. Sie stellten die Einkäufe dort ab, wo sie standen und schlichen durch den Raum. Einzig ihre Schritte und ihr angespannter Atem war zuhören. Robin griff nach dem Telefon, bereit sofort die Polizei zu rufen, würden sie nicht eine simple Erklärung dafür finden. Unterdessen hatte Chily nach der Winchester und einer Taschenlampe gegriffen. Gedanklich zweifelte sie daran, wie sinnvoll das war, schaltete sie aber dennoch ein. Der Lichtkegel glitt umher. Sie leuchtete den Raum ab, wie sie es im Lagerhaus der verlassenen Tankstelle bei Saber gesehen hatte. Im Wohnzimmer schien alles in Ordnung, also trat sie in die Küche. Auch hier war alles normal. Nein. Die Hintertür war nicht verschlossen, sondern angelehnt. Behutsam und mit all ihrem Mut öffnete die Hebamme sie und beleuchtete das Schloss. Kratzer im Holzrahmen darum wiesen klar auf einen Einbruch hin. „Ruf den Sheriff“, rief sie Robin zu und ließ den Kegel der Taschenlampe über die Veranda gleiten. Nichts. Oder doch? Der Lichtstrahl schweifte zum mittleren Pfosten zurück und glitt dann Zentimeter für Zentimeter daran abwärts. Da. Etwas tropfte daran hinab. Chily ahnte schlimmes, als sie auf den staubigen, nächtlichen Hof schritt und zur Dachrinne hinauf leuchtete. Wieder tropfte etwas zu Boden. Mit angehaltenem Atem hielt sie die Lampe über den Kopf und erhellte die Ziegel der Verandaüberdachung. Dort lag BooYeah. Regungslos. Aus seiner aufgeschnittenen Kehle rann Blut. Chily drehte sich weg. „Alles okay?“ Robin stand an der Hintertür. „Nein, gar nichts ist okay.“ Mit wenigen Schritten erreichte sie die Lehrerin. „Wir warten drinnen bis der Sheriff kommt“, entschied sie und schob Colts Braut in die Küche zurück. Nichts hielt die beiden Frauen noch eine Minute länger auf der Ranch nachdem der Sheriff seine Ermittlungen abgeschlossen hatte. Von einem Deputie, der zu ihrer Überwachung abgestellt worden war, ließen sie sich nach Pennyrile begleiten. Der Schutz, den sie im Moment brauchten, und das Gefühl von Sicherheit würden sie nur bei Häuptling Hinun finden. Der schwammige, fette Typ hinter der Bar musterte seine beiden, neuen Gäste. Den Freund, den sie beschrieben hatten und den sie suchten, hatte er nicht gesehen. „In letzta Zeit sin fülle uf da Suche“, meinte er dann nüchtern. „Bitte?“ Saber sah ihn überrascht an. Auch Fireball war hellhörig geworden. „Was willst du damit sagen?“ wollte er von dem Barkeeper wissen. „Vor drei oda vier Tagen war eina hier, der nach eim blonden Lulatsch mit Guaventick jefragt hat. `n paar Wochn davor hat so’ne Frostbeule nach demselben Typen jefragt. Alle beide sin weg, als ich was von Pekos jesagt hab. Was dis soll, verstehe wer will.“ Den letzten Satz hatten auch die beiden nicht mehr gehört. Kopfschüttelnd stellte der Mann fest, dass Pekos seine Gäste wohl in die Flucht schlug. Was an dem Planeten so besonders war, begriff er nicht. War ja auch nicht sein Bier. Der Planet konnte im Wesentlichen in zwei Bereiche aufgeteilt werden. Upper-P, wo sich die Reichen und Schönen, die Noblen der Gesellschaft angesiedelt hatten, und Down-P, wo sich das Pack, der Pöbel und Abschaum rumtrieb. Es gab nur wenige Randbezirke, in denen sich diese Bereiche mischten und die wurden, wie auch Down-P, mit Vorsicht genossen. Tatsächlich gab es in Down-P einen Ort, der Death Man’s Point genannt wurde und sein eigenes, recht fragwürdiges Gesetz hatte: Das, des Stärkeren. Die Leute, die Dooley zu Lebzeiten gejagt hatte, hatte er oft hier aufgespürt. Also setzte sein Schützling nun seine Suche hier fort. In den folgenden Tagen fand er heraus, dass Dooley hier gewesen sein musste. Wenn der Scharfschütze richtig zurückgerechnet hatte, als letztes kurz vor seiner Ermordung. Aber wo und von wem fand er nicht heraus. Eine Bordsteinschwalbe, die ihn heftig an flirtete, fragte er schließlich, ob sie seinen Freund gesehen hätte. Die üppige Platinblonde trällerte wie eine Nachtigall, als er ihr einen Schein vor die Nase hielt. Sie hatte den Gesuchten mit einem Typen sprechen sehen. Er fragte, wie lange das her sei. Bei dem Anblick einer weiteren Banknote erinnerte sie sich, dass es etwa einen Monat her wäre. Das Aussehen des anderen fiel ihr ebenfalls ein, als der Scharfschütze noch einen Geldschein zückte. Ihre Beschreibung passte zu der, die der Schwamm ihm gegeben hatte – ein kalter Typ mit ebenso kalten Augen, Haarfarbe blau oder grün, war in der Dunkelheit schwer zu erkennen gewesen. „Willst du noch etwas von mir?“ fragte sie, da sie gesehen hatte, dass der Neugierige noch reichlich Geld in der Tasche hatte. Geschäft war Geschäft und so schlecht sah er nicht aus. Das schwarze Haar erinnerte an einen Irokesenhaarschnitt. Er hatte klare, blaue Augen und ein recht hübsches Gesicht, wenn er sich diesen blöden, feinen Bart um den Mund herum abrasieren würde. So unterstrich die Fräse nur seinen eckigen Kiefer und ließ ihn unnahbarer wirken. Aber die schwarzblaue Lederjacke, das dunkle Shirt darunter und die Jeans gestatten die Vermutung, dass sie endlich mal einen gutaussehenden Kandidaten auf die Matte bringen konnte und die Vorstellung gefiel ihr. Er musterte sie seinerseits. Ihre Oberweite quoll aus einem knappen, engen Lackmieder und der Minirock war eigentlich nur ein breiter Gürtel. Overknee-Stiefel und mörderisch hohe Absätze, aufdringliches Parfum und starkes Make-up schreckten ihr regelrecht ab. Nein. Daheim wartete jemand viel besseres auf ihn. Hoffte er wenigstens. Lasziv schob sie ihr Becken von der Wand weg, gegen die sie lehnte, und zu ihm hin. „Kann auch gleich hier sein. Ich hab einiges zu bieten, “ schmeichelte sie. „Wie heißt du?“ fragte er. „Joan.“ Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und ließ sie langsam über seine Brust zu seinem Gürtel hinab gleiten. Weiter kam sie nicht. Er hielt ihre Finger fest. „Du hast nichts zu bieten, was ich will“, erklärte er ihr trocken. „Such dir einen besseren Job, Joan.“ Damit schob er sie etwas unsanft, aber nicht derb, von sich und ging. „Du Flasche, “ rief sie ihm empört nach. „Typen wie du verrecken noch vor Death Man’s Point.“ Er ging weiter, ohne sich umzusehen, als hätte er sie nicht gehört. Aber er hatte. Death Man’s Point. Wieso hatte sie das gesagt? War Dooley dort hingegangen? Hatte sie das gesehen? Oder war der Typ, mit dem der alte Freund geredete hatte dort gewesen? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden und der führte nach Death Man’s Point. Chily ließ Robin bei den Irokesen und ritt nach Tucson-City zurück. Sie durchritt die Nacht, weil sie zu große Angst nach den Vorfällen hatte um im Freien zu übernachten. Als sie die Stadt erreichte, suchte sie sich ein Telefon und rief April in Yuma an. Kurz und knapp erzählte sie ihr, was geschehen und wo Robin und sie untergetaucht waren. Dann erkundigte sie sich nach der werdenden Mutter, gab ihr Tipps für den Notfall und die Adresse einer bekannten, guten Hebamme vor Ort, sollte der weibliche Starsheriff Probleme in der Schwangerschaft bekommen. Danach rief sie Donna Joe an und erklärte der, dass ihre Praxis vorläufig geschlossen blieb und nur Notfälle sie über den Pager erreichten. Ein Warum lieferte sie nicht dazu. Anschließend kehrte sie zurück zu den Langhäusern. Wieder ritt sie die Nacht hindurch ohne zu schlafen. Kaum hatte sie ihr Ziel erreicht, holte sie das nach. Auf Pekos änderten sie ihre Taktik. Es brachte nichts nach Colt zu fragen. Aber Dooley, das stand nun fest, war ebenfalls, nicht nur vom Scharfschützen, gesucht worden. Pekos war der letzte Anhaltspunkt. Saber ging davon aus, dass Colt länger auf dem Planeten bleiben würde, weil es dort möglicherweise mehrere Hinweise auf dessen alten Freund gab, denen er nachgehen musste. Die Wahrscheinlichkeit ihren Freund zu finden stieg. Der Recke erinnerte sich auch an einen bestimmten Ort auf Pekos, der in den Akten über Dooley gestanden hatte. Death Man’s Point. Dort begannen Saber und Fireball mit der Suche. Der Zufall half ihnen ein wenig. Eine Bar trug den Namen des Stadtteils, was die beiden dazu brachte, sie als erstes unter die Lupe zu nehmen. Die Bar war die edelste unter den vorhandenen Lokalen. Zumindest blinkten hier mehr Lichter und wurde die Mahagoniausstattung wenigstens einmal im Jahr gereinigt. Die Lederbezüger hatten unter der Nutzung gelitten und sollten erneuert werden. Kaum waren die Saber und Fireball eingetreten, wurden sie von Prostituierten umlagert. Schließlich stellten die beiden eine gute, attraktivere Partie zu den sonstigen Kandidaten dar und diese wollte sich keines der Mädchen entgehen lassen. Schmeichelnde, streichelnde Hände trennten die beiden. Liebkosend, sie gegenseitig zur Seite schiebend, behinderten die Huren den Weg zur Theke. Fireball und Saber waren viel zu höflich, die Frauen einfach beiseite zu schieben und kamen nur schwer vorwärts. Dass beide versicherten in festen Händen und dort auch glücklich zu sein, beeindruckte die Damen wenig, auch nicht, dass Fireball Vater wurde, wie der überrascht feststellte. Der Schüchterne wurde gehörig in Verlegenheit gebracht, glitten die Hände der Bordsteinschwälbchen doch „versehentlich“ an Stellen, die sonst nur April gehörten. Hilfesuchend sah er sich nach dem Schotten um und gewahrte ihn, nicht minder massiv belagert, ein wenig entfernt von sich. „Saber?“ Der wand sich zu seinem etwas hilflosen Freund um und bahnte sich seinen Weg durch die Schar an dessen Seite. Um ihn auf dem Weg zur Theke nicht wieder zu verlieren, legte er ihm einen Arm um die Schulter und bat die Frauen: „Lasst uns bitte in Ruhe, Ladies.“ Die Meute stob erschrocken ihre Enttäuschung und Überraschung bekundend auseinander. Der Japaner und der Schotte tauschten irritierte Blicke und Saber nahm rasch den Arm von der Schulter des Rennfahrers, als ihm klar wurde, welchen Eindruck er erweckt hatte. Wenigstens kamen sie nun ohne Probleme an den Ausschank. Unweit von ihnen saß er in seiner Lederjacke und starrte in sein Glas mit der rosafarbenden Flüssigkeit. Rosig wie ihr Mund. Oh man. Er war gerade zwei Wochen von ihr getrennt und es erschien ihm wie zwei Jahre. Ganz klar, er liebte sie. Er war auch schon oft von ihr getrennt. Doch je öfter solche Trennungen kamen, desto schlimmer waren sie für ihn. Hier war er so weit fort von ihr, am Tor zur Hölle, und sein Engel nicht hier. Dass er eine Frau so vermissen konnte, hatte er nicht für möglich gehalten. Aber es war so. Einzig Dooleys offene Rechnung hielt ihn davon ab, auf der Stelle zu ihr zu fahren. Er wäre nie im Leben gegangen, wäre sein Freund nicht ermordet worden. „Ein Typ mit Guaventick?“ Der massive Glatzkopf hinter dem Tresen runzelte die Stirn. „Also ein Blonder war schon ewig nicht mehr hier, aber der da drüben hat das Zeug vor ein paar Minuten bestellt.“ Damit wies er auf den jungen Mann in einer schwarzblauen Lederjacke. Saber und Fireball folgten mit den Augen dem ausgestreckten Arm des Barkeepers. Angestrengt musterten die beiden den Gast. Nichts an ihm erinnerte an ihren Freund Colt. Oder doch? Er leerte das Glas in einem Zug und ließ es schwungvoll zu dem Glatzkopf rutschen. „Noch mal“, orderte er knapp. Die blauen Augen funkelten düster. Die, seine Stimme und die Art ein neues Getränk zu bestellen, konnte nur eins bedeuten. Der Typ war … „Colt.“ Saber und Fireball kamen auf ihn zu. Der Scharfschütze schaute nicht minder überrascht, seine Freunde an diesem Ort zu treffen. „Au Backe!“Da war er ja schneller aufgeflogen als ihm lieb war. Der Rennfahrer näherte sich ihm grinsend. „Kannst du laut sagen.“ Auch der Recke schmunzelte leicht. „Hier treibst du dich also rum.“ Wenigstens schien es dem Cowboy gut zu gehen. Dem Blonden fiel ein Stein vom Herzen. Doch die Freude des Scharfschützen hielt sich stark in Grenzen. „Was macht ihr zwei Schmalspurkopfgeldjäger hier?“ Die Frage klang eher genervt, als freundlich. „Wir suchen einen Bräutigam mit kalten Füssen. Wahlweise nehmen wir auch einen Typ mit Guaventick, “ stichelte der Japaner. „Dann seid ihr hier an der falschen Adresse. Ich hab weder kalte Füße noch“ Er schob das Glas mit dem Getränk, welches gerade bei ihm ankam, wieder zurück. „noch einen Guaventick.“ Saber wurde ernst. „Was soll das werden, wenn es fertig ist, Colt?“ wollte er wissen. Colt machte nicht den Eindruck, als würde einsichtig mit den Freunden nach Tucson-City zurück kehren wollen. „Kann ich dich auch fragen“, blaffte der Gefragte böse. „Was hätte bei dem Scheiß rauskommen sollen, den du da angezettelt hast?“ Ruhig erhielt er zur Antwort. „Jedenfalls nicht das und ich hab es nicht angezettelt.“ Der Scharfschütze schnaubte verächtlich. „Ist Dooley deswegen abgekratzt? Eben weil du es nicht warst?“ – „Erstens bin ich nicht sein Mörder. Zweitens hat Dooley darauf bestanden, dich daraus zu halten. Das ganze war eine Sache des Oberkommandos und ich hatte mich an meine Befehle zu halten, “ rechtfertigte sich der Recke. Prompt warf Fireball dazwischen. „Scheiß auf die Befehle.“ Und auch der Kuhhirte zeigte sich wenig beeindruckt. „Wärst du es, dann hättest du schlechte Karten lebend nachhause zu kommen. Das steht mal fest.“ Saber ignorierte den Kommentar des Rennfahrers. „So viel besser sind meine Karten jetzt auch nicht“, gab er zu. „Colt, komm mit uns nach Hause. Robin und Chily sind schon ganz krank vor Sorge, “ meinte er dann, in der Hoffnung mit den beiden Mädchen ein gutes Mittel in der Hand zu haben um Colt zur Vernunft zu bringen. „Das ist zu persönlich. Ich gehe erst nachhause, wenn ich den Mörder zur Strecke gebracht hab, “ zerschmetterte der diese Hoffnung und fügte hinzu. „Mit oder ohne eure Hilfe.“ Der Schotte unterdrückte ein Seufzen. „Unsere Hilfe hast du, aber lass dich bei Robin blicken, damit sie weiß, dass du okay bist, “ versuchte er noch einmal an Colt zu appellieren. „Ja, Boss. Auf zu Chily, “ warf Fireball erneut und vor Ironie strotzend ein. „Hast du Watte in den Ohren? Ich gehe erst, wenn ich weiß, was ich wissen will. Und jetzt geh mir nicht mehr auf den Zeiger.“ Der Scharfschütze wand sich ab. Der Schotte hatte schon mit dem Starrsinn seines ehemaligen Scharfschützen gerechnet, doch in dieser zweifelhaften Umgebung wollte er nicht so recht über den Fall reden. Deshalb deutete er nur an: „Die Antworten wirst du hier nicht bekommen.“ Über der Schulter warf der Kuhhirte zurück: „Von dir kriegt man sie ja auch nicht! Scheiße, nein! Ich zieh das Ding durch.“ Damit war für ihn die Diskussion erledigt, doch auch der Schotte hatte so seinen Starrkopf. „Colt!“ Er packte ihn am Arm und sah ihn beschwörend an, doch der riss sich heftig los. „Verdammt noch mal! Nein!“ fuhr er den Recken an. „Verdammt, Colt. Dooley wurde ermordet, weil er versucht hat, Pennyrile zu schützen …“ fuhr Saber auf, konnte aber nicht aussprechen. Der Scharfschütze unterbrach ihn gleich. „Hast du noch mehr solcher Ammenmärchen auf Lager?“ Colts Miene verriet deutlich, dass er das grad überhaupt nicht glaubte. Die Lösung konnte einfach nicht so nah gewesen sein. „Das ist die Wahrheit“, erklärte der Blonde fest und ließ notgedrungen noch etwas mehr durchblicken. „Wer auch immer ihn umgebracht hat, hat dir einen Nachricht dagelassen.“ Immerhin wandt Colt sich jetzt wieder zu ihm. „Dann gib sie mir“, forderte er nüchtern und hielt Saber die offene Hand hin. „Kann ich nicht. Sie stand an der Wand des Lagerhauses der T-C West Tankstelle. Chily hat sie entdeckt.“ Für den letzten Satz hätte er sich dann am liebsten die Zunge abgebissen, denn sofort brauste deren Schulfreund auf. „Du hast Chily da mit reingezogen?! Bist du noch zu retten, Mann.“ Colt sprang vom Barhocker runter und kam drohend ein Schritt auf ihn zu. „NICHT ICH! Verdammt, für wie bescheuert hältst du mich?“ begehrte nun der Recke auf. „Dooley war, wie du weißt, der ominöse Anrufer. Er hat sie gebeten, die Unterlagen über Pennyrile zu finden. Wir beiden sollten ihn an der Tankstelle treffen. Zur Lagebesprechung, “ informierte er dann wieder ruhiger. „Da frag ich mich doch glatt, für wie bescheuert du mich hältst! Das soll ich dir abkaufen? Verflucht, Saber! Ein einziger Ton und etwas früher wär hilfreich gewesen und hätte nebenbei bemerkt, Menschenleben gerettet. Verdammter Paragraphenreiter, “ fauchte der Kuhhirte böse und stieß den ehemaligen Vorgesetzten von sich. „Es war Dooleys ausdrücklicher Befehl. Entweder ich helfe ihm, oder er macht es allein. Was bitte hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Ein Wort zu dir und er hätte den Kontakt sofort abgebrochen.“ Eigentlich hatte Saber das nicht sagen wollen, doch im Moment, da der Scharfschütz ihm so wenig Glauben schenkte, schien es das einzige Mittel zu sein, den Freund zur Räson zu bringen. Der schwieg augenblicklich und grübelte. „So ein verfluchter Idiot!“ Tatsächlich passte das genau zu Dooley. Sein alter Mentor hatte ihn schließlich schon einmal erfolgreich abgewiegelt, als er ihm hatte helfen wollen. „Kommst du nun mit?“ fragte Saber, als er merkte, dass Colts Wut auf ihn etwas abebbte. „Unter einer Bedingung“, lenkte der ein. „Die wäre?“ – „Keine Geheimniskrämerei mehr und Chily wird da rausgehalten“, entschied Colt energisch. Von Friede, Freude, Eierkuchen war er zwar noch meilenweit entfernt, aber im Moment war es wohl klüger sich an Saber zu halten. Fireball hingegen nutzte diesen Moment um sich stichelnd zu Wort zu melden. „Chily raushalten? Aus dem Fall oder aus Sabers Armen?“ Colt riss die Augen auf. „WAS?! Du hast sie angefasst?“ Sein Blick folg abwechselnd zwischen Saber und dem Rennfahrer hin und her. „Ich? Nö? Saber hatte seine Zunge in ihrem Hals, “ ließ der verlauten. Der Recke fuhr ihn an. „Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, oder?“ Scheinheilig erhielt er zur Antwort. „Hoppla, wie unbedacht von mir.“ – „Wieder mal, was?“ knurrte der Blonde zurück, hatte aber keine Zeit mehr sich mit Fireball zu befassen, denn schon stieß Colt ihm den Zeigefinger gegen die Brust. „Ich hab doch laut und deutlich gesagt, was ihr bei Chily dürft und was nicht. Reden: Ja. Anfassen oder sonstige Aktivitäten: Nein!“ wiederholte der drohend. „Vielleicht hätte ich später stören sollen, das wäre wohl interessanter geworden“, heizte der Rennfahrer die Stimmung weiter an. Für ihn war es eine gute Gelegenheit Saber eins auszuwischen, dafür, dass er sich von ihm als Freund im Stich gelassen fühlte. Der Scharfschütze bedachte die beiden mit einem finsteren Blick. „So langsam reicht es. Scheiße, was macht ihr, wenn ich nicht da bin?“ Gehässig informierte der Japaner: „Das musst du den hormongesteuerten, einsamen Wolf fragen. Ich hab nur was von dem Hochleistungsknutsch mitbekommen. Ob da noch mehr war, weiß ich nicht.“ – „Hormongesteuert musst du grade sagen! Du hast dich weniger unter Kontrolle als ein Karnickel und nachdenken tust du auch nie!“ fuhr der Recke ihn an, doch weiter als das kam er nicht. Schon musste er sich mit Colt auseinandersetzen, der ihm wieder den Finger auf die Brust stieß und wissen wollte: „Was hast du mit meiner Jolene gemacht, Lustmolch?“ Das funkeln in seine Augen verhieß nichts Gutes. „Lustmolch? Spinnst du?“ brauste Saber auf. Es klang schließlich so, als würde er die weiblichen Wesen reihenweise abschleppen und auf niemanden traf das weniger zu, als auf ihn. „Sie ist doch nicht dein Eigentum.“ – „Aber sie ist meine kleine Jolene und keiner tatscht sie an, hast du mich verstanden?“ Drohend beugte Colt sich zu Saber vor. Wenn jetzt noch jemand behauptete, dass es nicht beim Küssen geblieben wäre, würde der Blonde eine schmerzhafte Erfahrung machen. „Da gehören immer noch zwei dazu. Vielleicht darf ich sie nicht anfassen, aber sie hat so ein Verbot nicht bekommen, “ versetzte der und baute sich seinerseits auf. Er hatte nicht vor sich einschüchtern zu lassen. Was dachte der Kuhhirte, wen er da vor sich hatte? „Wart noch bis wir wieder auf der Ranch sind, dann hat sie es“, grinste Fireball fies und deutete auf Colt. Der schnauzte ihn an: „Rennsemmel, du hältst dich da raus. Ich will kein Kommentar mehr von den billigen Rängen hören.“ Der Schotte versuchte sich wieder zu beruhigen. Wenn das so weiter ging wie bisher, würden sie sich noch gegenseitig die Köpfe einschlagen und damit war nun einmal niemandem geholfen. „Colt, was mit Jolene und mir ist, geht dich gar nichts an“, stellte er die Tatsache klar, die der nicht einsehen wollte. „Dich geht auch so manches nichts an“, parierte der Cowboy prompt. „Zum Beispiel, wann ich Robin jetzt heirate. Also halt die Backen.“ Saber schnaubte leicht und frustriert. „Mach so weiter und du wirst Robin nie heiraten. Vorher hast du nämlich dein Leben verspielt, weil du ja unbedingt auf Rache auswarst. Du denkst weder daran, wie es ihr geht, noch daran wie deine kleine Jolene sich dabei fühlt. Aber den Moralapostel spielen wollen, nur weil ich sie geküsst hab.“ Damit wand er sich zum Gehen. „Das mit dem Moralapostel muss er dann von dir abgeguckt haben. Du schlägst Colt darin nämlich noch um Längen, “ frotzelte Fireball, machte aber keine Anstalten ihm zu folgen. Genauso wenig wie Colt. „Sie ist bei dir doch angeblich in so guten Händen, Säbelschwinger“, rief er ihm nach. Der drehte sich zu den beiden um und holte zum entscheidenden, verbalen Schlag aus. „Wenn du nicht willst, dass ich diese so guten Hände an sie lege, wirst du mitkommen müssen. Deine Entscheidung ...“ Er hob leicht die Schultern. Dieses Statement zeigte Wirkung. Der Scharfschütze trabte brummend an. „Schon gut, schon gut“, schnaubte er. „Ich komm ja mit.“ Ihm auf dem Fuße folgte der Rennfahrer. Wenn auch eher schlecht, als recht, hatte Saber die Truppe wieder vereint. Allerdings schien es ihm mehr eine Strafe, als ein Segen, zu sein. Den Rückweg über schwieg Colt noch ein wenig beleidigt vor sich hin. Gegen Ende der Reise hatte er die Informationen allerdings weitgehend verarbeitet und musste zu geben, dass Sabers Entscheidungen bezüglich Dooley schon richtig waren. Das einzige, weswegen er ihm jetzt noch grollen konnte, war die Tatsache, dass er es gewagt hatte seine kleine Jolene anzurühren. Damit ging es ihm ähnlich wie dem Rennfahrer. Auch er verstand und akzeptierte die Entscheidungen die Saber, den Fall betreffend, gefällt hatte. Doch sein Verhalten auf Aprils Schwangerschaft trug er dem Schwertschwinger nach. Es dunkelte bereits, als sie an der Ranch ankamen. Kein Licht fiel aus den Fenstern auf den Hof, wie sie irritiert feststellten. Irgendetwas daran gefiel ihnen nicht. Colt öffnete die Tür und wollte eintreten, blieb aber im Rahme stecken, weil auch Fireball und Saber zeitgleich ins Haus wollten. Einen Fluch murmelnd zwängte der Kuhhirte zwischen ihnen hindurch und rief: „Number 1?“ Darauf konnten sowohl Robin als auch Chily antworten, aber keine von beiden tat es. „Süße?“ Auch Fireballs Ruf verhallte ungehört. Schließlich startete der Recke einen letzten Versuch. „Chily?“ Noch immer umfing Stille die drei. Wortlos trennten sie sich und suchten das Haus und den Hof ab. Sie trafen sich im Wohnzimmer wieder. „Nichts“, verkündete der Rennfahrer. „Auch nicht“, ließ Saber vernehmen. „Noch weniger als nichts“, stellte auch Colt fest. Die, seit ihrem Eintritt, schellenden Alarmglocken konnten sie nun nicht länger überhören. „Wenn April was passiert ist, dann kannst du deine Beerdigung vorbereiten, Boss“, knurrte der Japaner. Saber unterdrückte die Unruhe und bemühte sich sachlich zu bleiben. „Spar dir den Atem für deine Drohungen und ruf Donna Joe an. Vielleicht sind sie da.“ Der Angesprochene brummte missmutig. „Elender Klugscheißer.“ Weder der Recke noch der Scharfschütze schenkten ihm große Beachtung. Die beiden grübelten laut, darüber nach, wie das Verschwinden der Mädchen ins Bild passte. „Das könnte erklären warum die Pferde weg sind, aber wieso ist BooYeah nicht da?“ überlegte Colt. „Der ist doch ständig dabei, wenn Chily wegreitet“, entgegnete der Blonde. „Nein.“ Nachdenklich wiegte der Kuhhirte den Kopf. „Ich weiß nicht, irgendwas stimmt hier nicht. Das sagt mir mein Instinkt.“ Jetzt meldete sich auch Fireball wieder. „Auf deinen Instinkt würd ich mich grad eher hören, als auf die Anordnung des Bosses.“ Der Recke rollte die Augen. „Dann ruf ich eben Donna Joe an.“ Er griff nach dem Telefon und wählte deren Nummer. Aufmerksam beobachtete Colt ihn dabei. „Da ist was passiert“, bemerkte er leise an den Rennfahrer gewandt. Sabers Gesichtsausdruck war verhalten, konnte aber nichts Gutes bedeuten. „Das schmeckt mir nicht.“ Ungeduldig wartete er das Ende des Gespräches ab. „Die Mädels sind auch nicht bei Donna Joe, oder?“ stellte er fest, kaum das Saber aufgelegt hatte. „Richtig“, bestätigte der Schotte. „Chily hat ihre Praxis vorübergehend geschlossen und ist mit Robin verschwunden. DJ weiß nicht wohin. Und April, sagt sie, hat sie seit Tagen nicht mehr gesehen.“ Der Japaner erbleichte. April seit Tagen weg? Wo, um alles in der Welt, war sie? Wie ging es ihr und dem Kind? Waren die beiden etwa in Gefahr? Das durfte doch einfach nicht wahr sein? Hoffentlich war das nur ein schlechter Scherz oder böser Traum. Alles andere würde er ganz sicher nicht ertragen. Gott. Während Fireball sich die wüstesten Szenarien ausmalte, verdauten Colt und Saber gemeinsam die Informationen. „ Verschwunden? Hat Donna Joe nicht gesagt, wohin? Himmel, Arsch und Zwirn, das artet ja aus hier!“ Colt hätte vor Sorge die Wände hochgehen können. Auch der Schwertschwinger war beunruhigt. „Sie weiß es nicht. Chily hat ihr nur Anweisungen bezüglich der Praxis gegeben und das telefonisch.“ Der Scharfschütze runzelte die Stirn. „Das klingt, vorsichtig ausgedrückt, sehr bescheiden.“ Sein ehemaliger Vorgesetzter nickte düster und zwang sich, sich auf die Fakten zu konzentrieren. „Wo würde Chily hingehen, wenn …“ Ehe er die Frage zu Ende brachte, stürzte sich Fireball unvermittelt auf ihn und riss ihn zu Boden. „Eins schwör ich dir, wenn April was passiert, heb ich dein Grab eigenhändig aus“, fauchte er ihn ungehalten vor Sorge an. „Dann spar dir die Kraft dafür“, gab der gepresst zurück und versuchte den Hitzkopf von sich zu schieben, aber dessen Wut auf den Recken gab ihm überraschende Kraft. „Spar du dir deine saublöden Sprüche, sonst platzt mir der Kragen endgültig. Zuerst verbietest du mir sie anzurufen, mich nach ihr zu erkundigen und jetzt ist sie weg! Saber, wir waren die längste Zeit Freunde, wenn ich sie und oder das Kind verlieren sollte, “ schrie er rasend. Colt war schon perplex gewesen, als sich der Rennfahrer ohne Vorwarnung auf den Blonden gestürzt hatte. Als die Rede jetzt noch auf ein Kind kam, war er völlig geplättet. „Was für ein Kind?“ fragte er verständnislos. „Das in Aprils Bauch. Der Kleine wird Vater, “ erklärte der, wobei er immer noch gegen den Tobenden ankämpfte, der seinem Namen alle Ehre machte und ihn noch fester auf den Boden drückte. „Dass dir das Ganze nicht schmeckt, hab ich gemerkt, Saber, “ keifte der prompt. „Das hab ich so gar nicht behauptet. Ich wollte nur nicht, dass sie sich unnötig aufregen muss. In ihrem Zustand ist das nicht unbedingt gut, “ rechtfertigte der sich heftig. „Wie hast du dann? Unüberlegt? Unreif? Dass die falschen beiden Eltern werden?“ Der Rennfahrer hätte ihn am liebsten erwürgt. „Jetzt hakt es aber gewaltig aus“, begehrte Saber auf und schaffte es, sich ein wenig nach oben zu stemmen. Auch Colt griff ein und zog den Rasenden vom Säbelschwinger runter. „Mit "Unreif" hätte er nicht so falsch gelegen, wie du grade beweist“, erklärte er nüchtern. Sofort wurde er ebenfalls angefahren. „Halt dich an deinen eigenen Rat und halt dich da raus, Kuhtreiber!“ Bevor die Situation noch weiter eskalieren konnte, ließ ein Pfiff von der Tür her alle drei herumfahren. Chily stand dort, wie aus dem Boden gewachsen und sah die drei mit hochgezogenen Brauen an. Saber richtete sich halb auf und bekam einen Stoß von Fireball, der ihn wieder unsanft auf den Boden platzierte. „Wir sind noch nicht fertig miteinander“, informierte er düster. Mit einem Satz war Chily bei dem Trio und schnauzte den Japaner an. „Ich hatte erst einen hier, der meinen Hund gekillt hat, noch mehr Morde brauch ich nicht. Was zur Hölle ist hier eigentlich los?“ Etwas überrascht und missmutig schwieg der erst mal. Dafür fragte Colt: „Wo zur Hölle seid ihr alle?“ Der Blonde schwang sich nun endgültig auf die Füße. „Jemand hat BooYeah getötet?“ hakte er nach. Sie nickte. „Ja. Und wenn ich richtig vermute, sollten wir die nächsten sein.“ Dann wand sie sich an ihren Jugendfreund. „Ach, bevor ich es vergesse ...“ Schnell und unvermittelt holte sie aus und schickte den Kuhhirten mit einer schwungvollen Rechten auf die Bretter. „Schwachkopf!“ erklärte sie dann trocken. Saber hob die Schultern. „Die hast du verdient, Kumpel.“ Auf Colts Stirn bildete sich eine unwillige Falte, die verriet, dass er der Aussage leider zustimmen musste. „Fang bloß nicht davon an. Du hast noch einiges mehr verdient. Wieso hab ich dir eigentlich grad geholfen?“ murrte er zurück. Fireball schaltete sich wieder ins Gespräch ein. „Wo ist April?“ fragte er. „Bitte?“ Die Szene, die sich ihr beim Eintritt in ihr Haus geboten hatte, hatte Chily aufgewühlt. Sie musste sich erst wieder etwas beruhigen um den sprunghaften Themenwechsel folgen zu können, doch die Zeit ließ ihr der Japaner nicht. Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie leicht. „Wo ist April?“ wiederholte er ungehalten. Augenblicklich trennten Colt und Saber die beiden und bauten sich schützend vor Chily auf. „Sie ist auf Yuma“, antwortete die von dorther und schob sich zwischen ihre beiden Bodyguards. „Auf Yuma?” kam es perplex zurück. Er hatte mit allem gerechnet, nur damit nicht. „Ja. Ihr Urlaub ist fast aufgebraucht. Sie musste wieder arbeiten, “ klärte die Hebamme ihn auf. „Das hast du erlaubt?“ hakte Fireball, nun fassungslos darüber, nach. „Es ist okay, solange sie keine Überstunden schiebt“ entgegnete Chily und unterdrückte das Bedürfnis, grinsend den Kopf über die Miene des werdenden Vater zu schütteln. „Ruf sie einfach an. Okay?“ Sie hatte den Satz kaum ausgesprochen, da griff er schon nach dem Telefon. „Wo ist Robin?“ wollte Colt nun wissen. „An dem einzig sicheren Ort, der mir eingefallen ist“, gab die Kleine zurück. „Bei Häuptling Hinun“, fügte sie zeitgleich mit Colt hinzu. „Warum hast du sie nicht mitgebracht?“ begann er sie zu löchern. „Damit du noch Gelegenheit hast, dir diesen dämlich Bart abzurasieren“, konterte sie trocken, wobei ihre linke Braue skeptisch nach oben zuckte. Unweigerlich mussten Saber und der Scharfschütze grinsen. „Ich wollte eigentlich nur mein Motorrad holen“, erläuterte sie dann. „Hab ja nicht geahnt, dass ihr schon zurück seid und mein Haus in einen Boxring verwandelt.“ Fireball hatte das Telefongespräch beendet und den letzten Satz von Colts Schulfreundin gehört. „Kein Sorge“, versetzte er darauf. „Heute nicht noch mal. Ich fahr zu April.“ Chily riss die Augen auf. „Mitten in der Nacht? Bist du geisteskrank oder einfach nur übergeschnappt? Lass deine Frau in Ruhe schlafen. Sie weiß ja jetzt, dass alles in Ordnung ist.“ Colt räusperte sich: „Übergeschnappt ist im Moment eine ganz gute Beschreibung für den Turbofreak“, ließ er verlauten. Der Rennfahrer hob knapp die Schultern und erklärte entschieden. „Ruft mich an, wenn was ist. Ihr wisst ja, wo ich bin.“ Damit schob er sich an Chily vorbei und war mit drei langen Schritten aus dem Haus. Chily hatte seinen Blick dabei bemerkt, als er den beiden anwesenden Herren den Rücken zu drehte und setzte prompt hinter Fireball her. Auf dem Hof holte sie ihn halb ein. „Fireball, warte.“ Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. Er wandte sich heftig um und wischte sie runter. „Du wirst mich nicht davon abhalten“, fuhr er sie an. Erschrocken hob sie abwehrend die Hände. „Schon gut, schon gut. Schüttel mich bloß nicht wieder durch. Ich quatsch auch so schon genug drauflos, “ gab sie zu. „Allerdings, “ bestätigte er trocken. Von seiner Unfreundlichkeit ließ sie sich jedoch nicht beeindrucken. An der Reaktion des Rennfahrers hatte sie erkannt, dass sie zum einen ihren fachmännischen Ratschlag mal wieder viel zu unbedarft von sich gegeben hatte und zum andern er ganz sicher zu April fahren würde. Und wenn die Welt unterginge. Wahrscheinlich dann erst recht. Deshalb versuchte sie nun einzulenken. „Also hör zu. Ich weiß, ich hab euch mit meiner Diagnose ganz schön geschockt und gelegentlich, nein, häufiger als mir lieb ist, überrenn ich die Leute auch, “ gestand sie. „Trotzdem. Ich mach mir Sorgen um deine Frau, “ erklärte sie dann. Der Rennfahrer hob die Brauen. „Gibt es Grund zur Sorge?“ hakte er nach. „Und wieso eigentlich meine Frau? Wir sind nicht verheiratet.“ Chily hob leicht die Schultern. „Kommt vielleicht noch. Kinderscheiß garantiert Weibertreue. Ich hab schon oft genug erlebt, dass Frauen nur deshalb bei einem Mann geblieben sind, obwohl die Kandidaten es ganz sicher nicht wert waren, “ informierte sie sachlich. „Also das soll jetzt nicht heißen, dass ich das auch von dir denke, “ fügte sie rasch hinzu um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Fireball hatte sie schon richtig verstanden. „Chily …“ begann er, doch die fuhr fort, dass hervorzusprudeln, was sie sagen wollte. „Ja, ich mein nur. Ihr seid schon ein süßes Paar. Du und April …“ Er versuchte sich wieder Gehör zu verschaffen. „Chily!“ – „… Gott, ich will doch bloß sagen, dass das alles okay ist und das aus euch gute Eltern werden, wenn ihr mit eurem Kind genauso liebevoll umgeht, wie mit einander, “ versicherte sie hastig. Fireball schüttelte den Kopf. „Dir ist schon klar, dass die Rede wieder ein Güterzug war, oder?“ Er hob die Brauen. Die übereifrige Hebamme vor ihm schlug sich an die Stirn. „Ja“, kam es kleinlaut von ihr. Da sie den Kopf gesenkt hielt, konnte sie nicht sehen, dass der Rennfahrer schmunzeln musste. Sie hatte ein Paradebeispiel für ihren Übereifer geliefert und, was dem Japaner unglaublich gut tat, sie war die erste, die Vertrauen in das Paar als zukünftige Eltern hatte. Wenn diese Blonde da vor ihm auch recht aufgedreht, oder auch abgedreht, sein mochte, stand für ihn doch fest, dass diese Hebamme ihn und vor allem April eine gute Stütze sein würde, wenn es um das Kind ging. Während er sie so musterte, brachte sie ihre Gedanken in Ordnung um einigermaßen sachlich zu sagen, was ihr noch als wichtig erschien, bevor er wirklich losfuhr. „Okay, okay“, setzte sie neu an. Sie suchte eine passende Formulierung, denn sie wollte ihm nicht das Gefühl geben, sie würde ihn bevormunden. „Ich muss dir nicht sagen, dass du auf sie aufpassen sollst?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein.“ Leicht nickend fuhr sie fort. „Dass du darauf achten sollst, dass sie sich nicht zu viel zu mutet, viel Ruhe und nach Möglichkeit keinen Stress braucht, auch nicht?“ Wieder verneinte er. „Dass sie viele Vitamine, vor allem Folsäure, und viel Flüssigkeit braucht?“ Erneut schüttelte er den Kopf, hielt aber bei der Erwähnung von Folsäure kurz inne. Das hatte er noch nicht gewusst. Chily fuhr mit ihrer Aufzählung fort. „Dass ihr mich anrufen sollt, falls etwas ungewöhnliches passiert?“ Jetzt hob Fireball den Zeigefinger. „Das auch nicht, “ meinte er. Sie warf die Arme in die Luft. „Ja, wozu quatsch ich hier eigentlich?“ Der Rennfahrer hob die Schultern. „Woher soll ich das wissen? Kann es sein, dass du dich gern reden hörst?“ Dabei lächelte er allerdings. „Jaja“, murrte sie gespielt verstimmt. „Immer auf die Hebammen. Schon klar.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schmollte. „Du hast doch selbst gesagt, dass alles okay ist“, erinnerte er sie. „Sollte etwas nicht mehr okay sein, melden wir uns sofort bei dir.“ Sie hob den Kopf wieder. „Lieber einmal mehr, als einmal zu wenig. Besonders in der ersten Schwangerschaft sind Frauen besonders empfindlich oder, wie ich bei April vermute, besonders hart im nehmen. Aber gerade letzteres ist nicht unbedingt so gut, weil … Ach, du wirst ihr den Übermut schon austreiben, “ bog sie den neuerlichen Wortschwall selbst ab. „Genau, “ nickte er. „Du, Fireball?“ fragte sie dann. „Ja?“ – „Was stehst du hier eigentlich noch rum? Wolltest du nicht schon längst bei Frau und Kind sein?“ fragte sie frech grinsend. „Weib! Also echt…“ lachte er und schwang sich in den Racer. „Komm gut an und grüß die Mummy.“ Sie winkte ihm noch kurz zu, dann war er auch schon vom Hof. Kaum hatte die kleine Hebamme das Haus wieder betreten erklärte ihr Jugendfreund ihr trocken: „Du kannst auch wieder packen. Du gehst ins Kloster.“ Ihre linke Braue zuckte nach oben. Also wusste er von dem, was zwischen ihr und dem Recken, der sich inzwischen in einen Sessel gesetzt hatte, begann. „Okay“, stimmte sie wenig beeindruckt zu. „Ich leg dir ein Halsband an und nehm dich mit, Streuner.“ Er riss die Augen auf. „Hallo? Ich knutsch nicht mit dem Boss rum, “ versetzte er. „Bei dir würde mich das auch nicht mehr wundern, Jolly Jumper, “ konterte sie nüchtern. Der Scharfschütze schüttelte den Kopf und gab recht entrüstet zur Antwort: „Saber wird nicht den Ersatz für BooYeah spielen.“ – „Warum nicht? Küssen kann er besser, “ bemerkte sie. Colt ließ sich der Länge nach auf das Sofa fallen, neben dem er stand und seufzte. „Gott …“ Der Vorstellung, wie seine Jolene und sein Boss knutschen in der Küche standen, wollte er sich lieber nicht hingeben. Sie beendete seine Satz gelassen. „… wird dir auch nicht mehr helfen.“ Prompt fuhr er wieder auf. „WEIB!“ Sie sah an sich hinab und stellte fest. „Bin ich. ABER nicht deins.“ Jetzt war Colt wieder auf den Füßen. Er wies auf den Recken, der amüsiert den Schlagabtausch verfolgte, und stellte klar. „Seins auch nicht.“ Chily hob die Schultern. „Das kann man ja ändern“, informierte sie leicht. „Nur über meine Leiche“, entfuhr es ihrem Bullet. „Lässt sich einrichten“, lachte sie. „Du hast Probleme, Bullet.“ Sie trat auf ihn zu und stupste ihm auf die Nase. „Und zwar wichtigere als mich“, fügte sie hinzu. „Ach ja? Welche?“ hakte er nach. Wieder zuckte ihre linke Braue nach oben. „Robin?“ Colts Kiefer klappte auf und wieder zu. Das war ein Fettnapf. Hatte er doch glatt einen Moment lang seine Zukünftige vergessen, nur weil seine Schulfreundin vorhatte sich ernsthaft auf Saber einzulassen. Dabei war es tatsächlich wichtiger, dass er sich mit Robin aussprach. Vorausgesetzt, sie hörte ihm überhaupt noch zu. „Wehe du sagst ihr das, “ drohte er. „Ich? Nie! Oder doch? Vielleicht sollte mich jemand davon abhalten, “ versetzte sie und warf lächelnd einen kurzen Blick auf Saber. „Du machst mich fertig.“ Colt warf die Arme in die Luft. Wieso kapierte sie nicht, dass es keinen gab, der gut genug für sie war? „Nö, dass schaffst du ohne mich, “ merkte sie heiter an. Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. Solche Wortgefechte hatten sie sich schon früher geliefert, doch da waren sie zumindest für Chily nicht so ernst. Im Gegensatz dazu war es das heutige schon, denn zum ersten Mal hatte sie es so heftig erwischt, dass sie sich in einem Brautkleid vorstellen konnte. Wie das gekommen war, wusste sie nicht so recht. Es war auch nur ein flüchtiger Gedanke gewesen, aber er war ihr gekommen. Das besondere daran war, dass diese Vorstellung für sie sonst völlig abwegig war. Doch diesmal stieß sie sich überhaupt nicht daran. Deshalb legte sie Colt nun einen Arm auf die Schulter und drückte ihre Stirn gegen seine. Beide hatten die Köpfe gesenkt und als Chily jetzt noch mahnend den Zeigefinger hob, wusste Colt, dass ihr die nächsten Worte ernst waren. „Jetzt hör mir mal zu, Bullet“, begann sie. „Du bist mein bester Freund und ich liebe dich. Aber wenn du nicht aufhörst dich ungefragt in meine Beziehungen …“ Er unterbrach sie. „Beziehungen? Mehrzahl?“ Was sie gleich sagen würde, würde ihm nicht gefallen, weshalb er versuchte, das Ganze durch Scherze zu entschärfen. Doch sie ging nicht darauf ein und rollte die Augen. „Auch das ist nicht deine Sache“, fuhr sie fort. „Wenn du dich nicht zurück hältst, werde ich dich zum Albtraum eines jeden Gerichtsmediziners machen. Ist das verständlich für dich?“ Er schluckte leicht. Sowas hatte er befürchtet „Albtraum der Gerichtsmedizin?“ wiederholte er und sie nickte. „Ist doch mein Lebensziel“, versetzte er schief grinsend. „COLT!!!“ Sie wollte sich aufgebracht von ihm losreißen, doch er hielt sie am Arm fest. „Ich hab es kapiert“, erklärte er dann. Sie schenkte ihm einen durchbohrenden Blick. „Ehrlich“, versicherte er ihr wahrheitsgemäß. Sie nickte zufrieden darauf. „Gut. Fahren wir zu Robin, bevor sie sich noch mehr Sorgen macht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)