Western Spirits von collie ================================================================================ Kapitel 2: To my hometown. To my country. To the place, where I was born II --------------------------------------------------------------------------- Robin kannte ihren Colt. Sie wusste aus Andeutungen und Witzen seiner Freunde, von Bemerkungen, die er selbst gemacht hatte oder von dem wenigen, was er ihr gebeichtete hatte, dass er vor Tag X nicht gerade lammfromm gewesen war. Doch seit Tag X, seit er Robin begegnet war, hatte er sich geändert und nur noch Augen für sie gehabt. Anfängliche Zweifel ihrerseits daran konnte April, mit der sie sich gut verstand und gelegentlich telefonierte, zerstreuen können. Sie hätte der Lehrerin jeden falschen Blick von Colt gesteckt. Doch dessen Herz gehörte nur Robin. Nachdem sie heiße Tränen der Wut und Enttäuschung geweint hatte und schon halb im Raumschiff gen Heimat saß, war ihr das klar geworden. Diese Number 1 konnte höchstens eine Ex-Flamme sein, aus Colts Zeit vor Ramrod, aus der Zeit, von der er nie sprach. Egal, auf welchen Wegen sie versucht hatte, etwas darüber in Kenntnis zu bringen, Colt hatte gemauert. Es musste so sein. Sie wusste nichts von dieser rotbraun gesträhnten Blondine, weil sie sich schon aus eben dieser Zeit kannten. Alles andere hätte Robin von April erfahren oder selbst irgendwie herausbekommen. Mochten man auch über Colt und seine Vergangenheit denken, was man wollte, er hätte ihr nie einen Antrag gemacht, wenn sein Herz nicht hundertprozentig Robin gehören würde. Hoffte diese zumindest. Schließlich hatte die Lehrerin kehrt gemacht und sich in Tucson-City ein Zimmer genommen. Zurück zu Ranch konnte sie erstmal nicht. Nach ihrem Auftritt dort, hatte sie ein seltsames Gefühl dabei, aber sie würde bleiben. Vielleicht lief sie ja dieser Number 1 über den Weg. Irgendwie würde sie die Sache schon auflösen. Wenn sich herausstellte, dass ihr erster Eindruck richtig war, konnte sie immer noch gehen. Doch wenn sie sich geirrt hatte, wäre das der größte Fehler, den sie hatte machen können und ewig bereuen würde. Sie liebte Colt über alles und wollte nur zu gern den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen. Colt hatte Robin nicht mehr erreicht. Egal, wie oft er es versucht hatte, sie ging einfach nicht ans Telefon. Frustriert war er auf sein Zimmer getrottet und hatte sich erst den Kopf darüber zerbrochen, wie er das wieder in Ordnung bringen konnte, dann war er eingeschlafen ohne es richtig zu merken. Doch er hatte schlecht geschlafen, wälzte sich hin und her oder war aufgeschreckt und hochgefahren. Das Missverständnis mit Robin ließ ihm keine Ruhe. Wie gerädert war er zu einer unchristlichen Zeit aufgestanden, hatte sich zu BooYeah auf die Veranda gehockt und in die Ferne gestarrt. So hatte Chily ihn gefunden. Wie früher genügten Blicke unter ihnen um sich zu verständigen. Sie musste nicht fragen, was los war oder wie er sich fühlte. Er musste nichts erklären. Sie lehnte im Türrahmen. „Hör mal, Bullet, “ sagte sie, „wenn deiner Robin auch nur halb so viel an dir liegt, wie dir an ihr, dann ist sie noch da. Und das ist sie. Da bin ich mir sicher, nachdem, was ich weiß. Es wird schon wieder alles ins Lot kommen. Vertrau mir.“ Ihre Worte taten ihm gut. Er wusste, dass sie selten in solchen Dingen daneben lag und nie etwas sagte, dass sie nicht meinte oder wovon sie nicht überzeugt war. Kurz nachdem seine Freunde aufgestanden waren und sich zum Frühstück in der Küche einfanden, machte Chily sich auf den Weg in die Stadt. Sie bekam noch mit, wie Saber, Fireball und April Colt drängten ihnen mal die Ranch seiner Eltern zu zeigen und der abwehrte. Dann musste die Jugendfreundin los und den Scharfschützen seinem unangenehmen Schicksal überlassen. Die Bitte der Drei war für ihn fast noch schlimmer, als der Streit zwischen ihm und Robin. Genau darin war doch begründet, warum er damals gegangen war. Auf der elterlichen Ranch hatte er es nach deren Tod einfach nicht ausgehalten. Alles dort steckte voller Erinnerungen an Zeiten, die einfach nie wieder kehren würden, die ohne Vorwarnung beendet worden waren. Colt kam damit nicht klar. Das würde er nie so richtig, das wusste er. Aber die Drei ließen keine Ruhe. Irgendwie schaffte er es, sie zu überreden, ihnen etwas anderes zu zeigen. Es würde ein schöner Tagesausritt schon allein wegen der Landschaft. Da war er sicher. So führte bald darauf ihr Weg Richtung Westen zu den als „Pennyrile“ bekannten uralten Kohlerevieren. Seiner Familie hatten dort einst mehrere Hektar Land gehört. Seine Erinnerungen daran waren nicht so stark belastet, wie die, an die elterliche Ranch. Deshalb war er froh, dass die Freunde dem Vorschlag zustimmten. Es blieb also für ihn im Rahmen des Erträglichen. Das war sie. Überrascht fuhr Robin im ersten Moment vom Fenster zurück. Sie hatte es öffenen wollen und auf der gegenüberliegenden Straßenseite Chily gesehen. Mit einem Kind auf dem Arm? Sie trat wieder näher an die Scheibe. Tatsächlich. Diese Number 1 trug ein kleines Mädchen auf dem Arm, welches vielleicht ein und ein halbes Jahr alt sein mochte. Wie passte das denn ins Bild? Die rotbraun gesträhnte Blondine stand neben einem Auto, dessen Hintertür offen stand und wippte das Mädchen sacht auf ihren Armen. Die Zöpfe des Kindes federten munter mit und es lachte. Aus dem Geschäft, vor dem es parkte, trat ein Mann mit einer Einkaufstasche. Sie sprachen kurz mit einander. Das Mädchen auf Chilys Arm begann zu quengeln. Der Mann beförderte die Tasche ins Auto und nahm dieser Number 1 das Kind ab. Dann sah es so aus, als würde er es in den Kindersitz verfrachten und anschnallen. Währenddessen nahm Chily auf dem Beifahrersitz Platz. Der Mann schloss die Autotür, stieg auf der Fahrerseite ein und fuhr los. Kopfschüttelnd löste Robin den Blick von der Stelle, an der das Fahrzeug eben noch gestanden hatte. Man, die sah auch ohne diese enge Hose wirklich gut aus. Von ihrem Aussichtspunkt aus, hatte Robin gesehen, dass Chily ein schlichtes, weißes Shirt und eine bequeme Latzhose trug. Und trotzdem, so fand die Lehrerin, sah sie hübsch aus. Auch mit dem Kind auf dem Arm hatten sich immerhin noch zwei Männer nach ihr umgesehen und ihr anerkennende Blicke zu geworfen. Kein Wunder konnte auch Colt da schwach werden. Das war doch wirklich nicht fair. Hilflose Tränen bahnten sich durch die geschlossenen Lider ihren Weg über Robins Gesicht. Number 1 war die offensichtlich nicht nur für ihren, für Robins Colt. Warum musste eine grazile Figur und blondes Haar auch nur so anziehend auf Männer wirken? „…Jolene, Jolene, Jolene, Jolene … I'm begging of you please don't take my man … Jolene, Jolene, Jolene, Jolene … Please don't take him just because you can … You could have your choice of men … But I could never love again … He's the only one for me, Jolene … I had to have this talk with you … My happiness depends on you … And whatever you decide to do, Jolene…“ Der Song schoss Robin durchs Hirn und sie flüchtete davor ins Badezimmer. Der Anblick ihres verweinten Gesichtes im Spiegle läutetet eine Wiederholung der Zeilen ein. Gott. Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und versuchte sich zu beruhigen. Das war nur ein dummes Lied. „I had to have this talk with you …“ Vielleicht sollte sie es darauf anlegen und mit dieser Number 1 sprechen. Robin griff nach dem Handtuch, tupfte sich das Gesicht trocken und sah wieder in den Spiegel. Also, verstecken musste sie sich nun auch wieder nicht und ein hübsches Gesicht allein reichte für eine Beziehung nicht, das wusste sie. Robin war durch die Stadt geschlendert und hatte sich ein Bild von allem gemacht. Sie fühlte sich an Tranquility erinnert. Das lag auch in einer wunderschönen Landschaft und war, etwas abgeschlossen vom Rest der Welt, recht friedlich und verträumt. Wenn sie bedachte, dass Colt hier aufgewachsen war, verstand sie, warum er sich in Tranquility so schnell heimisch gefühlt hatte. So hing sie ihren Gedanken nach, als sie um die Ecke bog, um zu ihrem Hotel zurück zu kehren, und mit jemandem zusammen stieß. „Sorry“, ertönte es hinter der Einkaufstüte hervor. „Entschuldigung“, murmelte Robin zurück und erkannte den rotbraun gesträhnten blonden Schopf. „Du?“ Na, dass war ja eine Überraschung. Chily, mit der sie aneinander geprallt war, schielte an dem Einkauf vorbei. „Oh, gleichfalls.“ Sie war nicht minder erstaunt. „Colt gar nicht bei dir?“ stellte die Lehrerin mit einem zynischen Unterton fest. „Bei dir ja auch nicht, “ fiel dessen Jugendfreundin auf. „Das würd ich ihm auch nicht raten, “ warf Robin zurück. Im Moment wollte sie den Scharfschützen noch nicht sehen, das war deutlich. „Okay. Kann ich verstehen. Trotzdem: An mir brauchst du deine Krallen nicht wetzen. Ich hab dir nichts getan, “ meinte Chily um sicher zu gehen, dass ihr nicht gleich die Augen ausgekratzt wurden. Robin blickte sie nicht gerade freundlich an und die Kleine konnte es ihr nicht verdenken. „Wenn ich meine Krallen wetzen wollte, sähe das anders aus“, erklärte diese energisch. „Dann bin ich beruhigt.“ Chily rutschte die Tüte auf ihrem Arm wieder zu Recht. „Wolltest du noch was von mir? Oder darf ich weiter gehen?“ fragte sie vorsichtig. Sie konnte nicht einschätzen, wie lange die einigermaßen friedliche Laune der Lehrerin anhielt. Sie konnte ihr auch im nächsten Moment an die Gurgel springen. „Naja“, zögerte die. „Wenn du mich so fragst: Woher kennst du den schießwütigen Colt eigentlich?“ – „Ähm, aus dem Kindergarten. Halt nein, aus der Krabbelgruppe, glaub ich, “ versuchte sich die Gefragte zu erinnern. War ja schon eine Weile her. In Robins Ohren klang dies jedoch recht eigentümlich, geradeso, als würde Colt neuerdings mit Müttern ausgehen. Skeptisch hakte sie nach: „Ist jetzt nichts und niemand mehr vor Colt sicher, nicht einmal eine Krabbelgruppe?“ Verständnislos schüttelte Chily den Kopf. „Hä? Jedes Kind kommt in eine Krabbelgruppe und Colt und ich haben da schon zusammen gespielt.“ Was war denn daran so schlimm? Der Lehrerin schoss die Verlegenheitsröte ins Gesicht. Da war sie aber gründlich auf dem Holzweg gewesen. „Oh, ich dachte“, stammelte sie und winkte ab. „Ach, vergiss es.“ Chily ging auf, was in dem Kopf von Colts Herzdame vor sich gegangen war und kicherte: „Ich weiß schon.“ Das war zu komisch. Am liebsten hätte sie laut heraus gelacht, aber das unterdrückte sie dann doch. Robin musste sich ja veralbert vorkommen. Offensichtlich war dem so, denn das Gesicht der Frau gegenüber verfinsterte sich. „Ich hätte heimfahren sollen“, knurrte Robin. „Weshalb ist es mit Colt in jeder Lebenslage kompliziert?“ Sofort verteidigte Chily ihn. „He, man, bleib mal ruhig. Mit Colt ist gar nichts kompliziert. Ich hätte niemand lieber an meiner Seite als ihn.“ Leider war die Wortwahl nicht die Glücklichste. „Das sieht er wohl genauso“, fauchte die Blondine zurück und wand sich zum gehen. „Ähm, halt, nein. Ich meinte als Freund, “ rief die Kleine ihr nach. „Klar, redet ja keiner davon, dass du ihn gleich heiraten musst, “ grollte Robin über die Schulter zurück. Am liebsten würde sie den Ring fortwerfen, den Colt ihr geschenkt hatte, aber Chilys nächste Worte hielten sie zurück. „Ich will ihn doch gar nicht heiraten. Er mich auch nicht. Oh man, ich glaub, da ist einiges durcheinander gekommen.“ Sie rückte noch einmal die Einkaufstüte zurecht und schlug dann friedfertig vor. „Hör mal, das Ding hier ist schwer. Können wir uns nicht darüber ins Cafe setzen und erklär dir mal alles der Reihe nach? Nur so, bevor mir die Arme abbrechen.“ Die Wütende ging auf das Angebot ein. „Nach dir“ und ließ Colts Jugendfreundin den Vortritt. Sie setzten sich an den erst besten Tisch. „Dann versuch mal zu erklären, was ohnehin eindeutig war“, forderte sie und ihre Miene verriet, dass sie von dem Sinn dieses Gespräches nicht überzeugt war. „Offensichtlich war es mehrdeutiger als Colt und mir lieb ist“, bemerkte Chily nachdem sie die Einkaufstüte auf den freien Stuhl neben sich gestellt hatte. „Also: Punkt eins: Colt und ich haben, wie schon gesagt, gemeinsam die Windeln vollgestinkert, “ begann sie. „Das haben viele Pärchen, “ warf die Lehrerin unbeeindruckt ein, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. „Ähm wir sind kein Paar. Wir waren nie eins und wir werden nie eins sein, “ berichtigte ihre gegenüber. „Den einzigen "sexuellen" Kontakt den wir hatten, war mit 13 um Zungenküsse zu üben, weil wir uns bei unseren Dates nicht blamieren wollten, “ fügte sie hinzu. „Klar und mein kleiner Bruder Josh ist ein Musterschüler, “ schnappte Robin. „Keine Ahnung, wie ich das zu werten habe, aber ich weiß, dass Colt mir nicht die Wahrheit gesagt hat.“ Oh, man, dass war ein harter Brocken. Etwas bedachter tastete sich Chily nun an die ganze Angelegenheit ran. Der Informationsfluss schien ja völlig ausgedörrt zu sein. „Ich geh dann mal davon aus, ihr habt gestern nicht mehr telefoniert.“ Knapp kam die Antwort. „Nein, haben wir nicht.“ Es frustrierte Robin ungemein, dass Colt nie über sein Leben vor dem Tod seiner Eltern erzählt und den selbigen auch nur erwähnt hatte, während Number 1 über alles bestens informiert zu sein schien. „Mist.“ Die rotbraun gesträhnte Blondine legte die Stirn in Falten. „Was hat er dir denn überhaupt alles von Tucson-City erzählt?“ bohrte sie weiter. „Nichts. Nur, dass er hier aufgewachsen ist, “ schnaubte die Gefragte und nahm einen Schluck vom Kaffee, der eben gebracht wurde. „Hat er je über seine Eltern gesprochen?“ setzte Chily ihr Verhör vor. Sie konnte gerade keine Rücksicht darauf nehmen, ob sie vielleicht gerade dabei war, Salz in eine Wunde zu streuen. Es war ihr wichtiger Robin davon zu überzeugen, dass sie hier nicht mit ihrer Rivalin zusammensaß. „Ich weiß nur, dass Outrider sie umgebracht haben. Von seinen Kindergartenfreunden hat er nichts erzählt. Und auch sonst nichts, “ antwortete diese und starrte aus dem Fenster. Gegen ihren Willen musste Chily grinsen. „Na ja, manche Dinge davon sind ja auch nicht so günstig, wenn es die Zukünftige erfährt.“ Dabei dachte sie an die Sache mit der Tochter von Reverant Steam. „Aber dass er mich mit keiner Silbe erwähnt hat, wird er bereuen. Ich mein, bei dem Ärger den ich seinetwegen hatte.“ Jetzt fielen ihr die vermasselten Dates ein, die sie dem Scharfschützen verdankte. „ Du hast nicht halb so viel Ärger, wie Colt. Das glaub mir mal, “ schnappte Robin gereizt und ergänzte dann leise. „Ich bin unglaublich enttäuscht von ihm.“ Augenblicklich hakte Chily wieder nach: „Wieso? Weil er dir nichts von seiner besten Freundin erzählt hat?“ – „Weil er mir nichts von seiner Number 1 erzählt hat.“ Jetzt sah Robin sie direkt an, als wüsste sie, dass Number 1 ihr eben gegenüber saß. „Deshalb bin ich Number 1. Ich bin seine beste Freundin, “ erklärte sie und setzte rasch hinzu. „Halt, stop. Ich WAR Number 1, aber ich bin immer noch seine beste Freundin.“ Nicht das es noch mehr Missverständnisse gab. „Bei Colts Telefonliste wär es nicht verwunderlich, dass er auch hier eine hat“, kam es bitter von Seiten der Lehrerin. Aufrichtig verzweifelt ließ Chily ihren Kopf auf die Tischplatte knallen, dass die Tassen schepperten. „Bist du so schwer von Begriff oder tust du nur so? DU bist die neue Number 1.“ Sie hob den Kopf wieder und sah einigermaßen hilflos auf die Blonde ihr gegenüber. „Was glaubst du denn, wie vielen Mädchen Colt einen Heiratsantrag macht?“ Nein, jetzt war Chily mit ihrem Latein am Ende. Jetzt lenkte Robin ein. „Das mag ja sein“, gab sie zu. „Aber ich glaube, er hat es nicht ernst gemeint.“ Traurig schaute sie auf die Hand mit dem Ring. „Ich weiß, dass er es ernst gemeint hat. Auch wenn dir meine Beteuerung an der Stelle nicht viel wert sein dürfte, es ist trotzdem so. Er liebt dich. Ich sehe es ihm an, wenn er deinen Namen sagt. Ich hab ihn schon oft von Mädchen reden hören, aber bei dir ist das anders. Er sah dabei noch nie so glücklich aus, “ versicherte die Kleine in warmen Ton. Robin schwieg einen Moment. Chily schwenkte heftig die weiße Fahne und so etwas würde keine Ex-Freundin je für einen Casanova, wie Colt es damals wohl war, tun. „Du hast Recht“, erwiderte sie schließlich, „deine Beteuerung ist mir tatsächlich nicht viel wert. Aber nur, weil ich dich nicht kenne.“ Sie schloss kurz die Augen um alle Vorurteile aus ihrem Kopf zu verbannen und sah Chily an. „Also, Colt ist dein bester Freund.“ Langsam begann sie sich daran zu gewöhnen, dass da eine Freundin am Tisch saß. „Dann sag mir, weshalb ich hier bin?“ Die Gefragte lächelte ihr herzlich zu. „Ich denke, weil ihr heiraten wollt und das hier seine Heimat ist. Er wollte sicher, dass du sie kennen lernst, “ erwiderte sie. „Hätte er mich mal vorgewarnt, “ seufzte die Lehrerin. „Er macht mich noch wahnsinnig und das vor der Hochzeit.“ Chily lachte leicht. „Ich war auch nicht vorgewarnt. Er hat mir erst nach deinem Kurzauftritt erzählt, dass er mit dir vor den Altar will. Das ist typisch für ihn.“ Auch Robin fiel es jetzt nicht schwer zu lächeln. Da hatte sie ja eine Leidensgenossin. „Ja, typisch Colt. Zuerst handeln und dann denken.“ – „Amen. Sag mal, wenn er dich allein gelassen hat, wollte er dir da einen Keuschheitsgürtel verpassen?“ grinste die Jugendfreundin des Kuhhirten fröhlich. „Nein, er weiß, dass ich mich wehren kann.“ Sie klang leicht verwundert. Dann begriff sie. „Lass mich raten: Dir wollte er einen anlegen, “ stellte sie kopfschüttelnd fest. Chily lachte herzlich auf. „Ja, bei jedem Date, das ich hatte.“ Robin stimmte in dieses Lachen ein. „Colt hat echt eine an der Waffel, der alte Beschützer.“ Die rotbraun gesträhnte Blondine winkte ab. „Glucke trifft es eher“, gluckste sie. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Dates er mir ruiniert hat, wenn er da aufkreuzte und, leider viel zu überzeugend, den eifersüchtigen Ex mimte. Aber wehe mir, ich hab das bei ihm gewagt.“ Sie drohte scherzhaft mit dem Finger. „Unsere Dates hat er in der Regel selbst ruiniert“, entgegnete Robin und lehnte sich wieder in den Stuhl. „Der Kindskopf, wie er leibt und lebt.“ Etwas Erleichtertes schwang in der Stimme der Blondine mit. „Das kann er, dass glaub ich sofort, “ grinste Chily. „He, hast du Hunger? Ich muss eh heim und die Einkäufe aufräumen. Komm mit und ich mach uns was zu spachteln. Wird sowieso keiner auf der Ranch sein. Die vier wollten irgendwohin reiten, hab ich heut morgen so aufgeschnappt, “ schlug sie vor. Zögernd wand die Lehrerin ein. „Ewig werden sie nicht weg sein.“ Ihr war klar, dass ihr eben die Friedenpfeife angeboten worden war, aber sie schämte sich etwas für die Szene des Vortages. „Oh doch, “ zerstreute Chily die Bedenken. „Colt wird sie überall hinführen, nur nicht dorthin wo sie wollten. Ich wette, die kommen vor Einbruch der Dunkelheit nicht zurück.“ Noch etwas befangen schlug die Lehrerin nun vor. „Ich kann dir ja beim Kochen helfen.“ Wieder lachte die kleine Ex-Number 1 munter. „Klar gerne. Fackeln wir die Küche gemeinsam ab.“ Auf den Spaß stieg Colts Zukünftige ein. „Genug Feuerlöscher hast du hoffentlich zuhause. Wenn ich koche, wird es heiß.“ Sie stand vom Stuhl auf. Chily griff nach ihrer Einkaufstüte. „Super, erschaffen wir eine neue Hölle. Dann können die Teufel packen.“ Robin hielt ihr die Tür auf. „Wird für Colt ein Vorgeschmack auf die Ehe“, erklärte sie vergnügt lachend. „Na, worauf warten wir dann noch?“ Chily blinzelte in die Sonne. Robin tat es ihr gleich. „Schöneres Wetter werden wir kaum noch kriegen“, stellte sie fest. Es war recht heiß, die Sonne strahlte und der Himmel war wolkenlos. „Wenn Engel reisen lacht der Himmel“, überlegte Colts Schulfreundin laut. „Hm, das muss an Saber, April und Fireball liegen.“ Sie machten sich auf den Weg. „Eher weniger“, erwiderte Robin und erklärte Chily auf, warum. Beiläufig erkundigte sich die Lehrerin nach dem Kind und dem Mann, mit welchen sie Chily gesehen hatte und erfuhr, das, die beiden Vater und Tochter einer Patientin von Chily waren. Die rotbraun gesträhnte Blondine war Hebamme und auf dem Weg zu ihr, weil diese wieder schwanger war. Aber noch weit mehr als das, erfuhren die Frauen von einander. Colt wusste, dass in dem Gebiet der alten Kohlemine Indianer wieder angesiedelt worden waren, als er noch klein war. Chily war von ihnen und ihrer Weltanschauung fasziniert gewesen. Wie sie, hatte auch er als kleiner Junge oft die Sommerferien bei dem Stamm verbracht. Doch mit Beginn der Pubertät hatte er andere Interessen entwickelt und war nicht mehr so häufig gekommen. Jetzt, da er hier so entlang ritt, konnte er sich und sie wieder zwischen den Bäumen sehen. Wie ein Vogel war Chily aufgeregt hin und her geflattert, wenn sie auf dem Weg zum Indianerstamm Rast gemacht hatten. Sie hatte Federn oder Blumen im Haar und hatte wie eine Waldelfe ausgesehen. Colt hatte versucht, sie zu fangen, doch meist hatte er sie nur in der Ferne lachen hören. Im Wettreiten hatte er sie jedoch oft genug besiegt. Sie saßen auf Pferderücken, kaum dass sie laufen konnten. Schon damals hatte Colt immer eine Spielzeugpistole an der Hüfte getragen, weshalb Chily ihn „Bullet“ nannte. Von den Indianern hatten sie gelernt die Natur zu achten. Für jeden Zweig, den sie beim Spielen unbedacht abgebrochen hatten, hatten sie sich entschuldigt. Auch waren sie beide nicht wirklich auf Reichtum aus und lehnten es bis heute ab, mehr zu besitzen, als notwendig war. Na gut, gestand sich der Cowboy ein, streng nahm er es nun auch wieder nicht, aber er war eben nicht maßlos gierig. Dass er dann doch das Pokern gelernt hatte, lag daran, dass sich die Mädchen oft davon beeindrucken ließen. Einzig Chily hatte stets stirnrunzelnd daneben gestanden und ihn mit strafenden Blicken bedacht. Sie verachtete Glücksspiel ganz einfach, vor allem, wenn man damit nur dem schönen Geschlecht imponieren wollte. Colt erinnerte sich daran, wie ein Junge sie deswegen gekränkt hatte, als sie in Anthony James Garage wieder zusammen saßen und zockten. Chily war wütende geworden und hatte dem Lästermaul mit einem der umliegende Pfeile des Dart-Spiels, eine Karte aus der Hand geschossen, die er gerade hochhielt, und an die Holzwand hinter ihm festgenagelt. Als Anthony den Pfeil aus dem Brett zog und die Karte in die Finger bekam, stellte er fest, dass es sich um ein Herz-As handelte, dass er selbst auf der Hand hatte. Der Typ hatte getrickst. Dann besaß er noch die Unverschämtheit, auf Chily rumzuhaken, wofür er von Colt schlussendlich ein mächtig Prügel bezog. Man betrog nicht und noch weniger griff man dann auch noch seine Number 1 verbal an. Dass begriff der Junge dann auch, nachdem der Kuhhirte ihm einen Zahn ausgeschlagen hatte, und bevor es Chily und Anthony gelang, sie zu trennen. „Lässt du uns an deinen Gedanken teilhaben?“ Mit dieser Frage holte Saber den Scharfschützen in die Gegenwart zurück. Keinem seiner Freunde war entgangen, dass Colt geistig abwesend war. Das deutlichste Zeichen hierfür war schließlich sein Schweigen. „Wo geht es denn eigentlich hin, Colt. Das hast du uns noch gar nicht gesagt.“ April schenkte ihm einen fragenden Blick. „Zu einem Irokesenstamm“, antwortete der Kuhhirte. „Ein Irokesenstamm?“ wiederholten die drei ungläubig. Colt nickte schlicht. „Und wundert euch nicht mit welchem Namen sie mich ansprechen“, sagte er „Sie nannten mich Pallaton.“ Verständnislos schaute Fireball ihn an. „Und was soll das heißen?“ – „Krieger.“ – „Also ehrlich, da kommt man ja kaum mit. Was hast du jetzt bitte mit Indianern zu tun?“ bohrte der Rennfahrer weiter. Der Gefragte hob die Schultern. „So weit ich weiß, hatte mein … hatten wir schon immer Beziehungen zu ihnen und waren befreundet, seit ich denken kann. Chily und ich haben die Sommerferien sehr oft bei dem Stamm verbracht, “ erwiderte er dann. „Hat Chily auch einen Namen von ihnen bekommen?“ wollte April wissen. „Aiyana. Sie nannten sie Aiyana. Das heißt so viel wie: die ewige Blüte. Indianische Namen kann man selten wortwörtlich übersetzten. Häuptling Hinun gab ihr den Namen.“ Colts Blick ging bei diesen Erklärungen stur gerade aus, dann wurde er weicher. „Wir haben oft Unsinn gemacht, mit den Brüdern Taima und Patamon.“ Jetzt lachte er leicht. „Taima, der Donner, und Patamon, das Gewitter oder der Sturm, … man wir waren schon eine wilde Horde.“ Saber hatte aufmerksam zu gehört. Ihm war nicht entgangen, dass die Erinnerungen für Colt sowohl schön, als auch schmerzlich waren. Nur konnte er nicht nachvollziehen, weshalb sie letzteres eben auch waren. Irgendetwas verschwieg der Kuhhirte noch. Oder aber er wusste tatsächlich nicht mehr, als er erzählte. „Die Sommerferien, ja?!“ wiederholte der Recke. „Was habt ihr denn so alles gemacht?“ „Der Mustang preschte los. „Fang mich, fang mich.“ Schon flog sie mit wehendem Haar an ihm vorbei. „Lässt du dir das von einem Mädchen gefallen, Pallaton?“ stichelte Taima. Sein Bruder grinste: „Du doch auch. Ihr beide habt überhaupt nichts mit heldenhaften Kriegern oder gefürchteten Donnern gemeinsam. Ihr redet nur viel.“ Damit setzte Patamon ihr nach. „Ich krieg dich, Aiyana.“ Sie lachte von fernher und Colt verzog das Gesicht, bevor er seinem Pferd durch einen Schenkeldruck zu verstehen gab, dass es losreiten konnte. Das würde sie büßen, wenn er sie erst eingeholt hatte. Ganz sicher. Ihn so zu blamieren. Hinter ihm folgte Taima und lachte spöttisch. Die drei Jungs versuchten das Mädchen einzufangen, doch über die weite Grassteppe hielt sie ihren Vorsprung. Am Waldrand wendete sie das Pferd und lachte übermütig. „Ich bin vor euch zurück.“ – „Das werden wir ja noch sehen.“ Er überholte Patamon und kehrte ebenfalls am Waldrand um. Kurz darauf kamen auch die Brüder nach. Sie ritten ohne Sattel. Das war sehr ungewohnt und schwieriger, da man vom glatten, kurzen Fell der Pferde leicht abrutschen konnte. Genau das passierte der kleinen, wilden Reiterin. Das Tempo war zu hoch, der Pferderücken zu glatt und die jungen Beine noch nicht kräftig genug um sich zu halten. Sie rutschte. Sie versuchte sich an der Mähne fest zu krallen, doch vergebens. Schon berührte ein Fuß fast den Boden, da wurde sie ungeschickt gepackt und schnell auf ein anderes Pferd gezogen. „Ich halte dich.“ Sie hatten den Gebirgskamm überquert und waren in eine Schlechtwetterfront geraten, die sich nun anschickte, den Bergrücken zu passieren. Das Gelände war ohne hin schon recht unwegsam und der Regen würde es verschlimmern. Zwangsläufig mussten sie umkehren. Saber meinte, Colt aufatmen zu sehen und runzelte die Stirn. Nichts an Colts Worten hatte auf eine unangenehme Erinnerung hingewiesen, aber das bedeutete nicht, dass er keine hatte. Sehr wahrscheinlich war für den Recken jedoch, dass er aus dem Scharfschützen nichts herausbringen würde. Aber Chily würde ihm sicher helfen. Als sie die Regenwolken am Horizont bemerkten, war Chily klar, dass die vier zeitiger als erwartet zurückkehren würden. Also verabschiedete sich Robin von ihr. Die Frauen waren sich einig, dass Colt es verdient hätte, dass die Lehrerin ihn noch etwas zappeln ließ. Mit verschwörerischen Blicken verabschiedeten sie sich von einander. Donna Joe hatte Toto mit zu einem Händler genommen und würde den ganzen Tag unterwegs sein, egal, ob das Wetter nun wechselte oder nicht. Doch Chily blieb nicht lange allein. Sie überquerte den Hof um nach den Hühnern zu sehen und die Türen und Fenster in dem Speicher zu prüfen, da hörte sie Schritte, die ihr folgten. An der Scheunentür fuhr sie herum. Groß und kräftig, von der Arbeit auf einer Ranch, sonnengebräunte Haut, ein dunkles T-Shirt, eine verwaschene Jeans und staubige Schuhe. Das hellbraune, lange Haar war im Nacken zusammen gebunden. Einige Strähnen fielen heraus und umrahmten das kantige, etwas breite Gesicht. Seine schmalen Lippen lächelten freundlich und die mandelförmigen, braunen Augen blickten offen unter den geraden, kräftigen Brauen hervor. Er war recht hübsch. „Hi, Dean.“ Chily hielt den Atem an. Er mochte sie liebenswürdig ansehen, aber sein Erscheinen hier, wo sie ganz allein war, beunruhigten sie. „Was willst du? Hat dich Tausend-Tonnen-Tina wieder rausgeworfen, weil du meinen Namen dabei gerufen hast?“ fragte sie schnippisch um ihre innere Aufruhr zu verbergen. Er lächelte noch immer. „Chily, bitte, lass es uns noch mal versuchen.“ Das war doch nicht zu fassen. Wie oft musste sie ihm das noch sagen? „Nein. Dean, je häufiger du nervst, desto weniger will ich. Geh zu Tina zurück, “ antwortete sie harsch. „Ich bin nur bei ihr, weil du mich rausgeworfen hast, “ rechtfertigte er sich. „Baby, bitte. Ich weiß, ich hab Fehler gemacht. Aber gib uns noch eine Chance.“ Er legte diese Bitte auch in seinen Blick. Es zog bei vielen Frauen, nur nicht bei ihr. „Nein. Kapier es endlich. Nein. Ich will nicht. Ich hab dich so satt. Ich ertrag weder deine Eifersucht, noch deine Besitzansprüche noch deine ständige Kontrolle und am allerwenigsten dein Hinterhergerenne. Was ich tu, geht dich gar nichts mehr an. Lass mich in Ruhe, “ entgegnete sie energisch. „Das kann ich nicht.“ Er trat einen Schritt auf sie zu. „Ich liebe dich“, versicherte er sanft. „Ach“, schnappte sie prompt. „Schläfst du deshalb mit ihr?“ Es war nicht so, dass es ihr was ausmachte. Dean war ihr gleich. Sie wollte ihm damit lediglich seine Doppelmoral vor Augen führen, doch er war blind dafür. „Ich hab auch nur Bedürfnisse. Wenn du sie mir nicht erfüllst, was soll ich sonst tun?“ Er hob die Schultern. Gott, war der schwer von Begriff. „Das ist mir doch egal. Dean, bitte. Sieh es endlich ein und geh, “ fuhr sie ihn an. Er trat noch einen Schritt auf sie zu. „Das kann ich nicht. Du bist immer noch mein Mädchen.“ – „NEIN“, schrie sie und wich einen Schritt zurück. „Bin ich nicht. Ich gehöre dir nicht. Ich bin nicht dein Eigentum.“ Deans Miene verdüsterte sich. „Es hat was mit diesem Typen zu tun, nicht wahr?“ stellte er fest. „Ich hab euch gestern Nacht ausreiten sehen.“ Chily verschlug es fast die Sprache. „Verfolgst du mich etwa?“ Das war ja noch viel unheimlicher, als sie erwartet hatte. „Das ist ja schon Stalking“, rief sie aufgebracht. „Nein, das ist Liebe“, erklärte er haltlos. „Er wird dir nicht gegeben können, was du brauchst…“ Sie schnitt ihm das Wort ab. „Das geht dich nichts an. Verschwinde, “ zischte sie. Das wurde ja immer schöner. Da ritt sie nur mal mit einem Freund ihres besten Freundes durch die Gegend und Dean vermutete eine komplette Liebesgeschichte dahinter. Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Wo sollte das noch hinführen? Ehe sie richtig begriff, wie ihr geschah, hatte Dean sie bei den Schultern gepackt und gegen die Scheunenwand gedrückt. „Nein“, presste er heftig hervor. „Du musst begreifen, dass ich das nicht kann.“ Der Regen setzte ein. Er platze vom Himmel als hätte jemand eine Bewässerungsanlage eingeschalten. Binnen kürzester Zeit waren die Beiden nass bis auf die Haut. „Lass mich los. Du tust mir weh.“ Chily versuchte sich zu befreien, doch sein Griff war wie der einer Klammer. „Du bist die einzige, die ich will, die ich je wollte.“ Jetzt versuchte er auch noch, sie zu küssen. Chily stemmte sich mit all ihrer Kraft gegen ihn, aber sie hatte keine Chance. Er war doppelt so stark wie sie. „Hör auf. Lass mich los! HÖR AUF!“ Das Getrampel sich schnell nähernder Pferde ließ Dean zurückfahren und sie loslassen. Er wand sich um. Vier Rosse hielten vor ihm. Ihre Reiter blickten finster auf ihn hinab. Wie Statuen thronten sie stolz und unbeeindruckt vom Regen, der auf sie einprasselte, auf den Mustangs und Dean beschlich ein ungutes Gefühl. Einen Momentlang herrschte eisige, gespannte Stille in der sich niemand rührte. Chilys Ex-Freund wurde klar, dass er lieber gehen sollte, bevor der Typ mit dem Cowboyhut auf die Idee kam abzusteigen. Er erinnerte sich schließlich noch sehr gut daran, wie der austeilen konnte, wenn es um das weibliche Wesen an der Scheunenwand ging. So wand Dean sich ab und verließ zügig den Hof. Colt sprang aus dem Sattel, doch bevor er dem Gehenden folgen konnte, versperre Chily ihm den Weg. „Nicht.“ Eindringlich sah sie ihn an. Colt wollte aufbrausen, doch dann drehte er sich nur um und fluchte vor sich hin, während er den Hengst in den Stall führte. „Alles okay?“ fragte April. Chily nickte nur und starrte weiter auf die Tür, durch die Colt verschwunden war. Schließlich seufzte sie unterdrückt und ging ins Haus. Saber, Fireball und April brachten ebenfalls ihre Pferde in den Stall und versorgten sie. Colt tat das gleiche, schwieg dabei jedoch hartnäckig. Sein Schweigen hielt an, bis sie zu Chily in die Küche kamen. Die rotbraun gesträhnte Blondine stand am Herd und hatte der Tür den Rücken zu gekehrt. „Nicht noch mal“, sagte Colt, als er eintrat. „Ich weiß“, antwortete sie leise. „Wer war das überhaupt?“ wollte Fireball wissen. Es gab in letzter Zeit ein paar Dinge zu viel, die der Scharfschütze nicht erwähnt hatte und nicht nur er, auch die beiden Blonden, hatten das Gefühl, den Kameraden nicht richtig zu kennen. Keinem der drei gefiel das. Jetzt tauschten der Kuhhirte und seine Schulfreundin einen kurzen Blick. „Einer der Typen“, gab Colt dann zur Auskunft, „der nicht weiß, was „Nein“ heißt.“ Die Kleine kümmerte sich wieder ums Essen. „Schade, dass ihr es bei dem Wetter nicht zu Häuptling Hinun geschafft habt. Ich hätte zu gern gewusst, wie es ihm geht. War schon ewig nicht mehr da gewesen, “ meinte sie dann. „Ich hätte nicht gedacht, der der noch lebt, “ entfuhr es Colt überrascht. „Tut er. Er ist noch fit wie eh und je. Wenn er uns alle überlebt, würde es mich auch nicht wundern.“ Damit begann sie den Tisch zu decken. „Klingt, als könntest du uns ein bisschen was darüber erzählen“, stellte Saber fest. Chilys Blick glitt prüfend von ihm zu dem Scharfschützen. „Würdest du bitte noch mal schnell nachsehen, ob auf dem Hof alles in Ordnung ist, Bullet?“ – „Von mir aus?“ Er trottete aus der Küche. „Ein paar Dinge, “ begann Chily, als sie hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel, „erzählt er nicht gern. Es erinnert ihn an seine Eltern und damit an deren Tod. Der hat ihn damals völlig aus der Bahn geworfen. Nicht mal ich bin da noch an ihn rangekommen.“ Sie seufzte. „Nachdem viele Menschen sich auf den erkundeten Planeten ausdehnten, sie bewohnbar gemacht hatten und sich dort niederließen, kam für die ethnischen Minderheiten wie die Indianerstämme, die Zeit sich wieder in ihren Ursprungsgebieten anzusiedeln um ihre Kultur und ihre Traditionen wieder aufleben zu lassen. In der langen Geschichte ihrer Entwicklung war es schwer, herauszufinden, wo diese Bereiche lagen, aber immer hin war es teilweise noch nachvollziehbar oder sie konnten sich in der näheren Umgebung davon ansiedeln. Colts und meine Eltern fanden dieses Anliegen seitens der Irokesen wichtig und unterstützten sie darin. Sie kauften das Gebiet um „Pennyrile“ und überließen es dem Stamm. Seither verband unsere Familien eine enge Freundschaft zu Häuptling Hinun. Als Colt und ich geboren wurden, übernahm der Stammesführer selbst unsere Patenschaft und lehrte uns auch die Weltanschauung der Indianer zu verstehen. Das ist die Gesichte, die dahinter steckt. Natürlich interessiert Kinder nicht, wie es zu solch einer Freundschaft kam. Sie existiert einfach. Alles andere ist Nebensache, wenn man durch die Wälder streift, auf Pferden um die Wette reitet und mit Kindern des Stammes zum Fischen geht.“ Die drei nickten verstehend. Sie hatten gewusst, dass Colt seine Eltern durch die Outrider verloren hatte, aber nicht, wie wenig er damit zu recht kam. „Deshalb wollte er nicht zur Ranch,“ verstand April. Chily nickte. „Genau. Er wollte damals zum Rodeo, als das Schiff seiner Eltern angegriffen wurde. Er hielt es nur noch zwei Nächte bei sich zu Hause aus, die Nacht vor und nach der Beerdigung. Am nächsten Morgen war er wie vom Erdboden verschwunden.“ Sie begann das Essen auf den Tisch zu stellen. Fireball und April nahmen Platz, Saber half ihr kurz dabei. „War sicher hart für dich,“ meinte der Rennfahrer. „Für Colt war es härter,“ gab sie zurück, worauf der Japaner missbilligend die Stirn runzelte „Das ist doch aber keine Art, dass man abhaut ohne sich von seiner besten Freundin zu verabschieden.“ Die Kleine hob nur die Schultern. Colt betrat die Küche. „Der Hof steht unter Wasser, also können wir futtern,“ erklärte er und setzte sich. Nach dem Abendessen hängte Colt sich wieder ans Telefon und versuchte Robin zu erreichen. April und Fireball zogen sich ebenfalls zurück. „Und die Arbeit bleibt wieder an uns hängen,“ murrte Saber, grinste aber dabei. „Hat doch ganz gut geklappt mit uns,“ entgegnete sie leicht und zupfte gedankenverloren an einer Strähne ihres Zopfes, den sie heut trug. Dann stand sie auf und stellte ihren Teller in die Spüle. Auch der Recke begann den Tisch abzudecken und reichte ihr das übrige Geschirr, welches sie in die Spülmaschine sortierte. Dabei rutschte der Zopf zur Seite. Saber starrte überrascht auf ihren Nacken. „Ist dir mal ein Wolf mit heißen Pfoten über den Rücken gelaufen?“ fragte er. Verwundert richtete sie sich auf und schaute ihn an. Er deutete auf ihren Hals. „Ach so.“ Unter dem Haaransatz im Nacken trug sie ein Tattoo in Form einer Wolfstatze. „Das ist mein Totem, mein indianisches Sternzeichen. Der Wolf,“ erklärte sie darauf und lachte. „Stehst du auf Schmerzen?“ wollte er noch immer verblüfft wissen. „Nö,“ entgegnete sie heiter. „Aufs Stechen. Ich hab noch ein zweites Tattoo. Aber das sieht man nur, wenn ich schwimmen gehe.“ Der Recke musste ebenfalls lächeln. „Dann sollten wir zwei mal schwimmen gehen,“ schlug er vor. „Hier wird nicht Schwimmen gegangen! Chilys nackte Haut geht dich nichts an, Säbelschwinger, du alter Schwerenöter.“ Mit diesen Worten und leicht grinsend trat Colt wieder in die Küche. Chily fuhr erschrocken herum. „Danke, Bullet. Musst du mir einen Herzinfarkt verpassen? Außerdem ist das meine Haut.“ Der Angesprochene hob die Brauen. „Aber du musst sie nicht jedem zeigen,“ erklärte er ungerührt. „Wir sind schließlich nicht bei einer Fleischbeschau.“ Seine Jugendfreundin schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. „Wenn ich sie jedem zeigen wollte, würde ich nackt durch die Gegend laufen,“ gab sie trocken zurück. „Wehe dir!“ Drohend hob der Cowboy den Zeigefinger. „Das ist doch einfach nicht wahr.“ Sie klappte die Spülmaschine zu und schaltete sie ein. Saber lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich lerne ganz neue Seiten an Colt kennen,“ stellte er schmunzelnd fest. „ Die wären?“ Chily nahm die gleiche Position wie der Recke ein. „Sonst kann ihm eine Frau nicht knapp genug bekleidet sein.“ Dessen Lächeln wurde anzüglich und zweideutig. „Ja, nennt sich Doppelmoral. Hatte er schon immer. Leider,“ antwortete die Kleine darauf, beinahe so, als wäre der Scharfschütze nicht anwesend. Prompt meldete der gründlich empört: „Jetzt hört mal! Ich bin noch da und Doppelmoral ist das auch keine. Einer muss schließlich auf dich aufpassen.“ Wie brachte sie es nur fertig ihm etwas anderes zu unterstellen? „Dann hättest du vor fünf Jahren nicht gehen dürfen,“ katapultiere sie ihm ein berechtigtes Gegenargument um die Ohren. „Sauberer Konter, Chily,“ lobte der Recke neben ihr. „Jetzt hilf ihr nicht auch noch! Das Mädel da hat mich förmlich rausgegrault! Wäre ich nicht gegangen, würde ich nicht mehr hier stehen.“ Dennoch musste Colt lachen und Saber wusste, dass diese Antwort sehr weit weg vom wahren Grund war. „Wenn du so weitermachst, wirst du nicht mehr gehen können. Vor allem nicht zum Altar,“ bemerkte Chily. „Dafür muss die Braut endlich mal mit mir reden, sonst wird das nichts mehr,“ erklärte Colt frustriert. „Hast du sie denn angerufen?“ setzte die rotbraun gesträhnte Blondine zum Verhör an. „Äh... ja... nein... ich mein,“ stammelte er aus der Bahn geworfen. Saber und Chily tauschten bedeutungsvolle Blicke. „Ja oder nein?“ fragte der Blonde dann. „Jein.“ Die Jugendfreundin setzte ihr Verhör fort. „Wo hast du sie angerufen?“ wollte sie wissen. „Zuhause natürlich,“ entgegnete Colt. „Aber außer Josh, der mir hoch und heilig versichert hat, dass er seine Schwester noch nicht gesehen hat, ist da keiner zuhause. Angeblich“ Davon war er eindeutig nicht überzeugt. Wo sollte Robin denn sonst hin sein, wenn nicht zurück in ihre Heimatstadt? Ihm war nur nicht klar, warum Josh ihn so hartnäckig anlügen konnte. Normalerweise hätte er es doch geschafft, die Wahrheit aus ihm heraus zuhorchen. Chily hustete. „Ach so.“ Jetzt hob Colt skeptisch die Brauen. „Was ist los? Erstickst du grad am schlechten Gewissen?“ Sie tat unschuldig. „Ich? Schlechtes Gewissen? Von was denn?“ Dann wand sie sich an Saber. „Kennst du diesen Josh? Lügt der?“ Der Gefragte schüttelte den Kopf. „Josh ist Robins kleiner Bruder,“ gab er zur Auskunft. „Und lügen würde der kleine Bengel nie. Bei der großen Schwester würde er sich das schon zweimal nicht trauen.“ Wieder grinste er vielsagend. „Sag du es mir. Wovon hast du ein schlechtes Gewissen?“ bohrte Colt. Er hatte das Gefühl, Chily wüsste mehr, als sie sagte. Diese spielte jedoch weiter die Unschuldsnummer und überlegte laut: „Also ist Robin wirklich nicht in Tranquility?“ Dann sah sie Colt kritisch an und meinte: „Weshalb sollte ich ein Schlechtes Gewissen haben? Du solltest ein haben, Jolly.“ Der glaubte sich verhört zu haben. „Wieso ich?“ – „Na, das war doch offensichtlich, dass sie nicht vorgewarnt war, als sie hier ankam. Das arme Mädel.“ Chily schüttelte aufrichtig bedauernd den Kopf. „Ich will nicht wissen, was die grade für Gedanken quälen.“ Das wirkte wie es sollte. Der Scharfschütze bekam ein schlechtes Gewissen. „Aber ich kann doch gar nichts dafür! Robin ist einen Tag zu früh gekommen,“ verteidigte er sich etwas hilflos. Dann klickte es bei ihm. Das war ein Ablenkungsmanöver. „Und jetzt erwisch ich sie einfach nicht. Sie ist weder in Tranquility, noch wird sie hier sein. Oder?“ Mit seinen Blicken schien er seine Schulfreundin zu durchbohren, doch die ließ sich nicht so leicht aus der Reserve locken. „Wie lange seit ihr schon ein Paar? Du hättest ruhig mal früher den Mund aufmachen können und ihr ein paar Sachen erzählen sollen,“ erwiderte sie und beeindruckt und wand sich an den Recken. „Hab ich recht?“ Der stieg sofort darauf ein und nickte. „Er hätte auch uns ein paar Sachen erzählen können.“ Dann fügte er seufzend hinzu. „Mensch, Colt, wenn ich Robin wäre, würd ich mir das mit dem Heiraten noch mal überlegen.“ Auch Chily quälte ihren besten Freund noch ein wenig. „Na aber auf jeden Fall. Ich mein, an ihrer Stelle würde mich fragen, wie viele es da noch gibt neben mir? Was er sonst noch verschweigt? Vielleicht ist er Vater von fünf Kindern? Oder stockschwul?“ grübelte sie laut. Saber ergänzte die Liste der möglichen Zweifel. „Vielleicht arbeitet er gar nicht beim Rodeo oder er ist in illegale Geschäfte verwickelt? Man kann nie wissen, aber als zukünftige Ehefrau sollte man schon mal eingeweiht werden. Keiner kauft die Katze im Sack.“ Die beiden Folterknechte mussten sich jedoch das Grinsen verkneifen. Saber zählte gedanklich schon den Countdown runter, bis Colt explodieren musste. Doch dann setzte Chily noch etwas drauf. „Und dann die ganzen weiblichen Selbstzweifel. Bin ich ihm nicht hübsch genug? Findet er mich vielleicht doch zu fett?“ Sie seufzte. „Gott, dass ist so deprimierend, als wär ich selbst betroffen. Kannst du mich mal kurz in den Arm nehmen, Saber?“ bat sie dann gespielt unglücklich. „Gerne doch.“ Er breitete die Arme aus, damit sie sich an ihn lehnen konnte und versetzte Colt gleich noch einen kleinen Seitenhieb. „Frauen lässt man nicht leiden.“ – „Och danke.“ Chily schmiegte sich an ihn. „Du bist so gut zu mir,“ erklärte sie devot und das reichte dem Kuhhirten dann endgültig. Er fuhr zwischen die beiden und schob seine Schulfreundin vom Schwertschwinger weg. „Sofort auseinander! Das geht gar nicht,“ brauste er auf. Die beiden brachen jetzt in schallendes Gelächter aus. „Sie hatte recht. Du bist ein Kindskopf,“ japste Chily. „WAS?“ Schlagartig schaltete Colts innerer Lügendetektor nun auf maximale Sensibilität. „Nichts,“ versicherte die noch immer lachendende hastig und versuchte sich wieder zu beruhigen. Der Sensor in Colt schlug aus und meldete ihm: Lüge. „Wer hat gesagt, ich wäre ein Kindskopf?“ Sie versuchte ihn von seiner Fährte abzubringen. „Du meinst außer mir und deinen Freunden?“ Sein Gespür signalisierte ihm, dass dies eine Ablenkungstaktik war. „Du hast gesagt, SIE. Ich wäre einer und Saber kann es auch nicht gewesen sein. So feminin ist er dann doch noch nicht,“ strich der Scharfschütze die beiden Anwesenden mal von der Liste der Verdächtigen und hakte knurrend nach. „Also, wer?“ Chily fuhr fort ihn zu necken. „Sag ich dir nur unter einer Bedingung,“ antwortete sie. „Nun sag schon,“ forderte Colt. „Nur, wenn ich jetzt wieder in Sabers Arme darf,“ beharrte die verschmitzt grinsend. „Sonst noch Schmerzen?“ fuhr der Cowboy auf. Seine Freundin hob unbeeindruckt die Schultern „Geht ja nur um dein Ableben … äh, Begräbnis … äh … du weißt schon.“ Auch Saber stichelte noch ein wenig. „Was ist schon dabei, Colt. Du stehst doch daneben. Was soll schon passieren?“ meinte er naiv. „Deine Geheimkniffe kenn ich, Saber. Nix da, nicht neben mir und schon gar nicht, wenn ihr alleine seid,“ erklärte Colt kategorisch. „Jetzt sag endlich, wer hat das gesagt?“ verlangte er dann energisch von Chily. „Weißt du noch? Dass kann ich ewig.“ Damit presste sie demonstrativ die Lippen zusammen und schwieg. Colt erinnerte sich. Je lauter er wurde, desto weniger bekam er etwas aus ihr heraus. Aber er kannte sie gut genug um zu wissen, wie er sie weich kochen konnte und änderte seine Taktik auf Knopfdruck. Mit Kulleraugen und Unglücksschnute flehte er, als stünde er nun kurz vor den Tränen. „Bitte“ denn das war eindeutig ihr Schwachpunkt. „Och, das ist fies,“ fluchte sie. Saber dagegen war schwer beeindruckt von dieser Nummer. „Wer soll sie schon sein? Die einzige, die außer mir im Stande ist, zweifelsfrei festzustellen, dass du ein Kindskopf bist,“ informierte Chily dann. „Robin!“ schaltete der Cowboy sofort. „Wo ist sie? Wann hast du mit ihr gesprochen? Wie? Warum?“ Mehr Fragen fielen ihm vor laute Aufregung nicht ein. „Genau Robin. Hab sie heute gesehen und auch mit ihr gesprochen. Sie war sogar hier auf der Ranch. Dann sind die Wolken aufgezogen und sie ist ins Hotel zurück gegangen,“ gab die Freundin zurück. „Hotel? In welches Hotel?“ rief Colt ungeduldig. Robin war noch hier. Verdammt, er musste sofort zu ihr. „Komm schon, Chily, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen! Wo ist mein Engel?“ Amüsiert gab diese zur Auskunft: „Sankt Claires , Ecke 49. Du weißt schon, da wo es immer war ...“ Von dem Scharfschützen war nur noch eine Staubwolke zu sehen. „So schnell hab ich ihn noch nie gesehen.“ Beeindruckt hob Saber die Augenbrauen. „Ich auch nicht,“ gestand die junge Frau neben ihm. „Aber wir beide waren ein spitzen Team,“ fiel ihr dann auf. „Da kann ich nichts hinzufügen.“ Saber lächelte ihr zu. „Ob er es wohl vor lauter Hektik zu ihr schafft?“ Stirnrunzelnd sah sie zur Küchentür. „Das ist Colt,“ antwortete Saber nüchtern. „Stimmt.“ Chily verließ die Küche. „Bis später,“ rief sie zurück und fand ihren besten Freund auf dem Hof, der gerade festgestellt hatte, dass Donna Joe noch mit dem Auto unterwegs war. Chily fuhr ihn deshalb mit dem Motorrad in die Stadt, setzte ihn vor dem Hotel ab und erklärte noch: „Ich hol dich nicht vor morgen früh ab.“ Dann düste sie zur Ranch zurück und Colt verschwand im Hotel. Er erkundigte sich nach Robins Zimmer, stand wenige Augenblicke später vor deren Tür und klopfte aufgeregt an. Sie brauchte nicht lange um zu öffnen und obwohl er geglaubt hatte, sein Herz könne nicht noch heftiger schlagen, tat dies es dann doch. Robin war überrascht, einen pitschnassen Kuhhirten vor ihrer Tür vor zu finden. „Schatz, ich …“ sprudelte der gleich hervor. „Komm rein und trockne dich ab,“ schnitt sie ihm ruhig das Wort ab und ließ ihn ein. Sie ging ins Badezimmer um ihm ein Handtuch zu bringen. Er folgte ihr. An der Tür begann er von neuem. „Es tut mir leid.“ Dann hatte er ein Frotteetuch im Gesicht. „Was von dem allem, was Chily mir heut erzählt hat?“ fragte die Lehrerin. Nicht böse, aber sachlich, was den Scharfschützen noch mehr beunruhigte. Er schluckte hart unter dem Handtuch, dann rubbelte er sich das Haar einigermaßen trocken und überlegte sich krampfhaft eine gute Antwort. „Dann habt ihr euch also ganz gut verstanden,“ stellte er fest und lugte vorsichtig unter dem Frotteetuch hervor. Robin nickte nur, ließ sich jedoch nichts anmerken, was ihre Gefühle betraf. Ihr Herz hatte einen Freudensprung gemacht, als er vor ihrer Tür stand. Er war zu ihr gekommen, trotz des starken Regens draußen, das rührte sie. Doch er hatte ihr auch viele Dinge nicht erzählt, die sie gern gewusst hätte. Die hatte sie, teilweise, von Chily erfahren. Den Rest, so hatte diese betont, musste Colt ihr selbst erzählen. Wieso tat er das nur nicht? Vertraute er ihr so wenig? Es war schwer ruhig zu bleiben, wenn all das gesagt werden wollte. So entstand ein unangenehmes Schweigen zwischen ihnen. Colt wurde klar, während er seine Robin betrachtete, dass er hätte offener ihr gegenüber sein müssen. Dass konnte sie nur als Misstrauen verstehen und damit hatte er die Beziehung in Gefahr gebracht. Betreten schob er das Tuch von seinem Kopf und schaute zu Boden. „Wie geht es Number 1?“ fragte die Lehrerin schließlich um die Stille zu brechen und ihm zu signalisieren, dass sie mit ihm reden wollte. „Ich weiß nicht so genau,“ gab er zögernd zur Antwort und hob vorsichtig den Blick. „Du weißt nicht, wie es Chily geht?“ hakte sie ungläubig nach. „Doch. Der geht es gut,“ erwiderete er hastig. „Ich weiß nur nicht, wie du dich fühlst.“ Nun, auch seine Jugendfreundin hatte betont, Robin sei die neue Number 1. Gedanklich musste sie nun schmunzeln. „Ich fühl mich, als würde ich dich nicht richtig kennen,“ antwortete sie leise. „Du hast mir so viel nicht erzählt. Gehöre ich denn nicht zu deinem Leben?“ Hätte sie ihn angeschrieen, hätten ihm ihre Worte nicht so weh getan. „Doch natürlich,“ versicherte er ihr schnell. „Ich möchte immer noch mehr als alles andere, dass wir heiraten. Robin ich …“ Hilflos brach er ab. Ihr zu sagen, dass er sie liebte, dürfte nicht reichen oder nicht glaubwürdig erscheinen. Er ließ sich auf den Toilettendeckel hinter sich plumpsen. Aus seiner Kleidung rannen Tropfen auf die hellen Fliesen. Die Jeans klebte störrisch auf seiner Haut. „Lass mich dir was erzählen,“ schlug er ihr vor. „Gut.“ Sie platzierte sich auf der Kante der Duschkabine. Er seufzte leicht. Wo sollte er anfangen? Als hätte sie seine Gedanken erraten, sagte sie. „Erzähl mir von Reverant Steam.“ Schamesröte schoss ihm ins Gesicht. Das war keine gute Story für die Zukünftige. Frühere Eroberungen hatten schließlich oft genug einen bitteren Beigeschmack. Besonders diese. Aber er wollte ihr nicht länger das Gefühl geben, er würde ihr etwas vormachen. „Okay,“ begann er langsam. „Du weißt ja, dass ich nicht immer ein Engel war und … puh.“ Das war hart. Recht stockend, mit jedem Wort mehr sich schämend und gesenktem Kopf berichtete Colt nun alles. Von dem neuen Reverant, der mit seiner hübschen Tochter in die Stadt gezogen war; von den Kumpels, die ihr nachlechzten; von der idiotischen Wette, die auf einer Party abgeschlossen wurde und davon, dass er diese Wette gewonnen hatte. Das war mit Abstand das Fieseste, dass er je einem Mädchen angetant hatte. Die Art, wie er Robin dies erzählte, verriet ihr, dass er sich dessen bewusst und nicht gerade stolz darauf war. Er beschönigte gar nichts, was sich selbst gegenüber schonungslos und ihr gegenüber ehrlich. Robin schluckte vor Fassungslosigkeit. Das hatte sie nicht erwartet. „Das war das „Gemeinste, was du hättest tun können. Ich meine, es ist schlimm genug, dass du hier jedem Mädchen das Herz gebrochen hast, aber für eine Wette …“ Verständnislos sah sie ihn an. „Ich weiß,“ gab er kleinlaut zu. „Reverant Steam hat natürlich Stunk bei meinen Eltern gemacht. Die machten mir die Hölle heiß und Chily hat einen ganzen Monat lang nicht mit mir geredet. Bei Mary, der Tochter des Reverants, hab ich versucht mich zu entschuldigen. Erst wollte sie mir nicht zu hören. Dann sagte sie, sie sei wahrscheinlich ein Stück weit selbst schuld, denn Chily hätte sie vor mir gewarnt.“ Er seufzte. „Das ändert nichtst daran, dass es das blödeste war, dass ich je getan hab.“ – „Allerdings.“ Klipp und klar stellte Robin das fest. Vorsichtig lugte er zu ihr. Ihre Miene war unergründlich. Deshalb hatte Chily die Geschichte nur angeschnitten, ihr aber nichts weiter dazu gesagt. Es wäre noch ungeheuerlicher gewesen, wenn sie alles von ihr erfahren hätte. „Robin.“ Colt kniete vor ihr auf den Fliesen, den Kopf immer noch gesenkt. „Bitte …“ Was er ihr sagen wollte, konnte er nicht aussprechen, aber sie spürte deutlich, was ihn bewegte. Diese Beichte konnte bedeuten, dass sie ging. Davor hatte er mehr Angst, als vor jedem Kampf mit den Outridern damals. Schon Chily hatte angedeutet, dass er so etwas nie wieder gemacht hatte und dieser Fehler ihm bis heute ein schlechtes Gewissen verursachte. So wie er nun vor ihr kauerte, war die Lehrerin von seiner Aufrichtigkeit überzeugt. Behutsam streckte er die Hand nach ihr aus. „Schatz.“ – „Dass du so etwas tun konnest, fass ich einfach nicht,“ fuhr sie ihn nun an und er fiel vor Schreck rittings auf den Boden. „Wie konntest du nur?“ Er machte nicht einmal den Versuch sich zu rechtfertigen oder zu verteidigen. Das war einfach nicht verzeihlich. Doch, das er es gestanden hatte, tat ihm dennoch gut. Wenn diese Beziehung schon auseinander ging, dann wenigstens, weil er ehrlich gewesen war. Aber der Gedanke daran, dass sie gehen könnte, verursachte ihm Schmerzen in der Brust, die er nicht gekannt hatte. „Ich hab es verdient,“ murmelte er betreten. „Was hast du verdient?“ fragte sie zurück, weill sie den Zusammenhang gerade nicht verstand. „Wenn du jetzt gehen willst,“ erwiderte er leise. Unbewusst griff er sich an die Brust. Das Ziehen darin war also Herzschmerz. „Ich sollte gehen,“ bestätigte sie wütend, dann wurde auch sie leiser. „Aber ich kann nicht. Wenn Mary dir das verzeihen konnte, sollte ich das auch können. Irgendwie …“ Sie setze sich auf die Kante und schaute auf ihre Füße. „Ich hab mich geändert. Robin, dass weißt du.“ Colt setzte sich auf. „Schatz bitte,“ flehte er inständig und kniete wieder vor ihr. „Wenn du mich je betrügst …“ fuhr sie ihn an. Er legte ihr den Finger auf den Mund. „Niemals. Du bist … Ich hab noch nie so etwas gefühlt. Aber schon als ich dich zum ersten Mal gesehen hab, wusste ich, dass du etwas besonderes bist,“ gestand er und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte folgte diesen Worten kein albernes Herunterspielen. Sprachlos blickte sie ihn an. So ernst meinte er es also. Er bettete seinen Kopf auf ihren Schoss. „Bitte sag, dass du mich noch liebst.“ Jetzt musste sie lächeln. Wahrheit tat weh, aber er hatte sie trotzdem ausgesprochen, obwohl er genau wusste, dass er damit diese Beziehung riskierte. Wie konnte sie angesichts dieser Tatsache noch wütend sein? „Ich liebe dich,“ flüsterte sie. „Auch, wenn du der größte Idiot bist, den die Welt je gesehen hat.“ Liebevoll strich sie ihm über die halbnassen Locken und hauchte ihm einen Kuss auf den Finger, der immer noch auf ihren Lippen ruhte. Jetzt zog er sie stürmisch an sich und hielt sie so fest er konnte. Einen Moment lang spielte Robin mit dem Gedanken, ihn nach seinen Eltern zu fragen, doch dann entschied sie sich dagegen. Er war einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Das reichte für den Anfang. Sie strich ihm über den Kopf und den Rücken. „Du solltest lieber duschen. Du bist ganz kalt.“ Er nickte gehorsam. Bald darauf lag er ihm Hotelbademantel auf dem Bett. Robin hatte seine Sachen provisorisch zum trockenen aufgehängt. „Zur Not föhnen wir sie morgen früh,“ erklärte sie lächelnd und krabbelte zu ihm. Er legte den Arm um sie und zog sie zu sich. „Ja, morgen früh.“ Zärtlich hauchte er ihr einen Kuss auf die Lippen. Er war erleichtert, als sie ihn erwiderte und überrascht, was dem folgte. Zur gleichen Zeit … Davon wusste der Kleine sicher nichts. Es lag ihm nämlich nicht, sich mit solchem Papierkrieg auseinander zu setzen. Er bevorzugte es Dinge von Mann zu Mann zu klären, so dass er seinem Gegner in die Augen sehen konnte. Dieser Gegner aber agierte lieber hinterrücks und obwohl sein kleiner Schützling schon mal mit ihm zu tun hatte, war er sicher nicht auf diese Verbindung gestoßen, welche die Papiere auf dem Tisch da aufgedeckt hatten. Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs aschblonde Haar. Einen Moment lang ließ er gedankenverloren seinen Blick durch den Raum schweifen. Das war wirklich die mieseste Absteige, in der man landen konnte. Die Gardinen an den Fenstern waren vor langer Zeit wohl mal weiß gewesen. Das Bett quietschte, der Tisch wackelte und das Bad war … Er wand seine Gedanken wieder dem unordentlichen Haufen Unterlagen zu vor sich zu. Allein konnte er nichts gegen das tun. Na, nicht sehr viel und es war riskant. Er war kein Feigling, nur Realist. Er brauchte Unterstützung. Jemanden, der besonnen, clever, sachlich und in der Nähe seines ehemaligen Schützlings war. Da kam nur einer in Frage und der war perfekt. Einige Zeit lang hatten sie den gleichen Arbeitgeber gehabt. Dann musste er also seinen ehemaligen Vorgesetzten auch einweihen. Also gut. So lange nur die beiden und er selbst davon wussten, war es wohl besser so. Kurz entschlossen schob er die Papiere zu einem Stapel zusammen und stopfte sie in die Aktentasche. Das Zimmer hier roch sowieso muffig. Er brauchte frische Luft und ein neues Quartier. Wenig später stand er auf der Straße. „Taxi!“ Das gelbe Auto hielt am Bordstein. Er stieg ein. „Wohin solls n gehen?“ – „Zum Yuma-Airport.“ Er musste die zwei einweihen. Es stand zu viel auf dem Spiel. Der Frieden stand auf dem Spiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)