Katenha von Skeru_Seven ================================================================================ Kapitel 13: Langweile --------------------- Die große Langeweile machte sich breit. Keiner wusste, wie er sich am besten beschäftigen sollte. Insgeheim hofften alle, dass bald das Licht ausging und sie sich schlafen legen konnten, allerdings dauerte das noch. Man hatte ihnen noch nicht einmal das Abendessen vorbeigebracht; das würde leider erst in nächster Zeit kommen. „Mir ist so langweilig“, jammerte Muri vor sich hin und rollte sich leicht von einer auf die andere Seite der Matratze. „Turil, sag was, ich will dich zur Schnecke machen.“ Sie warf ihm einen auffordernden Blick zu und wartete auf seine Reaktion. „Keinen Bock, such dir einen anderen Depp dafür.“ Er hatte sich irgendwo im Raum auf den Boden platziert und döste vor sich hin, wie er es gerne tat. Was genau in seinem Kopf dabei vorging, wusste aber niemand. „Du bist dumm.“ Beleidigt wandte sie sich an Sejena neben sich. „Erzähl mir was!“ „Was denn? Wieder irgendwelche Märchen? Oder lieber Matheformeln?“ Man sollte ihr später nicht vorwerfen, sie hätte nicht versucht, Muri etwas Lehrreiches beizubringen, während sie hier die Wartezeit totschlugen. „Ich nehm Nummer eins“, entschied sich das jüngste Mädchen der Gruppe natürlich und hörte gespannt zu, wie Sejena sich ein seltsames Märchen nach dem anderen aus den Fingern sog, die alle aber glücklich endeten. Es sollte ja nicht wie im echten Leben sein. Noevy saß ein wenig entfernt und lauschte ihnen mit halbem Ohr, während er Jevo gedankenverloren dabei zusah, wie er immer im Kreis durch den Raum streifte und sich durch nichts davon abbringen ließ. Also wirklich geistreiche Beschäftigungen gab es hier nicht, da musste man improvisieren. „...und dann kamen sie nach langer Zeit an ein großes, wunderschönes Schloss auf dem höchsten Berg des Landes und als sie gerade am Eingangstor klopfen wollten, wurde die Tür geöffnet...“ „...nämlich von einem extrem gutaussehenden Typen, dem das Schloss und die halbe Welt gehörte, der zufällig Turil hieß“, unterbrach dieser grinsend Sejenas Geschichte und wurde dafür von Muri ziemlich böse angefaucht, weil er es gewagt hatte, die schöne Stimmung mit seinem selbstgerechten Einwurf zu zerstören. „Die beiden können es einfach nicht lassen, ständig dasselbe“, seufzte Jevo und ignorierte die zwei, die kurz davor standen, sich wieder einen unnötigen Streit zu liefern, an dessen Ende nie ein Sieger feststand. „Und Sejena muss immer dazwischen gehen, sie tut mir echt leid.“ „Wenn sie aber sonst nichts zu tun haben, kann ich es verstehen.“ Noevys Blick wanderte von dem ruhelosen Jevo zu Jassin, der wieder einmal Ninia als Kopfkissen benutzte, was diesem anscheinend gar nichts ausmachte. Im Gegenteil, er versuche es dem anderen so bequem wie möglich zu machen. „Sag mal, Jevo“, kurz stockte Noevy, „sind die beiden… zusammen?“ Hoffentlich klang die Frage nicht zu dumm wie er befürchtete, immerhin meinte er sie vollkommen ernst. Die Beziehung der beiden zueinander gab ihm mancgmal Rätsel auf. „Nicht, dass ich wüsste.“ Endlich beendete Jevo sein zielloses Laufen und setzte sich zu Noevy. „Jassin braucht das manchmal; wenn Ninia nicht da ist, spielt Virila auch mal gerne Ersatz für ihn. Er hat es sich mit der Zeit angewöhnt. Und Ninia müsste auf Mädchen stehen, jedenfalls hat er mir irgendwann mal von seinen drei Exfreundinnen erzählt. Ich weiß, das muss nichts heißen, aber ich nehme es einfach an. Du kannst ihn ja fragen, wenn es dich wirklich so sehr interessiert.“ Aufmunternd grinste Jevo ihn an, doch Noevy ließ das lieber sein. Wer wusste, wie Ninia darauf reagierte? Zwar waren heutzutage gleichgeschlechtliche Beziehungen weder verboten noch völlig verschrien, aber Ninia würde sich trotzdem sicher nicht darüber freuen, darüber ausgefragt zu werden, das wäre schon äußerst ungewöhnlich. „Ich glaube, ich sollte mich mal baden“, fiel es Noevy plötzlich ein, weil es einerseits stimmte, andererseits wollte er nicht noch länger über Jassins und Ninias sexuellen Vorlieben spekulieren, das ging ihn theoretisch nichts an, obwohl es ihn schon interessierte, ob etwas zwischen den beiden lief oder es nur oft den Anschein hatte. „Kannst du machen, aber sei wieder da, wenn es etwas zu essen gibt“, rief Jevo ihm hinterher, als Noevy sich schon auf dem halben Weg zum Badezimmer befand. Dort drinnen bekam er nichts von dem mit, was draußen geschah. Sozusagen der einzige Ort mit einem kleinen Rest Privatsphäre. Er ließ warmes Wasser in die Wanne laufen, holte sich ein Handtuch aus dem Schrank – manchmal füllten die Katenha diese auf, wenn sie fanden, dass sich die Zahl frischer Handtücher zu stark reduziert hatte – und zog seine Kleidung aus. Vorsichtig testete er das Wasser, damit er sich nicht gleich vollkommen verbrühte, und stieg schließlich ganz in die Wanne. Wie angenehm sich das anfühlte, fast wie zuhause... nein, er sollte besser an etwas anderes denken, sonst bekam er richtig schreckliches Heimweh und das ließ ihn dann nicht wieder los. Zwar hatte er sich zuhause mit seinen Eltern wegen allen möglichen Kleinigkeiten gestritten – deshalb war er auch damals abgehauen und beinahe schon vorher von den Trisets gefangen worden –, aber er konnte nicht leugnen, dass er sie irgendwie vermisste. Auch andere Dinge aus seinem 'langweiligen', geordneten Leben: sein eigenes Zimmer inklusive eigenes Bett und vielen Gegenständen zur Unterhaltung, seine Mitschüler, die ihn öfters wegen seiner allzu großen Naivität und teilweisen Schüchternheit hineingelegt hatten und sogar die Schule, obwohl er sonst immer über sie geschimpft hatte. Aber da hatte man wenigstens etwas machen können und selbst wenn es nur leise Gespräche mit dem Tischnachbar über die neuste Fernsehserie waren. Seufzend tauchte Noevy noch ein Stück tiefer ein; wie lange blieben sie alle wohl noch hier auf dem Mond? Das dauerhafte Nichtstun ging ihm nun schon auf den Geist und er war höchstens seit einer Woche hier. Was würde erst in einem Monat sein? Da wurde man ja verrückt, wenn das so weiterging. War das den Katenha überhaupt klar? Wohl kaum, sonst hätten sie es möglicherweise geändert, immerhin wollten sie ihre 'Besucher' nicht quälen. Zumindest nicht absichtlich. Mit der Flüssigseife, die in einer weißen Porzellanschale auf dem Badewannenrand stand, begann er sich den Körper einzureiben und wusch es am Schluss mit frischem Wasser aus dem Wasserhahn ab. Dasselbe wiederholte er bei seinen Haaren, blieb zur Entspannung noch einige Minuten im Wasser und verließ es dann, um sich abzutrocknen und anzuziehen. Zurück im Hauptraum kam Noevy gerade rechtzeitig zum Abendessen, was ihnen die Katenha vorbeigebracht hatten; inklusive einem Stapel Blätter und Stifte. Das freute Noevy, endlich hatten sie etwas, womit sie sich beschäftigen konnten, obwohl er keinerlei zeichnerisches Talent besaß. „Du bist ja tatsächlich pünktlich da“, meinte Jevo zufrieden und schob ihm eins der Essenstablette entgegen. „Das Essen ist wirklich total abwechslungsreich, das überlebt man kaum.“ Vor ihnen stand der gleiche Tee wie immer und Suppe und Brot, allerdings in anderen Variationen. Das ließ sich aushalten. „Wir dürfen für die Aliens wieder Bilder malen“, grummelte Turil wenig begeistert und riss sein Brot in kleine Stückchen, um es in der Suppe untergehen zu lassen. „Sei froh, dass wir überhaupt was zu tun haben“, entgegnete Virila automatisch, „sonst zoffst du dich wieder stundenlang mit Muri. Das kann man kaum ertragen.“ „Was soll man denen denn malen?“, erkundigte sich Noevy vorsichtig. Wenn die Katenha irgendetwas Großartiges von ihm erwartete, musste er sie leider enttäuschen, dazu war er nicht in der Lage. „Ach, einfach das, was du kannst. Sie analysieren es dann wahrscheinlich, um noch mehr über die 'menschliche Gefühlswelt' zu erfahren. Ninia malt meistens Strichmännchen und Fear schreibt Beleidigungen auf die Blätter.“ Sejena lächelte ihm aufmunternd zu. Also wollten sie keine ausstellungsreifen Kunstwerke von ihm, sehr gut. Nach dem Abendessen schnappte sich jeder Stift und Papier, setzte sich in einen Kreis in der Mitte des Raums und fing an, die Blätter nach seinem Geschmack zu verschönern: Muri malte einen großen blauen Tannenbaum mit jeder Menge Geschenke in allen vorhandenen Farben darunter, Noevy viele kleine Schmetterlinge mit verschiedenen eckigen Muster auf den Flügeln, Jevo und Sejena kreierten gemeinsam eine riesige bunte Blumenwiese, Turil, Ninia und Virila spielten Galgenmännchen, Fear kritzelte auf ihrem Blatt herum, bis es begann einzureißen und Jassin ließ niemanden seine Zeichnung ansehen, als könnte ihm derjenige die Ideen klauen. Sogar bei Ninia machte er keine Ausnahme. Irgendwann wurde es Zeit zum Schlafen, denn das rote Licht wurde schwächer, sodass sie bald nicht mehr genug sahen und sich auf die Matratzen zurückzogen. Zwar fühlte sich Noevy ein bisschen eingezwängt von Jevo auf der einen und Turil, dessen Ellbogen ihm störend gegen die Hüfte drückte, auf der anderen Seite. Wegrücken konnte er allerdings nicht, sonst gerieten er und Muri sich ein weiteres Mal ins Gehege, denn sie durfte auch nicht einfach den anderen Mädchen den Platz wegnehmen. Komplizierte Situation. Aber Beschwerden halfen hier nichts – höchstens beschleunigten sie eine schlaflose Nacht auf dem Boden –, also rutschte Noevy noch ein kleines Stück in Jevos Richtung, dem das nichts ausmachte, solange er selbst noch genügend Platz für sich selbst bekam. Eigene Betten hatten wirklich unbestreitbare Vorteile. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)