Katenha von Skeru_Seven ================================================================================ Kapitel 6: Treffen ------------------ Das Flüstern ließ ihn erstarren; es kam von Nirgendwo, schien direkt in seinem Kopf zu entstehen. Wurde er nun verrückt? Seine Beine begannen zu zittern, doch er versuchte, sich sofort wieder unter Kontrolle zu bringen. Es half nichts, wenn er nun panisch wurde, er musste sich zusammenreißen und überlegen, wie er Jevo und Noevy zurückholen konnte, obwohl er nicht einmal wusste, wo sie sich befanden. „Hallo, antwortest du mir bitte?“ Die Stimme wurde eindringlicher, sie sprach eindeutig mit ihm. „Meinst du mich?“ Wie erschreckend dünn seine eigene Stimme klang, das passte nicht zu ihm, aber bei dieser anstrengenden Situation war das kein Wunder. „Ja, wen denn sonst?“ Stimmt, jemand anderen sah er nicht, seine Frage war ziemlich überflüssig gewesen. Aber was sollte man zu einer körperlosen Stimme sagen? Leider passierte so ein Gespräch nicht so oft, dass er sich darauf hätte vorbereiten können. „Könntest du mir nun meine Frage beantworten?“ Zwar hörte er es nicht heraus, aber Raven nahm an, dass der Besitzer der Stimme langsam ungeduldig wurde. Zumindest wäre er das schon längst, wenn man ihn fast durchgängig ignoriert hätte. „Ja, ich suche wirklich jemanden. Einen Jungen, ungefähr so groß wie ich, dunkle Haare, nicht besonders schlau im Kopf. Er wurde gerade von einer Frau mitgenommen.“ Wieso erzählte er das? Er bildete sich diese Stimme sicher ein, also konnte sie ihm gar keine Hilfe sein. Er sollte sich lieber ins Bett legen und schlafen und auf Besserung seines geistigen Zustands hoffen. „Das wird problematisch für dich, sie sind nämlich weg, du wirst sie nicht mehr einholen können.“ „Woher willst du das wissen?“ Wollte ihm sein merkwürdiger Gesprächspartner die letzte Hoffnung rauben? Reichte es nicht, dass er schon seinem Bruder nicht hatte helfen können? „Ich habe sie gesehen. Dich sehe ich übrigens auch.“ Blitzartig drehte sich Raven einmal um die eigene Achse und musterte konzentriert die Straße und die umliegenden Häuser, bemerkte allerdings nichts Auffälliges bei beidem. „Wo bist du?“ Er fühlte sich nicht gerade wohl in seiner Haut. „Hier hinten.“ Hinter der kümmerlichen Hecke des gegenüberliegenden Grundstücks regte sich etwas und Raven wich instinktiv zurück, als er 'es' genauer betrachten konnte. Absolut menschlich war es nicht, obwohl zumindest die Proportionen stimmten, ebenso wie die Anzahl von Armen, Beine, Ohren, Augen, Nase und Mund. Nur die extrem dunkelblauen Augen, die dunkelgrünen Haare und die ganz leicht grünlich gefärbte Haut irritierten ihn, genau wie die geringe Größe von höchstens 1,60. Was auch immer dort in seiner Nähe stand, er musste vorsichtig sein; vielleicht hatten sie sich erneut eine Falle ausgedacht. „Was bist du?“ Besonders höflich klang er nicht, aber auf solche Nebensächlichkeiten legte er nun wirklich keinen Wert. „Ein Lebewesen“, antwortete die kleine Gestalt und schritt langsam auf ihn zu. „Ich tu dir schon nichts.“ „Das glaubst du ja selbst nicht. Gib wenigstens zu, dass du zu diesen was weiß ich gehörst und mich mitnehmen willst.“ Was wollte es denn sonst von ihm? Bestimmt nicht die Post vorbeibringen. Es sah suspekt aus, es konnte nicht ungefährlich sein. „Mitnehmen werde ich dich ganz sicher nicht.“ Das Wesen lächelte leicht oder zumindest sah es danach aus. „Aber?“ Die ganze Wahrheit war das nicht, vermutete Raven. „Du bist einer von ihnen.“ Jede Sache hatte irgendeinen Haken. „Teilweise“, gab es zu, „aber sie zählen mich nicht wirklich zu einen von ihnen.“ Beinahe nervös spielte es an seinem einzigen Kleidungsstück herum, einem sehr großes Tuch, dessen Farbe Raven nicht genau einordnen konnte; dunkelbraun oder etwas Ähnliches. „Ich bin nämlich auch ein Mensch.“ „So ein Blödsinn.“ Je weiter das Gespräch voranschritt, desto verwirrter wurde Raven. Nur weil das Etwas menschliche Züge aufwies, durfte es sich nicht einfach als Mensch einstufen. Da könnte ja auch jeder Roboter sich angesprochen fühlen. „Es stimmt aber wirklich.“ „Du kannst sein, was du willst, verschwinde einfach.“ Raven drehte sich um, um wegzugehen, da ihm die ganze Angelegenheit zu abgedreht wurde, doch eine Hand schloss sich um seinen Unterarm und hielt ihn zurück. „Nimm mich mit in dein... Haus“, bat es ihn, „hier draußen ist es so kalt. Bitte.“ Bei der Wenigkeit an Kleidung – dieses Tuch konnte man kaum als etwas derartiges bezeichnen – hätte wohl jeder gefroren; zusätzlich lagerte sich mit der Zeit dieser Nebel auf allem ab und so wie es glänzte, musste es schon eine Weile im Freien gewesen sein. Außer dieser Glanz gehörte zu seinem normalen, äußeren Erscheinungsbild. „Und wenn du gar nicht so harmlos bist, wie du tust?“, fragte Raven misstrauisch und versuchte, die störende Hand abzuschütteln, was ihm nicht gelang; der andere ließ nicht locker. „Ich habe vorhin lange genug Zeit gehabt, dir irgendetwas anzutun. Habe ich aber nicht. Außerdem könnte ich dir helfen, diesen Jungen hier her zu bringen und dir noch ein paar interessante Dinge erzählen.“ „Na gut“, seufzte Raven ergeben, „aber wenn du irgendetwas machst, was mir nicht passt, gehst du.“ Fast dasselbe hatte er auch Noevy gesagt, mal sehen, ob sich sein neuer Gast daran hielt. Bald konnte er eine Station für hilfsbedürftige kleine Kinder und andere schlimme Wesen eröffnen, wenn er noch mehr selbsternannte Gäste aufsammelte. Wo war seine gefürchtete Ignoranz anderen gegenüber, wenn er sie einmal wirklich brauchte? „Danke.“ Es lächelte ein weiteres Mal zurückhaltend, zog die Hand zurück und tappte neben Raven her, der es prüfend von der Seite musterte, bevor er das Wesen vorsichtig in seine Wohnung schob, sich schnell umblickte und schließlich die Tür schloss. Er war eindeutig wahnsinnig geworden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)